Katechismus der Katholischen Kirche - Libreria Editrice Vaticana, Citta del Vaticano Christentum. Katholizismus. Katechismus der Katholischen Kirche. Dritter Teil: Das Leben In Christus.
Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.                Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen.                Du sollst den Feiertag heiligen.                Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.                Du sollst nicht töten.                Du sollst nicht ehebrechen.                Du sollst nicht stehlen.                Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.                Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.                Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.               
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Zweites Kapitel - „Du Sollst Deinen Nächsten Lieben Wie Dich Selbst"
   

Katechismus der Katholischen Kirche / Dritter Teil: Das Leben In Christus

Zweiter Abschnitt - Die Zehn Gebote

Zweites Kapitel - „Du Sollst Deinen Nächsten Lieben Wie Dich Selbst"

Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13,34).

2196 Auf die Frage, welches das erste Gebot sei, antwortete Jesus: „Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden" (Mk 12, 29-31).

Der hl. Apostel Paulus erinnert daran: „Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren!, und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes" (Röm 13, 8-10).

Artikel 4
Das Vierte Gebot

„Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt" (Ex 20,12).

„Er ... war ihnen gehorsam" (Lk 2,51).

Jesus selbst hat an die Geltung dieses „Gebotes Gottes" erinnert [Vgl. Mk 7,8-13]. Der Apostel lehrt: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern, wie es vor dem Herrn recht ist. Ehre deinen Vater und deine Mutter: Das ist ein Hauptgebot, und ihm folgt die Verheißung: damit es dir gut geht und du lange lebst auf der Erde" (Eph 6, l_3) [Vgl. Dtn 5,16.].

2197 Mit dem vierten Gebot beginnt die zweite Tafel des Dekalogs. Es weist auf die Ordnung der Liebe hin. Gott hat gewollt, daß wir nach ihm auch unsere Eltern ehren, denen wir das Leben verdanken und die uns den Glauben vermittelt haben. Wir sind verpflichtet, alle zu ehren und zu achten, die Gott zu unserem Wohl mit seiner Autorität ausgestattet hat.

2198 Dieses Gebot ist positiv formuliert; es weist auf Pflichten hin, die zu erfüllen sind. Es leitet über zu den folgenden Geboten, in denen gefordert wird, das Leben, die Ehe, die irdischen Güter anderer und das menschliche Wort zu achten. Es stellt eine der Grundlagen der Soziallehre der Kirche dar.

2199 Das vierte Gebot wendet sich ausdrücklich an die Kinder und betrifft ihre Beziehungen zu Vater und ‘Mutter, denn diese ist die grundlegendste aller Beziehungen. Es schließt auch die Verwandtschaftsbeziehungen mit den übrigen Familienmitgliedern ein. Es verlangt, den älteren Verwandten und den Vorfahren Ehre, Liebe und Dank zu erweisen. Schließlich erstreckt es sich auch auf die Pflichten der Schüler gegenüber dem Lehrer, der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern, der Untergebenen gegenüber ihren Vorgesetzten, der Bürger gegenüber ihrem Vaterland und gegenüber denen, die es verwalten und regieren.

Im weiteren Sinn schließt dieses Gebot auch die Pflichten von Eltern, Vormündern, Lehrern, Vorgesetzten, Behörden und Regierenden mit ein, all jener also, die über andere Menschen oder über eine Gemeinschaft Autorität ausüben.

2200 Mit der Befolgung des vierten Gebotes ist eine Belohnung verbunden:

„Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt" (Ex 20,12)1. Die Beherzigung dieses Gebotes bringt neben geistlichen auch zeitliche Früchte, nämlich Frieden und Wohlergehen. Die Mißachtung dieses Gebotes hingegen zieht schwere Nachteile für menschliche Gemeinschaften und Einzelpersonen nach sich.

I. Die Familie im Plane Gottes

Natur der Familie

2201 Die Ehegemeinschaft beruht auf dem Konsens der Gatten, ihrem gegenseitigen Einverständnis. Ehe und Familie sind auf das Wohl der Gatten sowie auf die Zeugung und Erziehung von Kindern hinge ordne [Vgl. Dtn 5,16.]. Die Liebe der Gatten und die Zeugung von Kindern lassen zwischen den Familienmitgliedern persönliche Beziehungen und grundlegende Verantwortung entstehen.

