Katechismus der Katholischen Kirche /
Dritter Teil: Das Leben In Christus
Zweiter Abschnitt - Die Zehn Gebote
Zweites Kapitel - „Du Sollst Deinen Nächsten
Lieben Wie Dich Selbst"
Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Liebt einander! Wie ich euch geliebt
habe, so sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13,34).
2196 Auf die Frage, welches das erste Gebot sei, antwortete Jesus: „Das
erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum
sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer
Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt
hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes
Gebot ist größer als diese beiden" (Mk 12, 29-31).
Der hl. Apostel Paulus erinnert daran: „Wer den andern liebt, hat das
Gesetz erfüllt. Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst
nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren!, und alle
anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefaßt: Du sollst deinen
Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.
Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes" (Röm 13, 8-10).
Artikel 4
Das Vierte Gebot
„Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land,
das der Herr, dein Gott, dir gibt" (Ex 20,12).
„Er ... war ihnen gehorsam" (Lk 2,51).
Jesus selbst hat an die Geltung dieses „Gebotes Gottes" erinnert
[Vgl. Mk 7,8-13]. Der Apostel lehrt: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern,
wie es vor dem Herrn recht ist. Ehre deinen Vater und deine Mutter: Das
ist ein Hauptgebot, und ihm folgt die Verheißung: damit es dir gut geht
und du lange lebst auf der Erde" (Eph 6, l_3) [Vgl. Dtn 5,16.].
2197 Mit dem vierten Gebot beginnt die zweite Tafel des Dekalogs. Es
weist auf die Ordnung der Liebe hin. Gott hat gewollt, daß wir nach ihm
auch unsere Eltern ehren, denen wir das Leben verdanken und die uns den
Glauben vermittelt haben. Wir sind verpflichtet, alle zu ehren und zu
achten, die Gott zu unserem Wohl mit seiner Autorität ausgestattet hat.
2198 Dieses Gebot ist positiv formuliert; es weist auf Pflichten hin,
die zu erfüllen sind. Es leitet über zu den folgenden Geboten, in denen
gefordert wird, das Leben, die Ehe, die irdischen Güter anderer und das
menschliche Wort zu achten. Es stellt eine der Grundlagen der Soziallehre
der Kirche dar.
2199 Das vierte Gebot wendet sich ausdrücklich an die Kinder und betrifft
ihre Beziehungen zu Vater und ‘Mutter, denn diese ist die grundlegendste
aller Beziehungen. Es schließt auch die Verwandtschaftsbeziehungen mit
den übrigen Familienmitgliedern ein. Es verlangt, den älteren Verwandten
und den Vorfahren Ehre, Liebe und Dank zu erweisen. Schließlich erstreckt
es sich auch auf die Pflichten der Schüler gegenüber dem Lehrer, der Arbeitnehmer
gegenüber den Arbeitgebern, der Untergebenen gegenüber ihren Vorgesetzten,
der Bürger gegenüber ihrem Vaterland und gegenüber denen, die es verwalten
und regieren.
Im weiteren Sinn schließt dieses Gebot auch die Pflichten von Eltern,
Vormündern, Lehrern, Vorgesetzten, Behörden und Regierenden mit ein, all
jener also, die über andere Menschen oder über eine Gemeinschaft Autorität
ausüben.
2200 Mit der Befolgung des vierten Gebotes ist eine Belohnung verbunden:
„Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land,
das der Herr, dein Gott, dir gibt" (Ex 20,12)1. Die Beherzigung
dieses Gebotes bringt neben geistlichen auch zeitliche Früchte, nämlich
Frieden und Wohlergehen. Die Mißachtung dieses Gebotes hingegen zieht
schwere Nachteile für menschliche Gemeinschaften und Einzelpersonen
nach sich.
I. Die Familie im Plane Gottes
Natur der Familie
2201 Die Ehegemeinschaft beruht auf dem Konsens der Gatten, ihrem gegenseitigen
Einverständnis. Ehe und Familie sind auf das Wohl der Gatten sowie auf
die Zeugung und Erziehung von Kindern hinge ordne [Vgl. Dtn 5,16.]. Die
Liebe der Gatten und die Zeugung von Kindern lassen zwischen den Familienmitgliedern
persönliche Beziehungen und grundlegende Verantwortung entstehen.
2202 Ein Mann und eine Frau, die miteinander verheiratet sind, bilden
mit ihren Kindern eine Familie. Diese Gemeinschaft geht jeder Anerkennung
durch die öffentliche Autorität voraus; sie ist ihr vorgegeben. Man muß
sie als die normale Beziehungsgrundlage betrachten, von der aus die verschiedenen
Verwandtschaftsformen zu würdigen sind.
2203 Indem Gott Mann und Frau erschuf, hat er die menschliche Familie
gegründet und ihr die Grundverfassung gegeben. Ihre Glieder sind Personen
gleicher Würde. Zum Gemeinwohl der Familienmitglieder und der Gesellschaft
gibt es in der Familie verschiedene Verantwortungen, Rechte und Pflichten.
Christliche Familie
2204 Die christliche Familie ist eine spezifische Darstellung und Verwirklichung
der kirchlichen Gemeinschaft. Sie kann und muß deshalb auch „Hauskirche"
genannt werden" (FC 21) [Vgl. LG 11]. Sie ist eine Gemeinschaft des
Glaubens, der Hoffnung und der Liebe; wie im Neuen Testament angedeutet
wird [Vgl. Eph 5,21-6,4; Kol 3,18-21; 1 Petr 3,1-7.], kommt ihr in der
Kirche eine einzigartige Bedeutung zu.
2205 Die christliche Familie ist eine Gemeinschaft von Personen, ein
Zeichen und Abbild der Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes im Heiligen
Geist. In der Zeugung und Erziehung von Kindern spiegelt sich das Schöpfungswerk
des Vaters wider. Die Familie ist berufen, am Gebet und am Opfer Christi
teilzunehmen. Das tägliche Gebet und die Lesung des Wortes Gottes stärken
in ihr die Liebe. Die christliche Familie wirkt evangelisierend und missionarisch.
2206 Die Familienbeziehungen bewirken eine besondere gegenseitige Nähe
der Gefühle, Neigungen und Interessen, vor allem, wenn ihre Mitglieder
einander achten. Die Familie ist eine Gemeinschaft mit besonderen Vorzügen:
sie ist berufen, „herzliche Seelengemeinschaft, gemeinsame Beratung der
Gatten und sorgfältige Zusammenarbeit der Eltern bei der Erziehung der
Kinder" zu verwirklichen (GS 52,1).
II. Familie und Gesellschaft
2207 Die Familie ist die Urzelle des gesellschaftlichen Lebens. Sie ist
die natürliche Gemeinschaft, in der Mann und Frau zur Hingabe der Liebe
und zur Weitergabe des Lebens berufen sind. Die Autorität, die Beständigkeit
und das Gemeinschaftsieben innerhalb der Familie bilden die Grundlage
von Freiheit, Sicherheit und Brüderlichkeit innerhalb der Gesellschaft.
Die Familie ist die Gemeinschaft, in der man von Kind auf lernen kann,
die sittlichen Werte zu achten, Gott zu ehren und die Freiheit richtig
zu gebrauchen. Das Familienleben ist eine Einübung in das gesellschaftliche
Leben.
2208 Die Familie soll so leben, daß ihre Mitglieder lernen, sich um Junge
und Alte, um Kranke, Behinderte und Arme zu kümmern und sich ihrer anzunehmen.
Es gibt zahlreiche Familien, die zeitweilig nicht imstande sind, diese
Hilfe zu leisten. Dann ist es Sache anderer Personen oder Familien, subsidiär
auch Sache der Gesellschaft, für die Bedürfnisse dieser Menschen zu sorgen.
„Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin:
für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind, und sich vor jeder
Befleckung durch die Welt zu bewahren" (Jak 1,27).
2209 Die Familie ist durch geeignete soziale Maßnahmen zu unterstützen
und zu schützen. Wenn die Familien nicht imstande sind, ihre Aufgaben
zu erfüllen, haben andere Körperschaften der Gesellschaft die Pflicht,
der Institution der Familie beizustehen und sie zu unterstützen. Gemäß
dem Subsidiaritätsprinzip sollen die größeren Gemeinschaften davon Abstand
nehmen, sich die Rechte der Familie anzumaßen oder in ihr Leben einzugreifen.
2210 Weil die Familie für das Leben und das Wohlergehen der Gesellschaft
so bedeutend ist [Vgl. GS 47,1], hat diese eine besondere Verpflichtung,
Ehe und Familie zu unterstützen und zu stärken. Die Staatsgewalt hat es
als ihre besondere Pflicht anzusehen, „die wahre Eigenart von Ehe und
Familie anzuerkennen, zu hüten und zu fördern, die öffentliche Sittlichkeit
zu schützen und den häuslichen Wohlstand zu begünstigen" (GS 52,2).
2211 Die politische Gemeinschaft hat die Pflicht, die Familie in Ehren
zu halten, ihr beizustehen und ihr vor allem zu gewährleisten:
- die Freiheit, eine Familie zu gründen, Kinder zu haben und sie gemäß
den eigenen moralischen und religiösen Überzeugungen zu erziehen;
- den Schutz des Fortbestehens des Ehebandes und der Institution der
Familie;
- die Freiheit, seinen Glauben zu bekennen, weiterzugeben und die Kinder
mit Hilfe der dazu notwendigen Mittel und Institutionen in diesem Glauben
zu erziehen;
- das Recht auf Privateigentum, die Freiheit, selbständig oder unselbständig
zu arbeiten, eine Wohnung zu erhalten und das Recht, auszuwandern;
- den Institutionen des betreffenden Landes entsprechend das Recht
auf medizinische Betreuung, auf Beistand im Alter und auf Kindergeld;
- den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit, insbesondere gegenüber
Gefahren wie Drogen, Pornographie und Alkoholismus;
- die Freiheit, Familienverbände zu bilden und so bei den staatlichen
Institutionen vertreten zu sein [Vgl. FC 46.].
2212 Das vierte Gebot erhellt auch die anderen Beziehungen innerhalb
der Gesellschaft. In unseren Geschwistern sehen wir Kinder unserer Eltern;
in unseren Vettern und Basen Nachkommen unserer Ahnen; in unseren Mitbürgern
Söhne und Töchter unseres Heimatlandes; in allen Getauften Kinder unserer
Mutter, der Kirche; in jedem Menschen einen Sohn oder eine Tochter dessen,
der „unser Vater" genannt werden will. Dadurch erhalten unsere Beziehungen
zu unseren Mitmenschen einen persönlichen Charakter. Der Nächste ist kein
bloßes „Individuum" innerhalb der Masse, sondern „jemand", der
aufgrund seiner bekannten Herkunft besondere Aufmerksamkeit und Achtung
verdient.
2213 Die menschlichen Gemeinschaften setzen sich aus Personen zusammen.
Sie gut zu regieren besteht nicht bloß darin, daß Rechte gewährleistet,
Pflichten erfüllt und Verträge eingehalten werden. Gerechte Beziehungen
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Regierenden und Bürgern
setzen das natürliche Wohlwollen voraus, das der Würde menschlicher Personen
entspricht, die auf Gerechtigkeit und Brüderlichkeit bedacht sind.
III. Pflichten der Familienmitglieder
Pflichten der Kinder
2214 Die Vaterschaft Gottes ist die Quelle der menschlichen Elternschaft
[Vgl. Eph 3,14]; auf ihr gründet die Ehre der Eltern. Die Achtung der
minderjährigen oder erwachsenen Kinder vor Vater und Mutter [Vgl. Spr
1,8;Tob 4,3-4] erwächst aus der natürlichen Zuneigung, die sie miteinander
vereint. Sie wird vom Gebot Gottes gefordert [Vgl. Ex 20,12.].
2215 Die Achtung der Kinder vor den Eltern [Kindesliebe, pietas filialis]
entspringt der Dankbarkeit gegenüber denen, die ihnen das Leben geschenkt
und durch ihre Liebe und Arbeit ihnen ermöglicht haben, an Größe, Weisheit
und Gnade zu wachsen. „Ehre deinen Vater von ganzem Herzen, vergiß niemals
die Schmerzen deiner Mutter! Denk daran, daß sie dir das Leben gaben.
Wie kannst du ihnen vergelten, was sie für dich taten?" (Sir 7, 27-28).
2216 Die Kindesliebe zeigt sich in Folgsamkeit und wahrem Gehorsam. „Achte,
mein Sohn, auf das Gebot deines Vaters, mißachte nicht die Lehre deiner
Mutter! ... Wenn du gehst, geleitet sie dich, wenn du ruhst, behütet sie
dich, beim Erwachen redet sie mit dir" (Spr 6,20-22). „Ein weiser
Sohn ist die Frucht der Erziehung des Vaters, der zuchtlose aber hört
nicht auf die Mahnung" (Spr 13,1).
2217 Solange das Kind bei den Eltern wohnt, muß es jeder Aufforderung
der Eltern gehorchen, die seinem eigenen Wohl oder dem der Familie dient.
„Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem; denn so ist es gut und recht
im Herrn" (Kol 3,20) [Vgl. Eph 6,1. ]. Die Kinder haben auch den
vernünftigen Vorschriften ihrer Erzieher und all derer zu gehorchen, denen
sie von den Eltern anvertraut wurden. Falls jedoch das Kind im Gewissen
überzeugt ist, daß es unsittlich wäre, einem bestimmten Befehl zu gehorchen,
soll es ihm nicht Folge leisten.
Auch wenn sie größer werden, sollen die Kinder ihre Eltern weiterhin
achten. Sie sollen ihren Wünschen zuvorkommen, ihren Rat suchen und ihre
gerechtfertigten Ermahnungen annehmen. Die Pflicht, den Eltern zu gehorchen,
hört mit der Volljährigkeit der Kinder auf, doch schulden sie ihnen für
immer Achtung. Diese wurzelt in der Gottesfurcht, einer der Gaben des
Heiligen Geistes.
2218 Das vierte Gebot ruft den erwachsenen Kindern die Pflichten gegenüber
den Eltern in Erinnerung. Im Alter, in Krankheit, Einsamkeit oder Not
sollen sie ihnen, so gut sie können, materiell und moralisch beistehen.
Jesus erinnert an diese Dankespflicht [Vgl. Mk 7,10-12.].
„Der Herr hat den Kindern befohlen, ihren Vater zu ehren, und die Söhne
verpflichtet, das Recht ihrer Mutter zu achten. Wer den Vater ehrt,
erlangt Verzeihung der Sünden, und wer seine Mutter achtet, gleicht
einem Menschen, der Schätze sammelt. Wer den Vater ehrt, wird Freude
haben an den eigenen Kindern, und wenn er betet, wird er Erhörung finden.
Wer den Vater achtet, wird lange leben, und wer seiner Mutter Ehre erweist,
erweist sie dem Herrn" (Sir 3,2-6).
„Mein Sohn, wenn dein Vater alt ist, nimm dich seiner an, und betrübe
ihn nicht, solange er lebt. Wenn sein Verstand abnimmt, sieh es ihm
nach, und beschäme ihn nicht in deiner Volikraft! ... Wie ein Gotteslästerer
handelt, wer seinen Vater im Stich läßt, und von Gott ist verflucht,
wer seine Mutter kränkt" (Sir 3,12-13.16).
2219 Die Kindesliebe begünstigt die Harmonie des ganzen Familienlebens;
sie beeinflußt auch die Beziehungen zwischen den Geschwistern. Die Achtung
vor den Eltern durchstrahlt die Atmosphäre innerhalb der Familie. „Eine
Krone der Alten sind Kindeskinder" (Spr 17,6). „Seid demütig, friedfertig
und geduldig, ertragt einander in Liebe" (Eph 4,2).
2220 Die Christen sind jenen besondere Dankbarkeit schuldig, denen sie
die Gabe des Glaubens, die Gnade der Taufe und das Leben in der Kirche
verdanken. Es kann sich dabei um die Eltern, um andere Familienmitglieder,
um die Großeltern, um Seelsorger, Katecheten, Lehrer oder Freunde handeln.
„Ich denke an deinen aufrichtigen Glauben, der schon in deiner Großmutter
Lois und in deiner Mutter Eunike lebendig war und der nun, wie ich weiß,
auch in dir lebt" (2 Tim 1,5).
Pflichten der Eltern
2221 Die Fruchtbarkeit der ehelichen Liebe beschränkt sich nicht darauf,
Kinder zu zeugen; sie muß sich auch auf ihre sittliche Erziehung und ihre
geistliche Bildung erstrecken. Die Erziehung durch die Eltern „ist so
entscheidend, daß sie dort, wo sie fehlt, kaum zu ersetzen ist" (GE
3). Das Grundrecht und die Grundpflicht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen,
sind unveräußerlich [Vgl. FC 36.].
2222 Die Eltern sollen ihre Kinder als Kinder Gottes ansehen und sie
als menschliche Personen achten. Sie erziehen ihre Kinder dazu, das Gesetz
Gottes zu erfüllen, indem sie selbst gegenüber dem Willen des Vaters im
Himmel gehorsam sind.
2223 Die Eltern sind die Erstverantwortlichen für die Erziehung ihrer
Kinder. In erster Linie erfüllen sie diese Verantwortung, indem sie ein
Zuhause schaffen, wo Zärtlichkeit, Vergebung, gegenseitige Achtung, Treue
und selbstlose Dienstbereitschaft herrschen. Die Erziehung zu den Tugenden
beginnt zu Hause. Hier müssen die Kinder Opferbereitschaft, gesundes Urteil
und Selbstbeherrschung lernen, die Voraussetzung zu wahrer Freiheit sind.
Die Eltern sollen die Kinder lehren, „die materiellen und triebhaften
[Dimensionen] den inneren und geistigen" unterzuordnen (CA 36). Die
Eltern haben die große Verantwortung, ihren Kindern ein gutes Beispiel
zu geben. Wenn sie ihre Fehler vor ihnen eingestehen können, werden sie
eher imstande sein, sie zu leiten und zurechtzuweisen.
„Wer seinen Sohn liebt, hält den Stock für ihn bereit, damit er später
Freude erleben kann. Wer seinen Sohn in Zucht hält, wird Freude an ihm
haben" (Sir 30,1-2). „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn,
sondern erzieht sie in der Zucht und Weisung des Herrn!" (Eph 6,4).
2224 Das Zuhause ist die natürliche Umgebung, in der die Kinder zur Solidarität
und zur gemeinsamen Verantwortung angeleitet werden sollen. Die Eltern
sollen die Kinder dazu erziehen, sich vor falschen Zugeständnissen und
dem Verlust der Würde zu bewahren, die jede menschliche Gesellschaft in
Gefahr bringen.
2225 Durch die Gnade des Ehesakramentes haben die Eltern die Pflicht
und das Vorrecht erhalten, ihre Kinder zu evangelisieren. Sie sollen als
„die ersten Glaubensboten" (LG 11) ihre Kinder möglichst früh in
die Mysterien des Glaubens einführen und sie schon von früher Kindheit
an in das kirchliche Leben miteinbeziehen. Die Lebensweise in der Familie
kann jene Gefühlshaltungen prägen, die während des ganzen späteren Lebens
Voraussetzung und Stütze eines lebendigen Glaubens bleiben werden.
2226 Die Erziehung zum Glauben durch die Eltern muß schon in frühester
Kindheit einsetzen. Sie beginnt damit, daß die Familienmitglieder einander
helfen, durch das Zeugnis eines dem Evangelium entsprechenden Lebens im
Glauben zu wachsen. Die Familienkatechese geht allen anderen Formen der
Glaubensunterweisung voran, begleitet und bereichert sie. Die Eltern haben
die Sendung, ihre Kinder beten zu lehren und sie ihre Berufung als Kinder
Gottes entdecken zu lassen [Vgl. LG 11. ]. Die Pfarrei ist für die christlichen
Familien Eucharistiegemeinschaft und Herz des liturgischen Lebens. Sie
ist ein besonders geeigneter Ort für die Katechese der Kinder und der
Eltern.
2227 Die Kinder tragen ihrerseits dazu bei, daß ihre Eltern an Heiligkeit
zunehmen [Vgl. GS 48,4.]. Wenn es zu Beleidigung, Streit, Ungerechtigkeit
und Mangel an Aufmerksamkeit kommt, sollen alle einander großmütig und
unermüdlich verzeihen, wie es die gegenseitige Liebe nahelegt und die
Liebe Christi verlangt [Vgl. Mt 18,21-22; Lk 17,4].
2228 Die Achtung und die Liebe der Eltern gegenüber ihren Kindern zeigt
sich während der ersten Jahre in der Sorge und der Zuwendung, mit der
sie ihre Kinder erziehen und deren leibliche und geistige Bedürfnisse
stillen. Wenn die Kinder heranwachsen, werden die Eltern aufgrund der
gleichen Achtung und Hingabe ihre Kinder dazu anleiten, Vernunft und Freiheit
recht zu gebrauchen.
2229 Als Erstverantwortliche für die Erziehung ihrer Kinder haben die
Eltern das Recht, für sie eine Schule zu wählen, die ihren Überzeugungen
entspricht. Das ist ein Grundrecht. Die Eltern haben die Pflicht, soweit
wie möglich solche Schulen zu wählen, die sie in ihrer Aufgabe als christliche
Erzieher am besten unterstützen [Vgl. GE 6]. Die Behörden haben die Pflicht,
dieses Elternrecht zu gewährleisten und dafür zu sorgen, daß es auch wirklich
ausgeübt werden kann.
2230 Wenn die Kinder erwachsen werden, haben sie die Pflicht und das
Recht, ihren Beruf und Lebensstand zu wählen. Sie sollen diese neuen Verantwortungen
in vertrauensvoller Beziehung zu ihren Eltern wahrnehmen und deren Ansichten
und Ratschläge gerne erfragen und entgegennehmen. Die Eltern mögen darauf
bedacht sein, weder in der Berufswahl noch in der Partnerwahl auf ihre
Kinder Zwang auszuüben. Diese Pflicht, sich zurückzuhalten, verbietet
ihnen jedoch nicht, den Kindern durch kluge Ratschläge beizustehen, besonders
dann, wenn diese vorhaben, eine Familie zu gründen.
2231 Manche Menschen heiraten nicht, um für ihre Eltern oder Geschwister
zu sorgen, sich intensiver einem Beruf zu widmen oder aus anderen achtenswerten
Beweggründen. Sie können zum Wohl der Menschheitsfamilie.
IV. Familie und Reich Gottes
2232 Die Familienbande sind zwar wichtig, aber nicht absolut. So wie
das Kind zur menschlichen und geistigen Selbständigkeit heranreift, bestätigt
sich auch seine besondere Berufung, die von Gott kommt, immer klarer und
stärker. Die Eltern sollen diese Berufung achten und ihre Kinder ermutigen,
ihr Folge zu leisten. Man muß überzeugt sein, daß es die erste Berufung
des Christen ist, Christus nachzufolgen [Vgl. Mt 16,25.]: „Wer Vater oder
Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder
Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig" (Mt 10,37).
2233 Jünger Jesu werden heißt die Einladung annehmen, zur Familie Gottes
zu gehören und so zu leben wie er: „Wer den Willen meines himmlischen
Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter"
(Mt 12,49). Die Eltern sollen es freudig und dankbar annehmen und achten,
wenn der Herr eines ihrer Kinder beruft, ihm in der Jungfräulichkeit um
des Himmel-reiches willen, im gottgeweihten Leben oder im priesterlichen
Dienst nachzufolgen.
V. Autoritäten in der Gesellschaft
2234 Das vierte Gebot Gottes befiehlt uns auch, all jene zu ehren, die
von Gott zu unserem Wohl ein öffentliches Amt in der Gesellschaft erhalten
haben. Es gibt Aufschluß über die Pflichten der Amtsträger sowie jener,
zu deren Wohl sie bestellt sind.
Pflichten der Behörden
2235 Der Inhaber eines Amtes muß dieses als einen Dienst ausüben. „Wer
bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein" (Mt 20,26). Die
Ausübung eines Amtes wird sittlich gemessen an seinem göttlichen Ursprung,
seiner vernünftigen Natur und seinem besonderen Objekt. Niemand darf etwas
befehlen oder einführen, was der Menschenwürde und dem natürlichen Sittengesetz
widerspricht.
2236 Die Ausübung von Autorität zielt darauf ab, eine gerechte Rangordnung
der Werte sichtbar zu machen, um allen den Gebrauch ihrer Freiheit und
Verantwortung zu erleichtern. Die Vorgesetzten sollen die austeilende
Gerechtigkeit weise ausüben, dabei den Bedürfnissen sowie dem Beitrag
eines jeden Rechnung tragen und gegenseitiges Einvernehmen und Frieden
anstreben. Sie sollen darauf bedacht sein, daß die von ihnen getroffenen
Maßnahmen und Anordnungen nicht dadurch in Versuchung führen, daß sie
das persönliche Interesse in Widerspruch zum Gemeinwohl bringen [Vgl.
CA 25.].
2237 Die politischen Autoritäten sind verpflichtet, die Grundrechte der
menschlichen Person zu achten. Sie sollen die Gerechtigkeit menschlich
ausüben und dabei das Recht eines jeden, besonders das der Familien und
Bedürftigen, achten.
Die staatsbürgerlichen Rechte dürfen und sollen gemäß den Erfordernissen
des Gemeinwohls gewährt werden. Die öffentlichen Gewalten dürfen sie nicht
ohne berechtigten und angemessenen Grund außer Kraft setzen. Die Ausübung
der politischen Rechte soll das Gemeinwohl der Nation und der menschlichen
Gesellschaft fördern.
