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Katechismus der Katholischen Kirche /
Vierter Teil: Das Christliche Gebet
Erster Abschnitt - Das Gebet Im Christlichen Leben
Drittes Kapitel - Das Gebetsleben
2697 Das Gebet ist das Leben des neuen Herzens. Es muß uns immerzu beseelen.
Wir vergessen aber den, der unser Leben und unser Alles ist. Darum bestehen
die geistlichen Väter im Anschluß an das Buch Deuteronomium und die Propheten
auf dem Gebet als einer „Erinnerung an Gott", einem häufigen Wachrufen
des „Gedächtnisses des Herzens". „Man soll sich häufiger an Gott
erinnern als man atmet" (Gregor v. Nazianz, or. theol. 1,4). Aber
man kann nicht „jederzeit" beten, wenn man nicht zu gewissen Zeiten
bewußt betet. Diese Augenblicke sind dann in ihrer Tiefe und Dauer Höhepunkte
christlichen Betens.
2698 Die Überlieferung der Kirche bietet den Gläubigen sich regelmäßig
wiederholende Gebete an, um das ständige Gebet zu fördern. Einige davon
sind tägliche Gebete, z. B. das Morgen - und das Abendgebet, das Gebet
vor und nach den Mahlzeiten und das Stundengebet. Der Sonntag mit seiner
Ausrichtung auf die Eucharistie wird besonders durch das Gebet geheiligt.
Das Kirchenjahr mit seinen großen Festen ist das zeitliche Grundmaß im
Gebetsieben der Christen.
2699 Der Herr führt alle Menschen auf den Wegen und auf die Weise, die
ihm gefallen. Jeder Gläubige antwortet ihm nach dem Entschluß seines Herzens
und mit den persönlichen Ausdrucksformen seines Betens. Die christliche
Überlieferung pflegt jedoch drei Hauptausdrucksformen des Gebetslebens:
das mündliche, das betrachtende und das innere Gebet. Die Sammlung des
Herzens ist ihr gemeinsamer Grundzug. Die Wachsamkeit, die das Wort Gottes
bewahrt und in seiner Gegenwart bleiben läßt, macht aus jenen drei Ausdrucksformen
Höhepunkte des Lebens aus dem Gebet.
Artikel 7
Formen Des Gebetes
I. Mündliches Gebet
2700 Gott spricht zum Menschen durch sein Wort. Durch innerliche oder
ausgesprochene Worte nimmt unser Gebet Gestalt an. Aber das wichtigste
ist die Gegenwart des Herzens bei dem, zu welchem wir im Gebet sprechen.
„Ob unser Gebet erhört wird, hängt nicht von der Menge der Worte, sondern
von der Inbrunst unserer Seele ab" (Johannes Chrysostomus, ed. 2).
2701 Das mündliche Gebet gehört unverzichtbar zum christlichen Leben.
Christus lehrt die Jünger, die sich vom stillen Gebet ihres Meisters angezogen
fühlen, ein Gebet sprechen: das Vaterunser. Jesus hat nicht nur die liturgischen
Gebete der Synagoge gebetet, sondern auch seine Stimme erhoben, um seinem
persönlichen Beten Ausdruck zu geben, wie uns die Evangelien zeigen. Diese
seine Gebete reichen vom jubelnden Lobpreis des Vaters [Vgl. Mt 1.1,25-26]
bis zur Bitte in der Todesangst von Getsemani [Vgl. Mk 14,36.].
2702 Das Bedürfnis, die äußeren Sinne am inneren Beten zu beteiligen,
entspricht einer Forderung unserer menschlichen Natur. Wir sind Leib und
Geist und empfinden das Bedürfnis, unsere Gefühle nach außen kundzutun.
Wir müssen mit unserem ganzen Wesen beten, um unserem Flehen möglichst
viel Kraft zu verleihen.
2703 Dieses Bedürfnis entspricht auch einer göttlichen Forderung. Gott
sucht Anbeter im Geist und in der Wahrheit und folglich das Gebet, das
voll Leben aus der Tiefe der Seele emporsteigt. Gott will aber auch, daß
das Gebet ausgedrückt und so der Leib mit dem inneren Beten vereinigt
wird. Dieses Gebet bringt Gott jene vollkommene Ehrerbietung dar, auf
die er Anspruch hat.
2704 Weil das mündliche Gebet nach außen gerichtet und so vollkommen
menschlich ist, ist es in erster Linie ein Gebet des Volkes. Aber auch
das innerliche Beten darf das mündliche Gebet nicht vernachlässigen. Das
Gebet wird in dem Maß innerlich, in dem wir uns bewußt werden, „zu wem
wir sprechen" (Theresia v. Jesus, cam. 26). Damit wird das mündliche
Gebet zu einer ersten Weise inneren Betens.