2202 Ein Mann und eine Frau, die miteinander verheiratet sind, bilden mit ihren Kindern eine Familie. Diese Gemeinschaft geht jeder Anerkennung durch die öffentliche Autorität voraus; sie ist ihr vorgegeben. Man muß sie als die normale Beziehungsgrundlage betrachten, von der aus die verschiedenen Verwandtschaftsformen zu würdigen sind.

2203 Indem Gott Mann und Frau erschuf, hat er die menschliche Familie gegründet und ihr die Grundverfassung gegeben. Ihre Glieder sind Personen gleicher Würde. Zum Gemeinwohl der Familienmitglieder und der Gesellschaft gibt es in der Familie verschiedene Verantwortungen, Rechte und Pflichten.

Christliche Familie

2204 Die christliche Familie ist eine spezifische Darstellung und Verwirklichung der kirchlichen Gemeinschaft. Sie kann und muß deshalb auch „Hauskirche" genannt werden" (FC 21) [Vgl. LG 11]. Sie ist eine Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe; wie im Neuen Testament angedeutet wird [Vgl. Eph 5,21-6,4; Kol 3,18-21; 1 Petr 3,1-7.], kommt ihr in der Kirche eine einzigartige Bedeutung zu.

2205 Die christliche Familie ist eine Gemeinschaft von Personen, ein Zeichen und Abbild der Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist. In der Zeugung und Erziehung von Kindern spiegelt sich das Schöpfungswerk des Vaters wider. Die Familie ist berufen, am Gebet und am Opfer Christi teilzunehmen. Das tägliche Gebet und die Lesung des Wortes Gottes stärken in ihr die Liebe. Die christliche Familie wirkt evangelisierend und missionarisch.

2206 Die Familienbeziehungen bewirken eine besondere gegenseitige Nähe der Gefühle, Neigungen und Interessen, vor allem, wenn ihre Mitglieder einander achten. Die Familie ist eine Gemeinschaft mit besonderen Vorzügen: sie ist berufen, „herzliche Seelengemeinschaft, gemeinsame Beratung der Gatten und sorgfältige Zusammenarbeit der Eltern bei der Erziehung der Kinder" zu verwirklichen (GS 52,1).

II. Familie und Gesellschaft

2207 Die Familie ist die Urzelle des gesellschaftlichen Lebens. Sie ist die natürliche Gemeinschaft, in der Mann und Frau zur Hingabe der Liebe und zur Weitergabe des Lebens berufen sind. Die Autorität, die Beständigkeit und das Gemeinschaftsieben innerhalb der Familie bilden die Grundlage von Freiheit, Sicherheit und Brüderlichkeit innerhalb der Gesellschaft. Die Familie ist die Gemeinschaft, in der man von Kind auf lernen kann, die sittlichen Werte zu achten, Gott zu ehren und die Freiheit richtig zu gebrauchen. Das Familienleben ist eine Einübung in das gesellschaftliche Leben.

2208 Die Familie soll so leben, daß ihre Mitglieder lernen, sich um Junge und Alte, um Kranke, Behinderte und Arme zu kümmern und sich ihrer anzunehmen. Es gibt zahlreiche Familien, die zeitweilig nicht imstande sind, diese Hilfe zu leisten. Dann ist es Sache anderer Personen oder Familien, subsidiär auch Sache der Gesellschaft, für die Bedürfnisse dieser Menschen zu sorgen. „Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin: für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind, und sich vor jeder Befleckung durch die Welt zu bewahren" (Jak 1,27).

2209 Die Familie ist durch geeignete soziale Maßnahmen zu unterstützen und zu schützen. Wenn die Familien nicht imstande sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, haben andere Körperschaften der Gesellschaft die Pflicht, der Institution der Familie beizustehen und sie zu unterstützen. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip sollen die größeren Gemeinschaften davon Abstand nehmen, sich die Rechte der Familie anzumaßen oder in ihr Leben einzugreifen.

2210 Weil die Familie für das Leben und das Wohlergehen der Gesellschaft so bedeutend ist [Vgl. GS 47,1], hat diese eine besondere Verpflichtung, Ehe und Familie zu unterstützen und zu stärken. Die Staatsgewalt hat es als ihre besondere Pflicht anzusehen, „die wahre Eigenart von Ehe und Familie anzuerkennen, zu hüten und zu fördern, die öffentliche Sittlichkeit zu schützen und den häuslichen Wohlstand zu begünstigen" (GS 52,2).