Pflichten der Bürger
2238 Die der Autorität Unterstellten sollen ihre Vorgesetzten als Diener
Gottes ansehen, der diese zur Verwaltung seiner Gaben bestellt hat [Vgl.
Röm 13, 1-2.] „Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen
Ordnung ... Handelt als Freie, aber nicht als solche, die Freiheit als
Deckmantel für das Böse nehmen, sondern wie Knechte Gottes" (1 Petr
2, 13. 16). Loyale Mitarbeit bringt für die Bürger das Recht und manchmal
sogar die Pflicht mit sich, in angemessener Weise zu kritisieren, was
der Menschenwürde oder dem Gemeinwohl zu schaden scheint.
2239 Pflicht der Bürger ist es, gemeinsam mit den Behörden im Geist der
Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit zum Wohl der Gesellschaft
beizutragen. Die Heimatliebe und der Einsatz für das Vaterland sind Dankespflichten
und entsprechen der Ordnung der Liebe. Gehorsam gegenüber den rechtmäßigen
Autoritäten und Einsatzbereitschaft für das Gemeinwohl verlangen von den
Bürgern, ihre Aufgabe im Leben der staatlichen Gemeinschaft zu erfüllen.
2240 Der Gehorsam gegenüber der Autorität und die Mitverantwortung für
das Gemeinwohl machen es zu einer sittlichen Pflicht, Steuern zu zahlen,
das Stimmrecht auszuüben und das Land zu verteidigen.
„Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, sei es Steuer oder Zoll,
sei es Furcht oder Ehre" (Röm 13,7).
Die Christen „bewohnen das eigene Vaterland, aber wie seßhafte Fremde.
Sie nehmen an allem teil wie Bürger, und sie ertragen alles wie Fremde
... Sie gehorchen den erlassenen Gesetzen, und mit der ihnen eigenen
Lebensweise überbieten sie die Gesetze ... Auf einen so wichtigen Posten
hat Gott sie gestellt, dem sich zu entziehen ihnen nicht erlaubt ist"
(Diognet 5,5.10; 6,10).
Paulus fordert uns auf, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben,
zu beten und dankzusagen, „damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit
ungestört und ruhig leben können" (1 Tim 2,2).
2241 Die wohlhabenderen Nationen sind verpflichtet, so weit es ihnen
irgend möglich ist, Ausländer aufzunehmen, die auf der Suche nach Sicherheit
und Lebensmöglichkeiten sind, die sie in ihrem Herkunftsland nicht finden
können. Die öffentlichen Autoritäten sollen für die Achtung des Naturrechts
sorgen, das den Gast unter den Schutz derer stellt, die ihn aufnehmen.
Die politischen Autoritäten dürfen im Hinblick auf das Gemeinwohl, für
das sie verantwortlich sind, die Ausübung des Einwanderungsrechtes verschiedenen
gesetzlichen Bedingungen unterstellen und verlangen, daß die Einwanderer
ihren Verpflichtungen gegenüber dem Gastland nachkommen. Der Einwanderer
ist verpflichtet, das materielle und geistige Erbe seines Gastlandes dankbar
zu achten, dessen Gesetzen zu gehorchen und die Lasten mit zu tragen.
2242 Der Bürger hat die Gewissenspflicht, die Vorschriften der staatlichen
Autoritäten nicht zu befolgen, wenn diese Anordnungen den Forderungen
der sittlichen Ordnung, den Grundrechten des Menschen oder den Weisungen
des Evangeliums widersprechen. Den staatlichen Autoritäten den Gehorsam
zu verweigern, falls deren Forderungen dem rechten Gewissen Widersprechen,
findet seine Rechtfertigung in der Unterscheidung zwischen dem Dienst
Gottes und dem Dienst an der staatlichen Gemeinschaft. „Gebt dem Kaiser,
was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!" (Mt 22,21). „Man
muß Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apg 5,29).
„Wo ... die Staatsbürger von einer öffentlichen Gewalt, die ihre Zuständigkeit
überschreitet, bedrückt werden, sollen sie sich nicht weigern, das zu
tun, was das Gemeinwohl objektiv verlangt. Sie haben jedoch das Recht,
ihre und ihrer Mitbürger Rechte gegen den Mißbrauch der staatlichen Autorität
zu verteidigen, freilich innerhalb der Grenzen des Naturrechts und des
Evangeliums" (GS 74,5).
2243 Bewaffneter Widerstand gegen Unterdrückung durch die staatliche
Gewalt ist nur dann berechtigt, wenn gleichzeitig die folgenden Bedingungen
erfüllt sind: (1) daß nach sicherem Wissen Grundrechte schwerwiegend und
andauernd verletzt werden; (2) daß alle anderen Hilfsmittel erschöpft
sind; (3) daß dadurch nicht noch schlimmere Unordnung entsteht; (4) daß
begründete Aussicht auf Erfolg besteht und (5) daß vernünftigerweise keine
besseren Lösungen abzusehen sind.
Staat und Kirche
2244 Jede Institution ist, zumindest implizit, von einer bestimmten Sicht
des Menschen und seiner Bestimmung beeinflußt, aus der sie ihre Urteilskriterien,
ihre Wertordnung und ihre Verhaltensweisen ableitet. Bei der Errichtung
ihrer Institutionen gehen die meisten Gesellschaften davon aus, daß dem
Menschen ein gewisser Vorrang vor den Dingen gebührt. Einzig die göttlich
geoffenbarte Religion hat in Gott, dem Schöpfer und Erlöser, klar den
Ursprung und das Ziel des Menschen erkannt. Die Kirche lädt die politischen
Verantwortungssträger ein, sich in ihren Urteilen und Entscheidungen nach
dieser geoffenbarten Wahrheit über Gott und den Menschen zu richten.
Die Gesellschaften, die diese Offenbarung nicht kennen oder sie im Namen
ihrer Unabhängigkeit von Gott ablehnen, müssen ihre Maßstäbe und Ziele
in sich selbst suchen oder einer Ideologie entnehmen. Und da sie kein
objektives Kriterium zur Unterscheidung von gut und böse dulden, maßen
sie sich offen oder unterschwellig eine totalitäre Gewalt über den Menschen
und sein Schicksal an, wie die Geschichte beweist [Vgl. CA 45;46.].
2245 Die Kirche, die sich aufgrund ihres Auftrags und ihrer Zuständigkeit
mit der politischen Gemeinschaft keineswegs deckt, ist Zeichen und zugleich
Schützerin des transzendenten Wesens des Menschen. Als solche „achtet
und fördert sie auch die politische Freiheit der Bürger und ihre Verantwortlichkeit"
(GS 76,3).
2246 Zur Sendung der Kirche gehört es, „auch politische Angelegenheiten
einer sittlichen Beurteilung zu unterstellen, wenn die Grundrechte der
menschlichen Person oder das Heil der Seelen es verlangen. Sie wendet
dabei alle, aber auch nur jene Mittel an, welche dem Evangelium und dem
Wohl aller je nach den verschiedenen Zeiten und Verhältnissen entsprechen"
(GS 76,5).
Kurztexte
2247 „Ehre deinen Vater und deine Mutter!" (Dtn 5 16 Mk 7 10).
2248 Gemäß dem vierten Gebot will Gott daß wir nach ihm auch unsere Eltern
und diejenigen ehren, denen er zu unserem Wohl Autorität verliehen hat.
2249 Die eheliche Gemeinschaft gründet auf dem Bund und dem Konsens der
Gatten Ehe und Familie sind auf das Wohl der Gatten und auf die Zeugung
und Eiziehung von Kindern hingeordnet.
2250 Das Wohl der Person sowie der menschlichen und christlichen Gemeinschaft
ist zuinnerst mit einem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft
verbunden (GS 47 1).
2251 Die Kinder schulden ihren Eltern Achtung Dankbarkeit gebührenden
Gehorsam und Hilfsbereitschaft. Die Ehrfurcht vor den Eltern fordert die
Harmonie des ganzen Familienlebens.
2252 Die Eltern sind die Erstverantwortlichen für die Erziehung ihrer
Kinder zum Glauben zum Gebet und zu allen Tugenden Sie haben die Pflicht
soweit es ihnen möglich ist für die leiblichen und geistigen Bedürfnisse
ihrer Kinder zu sorgen.
2253 Die Eltern sollen die Berufung ihrer Kinder achten und unterstützen.
Sie sollen nicht vergessen und es auch ihren Kindern beibringen daß jeder
Christ in erster Linie dazu berufen ist Christus nachzufolgen.
2254 Die öffentliche Autorität hat die Grundrechte der Menschen und die
Voraussetzungen zur Ausübung dieser Rechte zu achten.
2255 Die Bürger haben die Pflicht mit den staatlichen Gewalten zusammenzuarbeiten
um die Gesellschaft im Geist der Wahrheit der Gerechtigkeit der Solidarität
und der Freiheit aufzubauen.
2256 Der Bürger hat die Gewissenspflicht. Vorschriften der Staatsgewalt
nicht zu befolgen falls diese Anordnungen den Forderungen der sittlichen
Ordnung widersprechen. Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg
5 29).
2257 Jede Gesellschaft bezieht ihre Urteile und ihr Verhalten auf eine
bestimmte Sicht des Menschen und seiner Bestimmung. Wenn Gesellschaften
von den erhellenden Aufsagen des Evangeliums über Gott und den Menschen
absehen besteht die Gefahr daß sie totalitär werden.
Artikel 5
Das Fünfte Gebot
„Du sollst nicht morden" (Ex 20,13).
„Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht
töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber
sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht
verfallen sein" (Mt 5, 21-23).
2258 „Das menschliche Leben ist heilig, weil es von seinem Beginn an
‚der Schöpfermacht Gottes‘ bedarf und für immer in einer besonderen Beziehung
zu seinem Schöpfer bleibt, seinem einzigen Ziel. Nur Gott ist der Herr
des Lebens von seinem Anfang bis zu seinem Ende: Niemand darf sich, unter
keinen Umständen, das Recht anmaßen, ein unschuldiges menschliches Wesen
direkt zu zerstören" (DnV intr. 5).
I. Die Achtung vor dem menschlichen
Leben
Das Zeugnis der Heilsgeschichte
2259 Im Bericht über die Ermordung Abels durch seinen Bruder Kam‘ offenbart
die Schrift, daß im Menschen schon von Anfang seiner Geschichte [Vgl.
Gen 4, 8-12.] an Zorn und Eifersucht als Folgen der Erbsünde wirksam sind.
Der Mensch ist zum Feind des Mitmenschen geworden. Gott spricht aus, wie
niederträchtig dieser Brudermord ist: „Was hast du getan? Das Blut deines
Bruders schreit zu mir vom Ackerboden. So bist du verflucht, verbannt
vom Ackerboden, der seinen Mund aufgesperrt hat, um aus deiner Hand das
Blut deines Bruders aufzunehmen" (Gen 4,10-11).
2260 Der Bund zwischen Gott und der Menschheit ist vom Wissen um die
göttliche Gabe des menschlichen Lebens und die mörderische Gewalttätigkeit
des Menschen durchwirkt:
„Wenn aber euer Blut vergossen wird, fordere ich Rechenschaft, und zwar
für das Blut eines jeden von euch ... Wer Menschenblut vergießt, dessen
Blut wird durch Menschen vergossen. Denn: Als Abbild Gottes hat er den
Menschen gemacht" (Gen 9,5-6).
Das Alte Testament hat das Blut stets als ein heiliges Sinnbild des Lebens
betrachtet [Vgl. Lev 17.14. ]. Dies muß zu allen Zeiten gelehrt werden.
2261 Die Schrift verdeutlicht das Verbot des fünften Gebotes: „Wer unschuldig
und im Recht ist, den bring nicht um sein Leben" (Ex 23,7). Der willentliche
Mord an einem Unschuldigen ist ein schwerer Verstoß gegen die Menschenwürde,
die goldene Regel und die Heiligkeit des Schöpfers. Das Gesetz, das ihn
untersagt, gilt allgemein: es verpflichtet alle und jeden, immer und überall.
2262 In der Bergpredigt erinnert der Herr an das Gebot: „Du sollst nicht
töten" (Mt 5,21) und fügt das Verbot des Zorns, des Hasses und der
Rache hinzu. Christus verlangt sogar von seinem Jünger, auch die andere
Wange hinzuhalten und seine Feinde zu lieben [Vgl. Mt 5,44.]. Er selbst
verteidigte sich nicht und sagte zu Petrus, er solle sein Schwert in die
Scheide stecken [Vgl. Mt 26,52.].
Notwehr
2263 Die Notwehr von Personen und Gesellschaften ist keine Ausnahme vom
Verbot, einen Unschuldigen zu töten, also einen willentlichen Mord zu
begehen. „Aus der Handlung dessen, der sich selbst verteidigt, kann eine
doppelte Wirkung folgen: die eine ist die Rettung des eigenen Lebens,
die andere ist die Tötung des Angreifers" (Thomas v. A., s. th. 2-2,
64, 7). Nur die eine Wirkung ist gewollt, die andere nicht.
2264 Die Liebe zu sich selbst bleibt ein Grundprinzip der Sittenlehre.
Somit darf man sein eigenes Recht auf das Leben geltend machen. Wer sein
Leben verteidigt, macht sich keines Mordes schuldig, selbst wenn er gezwungen
ist, seinem Angreifer einen tödlichen Schlag zu versetzen:
„Wenn jemand zur Verteidigung des eigenen Lebens größere Gewalt anwendet
als nötig, ist das unerlaubt. Wenn er die Gewalt aber mit Maß zurückstößt,
ist die Verteidigung erlaubt ... Es ist zum Heil nicht notwendig, auf
den Akt des maßvollen Schutzes zu verzichten, um die Tötung des anderen
zu vermeiden; denn der Mensch ist mehr gehalten, für das eigene Leben
als für das fremde Leben zu sorgen" (Thomas v. A., s. th. 2-2, 64,
7).
2265 Die Notwehr kann für den, der für das Leben anderer oder für das
Wohl seiner Familie oder de Gemeinwesens verantwortlich ist, nicht nur
ein Recht, sondern eine schwerwiegende Verpflichtung sein.
2266 Der Schutz des Gemeinwohls der Gesellschaft erfordert, daß der Angreifer
außerstande gesetzt wird schaden. Aus diesem Grund hat die überlieferte
Lehre der Kirche die Rechtmäßigkeit des Rechtes und der Pflicht der gesetzmäßigen
öffentlichen Gewalt anerkannt, der Schwere des Verbrechens angemessene
Strafen zu verhängen, ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe
auszuschließen. Aus analogen Gründen haben die Verantwortungsträger das
Recht, diejenigen, die das Gemeinwesen, für das sie verantwortlich sind,
angreifen, mit Waffengewalt abzuwehren.
Die Straft soll in erster Linie die durch das Vergehen herbeigeführte
Unordnung wiedergutmachen. Wird sie vom Schuldigen willig angenommen,
gilt sie als Sühne. Zudem hat die Strafe die Wirkung, die öffentliche
Ordnung und die Sicherheit der Personen zu schützen. Schließlich hat die
Strafe auch eine heilende Wirkung: sie soll möglichst dazu beitragen,
daß sich der Schuldige bessert [Vgl. Lk 23,40-43.].
2267 Soweit unblutige Mittel hinreichen, um das Leben der Menschen gegen
Angreifer zu verteidigen und die öffentliche Ordnung und die Sicherheit
der Menschen zu schützen, hat sich die Autorität an diese Mittel zu halten,
denn sie entsprechen besser den konkreten Bedingungen des Gemeinwohls
und sind der Menschenwürde angemessener.
Mord
2268 Das fünfte Gebot verwirft den direkten und wilentlichen Mord als
schwere Sünde. Der Mörder und seine freiwilligen Helfer begehen eine himmelschreiende
Sünde [Vgl. Gen 4,10. ].
Kindesmord [Vgl. GS 51,3.], Brudermord, Elternmord und Gattenmord sind
wegen der natürlichen Bande, die sie zerreißen, besonders schwere Verbrechen.
Rücksichten auf die Gesundheit des Erbgutes und die öffentliche Gesundheit
können keinen Mord rechtfertigen, selbst wenn er von der öffentlichen
Gewalt angeordnet wäre.
2269 Das fünfte Gebot untersagt auch, etwas mit der Absicht zu tun, den
Tod eines Menschen indirekt herbeizuführen. Das sittliche Gesetz verbietet,
jemanden ohne schwerwiegenden Grund einer tödlichen Gefahr auszusetzen
ebenso wie die Weigerung, einem Menschen in Lebensgefahr zu Hilfe zu kommen.
Daß die menschliche Gesellschaft mörderische Hungersnöte hinnimmt, ohne
sich um Hilfe zu bemühen, ist ein empörendes Unrecht und eine schwere
Verfehlung. Händler, die durch wucherische und profitgierige Geschäfte
ihre Mitmenschen hungern und sterben lassen, begehen indirekt einen Mord;
für diesen sind sie verantwortlich [Vgl. Am 8,4-10].
Die unwillentliche Tötung eines Menschen ist moralisch nicht anrechenbar.
Man ist aber nicht von einem schweren Vergehen entschuldigt, wenn man
ohne angemessene Gründe so handelt, daß man, wenn auch unbeabsichtigt,
den Tod eines Menschen verursacht.
Abtreibung
2270 Das menschliche Leben ist vom Augenblick der Empfängnis an absolut
zu achten und zu schützen. Schon im ersten Augenblick seines Daseins sind
dem menschlichen Wesen die Rechte der Person zuzuerkennen, darunter das
unverletzliche Recht jedes unschuldigen Wesens auf das Leben [Vgl. DnV
1,1.].
„Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch
ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt"
(Jer 1,5) [Vgl. Ijob 10,812; Ps 22,10-11.].
„Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der
Erde, waren meine Glieder dir nicht verborgen" (Ps 139,15).
DAS LEBEN IN CHRISTUS
2271 Seit dem ersten Jahrhundert hat die Kirche es für moralisch verwerflich
erklärt, eine Abtreibung herbeizuführen. Diese Lehre hat sich nicht geändert
und ist unveränderlich. Eine direkte, das heißt eine als Ziel oder Mittel
gewollte, Abtreibung stellt ein schweres Vergehen gegen das sittliche
Gesetz dar:
„Du sollst ... nicht abtreiben noch ein Neugeborenes töten" (Didaché
2,2) [Vgl. Barnabasbrief 19,5; Diognet 5,5; Tertullian, apol. 9].
„Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe
der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise
erfüllt werden muß. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster
Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuenswürdige
Verbrechen" (GS 51,3).
2272 Die formelle Mitwirkung an einer Abtreibung ist ein schweres Vergehen.
Die Kirche ahndet dieses Vergehen gegen das menschliche Leben mit der
Kirchenstrafe der Exkommunikation. „Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht
sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu"
( [link] CIC, can. 1398), „so daß sie von selbst durch Begehen der Straftat
eintritt" 1463 ( [link] CIC, can. 1314) unter den im Recht vorgesehenen
Bedingungen [Vgl. [link] CIC, cann. 1323-1324.]. Die Kirche will dadurch
die Barmherzigkeit nicht einengen; sie zeigt aber mit Nachdruck die Schwere
des begangenen Verbrechens und den nicht wieder gutzumachenden Schaden
auf, der dem unschuldig getöteten Kind, seinen Eltern und der ganzen Gesellschaft
angetan wird.
2273 Das unveräußerliche Recht jedes unschuldigen Menschen auf das 1930
Leben bildet ein grundlegendes Element der bürgerlichen Gesellschaft und
ihrer Gesetzgebung.
„Die unveräußerlichen Rechte der Person müssen von der bürgerlichen Gesellschaft
und von der staatlichen Macht anerkannt und geachtet werden: Diese Rechte
des Menschen hängen weder von den einzelnen Individuen noch von den Eltern
ab und stellen auch nicht ein Zugeständnis der Gesellschaft und des Staates
dar. Sie gehören zur menschlichen Natur und wurzeln in der Person kraft
des Schöpfungsaktes, aus dem sie ihren Ursprung genommen hat. Unter diese
fundamentalen Rechte muß man in diesem Zusammenhang zählen: das Recht
auf Leben und auf leibliche Unversehrtheit jedes menschlichen Wesens vom
Augenblick der Empfängnis an bis zum Tod" (DnV 3).
„In dem Augenblick, in dem ein positives Gesetz eine Kategorie von Menschen
des Schutzes beraubt, den die bürgerliche Gesetzgebung ihnen gewähren
muß, leugnet der Staat die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Wenn die Staatsmacht
sich nicht in den Dienst der Rechte jedes Bürgers stellt, und in besonderer
Weise dessen, der am schwächsten ist, dann werden die Grundmauern des
Rechtsstaates untergraben ... Als Folge der Achtung und des Schutzes,
die man dem Ungeborenen vom Augenblick 578 seiner Empfängnis an zusichern
muß, muß das Gesetz die geeigneten Strafmaßnahmen für jede gewollte Verletzung
seiner Rechte vorsehen" (DnV 3).
2274 Da der Embryo schon von der Empfängnis an wie eine Person behandelt
werden muß, ist er wie jedes andere menschliche Wesen im Rahmen des Möglichen
unversehrt zu erhalten, zu pflegen und zu heilen.
Die vorgeburtliche Diagnostik ist sittlich erlaubt, wenn sie „das Leben
und die Unversehrtheit des Embryos und des menschlichen Fötus achtet und
auf den Schutz und die Sorge für den einzelnen Embryo ausgerichtet ist
... Aber sie steht in schwerwiegender Weise im Gegensatz zum Moralgesetz,
falls sie - je nachdem, wie die Ergebnisse ausfallen - die Möglichkeit
in Erwägung zieht, eine Abtreibung durchzuführen. So darf eine Diagnose
... nicht gleichbedeutend mit einem Todesurteil sein" (DnV 1,2).
2275 „Eingriffe am menschlichen Embryo müssen unter der Bedingung als
erlaubt angesehen werden, daß sie das Leben und die Unversehrtheit des
Embryos achten und für ihn nicht unverhältnismäßige Risiken mit sich bringen,
sondern seine Heilung, die Besserung seines Gesundheitszustandes oder
sein individuelles Überleben zum Ziel haben" (DnV 1,3).
„Es ist unmoralisch, menschliche Embryonen zum Zweck der Verwertung als
frei verfügbares ‚biologisches Material‘ herzustellen" (DnV 1,5).
„Einige Versuche, in das chromosomale oder das genetische Gut einzugreifen,
sind nicht therapeutischer Natur, sondern zielen auf die Produktion menschlicher
Wesen, die nach dem Geschlecht oder anderen vorher festgelegten Eigenschaften
ausgewählt werden. Diese Manipulationen stehen im Gegensatz zur personalen
Würde des menschlichen Wesens, seiner Integrität und seiner Identität"
(DnV 1,6).
Euthanasie
2276 Menschen, die versehrt oder geschwächt sind, brauchen besondere
Beachtung. Kranke oder Behinderte sind zu unterstützen, damit sie ein
möglichst normales Leben führen können.
2277 Die direkte Euthanasie besteht darin, daß man aus welchen Gründen
und mit welchen Mitteln auch immer dem Leben behinderter, kranker oder
sterbender Menschen ein Ende setzt. Sie ist sittlich unannehmbar.
Eine Handlung oder eine Unterlassung, die von sich aus oder der Absicht
nach den Tod herbeiführt, um dem Schmerz ein Ende zu machen, ist ein Mord,
ein schweres Vergehen gegen die Menschenwürde und gegen die Achtung, die
man dem lebendigen Gott, dem Schöpfer, schuldet. Das Fehlurteil, dem man
gutgläubig zum Opfer fallen kann, ändert die Natur dieser mörderischen
Tat nicht, die stets zu verbieten und auszuschließen ist.
2278 Die Moral verlangt keine Therapie um jeden Preis. Außerordentliche
oder zum erhofften Ergebnis in keinem Verhältnis stehende aufwendige und
gefährliche medizinische Verfahren einzustellen, kann berechtigt sein.
Man will dadurch den Tod nicht herbeiführen, sondern nimmt nur hin, ihn
nicht verhindern zu können. Die Entscheidungen sind vom Patienten selbst
zu treffen, falls er dazu fähig und imstande ist, andernfalls von den
gesetzlich Bevollmächtigten, wobei stets der vernünftige Wille und die
berechtigten Interessen des Patienten zu achten sind.
2279 Selbst wenn voraussichtlich der Tod unmittelbar bevorsteht, darf
die Pflege, die man für gewöhnlich einem kranken Menschen schuldet, nicht
abgebrochen werden. Schmerzlindernde Mittel zu verwenden, um die Leiden
des Sterbenden zu erleichtern selbst auf die Gefahr hin, sein Leben abzukürzen,
kann sittlich der Menschenwürde entsprechen, falls der Tod weder als Ziel
noch als Mittel gewollt, sondern bloß als unvermeidbar vorausgesehen und
in Kauf genommen wird.
Die Betreuung des Sterbenden ist eine vorbildliche Form selbstloser Nächstenliebe;
sie soll aus diesem Grund gefördert werden.
Selbstmord
2280 Jeder ist vor Gott für sein Leben verantwortlich. Gott hat es ihm
geschenkt. Gott ist und bleibt der höchste Herr des Lebens. Wir sind verpflichtet,
es dankbar entgegenzunehmen und es zu seiner Ehre und zum Heil unserer
Seele zu bewahren. Wir sind nur Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens,
das Gott uns anvertraut hat. Wir dürfen darüber nicht verfügen.
2281 Der Selbstmord widerspricht der natürlichen Neigung des Menschen,
sein Leben zu bewahren und zu erhalten. Er ist eine schwere Verfehlung
gegen die rechte Eigenliebe. Selbstmord verstößt auch gegen die Nächstenliebe,
denn er zerreißt zu Unrecht die Bande der Solidarität mit der Familie,
der Nation und der Menschheit, denen wir immer verpflichtet sind. Der
Selbstmord widerspricht zudem der Liebe zum lebendigen Gott.
