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Autor: Grzegorz Kucharczyk, Die lange Geschichte der Kulturkämpfe (1. Teil) Die Liberalen proklamierten die Parole der „Trennung von Kirche und Staat“, doch die Politik, die sie im Grunde genommen betrieben, führte nicht zur Trennung, sondern zur Unterordnung der Kirche im („modernen“ – also weltlichen) Staat … Eine starke Regierung – die alte Liebe der LiberalenDas Projekt des „neuen Menschen“, von den französischen Revolutionären erschaffen und eingeführt, fand im 19. Jahrhundert seine Fortsetzung in den „Kulturkämpfen“, die Europa – von Deutschland bis Portugal – heimsuchten. Diese Bezeichnung stammt übrigens von dem Kulturkampf, den Bismarck in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts in Deutschland entfesselte, und der stark von den deutschen Liberalen unterstützt worden war. Doch nicht nur in Deutschland war für die zeitgenössischen liberalen Politiker der Begriff der Freiheit gleichbedeutend mit dem Aufbau eines sogenannten modernen Staates. Das grundsätzliche Maß dieser „Fortschrittlichkeit“ war der bedingungslose Krieg gegen die katholische Kirche, die man als Verkörperung „des Obskurantismus Der deutsche Kulturkampf – das Bündnis Bismarcks und der LiberalenDer Prozess der Vereinigung Deutschlands entstand durch die Siege der mehrheitlich protestantischen Preußen über die katholischen Länder Österreich (1866) und Frankreich (1870). Dies führte wiederum dazu, dass in vielen liberalen und protestantischen Kreisen die Feststellung aufkam, das neue Deutsche Reich habe nicht nur die Überlegenheit der preußischen Waffengewalt, sondern auch die Hoheit der protestantischen Kultur über die rückständige, veraltete katholische Kultur erwiesen. Die größten zeitgenössischen deutschen Historiker wie beispielsweise G. Droysen, H. Sybel, H. Treitschke schrieben darüber. Für sie waren die Siege Preußens bei Sadowa und Sedan gleichzeitig Siege des „Geistes aus dem Jahr 1517“ (also des Reformationsgeistes) über den „römischen Geist“. In der liberalen und protestantischen Presse sprach man davon, dass im Jahre 1871 das „evangelische Reich deutscher Nation“ entstanden war, im Unterschied zu dem bis zum Jahr 1806 bestehenden katholischen Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Die Logik der Liberalen war einfach: Wenn schon der preußische (deutsche) Staat auf den Schlachtfeldern seine Überlegenheit über die „Römerlein“ (so bezeichnete man in diesen Kreisen verächtlich die Katholiken) bewiesen hatte, dann musste alles dafür getan werden, um das deutsche Vaterland vor der Bedrohung zu retten, die ihm seitens des „verderblichen römischen Geistes“ drohte, und zusätzlich das vereinte Deutschland mit der „höheren“ (sprich protestantischen und liberalen) Kultur zu durchtränken. So drückte es im preußischen Parlament Rudolf Vichrow, der Schöpfer des Begriffes „Kulturkampf“, einer der Begründer der deutschen Physiologie und liberaler Abgeordneter, im Jahre 1872 aus: „Wir müssen uns all dem widersetzen, was nicht deutsch, sondern römisch und ultramontan ist […]; Ich betrachte dies als eine wirkliche Aufgabe, die sich in unseren Zeiten stellt, um dieses fremde Wesen zu besiegen, das sich uns aufdrängt, das sich in Gestalt dieser Fraktion [des katholischen „Zentrum“ – Anm. d. Verf.] als Fremdkörper in unserem Parlament offenbart.“ Die ideologische Vernarrtheit der Liberalen traf auf ein ganz konkretes politisches Interesse Bismarcks, dem es um eine bedeutende Schwächung des politischen Katholizismus in Deutschland sowie der Kirche selbst ging. Eine ganze Reihe von Gesetzen, die den Charakter einer Notstandsgesetzgebung hatten, und die in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts durch den preußischen Landtag sowie den deutschen Reichstag verabschiedet wurden, verordnete die systematische Entfernung der Kirche aus dem Erziehungssystem, bei gleichzeitiger tief greifender Einmischung des Staates in die innere Autonomie der Kirche (angefangen bei der Auflösung der meisten Klöster, bis hin zum Eingreifen