II. Betrachtendes Gebet
2705 Das betrachtende Gebet, die Meditation, ist vor allem ein Suchen.
Der Geist sucht das Warum und das Wie des christlichen Lebens zu erfassen,
um dem, was der Herr verlangt, zustimmen und antworten zu können. Dazu
bedarf es der Aufmerksamkeit, die sich aber nur schwer beherrschen läßt.
Man nimmt gewöhnlich ein Buch zu Hilfe. Die christliche Überlieferung
bietet eine reiche Auswahl: die Heilige Schrift, besonders die Evangelien,
Ikonen, die für den Tag vorgesehenen liturgischen Texte, die Schriften
der geistlichen Väter, das geistliche Schrifttum, das große Buch der Schöpfung
und jenes der Geschichte, besonders die Seite, die heute aufgeschlagen
ist.
2706 Über Gelesenes nachsinnen heißt, diesem begegnen und es sich aneignen.
So wird das Buch des Lebens aufgeschlagen: Dies ist der Übergang von den
Gedanken zur Wirklichkeit. Der Demut und dem Glauben entsprechend werden
darin die Bewegungen des Herzens wahrgenommen und beurteilt. Man muß die
Wahrheit tun, um zum Licht zu kommen. „Herr, was willst du? Was soll ich
tun?"
2707 Die Methoden betrachtenden Gebetes sind so unterschiedlich wie die
geistlichen Lehrer. Ein Christ soll regelmäßig meditieren. Andernfalls
gleicht er dem Weg, dem felsigen oder dem dornenüberwachsenen Boden aus
dem Gleichnis vom Sämann [Vgl. Mk 4,4-.7.15-19]. Eine Methode aber ist
nur ein Führer. So ist es wichtig, mit dem Heiligen Geist auf Christus
Jesus, dem einzigen Weg des Gebetes, voranzuschreiten.
2708 Das betrachtende Gebet macht vom Denken, von der Einbildungskraft,
von der Gefühlsbewegung und vom Verlangen Gebrauch. Dieser Einsatz ist
notwendig, um die Wahrheiten des Glaubens zu vertiefen, die Umkehr des
Herzens anzuregen und den Willen zur Nachfolge Christi zu stärken. Das
christliche Gebet bemüht sich vor allem, über die „Mysterien Christi"
nachzusinnen, wie das bei der Schriftlesung, der „lectio divina",
und beim Rosenkranz geschieht. Diese Form betenden Nachdenkens ist von
großem Wert; aber das christliche Gebet soll noch mehr erstreben: die
liebende Erkenntnis Christi und die Vereinigung mit ihm.
III. Inneres Gebet
2709 Was ist inneres Gebet? Die hl. Theresia von Jesus antwortet: „Meiner
Ansicht nach ist das innere Gebet nichts anderes als ein freundschaftlicher
Umgang, bei dem wir oftmals ganz allein mit dem reden, von dem wir wissen,
daß er uns liebt" (vida 8,5).
Das innere Gebet sucht den, „den meine Seele liebt" (Hld 1,7) [Vgl.
Hld 3,1-4.]: Jesus, und in ihm den Vater. Wir suchen nach ihm, weil das
Verlangen nach ihm der Beginn der Liebe zu ihm ist. Wir suchen nach ihm
in reinem Glauben, in dem Glauben, der uns aus ihm geboren sein und in
ihm leben läßt. Man kann auch im inneren Gebet noch meditieren, doch richtet
sich der Blick bereits auf den Herrn.
2710 Die Wahl der Zeit und die Dauer des inneren Gebetes beruhen auf
einem entschlossenen Wollen, in dem sich das Verborgene des Herzens offenbart.
Man betet nicht, wenn man Zeit hat, sondern man nimmt sich die Zeit, um
für den Herrn da zu sein. Man tut dies mit dem festen Entschluß, ihm diese
Zeit nicht wieder wegzunehmen, auch wenn die Begegnung mühevoll und trocken
sein mag. Man kann nicht immer meditieren. Es ist jedoch immer möglich,
in das innere Gebet einzutreten, unabhängig von Gesundheitszustand, Arbeitsbedingungen
und Gemütslage. In Armut und im Glauben ist das Herz der Ort der Suche
und der Begegnung.