2282 Wenn der Selbstmord in der Absicht begangen wird, als Beispiel -vor
allem für junge Menschen - zu dienen, bildet er zudem ein schweres Ärgernis.
Freiwillige Beihilfe zum Selbstmord verstößt gegen das sittliche Gesetz.
Schwere psychische Störungen, Angst oder schwere Furcht vor einem Schicksalsschlag,
vor Qual oder Folterung können die Verantwortlichkeit des Selbstmörders
vermindern.
2283 Man darf die Hoffnung auf das ewige Heil der Menschen, die sich
das Leben genommen haben, nicht aufgeben. Auf Wegen, die Gott allein kennt,
kann er ihnen Gelegenheit zu heilsamer Reue geben. Die Kirche betet für
die Menschen, die sich das Leben genommen haben.
II. Achtung der Menschenwürde
2284 Das Ärgernis ist eine Haltung oder ein Verhalten, das den Anderen
zum Bösen verleitet. Wer Ärgernis gibt, wird zum Versucher seines Nächsten.
Er gefährdet dessen Tugend und Rechtschaffenheit; er kann seinen Bruder
in den seelischen Tod treiben. Das Ärgernis ist eine schwere Verfehlung,
wenn durch eine Tat oder eine Unterlassung andere absichtlich zu einem
schlimmen Fehrtritt verleitet werden.
2285 Besonders schlimm ist das Ärgernis, wenn es von Respektspersonen
gegeben wird und wenn Schwache dadurch gefährdet werden. Dies hat unseren
Herrn zum Wehruf veranlaßt: „Wer einem von diesen Kleinen, die an mich
glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein
um den Hals im tiefen Meer versenkt würde!" (Mt 18,6)1. Das Ärgernis
ist besonders schwerwiegend, wenn es von Erziehern und Lehrern gegeben
wird. Deshalb wirft Jesus den Schriftgelehrten und den Pharisäern vor,
sie seien Wölfe im Schafspelz [Vgl. Mt 7,15].
2286 Ärgernis kann durch Gesetz oder Institutionen, durch Mode oder öffentliche
Meinung hervorgerufen werden.
So gibt Ärgernis, wer Gesetze oder gesellschaftliche Strukturen schafft,
die zum Verfall der Sitten und zur Zersetzung des religiösen Lebens führen
oder zu „Gesellschaftsverhältnissen, die - ob gewollt oder nicht - ein
den Geboten entsprechendes christliches Verhalten schwierig und praktisch
unmöglich machen" (Pius XII., Ansprache vom [Vgl. 1 Kor 8,10-13].
Juni 1941). Das gleiche gilt von Betriebsleitern, welche Vorschriften
erlassen, die zu Betrügereien verleiten, von Lehrern, die ihre Kinder
„zum Zorn reizen" [Vgl. Eph 6,4; Kol 3,21.], oder von Leuten, die
die öffentliche Meinung manipulieren und sie von den sittlichen Werten
abbringen.
2287 Wer seine Befugnisse so gebraucht, daß sie zum Bösen verleiten,
macht sich des Ärgernisses schuldig und ist für das Böse, das er direkt
oder indirekt begünstigt, verantwortlich. „Es ist unvermeidlich, daß Ärgernisse
kommen. Aber wehe dem, der sie verschuldet" (Lk 17,1).
2288 Das Leben und die Gesundheit sind wertvolle, uns von Gott anvertraute
Güter. Wir haben für sie auf vernünftige Weise Sorge zu tragen und dabei
auch die Bedürfnisse anderer und das Gemeinwohl zu berücksichtigen.
Die Sorge für die Gesundheit der Bürger erfordert, daß die Gesellschaft
mithilft, Existenzbedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen sich
entwickeln und reifen können: Nahrung und Kleidung, Wohnung, Gesundheitsdienst,
Grundausbildung, Arbeitsplatz und Sozialhilfe.
2289 Zwar fordert die Sittenlehre auf, das leibliche Leben zu achten,
aber sie erklärt dieses nicht zu einem absoluten Wert. Sie wendet sich
gegen eine neuheidnische Auffassung, die dazu neigt, einen Körperkult
zu treiben, ihm alles zu opfern, körperliche Tüchtigkeit und sportlichen
Erfolg zu vergötzen. Durch eine einseitige Auslese der Starken kann diese
Auffassung die menschlichen Beziehungen verzerren.
2290 Die Tugend der Mäßigung läßt Unmäßigkeit aller Art meiden: jedes
Übermaß an Speisen, Alkohol, Tabak und Medikamenten. Wer in betrunkenem
Zustand oder im Geschwindigkeitsrausch auf der Straße, auf dem Wasser
oder in der Luft die Sicherheit anderer und die eigene gefährdet, versündigt
sich schwer.
2291 Der Genuß von Drogen führt zu schweren Schädigungen der Gesundheit
und des menschlichen Lebens. Abgesehen vom rein medizinischen Gebrauch
ist er eine schwerwiegende sittliche Verfehlung. Die heimliche Herstellung
von Drogen und der Rauschgifthandel sind etwas Schändliches; durch ihre
verführerische Wirkung sind sie eine direkte Mitwirkung zu schwerwiegenden
Verstößen gegen das moralische Gesetz.
Achtung des Menschen und wissenschaftliche Forschung
2292 Medizinische und psychologische Experimente an Personen oder Menschengruppen
können zur Heilung von Kranken und zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit
beitragen.
2293 In der wissenschaftlichen Grundlagenforschung und in der angewandten
Forschung kommt die Herrschaft des Menschen über die Schöpfung deutlich
zum Ausdruck. Wissenschaft und Technik sind wertvolle Mittel, wenn sie
in den Dienst des Menschen gestellt werden und dessen ganzheitliche Entwicklung
zum Wohl aller fördern. Sie sind jedoch nicht imstande, aus sich selbst
heraus den Sinn des Daseins und des menschlichen Fortschritts anzugeben.
Wissenschaft und Technik sind auf den Menschen hingeordnet, dem sie ihre
Entstehung und Entwicklung verdanken; die Bestimmung ihres Ziels und das
Bewußtsein ihrer Grenzen finden sie somit nur in der Person und ihren
sittlichen Werten.
2294 Die Meinung, die wissenschaftliche Forschung und ihre Anwendungen
seien wertfrei, ist eine Illusion. Auch lassen sich die Kriterien für
die Orientierung der Forschung weder einfach aus der technischen Wirksamkeit
noch aus dem Nutzen ableiten, den sie für die einen zum Schaden der anderen
haben kann, und erst recht nicht aus den herrschenden Ideologien. Wissenschaft
und Technik erfordern ihrem inneren Sinn gemäß die unbedingte Achtung
der sittlichen Grundwerte. Sie müssen im Dienst der menschlichen Person,
ihrer unveräußerlichen Rechte, ihres wahren, ganzheitlichen Wohls stehen,
wie das dem Plan und dem Willen Gottes entspricht.
2295 Forschungen und Experimente, die am Menschen vorgenommen werden,
können keine Handlungen rechtfertigen, die in sich der Menschenwürde und
dem sittlichen Gesetz widersprechen. Auch das allfällige Einverständnis
der betreffenden Menschen rechtfertigt solche Handlungen nicht. Ein Experiment,
das an einem Menschen vorgenommen wird, ist sittlich unerlaubt, wenn es
dessen Leben oder physische und psychische Unversehrtheit unverhältnismäßigen
oder vermeidbaren Gefahren aussetzt. Solche Experimente widersprechen
der Menschenwürde erst recht, wenn sie ohne Wissen und Einverständnis
der Betreffenden oder der für sie Verantwortlichen vorgenommen werden.
2296 Organverpflanzung ist sittlich unannehmbar, wenn der Spender oder
die für ihn Verantwortlichen nicht im vollen Wissen ihre Zustimmung gegeben
haben. Sie entspricht hingegen dem sittlichen Gesetz und kann sogar verdienstvoll
sein, wenn die physischen und psychischen Gefahren und Risiken, die der
Spender eingeht, dem Nutzen, der beim Empfänger zu erwarten ist, entsprechen.
Die Invalidität oder den Tod eines Menschen direkt herbeizuführen, ist
selbst dann sittlich unzulässig, wenn es dazu dient, den Tod anderer Menschen
hinauszuzögern.
Achtung der körperlichen Unversehrtheit
2297 Entführungen und Geiselnahmen verbreiten Schrecken und üben durch
Drohung auf die Opfer unzulässigen Druck aus; sie sind moralisch unzulässig.
Terrorismus, der willkürlich bedroht, verwundet und tötet, ist ein schwerer
Verstoß gegen die Gerechtigkeit und die christliche Liebe. Folterung,
die körperliche oder seelische Gewalt anwendet, um Geständnisse zu erpressen,
Schuldige zu bestrafen, Opponenten Angst einzujagen oder Haß zu befriedigen,
widerspricht der Achtung vor der Person und der Menschen würde. Außer
wenn streng therapeutische Gründe dafür sprechen, verstoßen direkt gewollte
Amputationen, Verstümmelungen oder Sterilisationen unschuldiger Menschen
gegen das sittliche Gesetz [Vgl. DS 3722]
2298 In früheren Zeiten wurden grausame Maßnahmen auch von rechtmäßigen
Regierungen allgemein angewendet, um Gesetz und Ordnung aufrechtzuerhalten
- oft ohne Mißbilligung durch die Hirten der Kirche, die in ihren eigenen
Gerichten die Vorschriften des römischen Rechts in bezug auf die Folter
übernahmen. Von diesen bedauerlichen Vorkommnissen abgesehen, trat die
Kirche stets für Milde und Barmherzigkeit ein; sie verbot Klerikern, Blut
zu vergießen. In neuerer Zeit setzte sich die Einsicht durch, daß solche
grausame Handlungen weder für die öffentliche Ordnung notwendig sind noch
den legitimen Menschenrechten entsprechen, sondern im Gegenteil zu schlimmsten
Verirrungen führen. Man muß sich für ihre Abschaffung einsetzen. Für die
Opfer, aber auch für ihre Peiniger, soll man beten.
Achtung der Toten
2299 Sterbenden soll Aufmerksamkeit und Pflege zuteil werden, um ihnen
zu helfen, die ihnen noch verbleibende Zeit in Würde und Frieden zu leben.
Sie sollen durch das Gebet ihrer Angehörigen Beistand erfahren. Diese
sollen darauf bedacht sein, daß die Kranken zu gegebener Zeit die Sakramente
erhalten, die auf die Begegnung mit dem lebendigen Gott vorbereiten.
2300 Der Leib des Verstorbenen ist im Glauben und in der Hoffnung auf
die Auferstehung ehrfürchtig und liebevoll zu behandeln. Die Totenbestattung
ist ein Werk der leiblichen Barmherzigkeit [Vgl. Tob 1,16-18, ]; sie ehrt
die Kinder Gottes als Tempel des Heiligen Geistes.
2301 Die Autopsie von Leichen zur gerichtlichen Untersuchung oder zur
wissenschaftlichen Forschung ist sittlich zulässig. Die unentgeltliche
Organspende nach dem Tode ist erlaubt und kann verdienstvoll sein.
Die Kirche gestattet die Einäscherung, sofern diese nicht den Glauben
an die Auferstehung des Fleisches in Frage stellen will [Vgl. [link] CIC,
can. 1176, § 3].
III. Aufrechterhaltung Des Friedens
2302 Wenn Jesus an das Gebot: „Du sollst nicht töten" (Mt 5,21)
erinnert, fordert er den Frieden des Herzens und verurteilt die Unsittlichkeit
des mörderischen Zorns und des Hasses.
Zorn ist ein Verlangen nach Rache. „Nach Rache zu verlangen zum Schaden
dessen, der bestraft werden soll, ist unerlaubt; aber nach Rache zu verlangen
zur Bestrafung der Laster und zur Bewahrung der Gerechtigkeit ist lobenswert"
(Thomas v. A., s. th. 2-2, 158,1, ad 3). Falls der Zorn so weit geht,
daß man den Mitmenschen absichtlich töten oder schwer verwunden möchte,
ist er eine schwere Verfehlung gegen die Liebe und damit eine Todsünde.
Der Herr sagt: „Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht
verfallen sein" (Mt 5,22).
2303 Willentlicher Haß verstößt gegen die Liebe. Haß gegen einen Mitmenschen
ist eine Sünde, wenn man diesem absichtlich Böses wünscht. Er ist eine
schwere Sünde, wenn man dem Nächsten wohlüberlegt schweren Schaden wünscht.
„Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,
damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet" (Mt 5, 44-45).
2304 Damit das Menschenleben geachtet wird und sich entfalten kann, muß
Friede sein. Friede besteht nicht einfach darin, daß kein Krieg ist; er
läßt sich nicht bloß durch das Gleichgewicht der feindlichen Kräfte sichern.
Friede auf Erden herrscht nur dann, wenn die persönlichen Güter gesichert
sind, die Menschen frei miteinander verkehren können, die Würde der Personen
und der Völker geachtet und die Brüderlichkeit unter den Menschen gepflegt
wird. Der Friede besteht in der „Ruhe der Ordnung" (Augustinus, civ.
19, 13). Er ist das Werk der Gerechtigkeit [Vgl. GS 78,5] und die Wirkung
der Liebe [Vgl. GS 78.1-2.].
2305 Der irdische Friede ist Abbild und Frucht des Friedens Christi,
welcher der messianische „Fürst des Friedens" ist (Jes 9,5). Durch
sein am Kreuz vergossenes Blut hat er „in seiner Person die Feindschaft
getötet" (Eph 2, 16) [Vgl. Kol 1,20-22.] die Menschen mit Gott versöhnt
und seine Kirche zum Sakrament der Einheit des Menschengeschlechts und
dessen Vereinigung mit Gott gemacht. „Er ist unser Friede" (Eph 2,
14). Jesus nennt die „selig, die Frieden stiften" [Vgl. Mt 5,9]
2306 Wer auf gewaltsame und blutige Handlungen verzichtet und zur Wahrung
und Verteidigung der Menschenrechte Mittel einsetzt, die auch den Schwächsten
zur Verfügung stehen, legt Zeugnis ab für die Liebe des Evangeliums, sofern
dabei nicht die Rechte und Pflichten der anderen Menschen und der Gesellschaft
verletzt werden. Er bezeugt zu Recht, welch schwerwiegende physische und
moralische Gefahren der Einsatz gewaltsamer Mittel mit sich bringt, der
immer Zerstörungen und Tote hinterläßt [vgl .ies 32,17. ].
Vermeidung des Krieges
2307 Das fünfte Gebot verbietet, menschliches Leben willentlich zu zerstören.
Wegen der Übel und Ungerechtigkeiten, die jeder Krieg mit sich bringt,
fordert die Kirche alle eindringlich zum Beten und Handeln auf, damit
die göttliche Güte uns von der alten Knechtschaft des Krieges befreit
[Vgl. GS 81,4].
2308 Jeder Bürger und jeder Regierende ist verpflichtet, sich für die
Vermeidung von Kriegen tätig einzusetzen.
Solange allerdings „die Gefahr von Krieg besteht und solange es noch
keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit entsprechenden
Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen
Regelung erschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte
Verteidigung nicht absprechen" (GS 79,4).
2309 Die Bedingungen, unter denen es einem Volk gestattet ist, sich in
Notwehr militärisch zu verteidigen, sind genau einzuhalten. Eine solche
Entscheidung ist so schwerwiegend, daß sie nur unter den folgenden strengen
Bedingungen, die gleichzeitig gegeben sein müssen, sittlich vertretbar
ist:
- Der Schaden, der der Nation oder der Völkergemeinschaft durch den
Angreifer zugefügt wird, muß sicher feststehen, schwerwiegend und von
Dauer sein.
- Alle anderen Mittel, dem Schaden ein Ende zu machen, müssen sich
als undurchführbar oder wirkungslos erwiesen haben.
- Es muß ernsthafte Aussicht auf Erfolg bestehen.
- Der Gebrauch von Waffen darf nicht Schäden und Wirren mit sich bringen,
die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel. Beim Urteil darüber,
ob diese Bedingung erfüllt ist, ist sorgfältig auf die gewaltige Zerstörungskraft
der modernen Waffen zu achten.
Dies sind die herkömmlichen Elemente, die in der sogenannten Lehre vom
„gerechten Krieg" angeführt werden.
Die Beurteilung, ob alle diese Voraussetzungen für die sittliche Erlaubtheit
eines Verteidigungskrieges vorliegen, kommt dem klugen Ermessen derer
zu, die mit der Wahrung des Gemeinwohls betraut sind.
2310 Die staatlichen Behörden haben in diesem Fall das Recht und die
Pflicht, den Bürgern die zur nationalen Verteidigung notwendigen Verpflichtungen
aufzuerlegen.
Diejenigen, die sich als Militärangehörige in den Dienst ihres Vaterlandes
stellen, verteidigen die Sicherheit und Freiheit der Völker. Wenn sie
ihre Aufgabe richtig erfüllen, tragen sie zum Gemeinwohl der Nation und
zur Erhaltung des Friedens bei [Vgl. GS 79,5.].
2311 Die staatlichen Behörden sollen sich in angemessener Weise um jene
kümmern, die aus Gewissensgründen den Waffengebrauch verweigern. Diese
bleiben verpflichtet, der Gemeinschaft in anderer Form zu dienen [Vgl.
GS 79,3].
2312 Die Kirche und die menschliche Vernunft erklären, daß das sittliche
Gesetz während bewaffneter Konflikte in Geltung bleibt. Es „wird nicht
deshalb, weil ein Krieg unglücklicherweise ausgebrochen ist, damit nun
jedes Kampfmittel zwischen den gegnerischen Parteien erlaubt" (GS
79,4).
2313 Die Zivilbevölkerung, die verwundeten Soldaten und die Kriegsgefangenen
sind zu achten und mit Menschlichkeit zu behandeln.
Handlungen, die mit Wissen und Willen gegen das Völkerrecht und seine
allgemeingültigen Grundsätze verübt werden, sowie Befehle, solche Handlungen
auszuführen, sind Verbrechen. Blinder Gehorsam ist kein ausreichender
Entschuldigungsgrund für jene, die sich solchen Befehlen fügen. So ist
die Ausrottung eines Volkes, einer Nation oder einer ethnischen Minderheit
als eine Todsünde zu verurteilen. Man ist sittlich verpflichet, sich Befehlen,
die einen Völkermord anordnen, zu widersetzen.
2314 „Jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder
weiter Gebiete und ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ist ein
Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen, das fest und entschieden
zu verwerfen ist" (GS 80,4). Eine Gefahr des modernen Krieges ist
es, den Besitzern hochtechnisierter, insbesondere atomarer, biologischer
oder chemischer Waffen Anlaß zu solchen Verbrechen zu geben.
2315 Die Anhäufung von Waffen erscheint vielen als ein paradoxerweise
geeignetes Vorgehen, mögliche Gegner vom Krieg abzuhalten. Sie sehen darin
das wirksamste Mittel, um den Frieden zwischen den Nationen zu sichern.
Gegenüber einer solchen Abschreckung sind schwere moralische Vorbehalte
anzubringen. Der Rüstungswettlauf sichert den Frieden nicht. Statt die
Kriegsursachen zu beseitigen, droht er diese zu verschlimmern. Die Ausgabe
ungeheurer Summen, die für die Herstellung immer neuer Waffen verwendet
werden, verhindert, daß notleidenden Völkern geholfen wird 1. Somit hält
die übermäßige Rüstung die Entwicklung der Völker auf. Sie vervielfacht
die Konfliktgründe und verstärkt die Gefahr der Ausbreitung von Kriegen.
2316 Waffenerzeugung und Waffenhandel betreffen das Gemeinwohl der Nationen
und der internationalen Gemeinschaft. Deshalb hat der Staat das Recht
und die Pflicht, sie gesetzlich zu regeln. Kurzfristige private oder kollektive
Interessen rechtfertigen nicht Unternehmungen, die Gewalttätigkeit und
die Auseinandersetzungen zwischen den Nationen schüren und die internationale
Rechtsordnung gefährden.
2317 Ungerechtigkeiten, krasse Unterschiede in wirtschaftlicher und sozialer
Hinsicht sowie Neid, Mißtrauen und Stolz, die unter den Menschen und den
Nationen wüten, bedrohen unablässig den Frieden und führen zu Kriegen.
Alles, was unternommen wird, um diese Übel [Vgl. PP 53.] zu besiegen,
trägt zum Aufbau des Friedens und zur Vermeidung des Krieges bei.
„Insofern die Menschen Sünder sind, droht ihnen die Gefahr des Krieges,
und sie wird ihnen drohen bis zur Ankunft Christi. Soweit aber die Menschen
sich in Liebe vereinen und so die Sünde überwinden, überwinden sie auch
die Gewaltsamkeit, bis sich einmal die Worte erfüllen: ‚Zu Pflügen schmieden
sie ihre Schwerter um, zu Winzermessern ihre Lanzen. Kein Volk zückt
mehr gegen das andere das Schwert. Das Kriegshandwerk gibt es nicht
mehr‘ (Jes 2,4)" (GS 78,6).
Kurztexte
2318 „In Gottes Hand ruht die Seele allen Lebens und jeden Menschenleibes
Geist" (Ijob 12, 10).
2319 Jedes menschliche Leben ist vom Moment der Empfängnis an bis zum
Tod heilig, denn die menschliche Person ist um ihrer selbst willen gewollt
und nach dem Bild des lebendigen und heiligen Gottes, ihm ähnlich geschaffen.
2320 Der Mord an einem Menschen verstoßt schwer gegen die Menschen wurde
und gegen die Heiligkeit des Schöpfers.
2321 Das Verbot des Mordes hebt nicht das Recht auf einen ungerechten
Angreifer unschädlich zu machen. Die Notwehr ist für solche die für das
Leben anderer oder für das Gemeinwohl verantwortlich sind, eine schwerwiegende
Pflicht.
2322 Das Kind hat von seiner Empfängnis an das Recht auf Leben. Die direkte
das heißt als ein Ziel oder ein Mittel gewollte Abtreibung ist eine Schändhchkeit
(GS 27 3) ein schwerer Verstoß gegen das sittliche Gesetz. Die Kirche
ahndet dieses Vergehen gegen das menschliche Leben mit der Kirchenstrafe
der Exkommunikation.
2323 Weil der Embryo von seiner Empfängnis an als eine Person zu behandeln
ist muß er wie jeder Mensch unversehrt bewahrt gepflegt und geheilt werden.
2324 Willentliclie Euthanasie, gleich in welcher Form und aus welchen
Beweggründen, ist Mord Sie ist ein schwerer Verstoß gegen die Wurde des
Menschen und gegen die Ehrfurcht vor dem lebendigen Gott seinem Schöpfer.
2325 Der Selbstmord ist ein schwerer Verstoß gegen die Gerechtigkeit
die Hoffnung und die Liebe Er wird durch das fünfte Gebot untersagt.
2326 Das Ärgernis ist ein schweres Vergehen wenn es durch eine Tat oder
eine Unterlassung andere mit Wissen und Willen zum Sündigen verleitet.
2327 Wegen der Übel und Ungerechtigkeiten die jeder Krieg mit sich bringt
müssen wir alles tun was vernünftigerweise möglich ist um ihn zu verhindern
Die Kirche betet. Von Hunger Pest und Krieg befreie uns o Herr.
2328 Die Kirche und die menschliche Vernünft erklären daß das sittliche
Gesetz auch wahrend bewaffneter Konflikte in Geltung bleibt. Maßnahmen
die bewußt gegen das Völkerrecht und seine allgemeingültigen Grundsätze
verstoßen, sind Verbrechen.
2329 Der Rüstungswettlauf ist eine der schrecklichsten Wunden der Menschheit
er schädigt unerträglich die Armen (GS 81 3).
2330 Selig die Frieden stiften denn sie werden Söhne Gottes genannt werden
(Mt 5 9).
Artikel 6
Das Sechste Gebot
„Du sollst nicht die Ehe brechen" (Ex 20,14; Dtn 5,18).
„Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen.
Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem
Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen" (Mt 5,27-28).
I. „Als Mann und Frau schuf er sie..."
2331 „Gott ist Liebe‘ und lebt in sich selbst ein Geheimnis personaler
Liebesgemeinschaft. Indem er den Menschen nach seinem Bild erschafft prägt
Gott der Menschennatur des Mannes und der Frau die Berufung und daher
auch die Fähigkeit und die Verantwortung zu Liebe und Gemeinschaft ein"
(FC 11).
„Gott schuf also den Menschen als sein Abbild ... Als Mann und Frau
schuf er sie" (Gen 1,27). „Seid fruchtbar, und vermehrt euch"
(Gen 1,28). „Am Tag, da Gott den Menschen erschuf, machte er ihn Gott
ähnlich. Als Mann und Frau erschuf er sie, er segnete sie und nannte
sie Mensch an dem Tag, da sie erschaffen wurden" (Gen 5,1-2).
2332 Die Geschlechtlichkeit berührt alle Aspekte des Menschen in der
Einheit seines Leibes und seiner Seele. Sie betrifft ganz besonders das
Gefühisleben, die Fähigkeit, zu lieben und Kinder zu zeugen und, allgemeiner,
die Befähigung, Bande der Gemeinschaft mit anderen zu knüpfen.
2333 Jeder Mensch, ob Mann oder Frau, muß seine Geschlechtlichkeit anerkennen
und annehmen. Die leibliche, moralische und geistige Verschiedenheit und
gegenseitige Ergänzung sind auf die Güter der Ehe und auf die Entfaltung
des Familienlebens hingeordnet. Die Harmonie des Paares und der Gesellschaft
hängt zum Teil davon ab, wie Gegenseitigkeit, Bedürftigkeit und wechselseitige
Hilfe von Mann und Frau gelebt werden.