in die Formation der Priesterkandidaten). Zum Ende der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts war die Mehrheit der katholischen Bischöfe in Preußen – dem größten Land des Reiches, welches sich vom Rhein bis an den Pregel erstreckte – entweder in Gefangenschaft oder verjagt, und Hunderte von Pfarreien blieben ohne Seelsorger (dies bedeutete für die Einwohner, dass man sie des Rechts auf ein kirchliches Begräbnis oder eine kirchliche Trauung beraubt hatte). In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts zog Bismarck die restriktivsten Unterdrückungen gegen die Kirche zurück, man kann jedoch nicht von einer völligen Abkehr von der Logik des antikatholischen „Kulturkampfes“ sprechen. So war beispielsweise noch bis zum Jahr 1917 im ganzen Reich ein Gesetz in Kraft, welches es den Jesuiten, auch wenn es Deutsche waren, nicht erlaubte, sich auf deutschem Gebiet aufzuhalten. In den von den Preußen annektierten polnischen Gebieten äußerte sich der Kulturkampf zusätzlich darin, dass man der polnischen Bevölkerung die deutsche Kultur aufdrücken wollte. Die preußischen Machthaber (Bismarck selbst) waren sich darüber im Klaren, dass die Kirche an der Warthe und Weichsel die Rolle eines Verwalters der polnischen nationalen Traditionen, der Sprache und Kultur, inne hatte. Der „Eiserne Kanzler“ konnte sich jedoch selbst davon überzeugen, dass sich die „polnisch sprechenden Preußen“ – wie er die Polen in den annektierten Gebieten nannte – entschieden für die verfolgte Kirche aussprachen. Sie harrten nicht nur an der Seite ihrer Pfarrer aus, die von preußischen Gendarmen aus ihren Gemeinden hinausgetrieben wurden, sondern auch bei dem verhafteten Erzbischof Mieczyslaw Ledochowski der Diözese Posen-Gnesen. Die Niederlage von Bismarcks Kulturkampf in den annektierten Gebieten hatte einen großen Anteil an der Erweckung der nationalen Identität in allen polnischen Gesellschaftsschichten, die in Preußen lebten. Antikirchliche Verleumdungskampagnen in der III. RepublikBismarcks Kulturkampf fand sehr schnell Nachahmer in Frankreich, welches seit dem Jahre 1875 wieder eine Republik geworden war. Im Jahre 1876 erlangten die Liberalen jedweder Richtung die Mehrheit im französischen Parlament – vereint in einer großen „Diözese ohne Grenzen“ (das bedeutet in Freimaurerlogen). Unverzüglich begannen sie mit der Verabschiedung antikatholischer Gesetze. In den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts betrafen diese Gesetze, dem deutschen Beispiel folgend, vor allem die Unterbindung kirchlicher Einflüsse auf die Erziehung der jungen Franzosen. Man beschloss, dass das Bildungswesen von nun an allgemein, kostenlos und weltlich (also antikatholisch) sein sollte. Dementsprechend gestaltete man auch die Schulbücher. Sie sollten die Ideologie widerspiegeln, die den Schöpfern des forcierten Laizismus-Programms für Frankreich vorschwebte. Diese Ideologie beruhte auf der Annahme der Existenz zweier „Frankreiche“. Das erste Frankreich – das rückständige, „in der kirchlichen Vorhalle steckende“ Frankreich der Kreuzzüge, der St. Bartholomäusnacht und des Sonnenkönigs – sowie das zweite Frankreich, das fortschrittliche und zivilisierte, dessen Gründungsakt die Französische Revolution und die Ausrufung der I. Republik im Jahr 1792 darstellten. Zur Verwirklichung dieses ideologischen Ziels war es notwendig, die grundsätzlichen bürgerlichen Freiheiten zu opfern. „Eine Person, die sich aus freiem Willen von der Gesellschaft separiert und ein Gelübde abgibt, dass sie mit dieser nichts zu tun haben will, kann kein Lehrer sein. (…) In dem Augenblick, in dem die bürgerliche Person verschwindet, verschwinden ebenso ihre bürgerlichen Rechte“ – diese Meinung vertrat der in den Jahren 1902 – 1905 amtierende Premierminister Frankreichs Justin Louis Émile Combes, der eine besonders drastische Laizismus-Politik verwirklichte. Man schloss damals massenweise katholische Schulen und entfernte die Klöster aus Frankreich. In vielen Fällen nahm die „antikatholische Fixierung des Herrn Combes“ (wie man dessen Politik in der ausländischen Presse bezeichnete) die Form massiver Polizei- und Gendarmerieeinsätze oder regelrechter Klosterbelagerungen an, da die Ordenshäuser von treuen Gläubigen verteidigt wurden, die diese Gebäude mit einer Art lebendiger Mauer umgaben. Sehr aussagekräftig war auch der Schrei „Es lebe die Freiheit!