2711 Der Eintritt in das innere Gebet ist der Eröffnung der Eucharistiefeier
vergleichbar: Unter dem Antrieb des Heiligen Geistes „sammeln" wir
unser Herz und unser ganzes Wesen, leben wir bewußt in der Wohnung des
Herrn, die wir selbst sind, und beleben wir den Glauben, um in die Gegenwart
dessen einzutreten, der uns erwartet. Wir lassen unsere Masken fallen
und wenden unser Herz wieder dem uns liebenden Herrn zu, um uns ihm als
eine Opfergabe, die gereinigt und verwandelt werden soll, zu übergeben.
2712 Das innere Gebet ist das Gebet des Kindes Gottes, des Sünders, der
Vergebung gefunden hat und gewillt ist, die Liebe, mit der er geliebt
wird, zu empfangen, und sie durch noch größere Liebe zu erwidern [Vgl.
Lk 7,36-50; 19,1-10]. Aber er weiß, daß seine Gegenliebe vom Heiligen
Geist stammt, der sie seinem Herzen eingießt. Denn alles ist Gnade von
Gott her. Das innere Gebet ist demütige und arme Hingabe an den liebenden
Willen des Vaters in immer tieferer Vereinigung mit seinem geliebten Sohn.
2713 So ist das innere Gebet der einfachste Ausdruck des Mysteriums des
Betens. Es ist ein Geschenk und eine Gnade, die nur in Demut und Armut
empfangen werden kann. Das innere Gebet ist eine Beziehung des Bundes,
die Gott in den Grund unseres Wesens gesenkt hat [Vgl. Jer 31,33.]. Es
ist eine Gemeinschaft, in der die heiligste Dreifaltigkeit den Menschen,
das Abbild Gottes, sich „ähnlich" gestaltet.
2714 Das innere Gebet ist der Höhepunkt des Betens überhaupt. In ihm
rüstet uns der Vater durch seinen Geist mit Kraft aus, damit in uns der
„innere Mensch" gestärkt werde, Christus durch den Glauben in unseren
Herzen wohne und wir „in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet"
seien (Eph 3,16-17).
2715 Die „Beschauung" [Kontemplation] ist gläubiges Hinschauen auf
Jesus. „Ich schaue ihn an, und er schaut mich an", sagte ein Bauer
von Ars, der vor dem Tabernakel betete, zu seinem heiligen Pfarrer. Dieses
aufmerksame Schauen auf Jesus ist Verzicht auf das „Ich", denn der
Blick Jesu reinigt das Herz. Das Licht seines Antlitzes erleuchtet die
Augen unseres Herzens und läßt uns alles im Licht seiner Wahrheit und
seines Mitleids mit allen Menschen sehen. Die Kontemplation sieht auf
die Mysterien des Lebens Christi und lernt auf diese Weise „die innere
Erkenntnis des Herrn", um ihn mehr zu lieben und ihm besser nachzufolgen
[Vgl. lgnatius. ex. spir. 104].
2716 Das innere Gebet ist Hören auf das Wort Gottes. Dieses Hören ist
keineswegs untätig, sondern ist ein Gehorchen des Glaubens, ein bedingungsloses
Empfangen des Knechtes und liebendes Einwilligen des Kindes. Es nimmt
teil am „Ja" des Sohnes, der Knecht geworden ist, und am „Fiat"
der demütigen Magd des Herrn.
2717 Das innere Gebet ist Schweigen. Es ist „Symbol der kommenden Welt"
(Isaak v. Ninive, tract. myst. 66) und „schweigsame Liebe" (Johannes
vom Kreuz). Beim inneren Gebet sind die Worte kein langes Reden, sie sind
wie Reisig, das das Feuer der Liebe anfacht. In diesem für den „äußeren"
Menschen unerträglichen Schweigen spricht der Vater zu uns sein menschgewordenes
Wort, das für uns leidet, stirbt und aufersteht; der Geist der Sohnschaft
läßt uns am Beten Jesu teilnehmen.
2718 Insofern das innere Gebet am Mysterium Christi teilhaben läßt, ist
es Vereinigung mit dem Beten Jesu. Das Mysterium Christi wird von der
Kirche in der Eucharistie gefeiert; im inneren Gebet läßt es der Heilige
Geist aufleben, damit es durch die tätige Liebe offenbar werde.
2719 Das innere Gebet ist eine Gemeinschaft der Liebe. Es trägt Leben
für viele in sich, wenn es einwilligt, in der Nacht des Glaubens zu verharren.
Die österliche Auferstehungsnacht wird durch die Nacht der Todesangst
und jene des Grabes vorbereitet. Diese drei Nächte prägen die Stunde Jesu.