2334 „Indem Gott den Menschen ‚als Mann und Frau‘ erschuf, schenkte er
dem Mann und der Frau in gleicher Weise personale Würde" (FC 22)1.
„Der Mensch ist eine Person: das gilt in gleichem Maße für den Mann und
für die Frau; denn beide sind nach dem Bild und Gleichnis des personhaften
Gottes erschaffen" (MD 6).
2335 Beide Geschlechter besitzen die gleiche Würde und sind, wenn auch
auf verschiedene Weise, Bild der Kraft und der zärtlichen Liebe Gottes.
Die eheliche Vereinigung von Mann und Frau ahmt die Freigebigkeit und
Fruchtbarkeit des Schöpfers leiblich nach. „Der Mann verläßt Vater und
Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch"
(Gen 2,24). Diese Vereinigung ist Ursprung aller Generationen [Vgl. Gen
4,1-2.25-26; 5,1. ].
2336 Jesus ist gekommen, um die Schöpfung in der ursprünglichen Reinheit
wiederherzustellen. In der Bergpredigt legt er den Plan Gottes entschieden
aus: „Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe
brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat
in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen" (Mt 5,27-28). Was
Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen [Vgl. Mt 19,6.].
Die Überlieferung der Kirche hat das sechste Gebot als auf die gesamte
menschliche Geschlechtlichkeit bezogen verstanden.
II. Berufung zur Keuschheit
2337 Keuschheit bedeutet die geglückte Integration der Geschlechtlichkeit
in die Person und folglich die innere Einheit des Menschen in seinem leiblichen
und geistigen Sein. Die Geschlechtlichkeit, in der sich zeigt, daß der
Mensch auch der körperlichen und biologischen Welt angehört, wird persönlich
und wahrhaft menschlich, wenn sie in die Beziehung von Person zu Person,
in die vollständige und zeitlich unbegrenzte wechselseitige Hingabe von
Mann und Frau eingegliedert ist.
Die Tugend der Keuschheit wahrt somit zugleich die Unversehrtheit der
Person und die Ganzheit der Hingabe.
Unversehrtheit der Person
2338 Der keusche Mensch bewahrt die in ihm angelegten Lebens- und Liebeskräfte
unversehrt. Diese Unversehrtheit sichert die Einheit der Person; sie widersetzt
sich jedem Verhalten, das diese Einheit beeinträchtigen würde. Sie duldet
kein Doppelleben und keine Doppelzüngigkeit [Vgl. Mt 5,37].
2339 Die Keuschheit erfordert das Erlernen der Selbstbeherrschung, die
eine Erziehung zur menschlichen Freiheit ist. Die Alternative ist klar:
Entweder ist der Mensch Herr über seine Triebe und erlangt so den Frieden,
oder er wird ihr Knecht und somit unglücklich [Vgl. Sir 1,22. ]. „Die
Würde des Menschen erfordert also, daß er in bewußter und freier Wahl
handelt, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht
unter blindem innerem Drang oder unter bloßem äußeren Zwang. Eine solche
Würde erwirbt der Mensch, wenn er sich aus aller Knechtschaft der Leidenschaften
befreit und so sein Ziel in freier Wahl des Guten verfolgt und sich die
geeigneten Hilfsmittel wirksam und in schöpferischem Bemühen verschafft"
(GS 17).
2340 Wer seinem Taufversprechen treu bleiben und den Versuchungen widerstehen
will, soll darauf bedacht sein, die Mittel dazu zu ergreifen:
Selbsterkenntnis, den jeweiligen Situationen angepaßten Verzicht, Gehorsam
gegenüber den Geboten Gottes, Übung der sittlichen Tugenden und Treue
im Gebet. „Durch die Keuschheit werden wir gesammelt und zu der Einheit
zurückgeführt, von der wir uns getrennt hatten, um in der Vielheit zu
zerfließen" (Augustinus, conf. 10,29).
2341 Die Tugend der Keuschheit steht unter dem Einfluß der Kardinaltugend
der Mäßigung, welche die Leidenschaften und das sinnliche Begehren des
Menschen mit Vernunft zu durchdringen sucht.
2342 Selbstbeherrschung zu erringen, ist eine langwierige Aufgabe. Man
darf nie der Meinung sein, man habe sie für immer erworben. Man muß sich
in allen Lebensiagen immer wieder neu um sie bemühen [Vgl. Tit 2,1-6.].
In gewissen Lebensabschnitten, in denen sich die Persönlichkeit ausformt,
erfordert sie eine besondere Anstrengung, etwa in der Kindheit und im
Jugendalter.
2343 Die Keuschheit folgt Gesetzen des Wachstums: sie durchläuft verschiedene
Stufen, in denen sie noch unvollkommen und für die Sünde anfällig ist.
Der tugendhafte und keusche Mensch ist „ein geschichtliches Wesen, das
sich Tag für Tag durch seine zahlreichen freien Entscheidungen selbst
formt; deswegen kennt, liebt und vollbringt er das sittlich Gute auch
in einem stufenweisen Wachsen." (FC 34).
2344 Die Keuschheit ist eine persönliche Aufgabe; sie erfordert aber
auch eine kulturelle Anstrengung, weil „der Fortschritt der menschlichen
Person und das Wachstum der Gesellschaft als solcher voneinander abhängen"
(GS 25,1). Die Keuschheit setzt die Achtung der Menschenrechte voraus,
insbesondere des Rechtes auf Bildung und Erziehung, welche die sittlichen
und geistigen Dimensionen des menschlichen Lebens berücksichtigen.
2345 Die Keuschheit ist eine sittliche Tugend. Sie ist auch eine Gabe
Gottes, eine Gnade, eine Frucht des Geistes 1. Der Heilige Geist schenkt
den im Wasser der Taufe Wiedergeborenen die Kraft, der Reinheit Christi
[Vgl. 1 Joh 3,3] nachzustreben.
Ganzheit der Selbsthingabe
2346 Die Liebe ist die Form aller Tugenden. Unter ihrem Einfluß erscheint
die Keuschheit als eine Schule der Selbsthingabe. Die Selbstbeherrschung
ist auf die Selbsthingabe hingeordnet. Die Keuschheit läßt den, der ihr
gemäß lebt, für den Nächsten zu einem Zeugen der Treue und der zärtlichen
Liebe Gottes werden.
2347 Die Tugend der Keuschheit entfaltet sich in der Freundschaft. Sie
läßt den Jünger Christi erkennen, wie er Jesus nachfolgen und ähnlich
werden kann. Jesus hat uns zu seinen Freunden erwählt [Vgl. Joh 15,15.],
sich uns ganz hingegeben und läßt uns an seinem Gottsein teilhaben. Keuschheit
verheißt Unsterblichkeit.
Keuschheit äußert sich besonders in der Freundschaft mit dem Nächsten.
Freundschaft zwischen Menschen gleichen oder verschiedenen Geschlechtes
ist etwas sehr Wertvolles für alle. Sie führt zu einer Gemeinschaft im
Geist.
Verschiedene Formen der Keuschheit
2348 Jeder Getaufte ist zur Keuschheit berufen. Der Christ hat „Christus
[als Gewand] angelegt" (Gal 3,27), ihn, das Vorbild jeglicher Keuschheit.
Alle, die an Christus glauben, sind berufen, ihrem jeweiligen Lebensstand
entsprechend ein keusches Leben zu führen. Bei der Taufe verpflichtet
sich der Christ, in seinem Gefühlsleben keusch zu sein.
2349 Die Keuschheit „soll die Menschen in den verschiedenen Lebensständen
auszeichnen: die einen im Stand der Jungfräulichkeit oder in der gottgeweihten
Ehelosigkeit, einer hervorragenden Weise, sich leichter mit ungeteiltem
Herzen allein Gott hinzugeben; die anderen, in der für alle vom Sittengesetz
bestimmten Weise, je nachdem ob sie verheiratet oder unverheiratet sind"
(CDF, Erkl. „Persona humana" 11). Verheiratete sind berufen, in ehelicher
Keuschheit zu leben; die anderen leben keusch, wenn sie enthaltsam sind.
„Es gibt drei Formen der Tugend der Keuschheit: die eine ist die der
Verheirateten, die andere die der Verwitweten, die dritte die der Jungfräulichkeit.
Wir loben nicht die eine unter Ausschluß der anderen. Dies macht den
Reichtum der Disziplin der Kirche aus" (Ambrosius, vid. 23).
2350 Die Brautleute sind aufgefordert, die Keuschheit in Enthaltsamkeit
zu leben. Sie sollen diese Bewährungszeit als eine Zeit ansehen, in der
sie lernen, einander zu achten und treu zu sein in der Hoffnung, daß sie
von Gott einander geschenkt werden. Sie sollen Liebesbezeugungen, die
der ehelichen Liebe vorbehalten sind, der Zeit nach der Heirat vorbehalten.
Sie sollen einander helfen, in der Keuschheit zu wachsen.
Verstöße gegen die Keuschheit
2351 Unkeuschheit ist ein ungeregelter Genuß der geschlechtlichen Lust
oder ein ungeordnetes Verlangen nach ihr. Die Geschlechtslust ist dann
ungeordnet, wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und dabei von ihrer
inneren Hinordnung auf Weitergabe des Lebens und auf liebende Vereinigung
losgelöst wird.
2352 Masturbation ist die absichtliche Erregung der Geschlechtsorgane,
mit dem Ziel, geschlechtliche Lust hervorzurufen. „Tatsache ist, daß sowohl
das kirchliche Lehramt in seiner langen und stets gleichbleibenden Überlieferung
als auch das sittliche Empfinden der Gläubigen niemals gezögert haben,
die Masturbation als eine in sich schwere ordnungswidrige Handlung zu
brandmarken", weil „der frei gewollte Gebrauch der Geschlechtskraft,
aus welchem Motiv er auch immer geschieht, außerhalb der normalen ehelichen
Beziehungen seiner Zielsetzung wesentlich widerspricht". Der um ihrer
selbst willen gesuchten geschlechtlichen Lust fehlt „die von der sittlichen
Ordnung geforderte geschlechtliche Beziehung, jene nämlich, die den vollen
Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung
in wirklicher Liebe realisiert" (CDF, Erkl. „Persona humana"
9).
Um ein ausgewogenes Urteil über die sittliche Verantwortung jener, die
sich hierin verfehlen, zu bilden und um die Seelsorge danach auszurichten,
soll man affektive Unreife, die Macht eingefleischter Gewohnheiten, Angstzustände
und weitere psychische oder gesellschaftliche Faktoren berücksichtigen,
welche die moralische Schuld vermindern oder sogar aufheben.
2353 Unzucht ist die körperliche Vereinigung zwischen einem Mann und
einer Frau, die nicht miteinander verheiratet sind. Sie ist ein schwerer
Verstoß gegen die Würde dieser Menschen und der menschlichen Geschlechtlichkeit
selbst, die von Natur aus auf das Wohl der Ehegatten sowie auf die Zeugung
und Erziehung von Kindern hingeordnet ist. Zudem ist sie ein schweres
Ärgernis, wenn dadurch junge Menschen sittlich verdorben werden.
2354 Pornographie besteht darin, tatsächliche oder vorgetäuschte geschlechtliche
Akte vorsätzlich aus der Intimität der Partner herauszunehmen, um sie
Dritten vorzuzeigen. Sie verletzt die Keuschheit, weil sie den ehelichen
Akt, die intime Hingabe eines Gatten an den anderen, entstellt. Sie verletzt
die Würde aller Beteiligten (Schauspieler, Händler, Publikum) schwer;
diese werden nämlich zum Gegenstand eines primitiven Vergnügens und zur
Quelle eines unerlaubten Profits. Pornographie versetzt alle Beteiligten
in eine Scheinwelt. Sie ist eine schwere Verfehlung. Die Staatsgewalt
hat die Herstellung und Verbreitung pornographischer Materialien zu verhindern.
2355 Prostitution verletzt die Würde der Person, die sich prostituiert
und sich dadurch zum bloßen Lustobjekt anderer herabwürdigt. Wer sie in
Anspruch nimmt, sündigt schwer gegen sich selbst: er bricht mit der Keuschheit,
zu der ihn seine Taufe verpflichtet hat, und befleckt seinen Leib, den
Tempel des Heiligen Geistes [Vgl. 1 Kor 6,15-20.]. Prostitution ist eine
Geißel der Gesellschaft. Sie betrifft für gewöhnlich Frauen, aber auch
Männer, Kinder oder Jugendliche (in den beiden letzteren Fällen kommt
zur Sünde noch ein Ärgernis hinzu). Es ist immer schwer sündhaft, sich
der Prostitution hinzugeben; Notlagen, Erpressung und durch die Gesellschaft
ausgeübter Druck können die Anrechenbarkeit der Verfehlung mindern.
2356 Vergewaltigung ist ein gewaltsamer Einbruch in die geschlechtliche
Intimität eines Menschen. Sie ist ein Verstoß gegen die Gerechtigkeit
und die Liebe. Vergewaltigung ist eine tiefe Verletzung des jedem Menschen
zustehenden Rechtes auf Achtung, Freiheit, physische und seelische Unversehrtheit.
Sie fügt schweren Schaden zu, der das Opfer lebenslang zeichnen kann.
Sie ist stets eine in sich zutiefst verwerfliche Tat. Noch schlimmer
ist es, wenn Eltern oder Erzieher ihnen anvertraute Kinder vergewaltigen.
Keuschheit und Homosexualität
2357 Homosexuell sind Beziehungen von Männern oder Frauen, die sich in
geschlechtlicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend zu Menschen gleichen
Geschlechtes hingezogen fühlen. Homosexualität tritt in verschiedenen
Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische
Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt. Gestützt auf die Heilige Schrift,
die sie als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27;
1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10.], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt,
„daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind"
(CDF, Erkl. „Persona humana" 8). Sie verstoßen gegen das natürliche
Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen.
Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit.
Sie sind in keinem Fall zu billigen.
2358 Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen sind homosexuell
veranlagt. Sie haben diese Veranlagung nicht selbst gewählt; für die meisten
von ihnen stellt sie eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid
und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht
zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen
Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die
ihnen aus ihrer Veranlagung erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des
Herrn zu vereinen.
2359 Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die Tugenden
der Selbstbeherrschung, die zur inneren Freiheit erziehen, können und
sollen sie sich - vielleicht auch mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft
-‚ durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber
entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern.
III. Eheliche Liebe
2360 Die Geschlechtlichkeit ist auf die eheliche Liebe von Mann und Frau
hingeordnet. In der Ehe wird die leibliche Intimität der Gatten zum Zeichen
und Unterpfand der geistigen Gemeinschaft. Das Eheband zwischen Getauften
wird durch das Sakrament geheiligt.
2361 „Infolgedessen ist die Sexualität, in welcher sich Mann und Frau
durch die den Eheleuten eigenen und vorbehaltenen Akte einander schenken,
keineswegs etwas rein Biologisches, sondern betrifft den innersten Kern
der menschlichen Person als solcher. Auf wahrhaft menschliche Weise wird
sie nur vollzogen, wenn sie in jene Liebe integriert ist, mit der Mann
und Frau sich bis zum Tod vorbehaltlos einander verpflichten" (FC
11).
„Als Tobias und Sara in der Kammer allein waren, erhob sich Tobias
vom Lager und sagte: Steh auf, Schwester, wir wollen beten, damit der
Herr Erbarmen mit uns hat. Und er begann zu beten: Sei gepriesen, Gott
unserer Väter ... Du hast Adam erschaffen und hast ihm Eva zur Frau
gegeben, damit sie ihm hilft und ihn ergänzt. Von ihnen stammen alle
Menschen ab. Du sagtest: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein ist;
wir wollen für ihn einen Menschen machen, der ihm hilft und zu ihm paßt.
Darum, Herr, nehme ich diese meine Schwester nicht aus reiner Lust zur
Frau, sondern aus wahrer Liebe. Hab Erbarmen mit mir, und laß mich gemeinsam
mit ihr ein hohes Alter erreichen! Und Sara sagte zusammen mit ihm:
Amen. Und beide schliefen die Nacht über miteinander" (Tob 8,4-9).
2362 „Jene Akte also, durch die Eheleute innigst und lauter eins werden,
sind von sittlicher Würde; sie bringen, wenn sie human vollzogen werden,
jenes gegenseitige Übereignetsein zum Ausdruck und vertiefen es, durch
das sich die Gatten gegenseitig in Freude und Dankbarkeit reich machen"
(GS 49,2). Die Geschlechtlichkeit ist eine Quelle der Freude und Lust:
„Der Schöpfer selbst ... hat es so eingerichtet, daß die Gatten bei
dieser [Zeugungs]funktion Lust und Befriedigung des Leibes und des Geistes
erleben. Somit begehen die Gatten nichts Böses, wenn sie diese Lust
anstreben und sie genießen. Sie nehmen das an, was der Schöpfer ihnen
zugedacht hat. Doch sollen die Gatten sich innerhalb der Grenzen einer
angebrachten Mäßigung zu halten wissen" (Pius XII., Ansprache vom
29. Oktober 1951).
2363 Durch die Vereinigung der Gatten verwirklicht sich der doppelte
Zweck der Ehe: das Wohl der Gatten selbst und die Weitergabe des Lebens.
Man kann diese beiden Bedeutungen oder Werte der Ehe nicht voneinander
trennen, ohne das geistliche Leben des Ehepaares zu beeinträchtigen und
die Güter der Ehe und die Zukunft der Familie aufs Spiel zu setzen
Die eheliche Liebe zwischen Mann und Frau steht somit unter der doppelten
Forderung der Treue und der Fruchtbarkeit.
Eheliche Treue
2364 „Die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom
Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt, wird durch den
Ehebund, das heißt durch ein unwiderrufliches personales Einverständnis,
gestiftet" (GS 48,1). Die Ehegatten schenken sich einander endgültig
und ganz. Sie sind nicht mehr zwei, sondern bilden fortan ein einziges
Fleisch. Der von den Ehegatten in Freiheit geschlossene Bund verpflichtet
sie, an seiner Einheit und Unauflöslichkeit fest zu halte &. „Was
aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen" (Mk 10,9)
[Vgl. Mt 19, 1-12; 1 Kor 7. 10-11].
2365 Die Treue kommt darin zum Ausdruck, daß das gegebene Wort stets
gehalten wird. Gott ist treu. Das Sakrament der Ehe nimmt den Mann und
die Frau in die Treue Christi zu seiner Kirche hinein. Durch die eheliche
Keuschheit bezeugen sie vor der Welt dieses Mysterium.
Der hl. Johannes Chrysostomus empfiehlt den jungen Ehemännern, zu ihrer
Gattin zu sagen: „ [Ich habe dich in meine Arme genommen] und liebe dich
sogar mehr als mein Leben. Das gegenwärtige Leben bedeutet ja nichts,
und mein glühendster Traum ist der, es zusammen mit dir so zu durchschreiten,
daß wir sicher sind, in dem Leben, das unser harrt, nicht voneinander
getrennt zu werden ... Deine Liebe geht mir über alles, und nichts wäre
für mich schmerzlicher, als nicht so gesinnt zu sein wie du" (hom.
in Eph. 20,8).
Eheliche Fruchtbarkeit
2366 Die Fruchtbarkeit ist eine Gabe, ein Zweck der Ehe, denn die eheliche
Liebe neigt von Natur aus dazu, fruchtbar zu sein. Das Kind kommt nicht
von außen zu der gegenseitigen Liebe der Gatten hinzu; es entspringt im
Herzen dieser gegenseitigen Hingabe, deren Frucht und Erfüllung es ist.
Darum lehrt die Kirche, die „auf der Seite des Lebens" steht (FC
30), „daß jeder eheliche Akt von sich aus auf die Erzeugung menschlichen
Lebens ausgerichtet bleiben muß" (HV 11). „Diese vom kirchlichen
Lehramt oft dargelegte Lehre gründet in einer von Gott bestimmten unlösbaren
Verknüpfung der beiden Bedeutungen - liebende Vereinigung und Fortpflanzung
-‚ die beide dem ehelichen Akt innewohnen" (HV 12) [Vgl. Pius Xl.,
Enz. „Casti connubii"].
2367 Dazu berufen, Leben zu schenken, haben die Gatten an der Schöpfer-
kraft und Vaterschaft Gottes teil [Vgl. Eph 3,14; Mt 23,9.]. „In ihrer
Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen, die als die
nur ihnen zukommende Sendung zu betrachten ist, wissen sich die Eheleute
als mitwirkend mit der Liebe Gottes des Schöpfers und gleichsam als Interpreten
dieser Liebe. Daher müssen sie in menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit
ihre Aufgabe erfüllen" (GS 50,2).
2368 Ein besonderer Aspekt dieser Verantwortung betrifft die Empfängnisregelung.
Aus berechtigten Gründen dürfen die Eheleute für Abstände zwischen den
Geburten ihrer Kinder sorgen wollen. Es ist an ihnen, zu prüfen, ob ihr
Wunsch nicht auf Egoismus beruht, sondern der angebrachten Großmut einer
verantwortlichen Elternschaft entspricht. Außerdem werden sie ihr Verhalten
nach den objektiven Maßstäben der Sittlichkeit regeln:
„Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher
Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise
nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern
auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen
Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger
Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe
wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der
Tugend ehelicher Keuschheit" (GS 51,3).
2369 „Wenn die beiden wesentlichen Gesichtspunkte der liebenden Vereinigung
und der Fortpflanzung beachtet werden, behält der Verkehr in der Ehe voll
und ganz die Bedeutung gegenseitiger und wahrer Liebe und seine Hinordnung
auf die erhabene Aufgabe der Elternschaft, zu der der Mensch berufen ist"
(HV 12).
2370 Die zeitweilige Enthaltsamkeit sowie die auf Selbstbeobachtung und
der Wahl von unfruchtbaren Perioden der Frau beruhenden Methoden der Empfängnisregelung
[Vgl. HV 16] entsprechen den objektiven Kriterien der Moral. Diese Methoden
achten den Leib der Eheleute, ermutigen diese zur Zärtlichkeit und begünstigen
die Erziehung zu echter Freiheit. Hingegen „ist jede Handlung verwerflich,
die entweder in Voraussicht oder während des Vollzuges des ehelichen Aktes
oder im Anschluß an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf
abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als
Mittel zum Ziel" (HV 14).
„Während die geschlechtliche Vereinigung ihrer ganzen Natur nach ein
vorbehaltloses gegenseitiges Sich-Schenken der Gatten zum Ausdruck bringt,
wird sie durch die Empfängnisverhütung zu einer objektiv widersprüchlichen
Gebärde, zu einem Sich-nicht-ganz-Schenken. So kommt zur aktiven Zurückweisung
der Offenheit für das Leben auch eine Verfälschung der inneren Wahrheit
ehelicher Liebe, die ja zur Hingabe in personaler Ganzheit berufen ist."
Dieser anthropologische und moralische Unterschied zwischen der Empfängnisverhütung
und der Zuflucht zu den natürlichen Fruchtbarkeitszyklen ist „mit zwei
sich ausschließenden Vorstellungen von Person und menschlicher Sexualität
verknüpft"(FC 32).
2371 „Mögen alle daran denken: Das menschliche Leben und die Aufgabe,
es weiterzuvermitteln, haben nicht nur eine Bedeutung für diese Zeit und
können deshalb auch nicht von daher allein bemessen und verstanden werden,
sondern haben immer eine Beziehung zu der ewigen Bestimmung des Menschen"
(GS 51,4).
2372 Der Staat ist für das Wohl der Bürger verantwortlich. Aus diesem
Grund ist er berechtigt, auf das Bevölkerungswachstum einzuwirken. Er
darf das mittels einer taktvollen objektiven Information tun, nicht aber
auf autoritäre Weise und durch Ausübung von Zwang. Er darf sich nicht
über den freien Entschluß der Gatten hinwegsetzen, welche die erste Verantwortung
für die Zeugung und Erziehung ihrer Kinder tragen [Vgl. HV 23; PP 37].
Er ist nicht berechtigt, der Moral widersprechende Mittel zur Regelung
des Bevölkerungswachstums zu begünstigen.
Kinder sind ein Geschenk
2373 Die Heilige Schrift und die kirchliche Überlieferung sehen in kinderreichen
Familien ein Zeichen des göttlichen Segens und der Großzügigkeit der Eltern
[Vgl. GS 50,2].
2374 Keine Kinder bekommen zu können, ist für Eheleute ein schweres Leid.
„Herr, mein Herr, was willst du mir schon geben? Ich gehe doch kinderlos
dahin . . .„ (Gen 15,2). „Verschaff mir Söhne! Wenn nicht, sterbe ich"
schreit Rahel ihrem Gatten Jakob zu (Gen 30,1).
2375 Forschungsarbeiten zur Behebung der Unfruchtbarkeit sind zu ermutigen,
vorausgesetzt, daß sie „im Dienst der menschlichen Person stehen, ihrer
unveräußerlichen Rechte sowie ihres wahren und ganzheitlichen Wohls gemäß
dem Plan und dem Willen Gottes" (DnV intr. 2).
2376 Techniken, die durch das Einschalten einer dritten Person (Ei- oder
Samenspende, Leihmutterschaft) die Gemeinsamkeit der Elternschaft auflösen,
sind äußerst verwerflich. Diese Techniken (heterologe künstliche Insemination
und Befruchtung) verletzen das Recht des Kindes, von einem Vater und einer
Mutter abzustammen, die es kennt und die miteinander ehelich verbunden
sind. Sie verletzen ebenso das Recht beider Eheleute, „daß der eine nur
durch den anderen Vater oder Mutter wird" (DnV 2,1).