“, der stets die Ordensleute begleitete, die von Gläubigen in die Verbannung begleitet wurden. Wie schon bemerkt, sollten Fortschritt und Zivilisation mit „Blut und Eisen“ eingeführt werden. Auch um den Preis der Bespitzelung „andersdenkender“ Bürger. Combes verließ sein Amt im Jahre 1905 im Schatten eines Skandals aufgrund der sogenannten „Affaire des Fiches“. Es ging darum, dass der Premierminister angefangen hatte, vertrauliche Daten über die Offiziere der französischen Armee zu sammeln. Vom Sicherheitsstandpunkt des laizistischen Staates aus gesehen, war es wichtig gewesen zu wissen, ob die Offiziere zur Heiligen Messe gingen, ob sie ihre Kinder in katholische Schulen schickten, ob sie Geistliche in ihren Familien hatten. Um es noch kurioser zu machen – die Aufgabe, diese Angaben zu sammeln, die man auf besonderen Zetteln festhielt, übertrug man Freimaurerlogen. Diejenigen Offiziere, die man aufgrund dieser Notizen als „Klerikale“ einstufte (weil sie beispielsweise sonntags in die Kirche gingen), wurden nicht befördert. Nachdem Combes im Jahre 1905 sein Amt verlassen hatte, gelang es der liberalen Mehrheit im französischen Parlament, ein Gesetz über die Trennung von Staat und Kirche durchzubringen. Dieses Gesetz bestätigte die bisherigen „Errungenschaften“ der laizistischen Republik und beschloss zusätzlich, dass alle kirchlichen Besitztümer (darunter auch sakrale Gebäude) zum Staatseigentum werden. Die Heiligtümer sollten von speziellen „Kultusgesellschaften“ verwaltet werden, und jeder Bürger (auch Atheisten) konnte deren Mitglied werden. Bevor diese Gesellschaften die Kirchen übernehmen konnten, führte der laizistische Staat in den Jahren 1906 – 1907 die sogenannte Inventarisation des kirchlichen Besitzes durch. Die Beamten wollten mit Unterstützung der Gendarmerie alles in der Kirche, den Inhalt des Tabernakels mit eingeschlossen, inventarisieren. In vielen Ortschaften Frankreichs bildeten die Gläubigen deshalb lebendige Mauern um ihre Kirchen, denen aufgrund solch einer „Inventarisation“ ganz einfach eine Kirchenschändung drohte. Unter den Beschützern der Kirche vor den Funktionären des laizistischen Staates gab es auch Todesopfer. Das antikatholische Antlitz des „Risorgimento“In den romanischen Ländern war der liberale „Kulturkampf“ ein Prozess, der sich über Jahrzehnte hinzog und nach 1850 begann. Auf der apenninischen Halbinsel fand er zusammen mit der politischen Vereinigung Italiens durch den Anschluss weiterer Länder (darunter des über tausend Jahre lang bestehenden Kirchenstaates) an den Piemont statt. Dieses Unterfangen wurde seit den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts vom Premierminister des Piemonts, Emilio Cavour, geleitet. Dieser liberale Politiker (und Freimaurer) war nicht nur verantwortlich für einen vermehrten Einfluss seines Landes innerhalb Italiens. Er erfand auch das Motto „eine freie Kirche in einem freien Staat“, welches zu seiner Devise bei den Beziehungen zwischen Kirche und Staat wurde. Wenn man sich jedoch die konkreten politischen Entscheidungen anschaut, die Carvour und seine Nachfolger in diesem Bereich nach der endgültigen Vereinigung Italiens im Jahre 1871 trafen, dann kann man feststellen, dass es sich um leere Phrasen handelte. In der Regierungszeit Carvours, 1850 bis 1855, führte man im Piemont eine breit angelegte Auflösungsaktion der Klöster sowie die Übernahme der kirchlichen Besitztümer durch den Staat durch. Wie es bei den Befürwortern der Trennung von Kirche und Staat immer der Fall war, ging es in Wirklichkeit um die Trennung der Kirche von ihrem Besitz. Diese Politik wurde, wie bereits erwähnt, nach der Vereinigung Italiens fortgeführt. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts beobachteten die verschiedenen Regierungen Italiens den deutschen Kulturkampf genau und verpflanzten seine „Errungenschaften“ jenseits der Alpen, indem sie beispielsweise obligatorische zivile Trauungen einführten und die Kirche aus dem Erziehungssystem verbannten. Das Risorgimento-Programm (d.h. die politische Vereinigung Italiens) war von einem tief greifenden Antikatholizismus gekennzeichnet, vor allem von einer Abneigung gegen die Päpste. Die Führer des Risorgimento, oft Köhler oder Freimaurer, erhoben im 19. Jahrhundert Vorwürfe gegen die Päpste wegen einer angeblich antipatriotischen Einstellung. Es ging darum, dass die Päpste sich nicht an dem Vereinigungskrieg beteiligen wollten, denn dies hätte bedeutet, dass der Bischof Roms zu einem Krieg gegen das katholische Österreich oder gegen die katholische Monarchie der sizilianischen Bourbonen hätte aufrufen müssen. Dies war verständlicherweise für jeden Papst sowohl undenkbar als auch undurchführbar. Der „Kulturkampf“ auf der Iberischen HalbinselHinter den Pyrenäen begann in Portugal im Jahre 1910 die von den Machthabern verwirklichte Laizisierung. Der Sturz der Monarchie durch einen militärischen Staatsstreich legte die Regierung in diesem Land in die Hände antikatholisch eingestellter, republikanischer Politiker, die kurz nach der Regierungsübernahme begannen, ihre eigene Version des „Kulturkampfes“ zu verwirklichen. In Portugal war Alfonso Costa der Hauptarchitekt und Ausführer. Er machte keinen Hehl daraus, dass ihn die Person und die Politik des französischen Premierministers E. Combes faszinierten (daher nannte man ihn auch den „kleinen Combes“, er war auch wie jener ein Freimaurer). Bereits im Jahre 1910 verjagte man die meisten Orden aus Portugal (zuerst traf es die Jesuiten, die wahre „bête noire“ aller Laizisatoren), beschlagnahmte die kirchlichen Besitztümer, verbannte die Priester aus der Armee und den Krankenhäusern und entfernte die Kreuze aus allen öffentlichen Gebäuden. Man verbot sogar den sogenannten „aufsehenerregenden Kult“ und drohte mit Gefängnisstrafen dafür. Dieser Paragraf wurde auf alle Prozessionen (beispielsweise die Fronleichnamsprozession) angewandt, aber auch auf das öffentliche Beten des Rosenkranzes. Im Jahre 1911 beschloss man, dem französischen Beispiel folgend, die formale Trennung der Kirche vom Staat durchzuführen. Proteste seitens der Kirche wurden brutal niedergeschlagen. Zum Ende des Jahres 1911 hin gab es in Portugal keinen einzigen Bischof mehr. Alle, mit dem Patriarchen von Lissabon an der Spitze, wurden von den republikanischen Machthabern davongejagt. Die Erscheinung der Muttergottes in Fatima war deshalb ein doppeltes Wunder, denn Maria rief durch ihre Ermunterung zum Rosenkranzbeten zu einer von der laizistischen Regierung verbotenen Tat auf. Dies erklärt auch die Bemühungen der Machthaber, die Erscheinungen in Fatima zu minimalisieren, lächerlich zu machen und zu verleugnen. In Spanien begann die radikale antikatholische Politik mit der Verkündigung der Republik im Jahre 1931. Die Vorgehensweise unterschied sich von den hier bereits erwähnten Beispielen nicht (Auflösung der Klöster, Beschlagnahmung der kirchlichen Besitztümer, Laizisierung des Schulwesens). Mit dem Jahr 1936 trat die „Politik der Trennung“ jedoch in eine neue Phase – die physische Extermination der Gläubigen (angefangen bei Bischöfen und Priestern; in den Jahren 1936 – 1939 verloren insgesamt siebentausend Geistliche ihr Leben). Die Verfolgungen der spanischen Kirche in den Jahren 1936 – 1939 sollte man jedoch als einen Abschnitt der kommunistischen Version in der Laizisierungspolitik betrachten. Die Politik Zappateros knüpfte an das Erbe des republikanischen „Kulturkampfes“ vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Spanien an. G. Kucharczyk Die lange Geschichte der Kulturkämpfe (1. Teil) Veröffentlicht mit Zustimmung des "Liebt einander!" im März 2016. Lesen Sie mehr Christian Artikel (Deutsch)
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