Der Geist Jesu, und nicht das „Fleisch, das schwach ist", läßt diese
Stunde im inneren Gebet verbringen. Es gilt, „eine Stunde" mit ihm
zu wachen [Vgl. Mt 26,40.].
Kurztexte
2720 Die Kirche lädt die Gläubigen zu regelmäßigem Gebet ein zu den täglichen
Gebeten zum Stundengebet zur sonntäglichen Eucharistie und zu den Festen
des Kirchenjahres.
2721 Die christliche Überlieferung kennt drei bedeutende Ausdrucksweisen
des Gebetslebens das mündliche das betrachtende und das innere Gebet Die
Sammlung des Herzens ist ihnen gemeinsam.
2722 Das mündliche Gebet das in der Einheit von Leib und Seele der menschlichen
Natur grundgelegt ist verbindet den Leib mit dem Gebet des Herzens nach
dem Beispiel Jesu der zu seinem Vater betete und seine Junger das Vaterunser
lehrte.
2723 Das betrachtende Gebet die Meditation, ist ein betendes Suchen Es
bezieht das Denken die Einbildungskraft die Gefühlsregung und das Verlangen
mit ein. Es will die gläubige Aneignung des Betrachteten mit der Wirklichkeit
unseres Lebens verbinden.
2724 Das innere Gebet ist der einfache Ausdruck des Mysteriums des Betens.
Es ist ein gläubiger Blick auf Jesus ein Horchen auf das Wort Gottes und
eine schweigsame Liebe. Es vereint mit dem Beten Christi insofern es an
seinem Mysterium teilhaben läßt.
Artikel 8
Kampf Des Betens
2725 Das Gebet ist ein Geschenk der Gnade und eine entschlossene Antwort
unsererseits. Es verlangt immer ein Bemühen. Die großen Beter des Alten
Bundes vor der Zeit Christi wie auch die Mutter Gottes und die Heiligen
lehren uns zusammen mit Jesus, daß Beten Kampf bedeutet. Gegen wen? Gegen
uns selbst und gegen die List des Versuchers, der alles unternimmt, um
den Menschen vom Gebet, von der Vereinigung mit Gott abzuhalten. Wir beten,
wie wir leben, weil wir leben, wie wir beten. Wer nicht stets im Geist
Christi zu handeln gewillt ist, kann auch nicht gewohnt sein, in seinem
Namen zu beten. Der „geistige Kampf" des neuen Lebens des Christen
läßt sich nicht vom Kampf des Betens trennen.
I. Einwände Gegen Das Gebet
2726 Im Kampf des Betens haben wir uns mit falschen Auffassungen über
das Gebet auseinanderzusetzen, die wir in uns selbst und in unserer Umwelt
vorfinden. Manche sehen im Gebet lediglich einen psychologischen Vorgang,
andere ein Bemühen der Sammlung, um zu innerer Leere zu gelangen. Wieder
andere schreiben das Beten in rituellen Haltungen und Worten fest. Viele
Christen sehen unbewußt im Gebet eine Beschäftigung, die sich mit all
dem, was sie zu tun haben, nicht vereinbaren läßt: sie haben keine Zeit.
Und diejenigen, die im Gebet nach Gott suchen, werden schnell entmutigt,
weil sie nicht wissen, daß das Gebet auch vom Heiligen Geist und nicht
allein von ihnen kommt.
2727 Wir haben uns auch den Geisteshaltungen „dieser Welt" zu stellen.
Wenn wir nicht wachsam sind, dringen sie bei uns ein. So etwa die Ansicht,
daß nur das wahr ist, was durch Vernunft und wissenschaft nachgeprüft
werden kann. Dagegen steht aber, daß Beten ein Mysterium ist, das unser
Bewußtes und Unbewußtes übersteigt. Eine andere Ansicht hält nur Produktion
und Gewinn für wertvoll und damit Beten für nutzlos, weil unproduktiv.
Für eine weitere Meinung sind Sinnlichkeit und Bequemlichkeit Maßstab
des Wahren, Guten und Schönen. Dagegen aber will das Gebet, das „Liebe
zur Schönheit" [Philokalie] ist, die Herrlichkeit des lebendigen
und wahren Gottes über alles lieben. Schließlich wird das Gebet aus Angst
vor Betriebsamkeit als Weltflucht dargestellt. Doch ist das christliche
Gebet nicht ein Rückzug aus der Geschichte; es ist auch kein Bruch mit
dem Leben.