2377 Werden diese Techniken innerhalb des Ehepaares angewendet (homologe
künstliche Insemination und Befruchtung), sind sie vielleicht weniger
verwerflich, bleiben aber dennoch moralisch unannehmbar. Sie trennen den
Geschlechtsakt vom Zeugungsakt. Der Akt, der die Existenz des Kindes begründet,
ist dann kein Akt mehr, bei dem sich zwei Personen einander hingeben.
Somit vertraut man „das Leben und die Identität des Embryos der Macht
der Mediziner und Biologen an und errichtet eine Herrschaft der Technik
über Ursprung und Bestimmung der menschlichen Person. Eine derartige Beziehung
von Beherrschung widerspricht in sich selbst der Würde und der Gleichheit,
die Eltern und Kindern gemeinsam sein muß" (DnV 2,5). „Die Fortpflanzung
ist aus moralischer Sicht ihrer eigenen Vollkommenheit beraubt, wenn sie
nicht als Frucht des ehelichen Aktes, also des spezifischen Geschehens
der Vereinigung der Eheleute, angestrebt wird ... Nur die Achtung vor
dem Band, das zwischen den Sinngehalten des ehelichen Aktes besteht, und
die Achtung vor der Einheit des menschlichen Wesens gestatten eine der
Würde der Person entsprechende Fortpflanzung" (DnV 2,4).
2378 Das Kind ist nicht etwas Geschuldetes, sondern ein Geschenk. Das
„vorzüglichste Geschenk der Ehe" ist also eine menschliche Person.
Das Kind darf nicht als Eigentum angesehen werden, so als könnte man ein
„Recht auf das Kind" beanspruchen. In diesem Bereich besitzt einzig
das Kind eigentliche Rechte: „das Recht, die Frucht des spezifischen Aktes
der ehelichen Hingabe seiner Eltern zu sein" und das Recht, „vom
ersten Augenblick seiner Empfängnis an als Person geachtet zu werden"
(DnV 2,8).
2379 Wie das Evangelium zeigt, ist körperliche Unfruchtbarkeit kein absolutes
Übel. Eheleute, die, nachdem sie alle berechtigten medizinischen Hilfsmittel
ausgeschöpft haben, weiterhin an Unfruchtbarkeit leiden, werden sich dem
Kreuz des Herrn anschließen, dem Quell aller geistlichen Fruchtbarkeit.
Sie können ihre Großmut zeigen, indem sie verlassene Kinder adoptieren
oder anspruchsvolle Dienste an anderen erfüllen.
IV. Verstöße gegen die Würde der Ehe
2380 Ehebruch, das heißt eheliche Untreue. Wenn zwei Partner, von denen
wenigstens einer verheiratet ist, miteinander eine, wenn auch nur vorübergehende
geschlechtliche Beziehung eingehen, begehen sie Ehebruch. Christus verurteilt
schon den Ehebruch im Geiste [Vgl. Mt 5,27-28]. Das sechste Gebot und
das Neue Testament verbieten den Ehebruch absolut [Vgl. Mt 5,32; 19,6;
Mk 10,11; 1 Kor 6,9-10]. Die Propheten prangern ihn als schweres Vergehen
an. Sie betrachten den Ehebruch als Abbild des sündigen Götzendjenstes
[Vgl. Hos 2.7: Jer 5,7].
2381 Ehebruch ist ein Unrecht. Wer die Ehe bricht, wird seinen Verpflichtungen
untreu. Er verletzt das Band der Ehe, das Zeichen des Bundes ist; er verletzt
auch das Recht seines Ehepartners und schädigt die Institution der Ehe,
indem er den Vertrag nicht einhält, der ihr zugrunde liegt. Er setzt das
Gut der menschlichen Zeugung aufs Spiel sowie das Wohl der Kinder, die
eine dauerhafte Verbundenheit der Eltern benötigen.
Ehescheidung
2382 Jesus betonte die ursprüngliche Absicht des Schöpfers, der wollte,
daß die Ehe unauflöslich sei 1. Er hob die Duldungen auf, die sich in
das alte Gesetz eingeschlichen hatten [Vgl. Mt 19,7].
„Die gültig geschlossene und vollzogene Ehe" zwischen getauften
Katholiken „kann durch keine menschliche Gewalt und aus keinem Grunde,
außer durch den Tod, aufgelöst werden" ( [link] CIC, can. 1141).
2383 Die Trennung der Gatten unter Beibehaltung des Ehebandes kann in
gewissen Fällen, die das kanonische Recht vorsieht, berechtigt sein [Vgl.
[link] CIC, cann. 1151-1155].
Falls die zivile Scheidung die einzige Möglichkeit ist, gewisse legitime
Rechte, die Sorge für die Kinder oder das ererbte Vermögen zu sichern,
darf sie in Kauf 4 genommen werden und ist dann keine sittliche Verfehlung.
2384 Die Ehescheidung ist ein schwerer Verstoß gegen das natürliche Sittengesetz.
Sie gibt vor, den zwischen den Gatten freiwillig eingegangenen Vertrag,
bis zum Tod zusammenzuleben, brechen zu können. Die Ehescheidung mißachtet
den Bund des Heiles, dessen Zeichen die sakramentale Ehe ist. Das Eingehen
einer, wenn auch vom Zivilrecht anerkannten, neuen Verbindung verstärkt
den Bruch noch zusätzlich. Der Ehepartner, der sich wieder verheiratet
hat, befindet sich dann in einem dauernden, öffentlichen Ehebruch.
„Wenn der Gatte, nachdem er sich von seiner Frau getrennt hat, sich
einer anderen Frau nähert, ist er ein Ehebrecher, denn er läßt diese
Frau Ehebruch begehen; und die Frau, die mit ihm zusammenwohnt, ist
eine Ehebrecherin, denn sie hat den Gatten einer anderen an sich gezogen"
(Basilius, moral. reg. 73).
2385 Die Ehescheidung ist auch deshalb unsittlich, weil sie in die Familie
und in die Gesellschaft Unordnung bringt. Diese Unordnung zieht schlimme
Folgen nach sich: für den Partner, der verlassen worden ist; für die
Kinder, die durch die Trennung der Eltern einen Schock erleiden und oft
zwischen diesen hin- und hergerissen werden; für die Gesellschaft, für
die sie aufgrund ihrer ansteckenden Wirkung zu einer tiefen Wunde wird.
2386 Möglicherweise ist einer der beiden Gatten das unschuldige Opfer
der durch das Zivilgesetz ausgesprochenen Scheidung. In diesem Fall vestößt
er nicht gegen das sittliche Gebot. Es besteht ein beträchtlicher Unterschied
zwischen dem Ehepartner, der sich redlich bemüht hat, dem Sakrament der
Ehe treu zu bleiben, und ungerechterweise verlassen wird, und demjenigen,
der durch ein schweres Vergehen eine kirchenrechtlich gültige Ehe zerstört
[Vgl. FC 84].
Weitere Verstöße gegen die Würde der Ehe
2387 Man kann sich vorstellen, welchen inneren Konflikt es für jemanden,
der sich zum Evangelium bekehren will, bedeutet, deshalb eine oder mehrere
Frauen entlassen zu müssen, mit denen er jahrelang ehelich zusammengelebt
hat. Doch läßt sich die Polygamie mit dem sittlichen Gesetz nicht vereinbaren,
denn sie „widerspricht radikal" der ehelichen Gemeinschaft. „Sie
leugnet in direkter Weise den Plan Gottes, wie er am Anfang offenbart
wurde; denn sie widerspricht der gleichen personalen Würde von Mann und
Frau, die sich in der Ehe mit einer Liebe schenken, die total und eben
deshalb einzig und ausschließlich ist" (FC 19) [Vgl. GS 47,2]. Ein
Christ, der einst mehrere Frauen hatte, untersteht der strengen Gerechtigkeitspflicht,
den finanziellen Verpflichtungen gegenüber seinen ehemaligen Frauen und
seinen Kindern nachzukommen.
2388 Als Inzest bezeichnet man intime Beziehungen zwischen Verwandten
oder Verschwägerten, unter denen die Ehe verboten wäre [Vgl. Lev 18. 7-20].
Der hl. Paulus brandmarkt dieses besonders schwere Vergehen: „Übrigens
hört man von Unzucht unter euch ... daß nämlich einer mit der Frau seines
Vaters lebt.
Im Namen Jesu, unseres Herrn, wollen wir ... diesen Menschen dem Satan
übergeben zum Verderben seines Fleisches" (1 Kor 5,1.4-5). Inzest
verdirbt die Beziehungen in der Familie und stellt einen Rückschritt zu
tierischem Verhalten dar.
2389 Mit Inzest sind auch sexuelle Mißbräuche Erwachsener von Kindern
oder Jugendlichen, die ihrer Obhut anvertraut sind, in Verbindung zu bringen.
Dann kommt zu der Verfehlung ein skandalöser Verstoß gegen die leibliche
und moralische Unversehrtheit der jungen Menschen hinzu, die dadurch für
ihr ganzes Leben gezeichnet bleiben. Hier ist zudem eine krasse Verletzung
der Erziehungsverantwortung gegeben.
2390 Ein Verhältnis liegt dann vor, wenn ein Mann und eine Frau sich
weigern, ihrer auch die sexuelle Intimität einbegreifenden Beziehung eine
öffentliche Rechtsform zu geben.
Der Ausdruck „freie Liebe" ist trügerisch: Was kann ein Liebesverhältnis
bedeuten, bei dem die beiden Partner keine gegenseitigen Verpflichtungen
eingehen und damit bezeugen, daß sie weder auf den Partner noch auf sich
selbst noch auf die Zukunft genügend vertrauen?
Der Ausdruck „Verhältnis" bezeichnet unterschiedliche Situationen:
Konkubinat, Ablehnung der Ehe als solcher und Unfähigkeit, sich durch
langfristige Verpflichtungen zu binden [Vgl. FC 81]. Alle diese Situationen
verletzen die Würde der Ehe; sie zerstören den Grundgedanken der Familie;
sie schwächen den Sinn für Treue. Sie verstoßen gegen das moralische Gesetz:
Der Geschlechtsakt darf ausschließlich in der Ehe stattfinden; außerhalb
der Ehe ist er stets eine schwere Sünde und schließt vom Empfang der Heiligen
Kommunion aus.
2391 Manche, die zu heiraten beabsichtigen, beanspruchen heute eine Art
Versuchsrecht. Wenn auch der Wille zur Heirat fest ist, besteht doch die
Tatsache, daß verfrühte geschlechtliche Beziehungen „keineswegs die Aufrichtigkeit
und die Treue der zwischenmenschlichen Beziehungen von Mann und Frau zu
gewährleisten noch sie vor allem gegen Laune und Begierlichkeit zu schützen
vermögen" (CDF, Erkl. „Persona humana" 7). Die leibliche Vereinigung
ist nur dann moralisch zu rechtfertigen, wenn zwischen dem Mann und der
Frau eine endgültige Lebensgemeinschaft gegründet worden ist. Die menschliche
Liebe läßt den bloßen „Versuch" nicht zu. Sie verlangt eine endgültige
und ganze gegenseitige Hingabe der beiden Partner [Vgl. FC 80].
Kurztexte
2392 „Die Liebe ist die grundlegende und naturgemäße Berufung jedes Menschen
(FC 11).
2393 Als Gott den Menschen als Mann und Frau erschuf, gab er beiden die
gleiche personale Würde. Mann und Frau haben ihre Geschlechtlichkeit wahrzunehmen
und anzunehmen.
2394 Christus ist das Vorbild der Keuschheit. Jeder Getaufte ist berufen
seinem Lebensstand entsprechend ein keusches Leben zu führen.
2395 Keuschheit bedeutet ,daß die Geschlechtlichkeit in die Person integriert
ist. Sie ist eine Schule der Selbstbeherrschung.
2396 Zu den Sünden, die schwer gegen die Keuschheit verstoßen gehören
Masturbation, Unzucht, Pornographie und homosexuelle Praktiken.
2397 Zum Bund den die Brautleute in Freiheit eingehen gehört treue Liebe.
Diese bringt die Verpflichtung mit sich die Ehe unauflöslich zu bewahren.
2398 Fruchtbarkeit ist ein Gut ein Geschenk ein Zweck der Ehe. Indem
die Eheleute Leben schenken nehmen sie an der Vaterschaft Gottes teil.
2399 Die Empfängnisregelung stellt einen der Aspekte verantwortlicher
Elternschaft dar Auch wenn die Absicht der beiden Gatten gut ist sind
sie doch nicht berechtigt sich sittlich unzulässiger Mittel zu bedienen
(z B direkte Sterilisation oder Verhütungsmittel,).
2400 Ehebruch und Ehescheidung Polygamie und Verhältnisse sind schwere
Verstöße gegen die Wurde der Ehe.
Artikel 7
Das Siebte Gebot
„Du sollst nicht stehlen" (Ex 20,15; Dtn 5,19; Mt ‘19,18).
2401 Das siebte Gebot verbietet, fremdes Eigentum unrechtmäßig an sich
zu nehmen oder zurückzubehalten und dem Nächsten auf irgendwelche Weise
an Hab und Gut Schaden zuzufügen. Es schreibt Gerechtigkeit und 1807 Liebe
in der Verwaltung der irdischen Güter und der Früchte der menschlichen
Arbeit vor. Es verlangt, im Hinblick auf das Gemeinwohl, die allgemeine
Bestimmung der Güter und das Recht auf Privateigentum zu achten. Der Christ
ist in seinem Leben bestrebt, die Güter dieser Welt auf Gott und 952 die
Bruderliebe hinzuordnen.
I. Bestimmung der irdischen Güter für
alle Menschen und das Recht auf Privateigentum
2402 Am Anfang hat Gott die Erde und ihre Güter der Menschheit zur gemeinsamen
Verwaltung anvertraut, damit sie für die Erde sorge, durch ihre Arbeit
über sie herrsche und ihre Früchte genieße [Vgl. Gen 1,26-29]. Die Güter
der Schöpfung sind für das gesamte Menschengeschlecht bestimmt. Die Erde
ist jedoch unter die Menschen aufgeteilt, um die Sicherheit ihres Lebens
zu gewährleisten, das in Gefahr schwebt, Mangel zu leiden und der Gewalttätigkeit
zum Opfer zu fallen. Die Aneignung von Gütern ist berechtigt, um die Freiheit
und Würde der Menschen zu sichern und jedem die Möglichkeit zu verschaffen,
für seine Grundbedürfnisse und die Bedürfnisse der ihm Anvertrauten aufzukommen.
Sie soll ermöglichen, daß unter den Menschen eine natürliche Solidarität
besteht.
2403 Das Recht auf das Privateigentum, das man sich selbst erarbeitet
oder von andern geerbt oder geschenkt bekommen hat, hebt die Tatsache
nicht auf, daß die Erde ursprünglich der ganzen Menschheit übergeben worden
ist. Daß die Güter für alle bestimmt sind, bleibt vorrangig, selbst wenn
das Gemeinwohl erfordert, das Recht auf und den Gebrauch von Privateigentum
zu achten.
2404 „Darum soll der Mensch, der sich dieser Güter bedient, die äußeren
Dinge, die er rechtmäßig besitzt, nicht nur als ihm persönlich zu eigen,
sondern er muß sie zugleich auch als Gemeingut ansehen in dem Sinn, daß
sie nicht ihm allein, sondern auch anderen von Nutzen sein können"
(GS 69,1). Der Besitz eines Gutes macht dessen Eigentümer zu einem Verwalter
im Dienst der Vorsehung; er soll es nutzen und den daraus erwachsenden
Ertrag mit anderen, in erster Linie mit seinen Angehörigen, teilen.
2405 Materielle oder immaterielle Produktionsgüter - wie z. B. Ländereien
oder Fabriken, Fachwissen oder Kunstfertigkeiten - sollen von ihren Besitzern
gut verwaltet werden, damit der Gewinn, den sie abwerfen, möglichst vielen
zugute kommt. Die Eigentümer von Gebrauchs- und Konsumgütern sollen sie
mit Maß verwenden und den besten Teil davon Gästen, Kranken und Armen
vorbehalten.
2406 Die staatliche Gewalt hat das Recht und die Pflicht, zugunsten des
Gemeinwohls die rechtmäßige Ausübung des Eigentumsrechtes zu regeln [Vgl.
GS 71,4; SRS 42; CA 40; 48].
II. Achtung der Menschen und ihrer
Güter
2407 Auf wirtschaftlichem Gebiet erfordert die Achtung der Menschenwürde
die Tugend der Mäßigung, um die Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt
zu zügeln; die Tugend der Gerechtigkeit, um die Rechte des Nächsten zu
wahren und ihm zu geben, was ihm zusteht; und die Solidarität gemäß der
Goldenen Regel und der Freigebigkeit des Herrn, denn „er, der reich war,
wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen"
(2 Kor 8,9).
Achtung fremden Gutes
2408 Das siebte Gebot untersagt den Diebstahl, der darin besteht, daß
man sich fremdes Gut gegen den vernünftigen Willen des Besitzers widerrechtlich
aneignet. Kein Diebstahl ist es, wenn man das Einverständnis des Besitzers
voraussetzen kann, oder wenn seine Weigerung der Vernunft oder der Bestimmung
der Güter für alle widerspricht. So wenn in äußerster und offensichtlicher
Notlage die Aneignung und der Gebrauch fremden Gutes das einzige Mittel
ist, um unmittelbare Grundbedürfnisse (wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung)
zu befriedigen [Vgl. GS 69,1].
2409 Sich fremdes Gut auf welche Weise auch immer ungerecht anzueignen
oder es zu behalten, ist selbst dann, wenn dabei den Bestimmungen des
bürgerlichen Gesetzes nicht zuwidergehandelt wird, ein Verstoß gegen das
siebte Gebot. Das Gleiche gilt vom bewußten Zurückbehalten entliehener
Sachen oder von Fundgegenständen, vom Betrug im Handel [Vgl. Din 25,13-16],
von der Zahlung ungerechter Löhne [Vgl. Dtn 24,14-15; Jak 5,4] und dem
Hochtreiben von Preisen unter Ausnützung der Unwissenheit oder der Notlage
der anderen [Vgl. Am 8,4-6].
Ebenfalls sittlich verwerflich sind: Spekulation, durch die man Preise
für Güter künstlich steigert oder senkt, um daraus zum Schaden anderer
Gewinn zu ziehen; Korruption, durch die man Verantwortliche dazu verführt,
entgegen den Rechtsbestimmungen zu entscheiden; Aneignung und private
Verwendung des Gesellschaftseigentums eines Unternehmens; schlechte Ausführung
von Arbeiten, Steuerhinterziehung, Fälschung von Schecks und Rechnungen,
überhöhte Ausgaben und Verschwendung. Privates oder öffentliches Eigentum
mutwillig zu beschädigen verstößt gegen das moralische Gesetz und verlangt
Wiedergutmachung.
2410 Versprechen und Verträge müssen gewissenhaft gehalten werden, soweit
die eingegangene Verpflichtung sittlich gerecht ist. Das wirtschaftliche
und gesellschaftliche Leben hängt zu einem großen Teil davon ab, daß man
sich an die Verträge zwischen physischen oder moralischen Personen hält:
an Verkauf- oder Kaufverträge, Miet- oder Arbeitsverträge. Jeder Vertrag
ist guten Glaubens abzuschließen und auszuführen.
2411 Verträge unterstehen der ausgleichenden Gerechtigkeit, die den Austausch
zwischen Personen unter genauer Beachtung ihrer Rechte regelt. Die ausgleichende
Gerechtigkeit ist streng verpflichtend. Sie fordert, daß man Eigentumsrechte
wahrt, Schulden zurückzahlt und sich an freiwillig eingegangene Verpflichtungen
hält. Ohne ausgleichende Gerechtigkeit ist keine andere Form der Gerechtigkeit
möglich.
Man unterscheidet ausgleichende [kommutative] von legaler Gerechtigkeit,
die das betrifft, was der Bürger gerechterweise der Gemeinschaft schuldet,
und von austeilender [distributiver] Gerechtigkeit, die regelt, was die
Gemeinschaft den Bürgern im Verhältnis zu deren Beiträgen und Bedürfnissen
schuldet.
2412 Im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit fordert die Verpflichtung
zur Wiedergutmachung einer begangenen Ungerechtigkeit, daß man das entwendete
Gut dem Eigentümer zurückgibt.
Jesus lobt Zachäus für sein Versprechen: „Wenn ich von jemand zu viel
gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück" (Lk 19,8). Wer
sich direkt oder indirekt fremdes Gut angeeignet hat, ist verpflichtet,
es zurückzugeben oder, falls es nicht mehr vorhanden ist, den Gegenwert
bar oder in Naturalien zurückzuzahlen sowie die Zinsen und den Nutzen
zu vergüten, die sein Eigentümer rechtmäßig daraus gewonnen hätte. Wer
in irgendeiner Weise an einem Diebstahl beteiligt war oder in dessen Kenntnis
daraus Nutzen gezogen hat, z. B. wer ihn befohlen oder daran mitgewirkt
oder ihn gedeckt hat, ist entsprechend seiner Verantwortung und seinem
Profit ebenfalls zur Wiedergutmachung verpflichtet.
2413 Glücksspiele (wie Kartenspiele) oder Wetten verstoßen an und für
sich nicht gegen die Gerechtigkeit. Sie werden jedoch dann sittlich unzulässig,
wenn sie jemand um das bringen, was er zu seinem und anderer Menschen
Lebensunterhalt braucht. Die Spielleidenschaft droht den Spieler zu versklaven.
Eine ungerechte Wette abzuschließen oder beim Spiel zu betrügen ist schwerwiegend,
außer wenn der zugefügte
Schaden so gering ist, daß der Geschädigte ihn vernünftiger weise nicht
ernst nehmen kann.
2414 Das siebte Gebot verbietet Handlungen oder Unternehmungen, die aus
irgendeinem Grund - aus Egoismus, wegen einer Ideologie, aus Profitsucht
oder in totalitärer Gesinnung - dazu führen, daß Menschen geknechtet,
ihrer persönlichen Würde beraubt oder wie Waren gekauft, verkauft oder
ausgetauscht werden. Es ist eine Sünde gegen ihre Menschenwürde und ihre
Grundrechte, sie gewaltsam zur bloßen Gebrauchsware oder zur Quelle des
Profits zu machen. Der hl. Paulus befahl einem christlichen Herrn, seinen
christlichen Sklaven „nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als
geliebten Bruder" zu behandeln (PhIm 16).
Achtung der Unversehrtheit der Schöpfung
2415 Das siebte Gebot verlangt auch, die Unversehrtheit der Schöpfung
zu achten. Tiere, Pflanzen und leblose Wesen sind von Natur aus zum gemeinsamen
Wohl der Menschheit von gestern, heute und morgen bestimmt [Vgl. Gen 1,28-31].
Die Bodenschätze, die Pflanzen und die Tiere der Welt dürfen nicht ohne
Rücksicht auf sittliche Forderungen genutzt werden. Die Herrschaft über
die belebte und die unbelebte Natur, die der Schöpfer dem Menschen übertragen
hat, ist nicht absolut; sie wird gemessen an der Sorge um die Lebensqualität
des Nächsten, wozu auch die künftigen Generationen zählen; sie verlangt
Ehrfurcht vor der Unversehrtheit der Schöpfung [Vgl. CA 37-38].
2416 Tiere sind Geschöpfe Gottes und unterstehen seiner für sorgenden
Vorsehung [Vgl. Mt 6,26]. Schon allein durch ihr Dasein preisen und verherrlichen
sie Gott [Vgl. Dan 3,57-58]. Darum schulden ihnen auch die Menschen Wohlwollen.
Erinnern wir uns, mit welchem Feingefühl die Heiligen, z. B. der hl. Franz
von Assisi und der hl. Philipp Neri, die Tiere behandelten.
2417 Gott hat die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt, den
er nach seinem Bild geschaffen hat [Vgl. Gen 2, 19-20; 9,1-14]. Somit
darf man sich der Tiere zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidern
bedienen. Man darf sie zähmen, um sie dem Menschen bei der Arbeit und
in der Freizeit dienstbar zu machen. Medizinische und wissenschaftliche
Tierversuche sind in vernünftigen Grenzen sittlich zulässig, weil sie
dazu beitragen, menschliches Leben zu heilen und zu retten.
2418 Es widerspricht der Würde des Menschen, Tiere nutzlos leiden zu
lassen und zu töten. Auch ist es unwürdig, für sie Geld auszugeben, das
in erster Linie menschliche Not lindern sollte. Man darf Tiere gern haben,
soll ihnen aber nicht die Liebe zuwenden, die einzig Menschen gebührt.
III. Soziallehre der Kirche
2419 „Die christliche Offenbarung ... führt ... zu einem tieferen Verständnis
der Gesetze des gesellschaftlichen Lebens" (GS 23, 1). Die Kirche
erhält durch das Evangelium die volle Offenbarung der Wahrheit über den
Menschen. Wenn sie ihren Auftrag, das Evangelium zu verkünden, erfüllt,
bescheinigt sie dem Menschen im Namen Christi seine Würde und seine Berufung
zu personaler Gemeinschaft; sie lehrt ihn die Forderungen der Gerechtigkeit
und der Liebe, die der göttlichen Weisheit entsprechen.
2420 Die Kirche fällt auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet ein sittliches
Urteil, „wenn die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil der
Seelen es verlangen" (GS 76,5). Im Bereich der Moral hat sie eine
andere Sendung als die staatliche Gewalt: Die Kirche kümmert sich um die
zeitlichen Belange des Gemeinwohls, weil diese auf das höchste Gut, unser
letztes Ziel, hinge ordnet sind. Sie ist bestrebt, die richtige Einstellung
zu den irdischen Gütern und den gesellschaftlich wirtschaftlichen Beziehungen
zu verbreiten.