2728 Schließlich muß unser Kampf auch dem gelten, was wir als Scheitern
im Gebet erleben. Dazu zählen die Entmutigung angesichts unserer Trockenheit,
die Traurigkeit, Gott nicht alles gegeben zu haben, weil wir „ein großes
Vermögen" haben, die Enttäuschung darüber, nicht unserem eigenen
Willen entsprechend erhört worden zu sein, die Verletzung unseres Stolzes,
der sich in der Erbärmlichkeit des Sünders verhärtet und die Abneigung
dagegen, das Gebet ungeschuldet geschenkt zu erhalten. In jedem Fall stellt
sich die Frage:
Wozu Beten? Um diese Hindernisse zu besiegen, müssen wir um Demut, Vertrauen
und Ausdauer kämpfen.
II. Demütige Wachsamkeit Des Herzens
Schwierigkeiten beim Beten
2729 Oft wird das Beten durch die Zerstreuung erschwert. Beim mündlichen
Gebet kann sie die Worte und deren Sinn betreffen. Sie kann aber auch
tiefergehend denjenigen betreffen, an den wir uns im betrachtenden und
inneren Beten, aber auch im liturgischen und individuellen gesprochenen
Gebet richten. Wollten wir auf die Zerstreuungen Jagd machen, gingen wir
ihnen in die Falle, während wir doch nur zu unserem Herzen zurückzukommen
brauchen. Eine Zerstreuung offenbart uns, woran wir hängen. Sich dessen
demütig vor Gott bewußt werden weckt unsere Liebe, die ihm nichts vorzieht,
wenn wir ihm entschlossen unser Herz schenken, damit er es reinige. Hier
ist der Ort des Kampfes und der Entscheidung, welchem Herrn wir dienen
wollen [Vgl. Mk 10,22].
2730 Der Kampf gegen unser besitz - und herrschsüchtiges Ich besteht
in Wachsamkeit und Nüchternheit. Wenn Jesus auf die Wachsamkeit drängt,
bleibt sie immer auf seine Person und sein Kommen bezogen - am Letzten
Tag und jeden Tag: „Heute". Der Bräutigam kommt mitten in der Nacht;
der Glaube ist das Licht, das nicht erlöschen darf: „Mein Herz denkt an
dein
Wort: Sucht mein Angesicht!" (Ps 27,8).
2731 Eine weitere Schwierigkeit, besonders für jene, die aufrichtig beten
wollen, ist die Trockenheit. Diese gehört zum inneren Gebet, wenn das
Herz von Gott wie getrennt und ohne Verlangen nach geistlichen Gedanken,
Erinnerungen und Gefühlen ist. Dies sind Augenblicke reinen Glaubens,
welcher mit Jesus treu in der Todesangst und im Grab ausharrt. Wenn das
Weizen-korn „stirbt, bringt es reiche Frucht" (Joh 12,24). Falls
die Trockenheit daher rührt, daß das Wort auf Felsen gefallen ist und
darum keine Wurzel schlagen konnte [Vgl. Lk 8,6.13.], gilt es, um die
Bekehrung zu kämpfen.
Versuchungen im Gebet
2732 Die häufigste und verborgenste Versuchung ist unser Mangel an Glauben.
Dieser äußert sich weniger in einem erklärten Unglauben als in der tatsächlichen
Bevorzugung anderer Dinge. Wenn wir zu beten beginnen, stellen sich tausend
Arbeiten und Sorgen, die wir für dringlich halten, alswichtig dar. Dies
ist der Moment, da offenbar wird, wem das Herz den Vorzug gibt. Das eine
Mal wenden wir uns an den Herrn als unsere letzte Hilfe, aber wir sind
nicht immer wirklich von seiner Hilfe überzeugt. Das andere Mal machen
wir den Herrn zu unserem Verbündeten, doch das Herz bleibt überheblich.
In allen diesen Fällen offenbart unser Mangel an Glauben, daß unser Herz
noch nicht demütig genug ist: „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen"
(Joh 15,5).
2733 Eine weitere Versuchung, der die Überheblichkeit die Tür öffnet,
ist der Überdruß. Die Lehrer des geistlichen Lebens verstehen darunter
eine Art Depression. Sie wird durch das Nachlassen in der Askese, das
Schwinden der Wachsamkeit und durch die mangelnde Sorgfalt des Herzens
hervorgerufen. „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach"
(Mt 26,41). Je größer die Höhe, von der man herabfällt, desto mehr verletzt
man sich. Die schmerzliche Entmutigung ist die Kehrseite der Überheblichkeit.
Der Demütige wundert sich nicht über sein Elend. Es bringt ihn dazu, stärker
zu vertrauen und beständig zu bleiben.
III. Kindliches Vertrauen
2734 In der Bedrängnis wird das kindliche Vertrauen geprüft und muß sich
bewähren [Vgl. Röm 5,3-5]. Die größte Schwierigkeit liegt im Bittgebet,
das wir für uns selbst oder für andere fürsprechend vorbringen. Manche
hören sogar auf zu beten, weil sie denken, ihr Gebet werde nicht erhört.
Hier stellen sich zwei Fragen:
Warum denken wir, daß unsere Bitte nicht erhört wird? Wie wird unser
Gebet erhört und „wirksam"?
Warum klagen, wir seien nicht erhört worden?
2735 Eine Feststellung sollte uns zunächst erstaunen. Wenn wir Gott loben
oder ihm für seine Wohltaten im allgemeinen danken, kümmert es uns kaum,
ob unser Gebet ihm angenehm ist. Dagegen verlangen wir aber, das Ergebnis
unserer Bitte zu sehen. Welches Gottesbild veranlaßt uns zu beten? Ist
Gott für uns nur ein brauchbares Mittel oder ist er der Vater unseres
Herrn Jesus Christus?
2736 Können wir mit Überzeugung sagen: „Wir wissen nicht, worum wir in
rechter weise beten sollen" (Röm 8,26)? Bitten wir Gott um „angemessene
Güter"? Unser Vater weiß genau, was wir brauchen, noch bevor wir
ihn darum bitten [Vgl. Mt 6,8]. Er erwartet aber unsere Bitte, weil die
Würde seiner Kinder in ihrer Freiheit liegt. Es ist also nötig, daß wir
mit Gottes Geist der Freiheit beten, um wirklich erkennen zu können, was
sein Wille ist [Vgl. Röm 8,27].
2737 „Ihr erhaltet nichts, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und empfangt
doch nichts, weil ihr in böser Absicht bittet, um es in eurer Leidenschaft
zu verschwenden" (Jak 4,2-3) [Vgl. den ganzen Kontext Jak 4.1-10;
1,5-8; 5,16]. Wenn wir mit einem geteilten Herzen wie „Ehebrecher"
(Jak 4,4) beten, kann Gott uns nicht erhören, denn er will unser Wohl
und unser Leben. „Oder meint ihr, die Schrift sage ohne Grund: Eifersüchtig
sehnt er sich nach dem Geist, den er in uns wohnen ließ" (Jak 4,5).
Unser Gott ist „eifersüchtig" auf uns, was zeigt, daß er uns wahrhaft
liebt. Lassen wir uns in das Verlangen seines Geistes hineinnehmen und
wir werden erhört werden.
„Werde nicht betrübt, wenn du von Gott nicht sogleich das, was du von
ihm erbittest, erhältst. Denn er will dir viel mehr an Gutem erweisen
mit Hilfe deiner Ausdauer, mit der du im Gebet bei ihm verweilst"
(Evagrius, or. 34). „Er will, daß unser Verlangen sich im Gebet bewähre.
So bereitet er uns darauf vor, das zu empfangen, was er uns zu geben
geneigt ist" (Augustinus, ep. 130,8,17).
Wie wird unser Gebet wirksam?
2738 Die Offenbarung des Gebetes in der Heilsordnung lehrt uns, daß der
Glaube sich auf das Wirken Gottes in der Geschichte stützt. Das kindliche
Vertrauen wird vor allem durch sein Handeln im Leiden und in der Auferstehung
seines Sohnes geweckt. Das christliche Gebet wirkt an seiner Vorsehung,
an seinem liebenden Ratschluß für die Menschen mit.
2739 Beim hl. Paulus ist dieses Vertrauen kühn [Vgl. Röm 10, 12-13],
weil es sich auf das Beten des Geistes in uns und auf die treue Liebe
des Vaters, der uns seinen eingeborenen Sohn geschenkt hat [Vgl. Röm 8,
26-39], stützt. Die Verwandlung des betenden Herzens ist die erste Antwort
auf unser Bitten.
2740 Das Beten Jesu macht das christliche Gebet zu einer wirksamen Bitte.
Er ist dessen Vorbild; er betet in uns und mit uns. Wie kann sich das
Herz der als Kinder Gottes Angenommenen mehr an die Gaben als an den Geber
hängen, wenn das Herz des Sohnes nur das sucht, was dem Vater gefällt?