2421 Die Soziallehre der Kirche entwickelte sich im 19. Jahrhundert,
veranlaßt durch die Konfrontation des Evangeliums mit der modernen Industriegesellschaft,
ihren neuen Strukturen zur Herstellung von Verbrauchsgütern, ihrer neuen
Auffassung von der Gesellschaft, dem Staat und der Autorität und ihren
neuen Arbeits- und Eigentumsformen. Die Entwicklung der Wirtschafts- und
Soziallehre der Kirche bezeugt den bleibenden Wert der kirchlichen Lehrtätigkeit
sowie den wahren Sinn ihrer stets lebendigen und wirksamen Überlieferung
[Vgl. CA 3].
2422 Die Soziallehre der Kirche besteht aus einem Lehrgefüge, das sich
dadurch bildet, daß die Kirche die geschichtlichen Ereignisse unter dem
Beistand des Heiligen Geistes im Licht der gesamten Offenbarung Christi
deutet [Vgl. SRS 1;41]. Diese Lehre wird für Menschen guten Willens umso
annehmbarer, je stärker sich die Gläubigen in ihrem Verhalten von ihr
bestimmen lassen.
2423 Die Soziallehre der Kirche legt Grundsätze für die Reflexion vor,
erarbeitet Maßstäbe des Urteilens und gibt Wegweisungen zum Handeln.
Jedes System, in dem die gesellschaftlichen Beziehungen ausschließlich
durch wirtschaftliche Faktoren bestimmt werden, widerspricht der Natur
der menschlichen Person und ihrer Handlungen [Vgl. CA 24].
2424 Eine Theorie, die den Profit zur alleinigen Regel und zum letzten
Zweck aller wirtschaftlichen Tätigkeit macht, ist sittlich unannehmbar.
Ungezügelte Geldgier zieht böse Folgen nach sich. Sie ist eine der Ursachen
der zahlreichen Konflikte, die die Gesellschaftsordnung stören [Vgl. GS
63,3; LE 7; CA 35].
Systeme, die „um einer kollektivistischen Organisation des Produktionsprozesses
willen grundlegende Rechte der Einzelpersonen und der Gruppen hintansetzen",
widersprechen der Würde des Menschen (GS 65,2). Alles, was die Menschen
zu bloßen Profitmitteln erniedrigt, knechtet den Menschen, führt zur Vergötzung
des Geldes und trägt zur Ausbreitung des Atheismus bei. „Ihr könnt nicht
beiden dienen, Gott und dem Mammon" (Mt 6,24; Lk 16,13).
2425 Die Kirche hat die totalitären und atheistischen Ideologien abgelehnt,
die in neuerer Zeit mit dem „Kommunismus" oder dem „Sozialismus"
einhergingen. Andererseits hat sie in der Handlungsweise des „Kapitalismus"
den Individualismus und den absoluten Primat der Marktgesetze über die
menschliche Arbeit abgelehnt [Vgl. CA 10; 13; 44]. Die ausschließliche
Regulierung der Wirtschaft durch zentralistische Planung verdirbt die
gesellschaftlichen Beziehungen von Grund auf; ihre ausschließliche Regulierung
durch das Gesetz des freien Marktes verstößt gegen die soziale Gerechtigkeit,
denn „es gibt ... unzählige menschliche Bedürfnisse, die keinen Zugang
zum Markt haben" (CA 34). Deshalb ist auf eine vernünftige Regelung
des Marktes und der wirtschaftlichen Unternehmungen hinzu wirken, die
sich an die rechte Wertordnung hält und auf das Wohl aller ausgerichtet
ist.
IV. Wirtschaftsleben und soziale Gerechtigkeit
2426 Die Entfaltung des Wirtschaftslebens und die Steigerung der Produktion
haben den Bedürfnissen der Menschen zu dienen. Das wirtschaftliche Leben
ist nicht allein dazu da, die Produktionsgüter zu vervielfachen und den
Gewinn oder die Macht zu steigern; es soll in erster Linie im Dienst der
Menschen stehen: des ganzen Menschen und der gesamten menschlichen Gemeinschaft.
Die wirtschaftliche Tätigkeit ist - gemäß ihren eigenen Methoden - im
Rahmen der sittlichen Ordnung und der sozialen Gerechtigkeit so auszuüben,
daß sie dem entspricht, was Gott mit dem Menschen vorhat.
2427 Die menschliche Arbeit ist das unmittelbare Werk der nach dem Bilde
Gottes geschaffenen Menschen. Diese sind dazu berufen, miteinander das
Schöpfungswerk fortzusetzen, indem sie über die Erde herrschen [Vgl. Gen
1,28; GS 34; CA 31]. Die Arbeit ist somit eine Pflicht: „Wer nicht arbeiten
will, soll auch nicht essen" (2 Thess 3, 10) [Vgl. 1 Thess 4,11].
Die Arbeit ehrt die Gaben des Schöpfers und die empfangenen Talente. Sie
kann auch erlösend sein. Indem der Mensch in Vereinigung mit Jesus, dem
Handwerker von Nazaret und dem Gekreuzigten von Golgotha, die Mühen der
Arbeit [Vgl. Gen 3,14-19] auf sich nimmt, arbeitet er gewissermaßen mit
dem Sohn Gottes an dessen Erlösungswerk mit. Er erweist sich als Jünger
Christi, indem er bei der Tätigkeit, die er auszuführen hat, Tag für Tag
sein Kreuz auf sich nimmt [Vgl. LE 27]. Die Arbeit kann ein Mittel der
Heiligung sein und die irdische Wirklichkeit mit dem Geiste Christi durchdringen.
2428 Bei der Arbeit übt und verwirklicht der Mensch einen Teil seiner
natürlichen Fähigkeiten. Der Hauptwert der Arbeit kommt vom Menschen selbst,
der sie vollzieht und für den sie bestimmt ist. Die Arbeit ist für den
Menschen da, und nicht der Mensch für die Arbeit [Vgl. LE 6].
Jeder soll aus der Arbeit die Mittel gewinnen können, um für sich und
die Seinen zu sorgen und sich für die menschliche Gemeinschaft nützlich
zu erweisen.
2429 Jeder hat das Recht auf wirtschaftliche Unternehmung; jeder darf
und soll seine Talente nutzen, um zu einem Wohlstand beizutragen, der
allen zugute kommt, und um die gerechten Früchte seiner Mühe zu ernten.
Er soll darauf bedacht sein, sich dabei an die Regelungen zu halten, die
rechtmäßigen Autoritäten zugunsten des Gemeinwohls erlassen haben [Vgl.
CA 32; 34].
2430 Im Wirtschaftsleben sind verschiedene Interessen im Spiel, die einander
oft widersprechen. Daraus ergeben sich die Konflikte, die es kennzeichnen
[Vgl. LE 11]. Man soll sich bemühen, sie auf dem Weg von Verhandlungen
zu lösen, die den Rechten und Pflichten jedes Sozialpartners Rechnung
tragen: denen der Unternehmensleiter, denen der Lohnempfänger und ihrer
Vertreter, z. B. der Gewerkschaften, und gegebenenfalls denen der staatlichen
Behörden.
2431 Die Verantwortung des Staates. „Die Wirtschaft, insbesondere die
Marktwirtschaft, kann sich nicht in einem institutionellen, rechtlichen
und politischen Leerraum abspielen. Im Gegenteil, sie setzt die Sicherheit
der individuellen Freiheit und des Eigentums sowie eine stabile Währung
und leistungsfähige öffentliche Dienste voraus. Hauptaufgabe des Staates
ist es darum, diese Sicherheit zu garantieren, so daß der, der arbeitet
und produziert, die Früchte seiner Arbeit genießen kann und sich angespornt
fühlt, seine Arbeit effizient und redlich zu vollbringen ... Eine andere
Aufgabe des Staates besteht darin, die Ausübung der Menschenrechte im
wirtschaftlichen Bereich zu überwachen und zu leiten. Aber die erste Verantwortung
auf diesem Gebiet liegt nicht beim Staat, sondern bei den Einzelnen und
bei den verschiedenen Gruppen und Vereinigungen, in denen sich die Gesellschaft
artikuliert" (CA 48).
2432 Die Unternehmensleiter sind gegenüber der Gesellschaft für die wirtschaftlichen
und ökologischen [Vgl. CA 37] Folgen ihrer Tätigkeiten verantwortlich.
Sie sind verpflichtet, auf das Wohl der Menschen und nicht nur auf die
Steigerung der Gewinne Bedacht zu nehmen. Gewinne sind jedoch notwendig.
Sie ermöglichen Investitionen, die die Zukunft des Unternehmens und die
Arbeitsplätze sichern.
2433 Ohne ungerechte Zurücksetzung sollen alle, Männer und Frauen, Gesunde
und Behinderte, Einheimische und Fremdarbeiter Zugang zur Arbeit und zum
Berufsleben haben [Vgl. LE 19; 22-23]. Die Gesellschaft soll den Umständen
entsprechend den Bürgern helfen, sich Arbeit und Anstellung zu verschaffen
[Vgl. CA 48].
2434 Der gerechte Lohn ist die rechtmäßige Frucht der Arbeit. Ihn zu
verweigern oder zurückzubehalten ist eine schwere Ungerechtigkeit [Vgl.
Lev 19,13: Dtn 24,14-15; Jak 5,4] Zur Berechnung des gerechten Entgelts
sind sowohl die Bedürfnisse als auch die Leistungen eines jeden zu berücksichtigen.
Die Arbeit ist „so zu entlohnen, daß dem Arbeiter die Mittel zu Gebote
stehen, um sein und der Seinigen materielles, soziales, kulturelles und
spirituelles Dasein angemessen zu gestalten - gemäß der Funktion und Leistungsfähigkeit
des Einzelnen, der Lage des Unternehmens und unter Rücksicht auf das Gemeinwohl"
(GS 67,2). Das Einverständnis der Parteien allein genügt nicht, um die
Höhe des Lohns sittlich zu rechtfertigen.
2435 Streik ist sittlich berechtigt, wenn er ein unvermeidliches, ja
notwendiges Mittel zu einem angemessenen Nutzen darstellt. Er wird sittlich
unannehmbar, wenn er von Gewalttätigkeiten begleitet ist oder wenn man
mit ihm Ziele verfolgt, die nicht direkt mit den Arbeitsbedingungen zusammenhängen
oder die dem Gemeinwohl widersprechen.
2436 Es ist ungerecht, den Institutionen der Sozialversicherung die von
den Zuständigen Autoritäten festgesetzten Beiträge nicht zu entrichten.
Arbeitslosigkeit verletzt fast immer die Würde dessen, den sie trifft,
und droht, sein Leben aus dem Gleichgewicht zu bringen. Außer dem Schaden,
den er persönlich erleidet, bringt sie auch zahlreiche Gefahren für seine
Familie mit sich [Vgl. LE 18].
V. Gerechtigkeit und Solidarität zwischen
den Nationen
2437 Auf internationaler Ebene sind die wirtschaftlichen Ressourcen und
Mittel so ungleich verteilt, daß zwischen den Nationen ein regelrechter
1 „Graben" aufgerissen wird (SRS 14). Auf der einen Seite stehen
jene, die Entwicklungsmöglichkeiten haben und nützen, auf der anderen
Seite jene, die sich immer tiefer verschulden.
2438 Verschiedene Ursachen religiöser, politischer, wirtschaftlicher
und finanzieller Natur verleihen heute der sozialen Frage „ein weltweites
Ausmaß" (SRS 9). Zwischen den Nationen, die politisch bereits voneinander
abhängen, bedarf es der Solidarität. Sie ist noch unerläßlicher, wenn
es darum geht, „entarteten Mechanismen" Einhalt zu gebieten, die
Entwicklung der wirtschaftlich schwachen Länder behindern [Vgl. SRS 17;
45]. Mißbräuchliche, wenn nicht gar wucherische Finanzsysteme [Vgl. CA
35], ungerechte Handelsbeziehungen zwischen den Nationen und der Rüstungswettlauf
sind durch gemeinsame Anstrengungen zu ersetzen, um die Ressourcen für
sittliche, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklungsziele einsetzen
zu können; dabei wird man „die Prioritäten und die Werteskalen ... neu
definieren müssen" (CA 28).
2439 Die reichen Nationen haben eine große sittliche Verantwortung gegenüber
denen, welche die Mittel zu ihrer Entwicklung nicht selbst aufbringen
können oder durch tragische geschichtliche Ereignisse daran gehindert
worden sind. Das ist eine Pflicht der Solidarität und der Liebe, aber
auch eine Pflicht der Gerechtigkeit, falls der Wohlstand der reichen Nationen
aus Ressourcen stammt, die nicht angemessen bezahlt wurden.
2440 Direkthilfe ist eine entsprechende Reaktion auf unmittelbare, außerordentliche
Bedürfnisse, die z. B. durch Naturkatastrophen und Seuchen verursacht
werden. Sie genügt aber nicht, um die aus der Not erwachsenden schweren
Schäden zu beheben, noch um Bedürfnisse dauernd zu stillen. Man muß auch
die internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen erneuern, damit
sie sich stärker für gerechte Beziehungen zu den weniger entwickelten
Ländern einsetzen [Vgl. SRS 16. 2 Vgl. CA 26]. Die Anstrengungen der
armen Länder, die an ihrem Wachstum und ihrer Befreiung arbeiten, sind
zu unterstützen [Vgl. SRS 32; CA 51]. Dies gilt ganz besonders für den
Bereich der Landwirtschaft. Die Bauern stellen, vor allem in der Dritten
Welt, die Hauptmasse der Armen dar.
2441 Grundlage ist für jede umfassende Entwicklung der menschlichen Gesellschaft,
den Sinn für Gott und die Selbsterkenntnis zu fördern. Diese Entwicklung
vervielfacht die materiellen Güter und stellt sie in den Dienst des Menschen
und seiner Freiheit. Sie vermindert das Elend und die wirtschaftliche
Ausbeutung. Sie läßt die Achtung vor den kulturellen Eigenarten und die
Offenheit für das Transzendente wachsen [Vgl. SRS 42].
2442 Es ist nicht Sache der Hirten der Kirche, in die politischen Strukturen
und die Organisation des Gesellschaftslebens direkt einzugreifen. Diese
Aufgabe gehört zur Sendung der gläubigen Laien, die aus eigenem Ansporn
mit ihren Mitbürgern zusammenarbeiten. Ihrem sozialen Einsatz steht eine
Vielzahl konkreter Wege offen. Er soll stets auf das Gemeinwohl ausgerichtet
sein und der Botschaft des Evangeliums und der Lehre der Kirche entsprechen.
Es ist Aufgabe der gläubigen Laien, „mit christlichem Engagement die irdischen
Bereiche zu durchdringen und sich darin als Zeugen und Mitarbeiter des
Friedens und der Gerechtigkeit zu erweisen" (SRS 47) [Vgl. Mt 25,31-36].
VI. Liebe zu den Armen
2443 Gott segnet die, die den Armen zuhilfe kommen, und verurteilt jene,
die sich von ihnen abwenden: „Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir
borgen will, den weise nicht ab" (Mt 5,42). „Umsonst habt ihr empfangen,
umsonst sollt ihr geben" (Mt 10,8). An dem, was sie für die Armen
getan haben, wird Jesus Christus seine Auserwählten erkennen [Vgl. Lk
4,18]. Wenn „den Armen das Evangelium verkündet" wird (Mt 11,5)6,
ist dies ein Zeichen für die Gegenwart Christi.
2444 Die Kirche läßt sich in ihrer „Liebe zu den Armen, die ... zu ihrer
festen Tradition gehört" (CA 57), vom Evangelium der Seligpreisungen
[Vgl. Lk 6,20-22], von der Armut Jesu [Vgl. Mt 8,20] und seiner Zuwendung
zu den Armen [Vgl. Mk 12,41-44] leiten. Die Liebe zu den Armen ist für
den Christen sogar einer der Beweggründe, zu arbeiten und etwas zu „verdienen,
damit er den Notleidenden davon geben kann" (Eph 4,28). Dies betrifft
nicht nur die materielle Armut, sondern auch zahlreiche Formen kultureller
und religiöser Armut [Vgl. CA 57].
2445 Die Liebe zu den Armen ist mit der ungezügelten Liebe zum Reichtum
oder mit dessen egoistischem Gebrauch unvereinbar:
„Ihr aber, ihr Reichen, weint nur und klagt über das Elend, das euch
treffen wird. Euer Reichtum verfault, und eure Kleider werden von Motten
zerfressen. Euer Gold und Silber verrostet; ihr Rost wird als Zeuge
gegen euch. auftreten und euer Fleisch verzehren wie Feuer. Noch in
den letzten Tagen sammelt ihr Schätze. Aber der Lohn der Arbeiter, die
eure Felder abgemäht haben, der Lohn, den ihr ihnen vorenthalten habt,
schreit zum Himmel; die Klagerufe derer, die eure Ernte eingebracht
haben, dringen zu den Ohren des Herrn der himmlischen Heere. Ihr habt
auf Erden ein üppiges und ausschweifendes Leben geführt, und noch am
Schlachttag habt ihr euer Herz gemästet. Ihr habt den Gerechten verurteilt
und umgebracht, er aber leistete euch keinen Widerstand" (Jak 5,1-6).
2446 Der hl. Johannes Chrysostomus erinnert an diese Pflicht mit den
eindringlichen Worten: „Die Armen nicht an seinen Gütern teilhaben lassen,
heißt sie bestehlen und ihnen das Leben nehmen. Nicht unsere Güter haben
wir in Besitz, sondern die ihrigen" (Laz. 1,6). „Zuerst muß man den
Forderungen der Gerechtigkeit Genüge tun, und man darf nicht als Liebesgabe
anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist" (AA 8).
„Wenn wir den Armen das unbedingt Nötige geben, machen wir ihnen nicht
freigebige persönliche Spenden, sondern geben wir ihnen zurück, was
ihnen gehört. Wir erfüllen damit viel eher eine Pflicht der Gerechtigkeit
als daß wir damit eine Tat der Nächstenliebe vollziehen" (Gregor
d. Gr., past. 3,21).
2447 Die Werke der Barmherzigkeit sind Liebestaten, durch die wir unserem
Nächsten in seinen leiblichen und geistigen Bedürfnissen zuhilfe kommen
[Vgl. Jes 58,6-7; Hebr 13,3]. Belehren, raten, trösten, ermutigen sowie
vergeben und geduldig ertragen sind geistliche Werke der Barmherzigkeit.
Leibliche Werke der Barmherzigkeit sind vor allem: die Hungrigen speisen,
Obdachlose beherbergen, Nackte bekleiden, Kranke und Gefangene besuchen
und Tote begraben [Vgl. Mt 25,31-46]. Unter diesen Werken ist das Almosenspenden
an Arme [Vgl. Tob 4,5-IL Sir 17,22] eines der Hauptzeugnisseder Bruderliebe;
es ist auch eine Gott wohlgefällige Tat der Gerechtigkeit [Vgl. Mt 6,2-4]:
„Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und
wer zu essen hat, der handle ebenso" (Lk 3,11). „Gebt lieber, was
in den Schüsseln ist, den Armen, dann ist für euch alles rein"
(Lk 11,41). „Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und
ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden,
wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben
brauchen - was nützt das?" (Jak 2,15-16) [Vgl. 1 ich 3,17].
2448 „Unter seinen vielfältigen Formen - materielle Not, Unrecht und
Unterdrückung, leibliche und seelische Krankheiten und schließlich der
Tod - ist das menschliche Elend das offenkundige Zeichen für den Zustand
einer angeborenen Schwäche, in dem sich der Mensch nach der Ursünde befindet,
sowie für die Notwendigkeit einer Heilung. Darum hat es das Mitleid Christi,
des Erlösers, geweckt, der dieses Elend hat auf sich nehmen und sich mit
den ‚geringsten seiner Brüder‘ hat identifizieren wollen. Darum richtet
sich auf alle, die davon bedrückt sind, auch eine vorrangige Liebe der
Kirche, die seit ihren Anfängen, ungeachtet der Schwächen vieler ihrer
Glieder, unaufhörlich dafür gewirkt hat, die Bedrückten zu stützen, zu
verteidigen und zu befreien. Das hat sie getan durch zahllose Werke der
Wohltätigkeit, die immer und überall unentbehrlich bleiben" (CDF,
Instr. „Libertatis conscientia" 68).
2449 Schon im Alten Testament entsprechen allerlei gesetzliche Maßnahmen
(Schuldenerlaßjahr, Verbot, Zins zu verlangen und ein Pfand zu behalten,
Verpflichtung zum Zehnten, tägliche Bezahlung von Tagelöhnern, Recht zur
Nachlese in Weinbergen und auf Fruchtfeldern) der Mahnung im Buch Deuteronomium:
„Die Armen werden niemals ganz aus deinem Land verschwinden. Darum mache
ich dir zur Pflicht: Du sollst deinem notleidenden und armen Bruder, der
in deinem Land lebt, deine Hand öffnen" (Dtn 15,11). Jesus hat sich
dieses Wort zu eigen gemacht: „Die Armen habt ihr immer bei euch, mich
aber habt ihr nicht immer bei euch" (Joh 12,8). Damit entkräftet
er nicht die früheren heftigen Anklagen der Propheten gegen Leute, die
sagten: „Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen, für ein Paar Sandalen
die Armen" (Am 8,6), sondern er fordert uns damit auf, seine Gegenwart
in seinen Brüdern, den Armen, zu erkennen [Vgl. Mt 25,40].
Die hl. Rosa antwortete ihrer Mutter, als diese sie tadelte, weil sie
zu Hause Arme und Kranke beherbergte: „Wenn wir den Armen und Kranken
dienen, dienen wir Jesus. Wir dürfen nicht müde werden, unseren Nächsten
zu helfen, denn in ihnen dienen wir Jesus" (vita).
Kurztexte
2450 Du sollst nicht stehlen (Dtn 5 19). Weder Diebe noch Habgierige
keine Räuber werden das Reich Gottes erben (1 Kor 6 10).
2451 Das siebte Gebot gebietet bei der Verwaltung der irdischen Güter
und der Früchte der menschlichen Arbeit Gerechtigkeit und Nachstenliebe
zu üben.
2452 Die Güter der Schöpfung sind für das ganze Menschengeschlecht bestimmt.
Das Recht auf Privateigentum hebt die Tatsache nicht auf daß diese Güter
für alle bestimmt sind.
2453 Das siebte Gebot verbietet den Diebstahl. Diebstahl besteht darin
daß man fremdes Gut gegen den vernünftigen Willen des Eigentumers widerrechtlich
an sich nimmt.
2454 Jede Weise fremdes Gut entgegen der Gerechtigkeit an sich zu nehmen
und zu gebrauchen verstoßt gegen das siebte Gebot. Die begangene Ungerechtigkeit
erfordert Wiedergutmachung. Die ausgleichende Gerechtigkeit verlangt,
das gestohlene Gut zurückzugeben.
2455 Das sittliche Gesetz verbietet aus Gewinnsucht oder in totalitärer
Absicht Menschen auf irgendeine Weise zu knechten und sie wie Waren zu
kaufen zu verkaufen oder zu tauschen.
2456 Der Schöpfer hat dem Menschen das Recht gewahrt über die Rohstoffe
Pflanzen und Tiere der Welt zu verfügen. Dabei muß aber der Mensch die
sittlichen Verpflichtungen achten auch gegenüber den kommenden Generationen.
2457 Die Tiere sind dem Menschen unterstellt der ihnen Wohlwollen schuldet.
Sie können einer gerechten Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen.
2458 Die Kirche urteilt im wirtschaftlichen und sozialen Bereich wenn
die Grundrechte der Person oder das Heil der Seelen es erfordern. Sie
kümmert sich um das irdische Gemeinwohl der Menschen insofern diese auf
das höchste Gut, unser letztes Ziel hingeordnet sind.
2459 Der Mensch selbst ist Urheber Mitte und Zweck des ganzen wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Lebens. Es ist für die soziale Frage entscheidend
daß die von Gott für alle geschaffenen Guter entsprechend der Gerechtigkeit
und mit Hilfe der Liebe tatsächlich allen zukommen.
2460 Der vorangige Weit der Arbeit kommt vom Menschen selbst der sie
verrichtet und für den sie bestimmt ist. Durch seine Arbeit nimmt der
Mensch am Schöpfungswerk teil Mit Christus vereint zu arbeiten kann erlösend
sein.
2461 Wahre Entwicklung betrifft den ganzen Menschen. Es geht darum die
Fahigkeit jedes Menschen zu fordern seiner Berufung also dem Ruf Gottes
zu entsprechen [Vgl. CA 29].
2462 Armen Almosen zu geben ist ein Zeugnis der brüderlichen Liebe und
ein Gott wohlgefälliges Werk der Gerechtigkeit.
2463 Wer erkennt nicht in der großen Zahl von Menschen ohne Brot Dach
und Bleibe Lazarus den hungrigen Bettler im Gleichnis Jesu [Vgl. Lk 16,
19-31]? Wie kann man die Stimme Jesu überhören: „Das habt ihr auch mir
nicht getan" (Mt 25,45)?
Artikel 8
Das Achte Gebot
„Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen" (Ex 20,16).
„Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen
Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen
hast" (Mt 5,33).
2464 Das achte Gebot verbietet, in den Beziehungen zu anderen die Wahrheit
zu verdrehen. Diese moralische Vorschrift ergibt sich auch aus der Berufung
des heiligen Volkes, Zeuge seines Gottes zu sein, der die Wahrheit ist
und sie will. In Worten oder Taten gegen die Wahrheit zu verstoßen, bedeutet
eine Weigerung, sich zur moralischen Redlichkeit zu verpflichten; es ist
eine tiefgreifende Untreue gegenüber Gott und untergräbt damit die Fundamente
des Bundes.
I. In der Wahrheit leben
2465 Das Alte Testament bezeugt: Gott ist der Quell aller Wahrheit. Sein
Wort ist Wahrheit [Vgl. Spr 8,7; 2 Sam 7,28]. Sein Gesetz ist Wahrheit
[Vgl. Ps 119, 142]. „Deine Treue währt von Geschlecht zu Geschlecht"
(Ps 119,90) [Vgl. Lk 1,50]. Weil Gott der „Wahrhaftige" ist (Röm
3,4), sollen die Angehörigen seines Volkes in der Wahrheit leben [Vgl.
Ps 119,30].
2466 In Jesus Christus hat sich die Wahrheit Gottes voll und ganz gezeigt.
Weil „voll Gnade und Wahrheit" (Joh 1,14), ist er „das Licht der
Welt" (Joh 8,12), die Wahrheit selbst [Vgl. Joh 14,6]„damit jeder,
der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt" (Joh 12,46).
Wer in Jesu Wort bleibt, ist wahrhaft Jesu Jünger; er wird „die Wahrheit
erkennen, und die Wahrheit wird [ihn] befreien" (Joh 8,32) und heiligen
[Vgl. Joh 17,17]. Jesus nachfolgen heißt aus dem „Geist der Wahrheit"
(Joh 14,17) leben, den der Vater in seinem Namen sendet [Vgl. Joh 14.26]
und der „in die ganze Wahrheit führen wird" (Joh 16,13). Seine Jünger
lehrt Jesus unbedingte Wahrheitsliebe: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein
ein Nein" (Mt 5,37).
2467 Der Mensch strebt von Natur aus nach Wahrheit. Er ist verpflichtet,
sie in Ehren zu halten und zu bezeugen: Die Menschen „werden alle ihrer
Würde gemäß durch ihre eigene Natur gedrängt sowie durch eine moralische
Verpflichtung gehalten, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene Wahrheit,
welche die Religion betrifft. Sie sind auch dazu verpflichtet, an der
erkannten Wahrheit festzuhalten und ihr ganzes Leben an den Forderungen
der Wahrheit auszurichten" (DH 2).
2468 Die Wahrheit im Sinn des redlichen Handelns und aufrichtigen Sprechens
heißt Wahrhafligkeit, Aufrichtigkeit oder Freimut. Die Tugend der Aufrichtigkeit
oder Wahrhaftigkeit besteht darin, daß man sich in seinen Handlungen als
wahr erweist, in seinen Worten die Wahrheit sagt und sich vor Doppelzüngigkeit,
Verstellung, Vortäuschung und Heuchelei hütet.
2469 „Die Menschen könnten nicht in Gemeinschaft miteinander leben, wenn
sie sich nicht gegenseitig glaubten, als solche, die einander die Wahrheit
offenbaren" (Thomas v. A., s. th. 2-2,109,3, ad 1). Die Tugend der
Wahrhaftigkeit gibt dem anderen, was ihm zusteht. Sie bewahrt die rechte
Mitte zwischen dem, was auszusprechen, und dem Geheimnis, das zu halten
ist. Dazu gehören Aufrichtigkeit und Verschwiegenheit. „Ein Mensch schuldet
dem anderen aus Ehrenhaftigkeit die Kundgabe der Wahrheit" (Thomas
v. A., s. th. 2-2, 109, 3).
2470 Der Jünger Christi ist bereit, „in der Wahrheit zu leben",
das heißt in der Einfachheit eines Lebens nach dem Beispiel des Herrn;
so bleibt er in der Wahrheit. „Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit
ihm haben, und doch in der Finsternis leben, lügen wir und tun nicht die
Wahrheit" (1 Joh 1,6).
II. Für die Wahrheit Zeugnis ablegen
2471 Vor Pilatus erklärt der Herr: „Ich bin dazu geboren und dazu in
die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege" (Joh
18,37). Der Christ braucht sich nicht „des Zeugnisses für unseren Herrn"
(2 Tim 1,8) zu schämen. In Situationen, die ein Glaubenszeugnis verlangen,
muß der Christ, wie der hl. Paulus vor seinen Richtern, den Glauben unzweideutig
bekennen. Er muß sich bemühen, „vor Gott und den Menschen immer ein reines
Gewissen zu haben" (Apg 24,16).
2472 Die Pflicht der Christen, sich am Leben der Kirche zu beteiligen,
drängt sie, als Zeugen für das Evangelium und für die sich daraus ergebenden
Verpflichtungen zu handeln. Dieses Zeugnis ist Weitergabe des Glaubens
in Wort und Tat. Zeugnis abzulegen ist ein Akt der Gerechtigkeit, der
die Wahrheit feststellt oder zur Kenntnis bringt [Vgl. Mt 18,16.].
„Alle Christgläubigen, wo immer sie leben, müssen durch das Beispiel
ihres Lebens und durch das Zeugnis des Wortes den neuen Menschen, den
sie durch die Taufe angezogen haben, und die Kraft des Heiligen Geistes,
der sie durch die Firmung gestärkt hat ... offenbaren" (AG 11).
2473 Das Martyrium ist das erhabenste Zeugnis, das man für die Wahrheit
des Glaubens ablegen kann; es ist ein Zeugnis bis zum Tod. Der Märtyrer
legt Zeugnis ab für Christus, der gestorben und auferstanden ist und mit
dem er durch die Liebe verbunden ist. Er legt Zeugnis ab für die Wahrheit
des Glaubens und die christliche Glaubenslehre. Er nimmt in christlicher
Stärke den Tod auf sich. „Laßt mich ein Fraß der wilden Tiere sein, durch
die es möglich ist, zu Gott zu gelangen!" (Ignatius v. Antiochien,
Rom. 4,1).
2474 Mit größter Sorgfalt hat die Kirche Erinnerungen an jene, die in
ihrer Glaubensbezeugung bis zum äußersten gegangen sind, in den Akten
der Märtyrer gesammelt. Sie bilden die mit Blut geschriebenen Archive
der Wahrheit.
„Nichts werden mir nützen die Enden der Welt und die Königreiche dieses
Äons. Besser ist es für mich, zu sterben auf Christus hin, als König
zu sein über die Enden der Erde. Jenen suche ich, der für uns starb;
jenen will ich, der unsertwegen auferstand. Das Gebären steht mir bevor"
(Ignatius v. Antiochien, Rom. 6,1-2).
„Herr, allmächtiger Gott ... ich preise dich, weil du mich dieses Tages
und 1 dieser Stunde gewürdigt hast, zur Zahl deiner Blutzeugen zu gehören
... Du hast dein Versprechen gehalten, Gott der Treue und Wahrheit.
Für diese Gnade und für alles lobe ich dich, preise ich dich und verherrliche
ich dich durch den ewigen himmlischen Hohenpriester Jesus Christus,
deinen geliebten Sohn. Durch ihn, der mit dir und dem Geist ist, sei
dir Ehre jetzt und in alle Ewigkeit. Amen" (Polykarp, mart. 14,2-3).
III. Verstöße gegen die Wahrheit
2475 Die Jünger Christi haben „den neuen Menschen" angezogen, „der
nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit"
(Eph 4,24). Daraus folgen die Ermahnungen: „Legt deshalb die Lüge ab"
(Eph 4,25) und: „Legt also alle Bosheit ab, alle Falschheit und Heuchelei,
allen Neid und alle Verleumdung" (1 Petr 2,1).
2476 Falsches Zeugnis und Meineid. Eine wahrheitswidrige Aussage ist
ganz besonders schwerwiegend, wenn sie öffentlich gemacht wird. Vor einem
Gericht wird sie zu einem falschen Zeugnis [Vgl. Spr 19,9], unter Eid
wird sie zu einem Meineid. Diese Handlungsweisen tragen dazu bei, daß
Unschuldige verurteilt oder Schuldige entlastet werden oder die Strafe,
welcher der Angeklagte verfällt [Vgl. Spr 18,5], verschärft wird. Sie
beeinträchtigen schwerwiegend das Rechtswesen und die Gerechtigkeit des
von den Richtern gefällten Urteils.
2477 Die Rücksicht auf den guten Ruf eines Menschen verbietet jede Haltung
und jedes Wort, die ihn ungerechterweise schädigen könnten [Vgl. [link]
CIC, can. 220]. Schuldig macht sich
- des vermessenen Urteils, wer ohne ausreichende Beweise, und sei es
auch nur stillschweigend, von einem Mitmenschen annimmt, er habe einen
Fehltritt begangen;
- der üblen Nachrede, wer ohne objektiv gültigen Grund Fehler und Vergehen
eines Mitmenschen gegenüber Personen aufdeckt, die nichts davon wissen
[Vgl. Sir 21,28.];
- der Verleumdung, wer durch wahrheitswidrige Aussagen dem guten Ruf
anderer schadet und zu Fehlurteilen über sie Anlaß gibt.
2478 Um nicht vermessen zu urteilen, soll jeder darauf bedacht sein,
die Gedanken, Worte und Handlungen seines Nächsten soweit als möglich
günstig zu beurteilen.
„Jeder gute Christ muß mehr dazu bereit sein, die Aussage des Nächsten
für glaubwürdig zu halten, als sie zu verurteilen. Vermag er sie nicht
zu rechtfertigen, so forsche er nach, wie jener sie versteht; versteht
jener sie aber in üblem Sinn, so verbessere er ihn mit Liebe; und wenn
das nicht genügt, so suche er nach allen angemessenen Mitteln, damit
jener zu ihrem richtigen Verständnis gelange und so sich rette"
(Ignatius, ex. spir. 22).
2479 Üble Nachrede und Verleumdung zerstören den guten Ruf und die Ehre
des Nächsten. Nun ist aber die Ehre das gesellschaftliche Zeugnis für
die Würde eines Menschen, und jeder besitzt das natürliche Recht auf die
Ehre seines Namens, auf seinen guten Ruf und auf Achtung. Üble Nachrede
und Verleumdung verletzen somit die Tugenden der Gerechtigkeit und der
Liebe.
2480 Es ist verwerflich, durch Schmeichelei, Lobhudelei oder Gefälligkeit
in Worten oder Haltungen andere in ihren schlechten Handlungen und ihrem
falschen Verhalten zu bestärken. Lobhudelei ist ein schwerwiegender Fehler,
wenn sie sich zum Komplizen von Lastern oder schweren Sünden macht. Der
Wunsch, einen Dienst zu leisten, oder Freundschaft rechtfertigt Doppelzüngigkeit
nicht. Lobhudelei ist eine läßliche Sünde, wenn sie nur in der Absicht
geschieht, angenehm zu sein, ein Übel zu verhüten, einer Not zu begegnen
oder berechtigte Vorteile zu erlangen.
2481 Prahlerei oder Aufschneiderei ist eine Verfehlung gegen die Wahrheit.
Das gleiche gilt von der Ironie, die jemanden herabzusetzen sucht, indem
sie den einen oder anderen Aspekt seines Verhaltens böswillig ins Lächerliche
zieht.
2482 „Die Lüge besteht darin, daß man Unwahres sagt in der Absicht zu
täuschen" (Augustinus, mend. 4,5). Der Herr prangert die Lüge als
Werk des Teufels an: „Ihr habt den Teufel zum Vater ... Es ist keine Wahrheit
in ihm. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt; denn er ist
ein Lügner und ist der Vater der Lüge" (Joh 8,44).
2483 Die Lüge ist der unmittelbarste Verstoß gegen die Wahrheit. Lügen
heißt gegen die Wahrheit reden oder handeln, um jemanden zu täuschen,
der ein Recht hat, sie zu kennen. Da die Lüge die Verbindung des Menschen
mit der Wahrheit und dem Nächsten verletzt, verstößt sie gegen die grundlegende
Beziehung des Menschen und seines Wortes zum Herrn.
2484 Eine Lüge ist mehr oder weniger schwerwiegend gemessen an der Natur
der Wahrheit, die sie entstellt, den Umständen, den Absichten dessen,
der sie begeht, und den Nachteilen, die den Belogenen daraus erwachsen.
Die Lüge ist an sich nur eine läßliche Sünde, wird jedoch zu einer Todsünde,
wenn sie gegen die Tugenden der Gerechtigkeit und der Liebe schwer verstößt.
2485 Die Lüge ist ihrer Natur nach verwerflich. Sie ist eine Profanierung
des Wortes, das dazu bestimmt ist, die Wahrheit, die man kennt, anderen
mitzuteilen. Die bewußte Absicht, durch wahrheitswidrige Aussagen den
Nächsten zu täuschen, verstößt gegen die Gerechtigkeit und die Liebe.
Die Schuld ist noch größer, wenn Gefahr besteht, daß die Täuschungsabsicht
für die Getäuschten schlimme Folgen hat.
2486 Als ein Verstoß gegen die Tugend der Wahrhaftigkeit ist die Lüge
eine Art der Gewalt gegenüber dem Nächsten. Sie trifft ihn in seiner Erkenntnisfähigkeit,
die Voraussetzung für jedes Urteil und jede Entscheidung ist. Sie enthält
im Keim die Spaltung der Geister und alle Übel, die daraus hervorgehen.
Die Lüge ist für jede Gesellschaft unheilvoll; sie untergräbt das Vertrauen
zwischen den Menschen und zerreißt das Netz der gesellschaftlichen Beziehungen.
2487 Jede Verfehlung gegen die Gerechtigkeit und die Wahrheit bringt
die Verpflichtung zur Wiedergutmachung mit sich, selbst dann, wenn ihrem
Urheber Vergebung gewährt worden ist. Falls es unmöglich ist, ein Unrecht
öffentlich wiedergutzumachen, muß man es insgeheim tun; wenn der Geschädigte
nicht direkt entschädigt werden kann, muß man ihm im Namen der Liebe moralische
Genugtuung leisten. Die Pflicht zur Wiedergutmachung betrifft auch die
Verfehlungen gegen den guten Ruf eines anderen. Diese moralische und zuweilen
auch materielle Wiedergutmachung ist nach der Größe des verursachten Schadens
zu bemessen. Sie ist eine Gewissenspflicht.
IV. Achtung der Wahrheit
2488 Das Recht auf Mitteilung der Wahrheit ist nicht bedingungslos. Das
Leben ist nach dem Gebot der Nächstenliebe des Evangeliums auszurichten.
Diese Liebe verlangt, daß man in der konkreten Situation abschätzt, ob
es angemessen ist oder nicht, die Wahrheit dem zu sagen, der sie wissen
will.
2489 Eine Bitte um Wissen oder Mitteilung muß stets mit Nächstenliebe
und Achtung vor der Wahrheit beantwortet werden. Das Wohl und die Sicherheit
1 anderer, die Achtung des Privatlebens oder die Rücksicht auf das Gemeinwohl
sind hinreichende Gründe, etwas, das nicht bekanntwerden soll, zu verschweigen
oder sich einer diskreten Sprache zu bedienen. Die Pflicht, Ärgernis zu
vermeiden, fordert oft strenge Diskretion. Niemand ist verpflichtet, die
Wahrheit Personen zu enthüllen, die kein Recht auf deren Kenntnis haben
[Vgl. Sir 27,16; Spr 25, 9-10].
2490 Das Beichtgeheimnis ist heilig, und es darf aus keinem Grund verletzt
werden. „Das Beichtgeheimnis ist unverletzlich; dem Beichtvater ist es
daher streng verboten, den Pönitenten durch Worte oder auf irgendeine
andere Weise und aus irgendeinem Grund irgendwie zu verraten" ( [link]
CIC, can. 983, § 1).
2491 Berufsgeheimnisse - die z. B. Politiker, Militärangehörige, Ärzte
und Juristen bewahren müssen - oder vertrauliche Mitteilungen, die unter
dem Siegel der Verschwiegenheit gemacht wurden, dürfen nicht verraten
werden, außer wenn der Sonderfall eintritt, daß die Bewahrung des Geheimnisses
dem, der es anvertraut, oder dem, dem es anvertraut wird, oder einem Dritten
einen sehr großen Schaden zufügen würde, der sich nur durch die Verbreitung
der Wahrheit verhüten läßt. Private Informationen, die für andere nachteilig
sind, dürfen selbst dann, wenn sie nicht unter dem Siegel der Verschwiegenheit
anvertraut wurden, nicht ohne einen entsprechend wichtigen Grund weiterverbreitet
werden.
2492 Jeder muß sich in bezug auf das Privatleben anderer Menschen gebührende
Zurückhaltung auferlegen. Jene, die für die Weitergabe von Informationen
verantwortlich sind, müssen das Gemeinwohl und die Achtung persönlicher
Rechte in ein gerechtes Verhältnis bringen. Informationen über das Privatleben
von Personen, die eine politische oder öffentliche Tätigkeit ausüben,
sind soweit zu verurteilen, als sie deren Intimsphäre und Freiheit verletzen.
V. Gebrauch der Massenmedien
2493 In der modernen Gesellschaft spielen die Massenmedien bei der Weitergabe
von Information, der Förderung der Kultur und in der Bildung eine bedeutende
Rolle. Infolge der technischen Fortschritte, des Umfangs und der Vielfalt
der übermittelten Inhalte sowie aufgrund ihres Einflusses auf die öffentliche
Meinung wird diese Rolle immer wichtiger.
2494 Die Information durch Medien steht im Dienst des Gemeinwohls [Vgl.
IM 11]. Die Gesellschaft hat das Recht auf eine Information, die auf Wahrheit,
Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gründet.
„Der richtige Gebrauch [dieses] Rechtes fordert aber, daß die Mitteilung
inhaltlich stets der Wahrheit entspricht und bei Beachtung der durch
Recht und menschliche Rücksichtnahme gezogenen Grenzen vollständig ist.
Auch in der Form muß sie ethisch einwandfrei sein, das heißt beim Sammeln
und Verbreiten von Nachrichten müssen die ethischen Grundsätze sowie
die Rechte und Würde des Menschen beachtet werden" (IM 5).
2495 „Darum müssen alle Glieder der Gesellschaft ihren Verpflichtungen
zu Gerechtigkeit und Liebe auch in diesem Bereich nachkommen und mit Hilfe
dieser Mittel ebenfalls zur Bildung und Verbreitung richtiger öffentlicher
Meinungen beitragen" (IM 8). Solidarität ergibt sich aus einer wahren
und rechten Kommunikation und dem Fluß von Ideen, die Kenntnis und Achtung
anderer Menschen fördern.
2496 Die Kommunikationsmittel, vor allem die Massenmedien, können bei
den Benützern eine gewisse Passivität erzeugen, indem sie diese zu wenig
aufmerksamen Konsumenten von Worten und Bildern machen. Die Benützer sollen
die Massenmedien maß - und zuchtvoll gebrauchen und sich ein klares und
rechtes Gewissen bilden, um schlechten Einflüssen leichter zu widerstehen.
2497 Schon aufgrund ihrer Berufsaufgabe im Pressewesen haben Journalisten
die Verpflichtung, bei der Verbreitung von Informationen der Wahrheit
zu dienen und das Liebesgebot nicht zu verletzen. Sie sollen sich in gleichem
Maße bemühen, den Fakten gerecht zu werden und die Grenzen des kritischen
Urteils über Personen zu achten. Sie sollen sich vor Verleumdung hüten.
2498 „Die öffentliche Gewalt hat hier mit Rücksicht auf das Gemeinwohl
... besondere Verpflichtungen ... Im Rahmen ihrer Zuständigkeit hat sie
die wahre und rechte Freiheit der Information ... zu verteidigen und zu
schützen" (IM 12). Indem die Behörden entsprechende Gesetze erlassen
und darauf achten, daß diese auch eingehalten werden, sollen sie dafür
sorgen, daß der schlechte Gebrauch der Massenmedien „nicht schwere Schäden
für die öffentliche Sitte und den Fortschritt der Gesellschaft" verursacht
(IM 12). Sie sollen die Verletzung der Rechte eines jeden auf seinen guten
Ruf und auf die Achtung seines Privatlebens bestrafen. Sie sollen rechtzeitig
und aufrichtig die Informationen vermitteln, die das Gemeinwohl betreffen,
und auf begründete Besorgnisse der Bevölkerung antworten. Die Verbreitung
von Fehlinformationen, um die öffentliche Meinung durch die Medien zu
manipulieren, ist durch nichts zu rechtfertigen. Behördliche Eingriffe
dürfen die Freiheit von Einzelpersonen und Gruppen nicht beeinträchtigen.
2499 Die Moral verurteilt die Mißstände in den totalitären Staaten, wo
die Wahrheit systematisch verfälscht wird, wo durch die Medien eine politische
Herrschaft über die öffentliche Meinung ausgeübt wird, bei Schauprozessen
die Angeklagten und Zeugen manipuliert werden und wo die Machthaber meinen,
sie könnten ihre Tyrannei dadurch sichern, daß sie alles, was sie als
„Gesinnungsdelikte" ansehen, im Keim ersticken und unterdrücken.
VI. Wahrheit, Schönheit und sakrale
Kunst
2500 Das Tun des Guten ist mit geistiger Freude und moralischer Schönheit
verbunden. Desgleichen bringt die Wahrheit Freude und den Glanz geistiger
Schönheit mit sich. Die Wahrheit ist von sich aus schön. Die Wahrheit
des Wortes ist rationaler Ausdruck der Erkenntnis der geschaffenen und
der unerschaffenen Wirklichkeit. Sie ist für den vernunftbegabten Menschen
notwendig. Die Wahrheit kann aber auch andere, ergänzende menschliche
Ausdrucksformen finden, vor allem dann, wenn das angesprochen werden soll,
was sich an ihr nicht in Worte fassen läßt: die Tiefen des menschlichen
Herzens, die Erhebungen der Seele und das Mysterium Gottes. Bevor sich
Gott dem Menschen in Worten der Wahrheit offenbart, offenbart er sich
ihm durch die allgemeine Sprache der Schöpfung, des Werkes seines Wortes,
seiner Weisheit, in der Ordnung und Harmonie des Kosmos, die sowohl das
Kind als auch der Wissenschaftler entdecken kann. „Von der Größe und Schönheit
der Geschöpfe läßt sich auf ihren Schöpfer schließen" (Weish 13,5),
„denn der Urheber der Schönheit hat sie geschaffen" (Weish 13,3).
Die Weisheit „ist ein Hauch der Kraft Gottes und reiner Ausfluß der Herrlichkeit
des Allherschers; darum fällt kein Schatten auf sie. Sie ist der Widerschein
des ewigen Lichts, der ungetrübte Spiegel von Gottes Kraft, das Bild seiner
Vollkommenheit" (Weish 7, 25-26). „Sie ist schöner als die Sonne
und übertrifft jedes Sternbild. Sie ist strahlender als das Licht; denn
diesem folgt die Nacht, doch über die Weisheit siegt keine Schlechtigkeit"
(Weish 7,29-30). „Ich fand Gefallen an ihrer Schönheit" (Weish 8,2).
2501 Weil der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen [Vgl. Gen 1,26]
ist, bringt er die Wahrheit seiner Beziehung zu Gott, dem Schöpfer, auch
durch die Schönheit seiner Kunstwerke zum Ausdruck. Die Kunst ist eine
dem Menschen eigentümliche Ausdrucksform. Sie geht über das allen Lebewesen
gemeinsame Streben nach dem Lebensnotwendigen hinaus; sie ist ein freies
Überströmen des inneren Reichtums des Menschen. Einem vom Schöpfer geschenkten
Talent und der Anstrengung des Menschen entstammend, ist die Kunst eine
Form der praktischen Weisheit. In ihr vereinen sich Erkenntnis und Können
[Vgl. Weish 7,17], um der Wahrheit einer Wirklichkeit in einer dem Sehen
oder dem Hören verständlichen Sprache Gestalt zu verleihen. Soweit sich
die Kunst von der Wahrheit der Geschöpfe und der Liebe zu ihnen inspirieren
läßt, weist sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der Tätigkeit Gottes in der
Schöpfung auf. Wie jede andere menschliche Tätigkeit hat die Kunst ihr
absolutes Ziel nicht in sich selbst, sondern empfängt ihre Ordnung vom
letzten Ziel des Menschen und wird durch dieses veredelt [Vgl. Pius XII.,
Ansprachen vom 25. Dezember 1955 und vom 3. September 1950].
2502 Die sakrale Kunst ist wahr und schön, wenn sie durch die Form ihrer
Berufung entspricht: im Glauben und in der Anbetung das transzendente
Mysterium Gottes erahnen zu lassen und zu verherrlichen - die unsichtbare,
über alles erhabene Schönheit der Wahrheit und Liebe, die in Christus
erschienen ist, der „Abglanz" von Gottes „Herrlichkeit und ... Abbild
seines Wesens" (Hebr 1,3) ist, und in dem „die ganze Fülle der Gottheit
leibhaftig" wohnt (Kol 2,9). Diese geistige Schönheit spiegelt sich
in der seligen Jungfrau und Gottesmutter, den Engeln und den Heiligen
wider. Die wahre sakrale Kunst versetzt den Menschen in Anbetung, in Gebet
und Liebe zu Gott dem Schöpfer und Retter, dem Heiligen und Heilig machen
den.
2503 Deswegen sollen die Bischöfe entweder selbst oder durch Beauftragte
dafür sorgen, daß die alte und die neue sakrale Kunst in allen ihren Formen
gefördert werden. Mit der gleichen religösen Sorgfalt sollen sie von der
Liturgie und den Kultgebäuden alles fernzuhalten suchen, was der Glaubenswahrheit
und der echten Schönheit der sakralen Kunst nicht entspricht [Vgl. SC
122-127.].