2741 Zudem betet Jesus an unserer Stelle und für uns. Alle unsere Bitten
sind ein für allemal in seinen Schrei am Kreuz hineingenommen und vom
Vater in seiner Auferstehung erhört worden. Deshalb hört Jesus nicht auf,
beim Vater für uns einzutreten‘. Wenn unser Gebet mit dem Vertrauen und
mit der Kühnheit eines Kindes mit dem Gebet Jesu vereint ist, erhalten
wir alles, worum wir in seinem Namen bitten, und noch viel mehr als nur
dieses oder jenes, nämlich den Heiligen Geist selbst, der alle Gaben in
sich birgt.
IV. In Der Liebe Ausharren
2742 „Betet ohne Unterlaß!" (1 Thess 5,17). „Sagt Gott, dem Vater,
jederzeit Dank für alles im Namen Jesu Christi, unseres Herrn!" (Eph
5,20). „Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist;
seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen" (Eph 6,18).
„Es wurde uns nicht vorgeschrieben, beständig zu arbeiten, zu wachen und
zu fasten. Doch ist es für uns ein Gesetz, unablässig zu beten" (Evagrius,
cap. pract. 49). Dieser unermüdliche Eifer kann nur aus der Liebe kommen.
Der Kampf des Gebetes gegen unsere Schwerfälligkeit und Faulheit ist ein
Kampf um eine demütige, vertrauende und beharrliche Liebe. Diese Liebe
öffnet unsere Herzen für drei leuchtende und lebendigmachende Gewißheiten
des Glaubens:
2743 Beten ist immer möglich. Die Zeit des Christen ist die Zeit des
auferstandenen Christus, der zu uns spricht: „Ich bin bei euch alle Tage"
(Mt 28,20), wie groß die Stürme [Vgl. Lk 8,24] auch sein mögen. Unsere
Zeit liegt in Gottes Hand.
„Selbst auf dem Marktplatz oder auf einem einsamen Spaziergang ist
es möglich, oft und eifrig zu beten. Auch dann, wenn ihr in eurem Geschäft
sitzt, oder gerade kauft oder verkauft, ja selbst wenn ihr kocht"
(Johannes Chrysostomus, ed. 2).
2744 Beten ist lebensnotwendig. Der Beweis durch das Gegenteil ist nicht
weniger überzeugend: Wenn wir uns nicht vom Geist leiten lassen, fallen
wir in die Knechtschaft der Sünde [Vgl. Gal 5, 16-25] zurück. Wie kann
der Heilige Geist „unser Leben" sein, wenn unser Herz fern ist von
ihm?
„Nichts ist so wertvoll wie das Gebet: Es macht Unmögliches möglich
und Schweres leicht ... Ein Mensch, der betet, kann unmöglich sündigen"
(Johannes Chrysostomus, Anna 4,5).
„Wer betet, wird sicherlich gerettet; wer nicht betet, verdammt sich
sicherlich" (Alphons v. Liguori, mez.).
2745 Beten und christliches Leben lassen sich nicht trennen. Denn es
handelt sich hier um dieselbe Liebe und denselben Verzicht, der aus der
Liebe hervorgeht; um dieselbe kindliche und liebende Gleichförmigkeit
mit dem liebenden Ratschluß des Vaters; um dieselbe verwandelnde Vereinigung
im Heiligen Geist, die uns Christus Jesus immer mehr gleichgestaltet und
um dieselbe Liebe zu allen Menschen, mit der Jesus uns geliebt hat. „Dann
wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.
Dies trage ich euch auf: Liebt einander!" (Joh 15,16-17).
„Unablässig betet, wer sein Gebet mit Taten, und Taten mit Gebet verbindet.
Nur so können wir der Ansicht sein, daß sich der Grundsatz, jederzeit
zu beten, verwirklichen läßt" (Origenes, or. 12).
Artikel 9
Das Hohepriesterliche Gebet Jesu
2746 Da seine Stunde gekommen ist, betet Jesus zum Vater [Vgl. Joh 17].
Sein Gebet ist das längste, das im Evangelium weitergegeben wird, es umfaßt
die ganze Ökonomie der Schöpfung und des Heiles wie auch Tod und Auferstehung
Jesu. Das Gebet der Stunde Jesu bleibt immer sein Beten, so wie sein „ein
für allemal" geschehenes Pascha in der Liturgie seiner Kirche gegenwärtig
bleibt.
2747 Die christliche Überlieferung nennt es mit Recht das „hohepriesterliche"
Gebet Jesu. Es ist das Gebet unseres Hohenpriesters; es läßt sich nicht
von seinem Opfer trennen, von seinem „Gehen zum Vater" [Pascha],
durch das er dem Vater ganz „geweiht" wird [Vgl. Joh 17,11.13.19].