Kurztexte
2504 Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen (Ex 20 16).
Die Jünger Christi haben den neuen Menschen angezogen der nach dem Bild
Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit (Eph 4 24).
2505 Die Wahrheit oder Wahrhaftigkeit ist die Tugend die darin besteht
daß sich der Mensch in seinen Handlungen wahr verhalt und in seinen Worten
das Wahre sagt indem er sich vor Doppelzüngigkeit Verstellung und Heuchelei
hütet.
2506 Der Christ hat sich des Zeugnisses für unseren Herrn in Wort und
Tat nicht zu schämen (2 Tim 1 8). Das Martyrium ist das erhabenste Zeugnis
für die Wahrheit des Glaubens.
2507 Die Rücksicht auf den guten Ruf und die Ehre der Menschen verbietet
üble Nachrede und Verleumdung in Haltung oder Worten.
2508 Die Lüge besteht dann die Unwahrheit zu sagen in der Absicht den
Nächsten der ein Recht auf die Wahrheit hat zu tauschen.
2509 Eine Verfehlung gegen die Wahrheit verlangt Wiedergutmachung.
2510 Die Goldene Regel laßt in konkreten Situationen unterscheiden ob
die Wahrheit dem der nach ihr fragt, mitgeteilt werden soll oder nicht.
2511 Das Beichtgeheimnis ist unverletzlich ( [link] CIC can 983 § 1)
Berufsgeheimnisse sind zu wahren Vertrauliche Mitteilungen die anderen
schaden könnten dürfen nicht verbreitet werden.
2512 Die Gesellschaft hat Anrecht auf eine Information, die auf Wahrheit,
Freiheit und Gerechtigkeit beruht Beim Gebrauch der Massenmedien hat man
maß und zuchtvoll zu sein.
2513 Die schonen Künste vor allem die sakrale Kunst sind ausgerichtet
auf die unendliche Schönheit Gottes, die in menschlichen Werken zum Ausdruck
kommen soll und sie sind um so mehr Gott seinem Lob und seiner Herrlichkeit
geweiht als ihnen kein anderes Ziel gesetzt ist als durch ihre Werke den
Sinn der Menschen in heiliger Verehrung auf Gott zu wenden (SC 122).
Artikel 9
Das Neunte Gebot
„Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst
nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder
seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgend etwas,
das deinem Nächsten gehört" (Ex 20, 17).
„Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon
Ehebruch mit ihr begangen" (Mt 5,28).
2514 Der hl. Johannes unterscheidet drei Arten der Begehrlichkeit oder
Begierde: die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und die Hoffart
der Welt [Vgl. 1 Joh 2,16 Vgl]. Gemäß der katholischen katechetischen
Tradition verbietet das neunte Gebot die fleischliche Begierde, das zehnte
die Begierde nach fremdem Besitz.
2515 Seiner etymologischen Bedeutung nach kann das Wort „Begierde"
jede heftige Form des menschlichen Verlangens bezeichnen. Die christliche
Theologie versteht darunter eine Regung des sinnlichen Strebevermögens,
die sich der menschlichen Vernunft widersetzt. Der hi. Apostel Paulus
gebraucht das Wort für das Aufbegehren des „Fleisches" wider den
„Geist" [Vgl. Gal 5,16.17.24; Eph 2,3]. Die Begierde entstammt dem
Ungehorsam der ersten Sünde [Vgl. Gen 3,11]. Auch wenn die Begierde selbst
keine Verfehlung ist, stört sie doch die Ordnung der sittlichen Kräfte
des Menschen und macht diesen geneigt, Sünden zu begehen [Vgl. K. v. Trient
DS 1515.].
2516 Weil der Mensch ein aus Geist und Leib zusammengesetztes Wesen ist,
besteht in ihm eine gewisse Spannung; die Neigungen des Geistes und die
des Leibes liegen in einem gewissen Widerstreit. Aber dieser Konflikt
ist ein Erbe der Sünde; er folgt aus ihr und bestätigt sie zugleich. Wir
erleben ihn im täglichen geistlichen Kampf.
„Dem Apostel geht es nicht darum, den Leib zu diskriminieren und zu
verurteilen, der zusammen mit der Geistseele die Natur des Menschen
und seine personale Subjektivität bildet; er handelt vielmehr von den
Werken oder besser von den habituellen Verhaltensweisen - Tugenden und
Lastern - die sittlich gut oder böse sind als Frucht der Unterordnung
(im ersten Fall) oder des Widerstandes (im zweiten) gegen das Heilswirken
des Heiligen Geistes. Deshalb schreibt der Apostel: ‚Wenn wir aus dem
Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen‘ (Gal 5,25)"
(DeV 55).
I. Läuterung des Herzens
2517 Das Herz ist der Sitz der sittlichen Persönlichkeit: „Aus dem Herzen
kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht" (Mt 15,19). Beim Kampf
gegen das Begehren des Fleisches bedarf es der Läuterung des Herzens und
des Maßhaltens.
„Bewahre dich in Einfachheit und Unschuld, und du wirst wie die kleinen
Kinder sein, die das Böse, das das Menschenleben zerstört, nicht kennen."
(Hermas, mand. 2,1).
2518 Die sechste Seligpreisung verkündet: „Selig, die ein reines Herz
haben; denn sie werden Gott schauen" (Mt 5,8). Ein „reines Herz"
haben jene, die ihren Verstand und ihren Willen mit den Forderungen der
Heiligkeit Gottes in Einklang gebracht haben, vor allem in drei Bereichen:
in dem der christlichen Liebe [Vgl. 1 Tim 4,3-9; 2 Tim 2,22], dem der
Keuschheit oder geschlechtlichen Lauterkeit [Vgl. 1 Thess 4,7; Kol 3,5;
Eph 4,19], und in dem der Wahrheitsliebe und der Rechtgläubigkeit [Vgl.
Tit 1,15;1 Tim 1,3-4; 2Tim 2,23-26]. Die Reinheit des Herzens, des Leibes
und des Glaubens stehen miteinander in Verbindung.
Die Christen müssen die Artikel des Symbolum glauben, „damit. sie als
Glaubende Gott gehorchen; als Gehorchende sittlich gut leben; als sittlich
gut Lebende ihr Herz läutern, und als ihr Herz Läuternde das, was sie
glauben, erfassen" (Augustinus, fid. et symb. 10,25).
2519 Den „Herzensreinen" ist verheißen, daß sie Gott von Angesicht
zu Angesicht schauen und ihm ähnlich sein werden [Vgl. 1 Kor 13,12; 1
Joh 3,2]. Ein reines Herz ist Voraussetzung der Gottesschau. Schon heute
befähigt es uns, die Dinge im Lichte Gottes zu sehen und andere als „Nächste"
anzunehmen. Es läßt uns den menschlichen Leib, unseren eigenen wie den
des Nächsten, als Tempel des Heiligen Geistes, als Spur der göttlichen
Schönheit wahrnehmen.
II. Kampf um die Reinheit
2520 Die Taufe verleiht dem Täufling die Gnade der Reinigung von allen
Sünden. Der Getaufte muß aber weiterhin gegen die Begierde des Fleisches
und die ungeordnete Begehrlichkeit ankämpfen. Mit der Gnade Gottes gelingt
ihm das
- durch die Tugend und Gabe der Keuschheit, denn die Keuschheit ermöglicht,
mit aufrichtigem und ungeteiltem Herzen zu lieben;
durch die lautere Absicht, die das wahre Ziel des Menschen ins Auge
faßt, denn der Getaufte sucht mit arglosem Auge in allem den Willen
Gottes zu erkennen und zu erfüllen [Vgl. Röm 12,2; Kol 1,10];
- durch die äußerlich und innerlich lautere Sichtweise, durch die Beherrschung
der Gefühle und der Phantasie, durch die Zurückweisung jedes
Wohlgefallens an unreinen Gedanken, die zur Abkehr vom Weg der göttlichen
Gebote verleiten: Der „Anblick erregt die Sehnsucht der Toren"
(Weish 15,5);
- durch das Gebet:
„Ich glaubte, die Enthaltsamkeit sei Sache der eigenen Kraft ... denn
in meiner Torheit wußte ich nicht, was geschrieben steht: daß ‚keiner
enthaltsam sein kann, außer wem Gott es gibt‘. Du hättest es mir gegeben,
wenn ich mit innerlichem Seufzen dein Ohr bestürmt und in gefestigtem
Glauben meine Sorge auf dich geworfen hätte" (Augustinus, conf. 6,11,20).
2521 Reinheit verlangt Schamhaftigkeit. Diese ist ein wesentlicher Bestandteil
der Mäßigung. Die Schamhaftigkeit wahrt den Intimbereich des Menschen.
Sie weigert sich, zu enthüllen, was verborgen bleiben soll. Sie ist auf
die Keuschheit hingeordnet, deren Feingefühl sie bezeugt. Sie lenkt Blicke
und Gesten entsprechend der Würde der Menschen und ihrer Verbundenheit.
2522 Die Schamhaftigkeit schützt das Geheimnis der Personen und ihrer
Liebe. Sie lädt zu Geduld und Mäßigung in der Liebesbeziehung ein; sie
verlangt, daß die Bedingungen der endgültigen Bindung und wechselseitigen
Hingabe von Mann und Frau erfüllt seien. Zur Schamhaftigkeit gehört auch
Bescheidenheit. Sie beeinflußt die Wahl der Kleidung. Wo sie die Gefahr
einer ungesunden Neugier vermutet, gebietet sie Schweigen und Zurückhaltung.
Sie wahrt Diskretion.
2523 Es gibt eine Schamhaftigkeit der Gefühle wie des Körpers. Sie erhebt
z. B. Einspruch gegen die „voyeuristische" Ausbeutung des menschlichen
Körpers in gewissen Reklamen oder gegen die Bestrebungen mancher Medien,
bei der Enthüllung intimer Dinge zu weit zu gehen. Die Schamhaftigkeit
regt zu einer Lebensweise an, die den Zwängen der Mode und dem Druck vorherrschender
Ideologien widersteht.
2524 Die Ausdrucksformen der Schamhaftigkeit sind von Kultur zu Kultur
verschieden. Überall wohnt ihnen jedoch die Ahnung einer dem Menschen
eigenen geistigen Würde inne. Sie entsteht durch das Erwachen des personalen
Bewußtseins. Kinder und Jugendliche zur Schamhaftigkeit erziehen heißt,
Achtung vor der menschlichen Person zu wecken.
2525 Die christliche Reinheit erfordert eine Reinigung des gesellschaftlichen
Umfeldes. Sie verlangt von den Massenmedien jene Ausdrucksweise, die auf
Rücksichtnahme und Zurückhaltung bedacht ist. Herzensreinheit befreit
von diffuser Erotik und meidet Schauspiele, die Voyeurismus und Sinnestäuschung
begünstigen.
2526 Die sogenannte Permissivität der Sitten beruht auf einer irrigen
Auffassung von der menschlichen Freiheit. Die Entwicklung der Freiheit
bedarf der Erziehung durch das sittliche Gesetz. Von den Erziehern ist
zu verlangen, daß sie der Jugend eine Unterweisung vermitteln, welche
die Wahrheit, die Eigenschaften des Herzens und die sittliche und geistige
Würde des Menschen achtet.
2527 „Die gute Botschaft Christi erneuert unausgesetzt Leben und Kultur
des gefallenen Menschen und bekämpft und beseitigt Irrtümer und Übel,
die aus der stets drohenden Verführung zur Sünde hervorgehen. Unablässig
reinigt und hebt sie die Sitten der Völker. Die geistigen Vorzüge und
Anlagen eines jeden Volkes oder einer jeden Zeit befruchtet sie sozusagen
von innen her mit überirdischen Gaben, festigt, vollendet und erneuert
sie in Christus" (GS 58,4).
Kurztexte
2528 Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht hat in seinem Herzen schon
Ehebruch mit ihr begangen (Mt 5 28).
2529 Das neunte Gebot warnt vor der fleischlichen Begierde oder Begehrlichkeit.
2530 Der Kampf gegen die fleischliche Begierde geschieht durch Läuterung
des Herzens und Übung des Maßhaltens.
2531 Die Reinheit des Herzens wird uns Gott schauen lassen. Sie läßt
uns schon jetzt alles im Lichte Gottes sehen.
2532 Zur Läuterung des Herzens braucht es Gebet Keuschheit Reinheit der
Absicht und des Blickes.
2533 Die Herzensreinheit erfordert Schamhaftigkeit die in Geduld Bescheidenheit
und Feingefühl besteht. Das Schamgefühl behütet die Intimsphäre der Person.
Artikel 10
Das Zehnte Gebot
„Du sollst nicht ... verlangen ... nach irgend etwas, das deinem Nächsten
gehört" (Ex 20,17). „Du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren,
nicht sein Feld, seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen
Esel, nichts, was deinem Nächsten gehört" (Dtn 5,21).
„Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz" (Mt 6,21).
2534 Das zehnte Gebot verdoppelt und ergänzt das neunte, das die Begierde
des Fleisches betrifft. Es untersagt, fremdes Gut zu begehren, denn daraus
gehen Diebstahl, Raub und Betrug hervor, die das siebte Gebot verbietet.
Die „Begierde der Augen" [Vgl. 1 Joh 2,16] führt zu Gewalttätigkeit
und Ungerechtigkeit, die durch das fünfte Gebot verboten sind [Vgl. Mich
2,2]. Die Begierde wurzelt, wie die Unkeuschheit, in dem von den drei
ersten Gesetzesvorschriften untersagten Götzendienst [Vgl. Weish 14,12].
Das zehnte Gebot betrifft die Absicht des Herzens; es faßt, zusammen mit
dem neunten, alle Vorschriften des Gesetzes zusammen.
I. Ungeordnetheit der Begierden
2535 Das sinnliche Verlangen läßt uns angenehme Dinge ersehnen, die wir
nicht haben. So verlangen wir z. B. nach Essen, wenn wir hungern, oder
nach Wärme, wenn wir frieren. Diese Wünsche sind an sich gut, gehen aber
oft über das vernünftige Maß hinaus und verleiten uns dazu, ungerechterweise
nach etwas zu verlangen, das nicht uns, sondern einem anderen gehört oder
zusteht.
2536 Das zehnte Gebot verbietet die Gier und das maßlose Verlangen nach
irdischen Gütern; es verbietet die ungezügelte Habsucht, die aus dem unmäßigen,
leidenschaftlichen Verlangen nach Reichtum und der damit verbundenen Macht
entsteht. Es untersagt auch das Verlangen, eine Ungerechtigkeit zu begehen,
die den irdischen Besitz eines anderen schädigen würde:
„Wenn durch das Gesetz verboten wird: ‚Du sollst nicht begehren‘ haben
diese Worte den Sinn, daß wir unsere Begierden von fremden Dingen fernhalten;
denn der Durst der Begierde nach fremden Dingen ist sehr groß und unendlich
und läßt sich nie stillen, wie die Schrift sagt: ‚Der Geizige wird nie
genug Geld bekommen‘ (Koh 5,9)" (Catech. R. 3,10,13).
2537 Der Wunsch nach Dingen, die dem Nächsten gehören, verletzt dieses
Gebot nicht, sofern man sie sich mit rechten Mitteln verschaffen will.
Die herkömmliche Katechese gibt realistisch an, welche Menschen gegen
das Laster der Begierlichkeit besonders zu kämpfen haben und die man somit
„sorgfältiger zur Einhaltung dieses Gebotes ermahnen muß":
„Kaufleute, die Hungersnot und Teuerung herbeiwünschen, und es ungern
sehen, daß es andere neben ihnen gibt, die kaufen oder verkaufen, weil
sie sonst teurer verkaufen und billiger kaufen könnten. In dieser Sache
sündigen auch jene, die wünschen, daß andere Not leiden, damit sie beim
Verkaufen oder Kaufen selber Gewinn machen ... auch die Ärzte, die Krankheiten
wünschen; die Rechtsgelehrten, die viele schwere Fälle und Streitereien
begehren" (Catech. R. 3,10,23).
2538 Das zehnte Gebot verlangt, den Neid aus dem Herzen der Menschen
zu verbannen. Als der Prophet Natan den König David zur Reue bewegen wollte,
erzählte er ihm die Geschichte vom Armen, der nur ein einziges Schaf besaß,
das er wie sein eigenes Kind behandelte, und vom Reichen, der, obwohl
er zahlreiche Herden besaß, den Armen beneidete und ihm schließlich sein
Schaf wegnah [Vgl. 2 Sam 12,1-4]. Neid kann zu schlimmsten Untaten führen
[Vgl. Gen 4,3-7; 1 Kön 21,1-29]. Durch den Neid des Teufels kam der Tod
in die Welt [Vgl. Weish 2,24.].
„Wir bekämpfen einander, und der Neid bewaffnet uns gegeneinander...
Wenn alle so verbissen den Leib Christi zerrütten, wo kommen wir dann
hin? Wir sind im Begriff, den Leib Christi zu zermürben ... Wir sagen,
wir seien Glieder ein und desselben Leibes, und verschlingen dabei einander
wie Raubtiere" (Johannes Chrysostomus, hom. in 2 Cor. 27,3-4).
2539 Der Neid ist eine Hauptsünde. Er besteht darin, daß man traurig
ist, weil es einem anderen gut geht, und maßlos danach verlangt, sich
dessen Gut selbst auf ungerechte Weise anzueignen. Wer aus Neid dem Nächsten
ein schlimmes Übel wünscht, begeht eine Todsünde.
Der hl. Augustinus erblickte im Neid „die teuflische Sünde schlechthin"
(catech. 4,8). „Aus dem Neid entstehen Haß, üble Nachrede, Verleumdung,
Freude am Unglück des Nächsten und Mißfallen an seinem Wohlergehen"
(Gregor d. Gr., mor. 31,45).
2540 Der Neid stellt eine der Formen des Trübsinns dar und somit eine
Zurückweisung der Liebe. Der Getaufte soll durch das Wohlwollen gegen
ihn ankämpfen. Neid entspringt oft dem Stolz; der Getaufte bemüht sich,
in Demut zu leben.
„Möchtet ihr Gott durch euch verherrlicht sehen? Gut, dann freut euch
über die Fortschritte eures Bruders, und schon wird Gott durch euch
verherrlicht sein. ‚Gott sei gelobt!‘ wird man sagen, weil sein Diener
den Neid zu besiegen verstand, indem er sich über die Verdienste der
anderen freute" (Johannes Chrysostomus, horn. in Rom. 7,5).
II. Die Absicht des Heiligen Geistes
2541 Die Ordnung des Gesetzes und der Gnade wendet das Herz der Menschen
von Habsucht und Neid ab; sie leitet es an, nach dem höchsten Gut zu verlangen;
sie belehrt es über den Willen des Heiligen Geistes, der das Menschenherz
sättigt. Der Gott der Verheißungen hat den Menschen von jeher vor der
Verlockung durch das gewarnt, was schon im Paradies als gut zu essen,
lieblich anzusehen und begehrenswert erschien [Vgl. Gen 3,6].
2542 Das dem Volk Israel anvertraute Gesetz konnte niemals die ihm unterstellten
Menschen rechtfertigen; es ist sogar zum Werkzeug der „Begierde"
geworden [Vgl. Röm 7,7]. Die Kluft zwischen dem Wollen und dem Tun [Vgl.
Röm 7,10] zeigt den Konflikt zwischen dem Gesetz Gottes, nämlich dem „Gesetz
der Vernunft", und einem anderen Gesetz, das „mich gefangenhält im
Gesetz der Sünde, von dem meine Glieder beherrscht werden" (Röm 7,23).
2543 „Jetzt aber ist unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbart
worden, bezeugt vom Gesetz und von den Propheten: die Gerechtigkeit Gottes
aus dem Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben"
(Röm 3,21-22). Folglich haben die an Christus Glaubenden „das Fleisch
und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt" (Gal 5,24);
sie lassen sich durch den Heiligen Geist leiten [Vgl. Röm 8,14] und folgen
seiner Absicht [Vgl. Röm 8,27].
III. Armut des Herzens
2544 Jesus macht es seinen Jüngern zur Pflicht, ihn allem und allen Vorzuziehen,
und schlägt ihnen vor, um seinetwillen und um des Evangeliums willen [Vgl.
Mk 8,35] auf ihren „ganzen Besitz" zu verzichten (Lk 14,33). Kurz
vor seinem Leiden stellt er ihnen die arme Witwe von Jerusalem als Vorbild
hin, die, obwohl selbst bedürftig, alles gab, was sie zum Leben besaß
[Vgl. Lk 21,4]. Das Gebot der Loslösung von den Besitztümern zu erfüllen,
ist notwendig, um in das Himmelreich zu gelangen.
2545 Alle Christgläubigen sollen „ihre Willensantriebe richtig leiten,
um nicht im Umgang mit Dingen der Welt und durch die Anhänglichkeit an
die Reichtümer wider den Geist der evangelischen Armut im Streben nach
vollkommener Liebe gehindert zu werden" (LG 42).
2546 „Selig, die arm sind im Geiste" (Mt 5,3). Die Seligpreisungen
offenbaren eine Ordnung der Freude und der Gnade, der Schönheit und des
Friedens. Jesus preist die Freude der Armen, denen das Reich Gottes schon
gehört [Vgl. Lk 6,20].
„Das Wort [das heißt Christus] bezeichnet als ‚Armut im Geiste‘ die
willige Demut und Entsagung eines menschlichen Geistes, und der Apostel
stellt uns die Armut Gottes als Beispiel hin, wenn er sagt: ‚Er ist
unseretwegen arm geworden‘ (2 Kor 8,9)" (Gregor v. Nyssa, beat.
1).
2547 Der Herr beklagt die Reichen, weil sie im Überfluß der Güter ihren
Trost finden [Vgl. Lk 6,24]. „Der Stolze strebt nach irdischer Macht,
während der Arme im Geist nach dem Himmelreich sucht" (Augustinus,
serm. Dom. 1,1,3). Wer sich auf die Vorsehung des himmlischen Vaters verläßt,
wird von unruhiger Sorge um seine Zukunft befreit [Vgl. Mt 6. 25-34].
Das Vertrauen auf Gott ist eine Vorbereitung auf die Seligkeit der Armen.
Sie werden Gott schauen.
IV. „Ich will Gott schauen"
2548 Das Verlangen nach dem wahren Glück befreit den Menschen von maßloser
Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt und findet seine Erfüllung in
der Schau und der Seligkeit Gottes. Die Verheißung, Gott zu schauen, „geht
über alle Seligkeit hinaus ... In der Schrift ist Schauen gleichbedeutend
mit Besitzen ... Wer Gott schaut, hat alle Güter erlangt, die man sich
nur denken kann" (Gregor v. Nyssa, beat. 6).
2549 Noch muß das heilige Volk mit Hilfe der Gnade von oben kämpfen,
um die von Gott versprochenen Güter zu erlangen. Um Gott zu besitzen und
zu schauen, töten die an Christus Glaubenden ihre Begierden und siegen
mit der Gnade Gottes über die Verlockungen von Genuß und Macht.
2550 Auf diesem Weg zur Vollkommenheit rufen der Geist und die Braut
jeden, der auf sie hört [Vgl. Offh 22,17], zur vollkommenen Gemeinschaft
mit Gott:
„Dort wird es wahre Verherrlichung geben, wo das Lob weder dem Irrtum
ausgesetzt noch von Schmeicheleien angekränkelt ist; wahre Ehre, die
keinem Würdigen versagt, keinem Unwürdigen zuteil wird; es wird sich
gar kein Unwürdiger darum bemühen, wo nur Würdige sich aufhalten dürfen.
Wahrer Friede wird herrschen, wo keiner Widriges zu erfahren hat von
sich selbst oder von einem anderen. Der Lohn der Tugend wird Gott selbst
sein, der die Tugend verliehen und ihr sich selbst in Aussicht gestellt
hat, das Größte und Beste, was es geben kann ... ‚Ich werde ihr Gott
sein, und sie werden mein Volk sein‘ (Lev 26,12) ... In diesem Sinn
ist auch das Wort des Apostels aufzufassen: ‚Auf daß Gott alles in allem
sei‘ (1 Kor 15,12). Der wird unseres Sehnens Ende sein, den man ohne
Ende schaut, ohne Überdruß liebt, ohne Ermüdung preist. Diese Gnadengabe,
diese Zuneigung, diese Tätigkeit wird, wie das ewige Leben selbst, sicher
allen gemeinsam sein" (Augustinus, civ. 22,30).
Kurztexte
2551 „ Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz" (Mt 6, 21).
2552 Das zehnte Gebot verbietet die Habgier die aus maßlosem leiden schaftlichem
Verlangen nach Reichtum und der damit verbundenen Macht entsteht.
2553 Neid besteht in der Traurigkeit über das Gut eines anderen und im
ungezügelten Verlangen es sich anzueignen Neid ist ein Hauptlaster.
2554 Der Getaufte bekampft den Neid durch Wohlwollen. Demut und Hingabe
an die Vorsehung Gottes.
2555 Die an Christus Glaubenden haben das Fleisch und damit ihre Leidenschaften
und Begierden gekreuzigt (Gal 5 24): sie lassen sich durch den Heiligen
Geist leiten und halten sich an seinen Willen.
2556 Um in das Himmelreich einzugehen muß man sich von den Reichtümern
lösen. „Selig, die arm sind im Geiste!"
2557 Der Mensch voll Sehnsucht sagt: „Ich will Gott schauen". Der
Durst nach Gott wird durch das Wasser des ewigen Lebens gestillt [Vgl.
Joh 4,14.].
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Quelle: http://www.vatican.va/
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