2748 In diesem österlichen Opfergebet wird in Jesus alles unter ein Haupt
zusammengefaßt [Vgl. Eph 1,10.]: Gott und die Welt; das Wort und das Fleisch;
das ewige Leben und die Zeit; die Liebe, die sich hingibt und die Sünde,
welche die Liebe verrät; die Jünger, die anwesend sind, und die Menschen,
die auf deren Wort hin an ihn glauben werden; die Erniedrigung und die
Erhöhung. Es ist das Gebet der Einheit.
2749 Jesus hat das Werk des Vaters ganz erfüllt, und wie sein Opfer währt
auch sein Gebet bis zum Ende der Zeit. Das Gebet der Stunde erfüllt die
letzten Zeiten und bringt sie ihrer Vollendung entgegen. Jesus ist der
Sohn, dem der Vater alles gegeben hat und der sich ganz dem Vater überantwortet
hat. Zugleich spricht er mit einer erhabenen Freiheit [Vgl. Joh 17,11.13.19.24],
die aus der Macht kommt, die der Vater ihm über alles Fleisch gegeben
hat. Der Sohn, der sich zum Diener gemacht hat, ist der Herr, der Pantokrator
[Aliherrscher]. Unser Hoherpriester, der für uns betet, ist auch der,
der in uns betet; er ist der Gott, der uns erhört.
2750 Wenn wir in den heiligen Namen Jesu, des Herrn, eindringen, können
wir das Vaterunser, das Gebet, das er uns lehrt, von innen her empfangen.
Sein priesterliches Gebet erfüllt die großen Bitten des Vaterunsers von
innen her mit Geist: die Sorge um den Namen des Vaters [Vgl. Joh 17,6.11.12.26],
die Leidenschaft für sein Reich und seine Herrlichkeit [Vgl. Joh 17,1.5.10.23-26],
die Erfüllung des Willens des Vaters, seines Heilsratschlusses [Vgl. Joh
17,2.4.6.9.11.12.24]und die Befreiung vom Bösen [Vgl. Joh 17,15].
2751 In diesem Gebet offenbart und schenkt uns Jesus eine untrennbare
„Erkenntnis" des Vaters und des Sohnes [Vgl. Joh 17,2.4.6.9.11.12.24].
Diese Erkenntnis ist das Geheimnis des Gebetslebens.
Kurztexte
2752 Das Gebet setzt ein Mühen und einen Kampf gegen uns selbst und gegen
die List des Versuchers voraus. Der Kampf des Gebetes ist nicht vom geistlichen
Kampf zu trennen der notwendig ist um mit innerer Beständigkeit aus dem
Geiste Christi zu handeln Wir beten wie wir leben weil wir leben, wie
wir beten.
2753 Im Kampf des Gebetes müssen wir uns falschen Vorstellungen verschiedenen
gängigen Geisteshaltungen und der Erfahrung unseres Scheiterns stellen.
Es ist angebracht diesen Versuchungen die den Nutzen oder die Möglichkeit
des Betens in Zweifel ziehen mit Demut Vertrauen und Ausdauer zu widerstehen.
2754 Die Hauptschwierigkeiten im Gebetleben sind Zerstreuung und Trokkenheit.
Glaube Umkehr und Wachsamkeit des Herzens sind die Heilmittel dagegen.
2755 Zwei häufige Versuchungen bedrohen das Gebet der Mangel an Glauben
und der Überdruß an geistlichen Dingen eine Art Depression die durch das
Nachlassen in der Askese ausgelost wird und zur Entmutigung führt.
2756 Das kindliche Vertrauen wird auf die Probe gestellt wenn wir das
Gefühl [Vgl. Lk 11,2-4] haben nicht immer erhört zu werden. Das Evangelium
lädt ein uns zu fragen ob unser Gebet dem Verlangen des Geistes entspricht.
2757 "Betet ohne Unterlaß!„ (1 Thess 5 17) Beten ist immer möglich
es ist lebensnotwendig Gebet und christliches Leben lassen sich nicht
trennen.
2758 Das Gebet der, Stunde Jesu [Vgl. Joh 17.], das‘ zu Recht das hohepriesterliche
Gebet genannt wird faßt die ganze Ökonomie der Schöpfung und des Heiles
zusammen Sein Geist erfüllt die großen Bitten des Vater unsers.
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Katechismus der Katholischen Kirche Inhalt
Quelle: http://www.vatican.va/
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