2211 Die politische Gemeinschaft hat die Pflicht, die Familie in Ehren zu halten, ihr beizustehen und ihr vor allem zu gewährleisten:

- die Freiheit, eine Familie zu gründen, Kinder zu haben und sie gemäß den eigenen moralischen und religiösen Überzeugungen zu erziehen;

- den Schutz des Fortbestehens des Ehebandes und der Institution der Familie;

- die Freiheit, seinen Glauben zu bekennen, weiterzugeben und die Kinder mit Hilfe der dazu notwendigen Mittel und Institutionen in diesem Glauben zu erziehen;

- das Recht auf Privateigentum, die Freiheit, selbständig oder unselbständig zu arbeiten, eine Wohnung zu erhalten und das Recht, auszuwandern;

- den Institutionen des betreffenden Landes entsprechend das Recht auf medizinische Betreuung, auf Beistand im Alter und auf Kindergeld;

- den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit, insbesondere gegenüber Gefahren wie Drogen, Pornographie und Alkoholismus;

- die Freiheit, Familienverbände zu bilden und so bei den staatlichen Institutionen vertreten zu sein [Vgl. FC 46.].

2212 Das vierte Gebot erhellt auch die anderen Beziehungen innerhalb der Gesellschaft. In unseren Geschwistern sehen wir Kinder unserer Eltern; in unseren Vettern und Basen Nachkommen unserer Ahnen; in unseren Mitbürgern Söhne und Töchter unseres Heimatlandes; in allen Getauften Kinder unserer Mutter, der Kirche; in jedem Menschen einen Sohn oder eine Tochter dessen, der „unser Vater" genannt werden will. Dadurch erhalten unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen einen persönlichen Charakter. Der Nächste ist kein bloßes „Individuum" innerhalb der Masse, sondern „jemand", der aufgrund seiner bekannten Herkunft besondere Aufmerksamkeit und Achtung verdient.

2213 Die menschlichen Gemeinschaften setzen sich aus Personen zusammen. Sie gut zu regieren besteht nicht bloß darin, daß Rechte gewährleistet, Pflichten erfüllt und Verträge eingehalten werden. Gerechte Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Regierenden und Bürgern setzen das natürliche Wohlwollen voraus, das der Würde menschlicher Personen entspricht, die auf Gerechtigkeit und Brüderlichkeit bedacht sind.

III. Pflichten der Familienmitglieder

Pflichten der Kinder

2214 Die Vaterschaft Gottes ist die Quelle der menschlichen Elternschaft [Vgl. Eph 3,14]; auf ihr gründet die Ehre der Eltern. Die Achtung der minderjährigen oder erwachsenen Kinder vor Vater und Mutter [Vgl. Spr 1,8;Tob 4,3-4] erwächst aus der natürlichen Zuneigung, die sie miteinander vereint. Sie wird vom Gebot Gottes gefordert [Vgl. Ex 20,12.].

2215 Die Achtung der Kinder vor den Eltern [Kindesliebe, pietas filialis] entspringt der Dankbarkeit gegenüber denen, die ihnen das Leben geschenkt und durch ihre Liebe und Arbeit ihnen ermöglicht haben, an Größe, Weisheit und Gnade zu wachsen. „Ehre deinen Vater von ganzem Herzen, vergiß niemals die Schmerzen deiner Mutter! Denk daran, daß sie dir das Leben gaben. Wie kannst du ihnen vergelten, was sie für dich taten?" (Sir 7, 27-28).

2216 Die Kindesliebe zeigt sich in Folgsamkeit und wahrem Gehorsam. „Achte, mein Sohn, auf das Gebot deines Vaters, mißachte nicht die Lehre deiner Mutter! ... Wenn du gehst, geleitet sie dich, wenn du ruhst, behütet sie dich, beim Erwachen redet sie mit dir" (Spr 6,20-22). „Ein weiser Sohn ist die Frucht der Erziehung des Vaters, der zuchtlose aber hört nicht auf die Mahnung" (Spr 13,1).

2217 Solange das Kind bei den Eltern wohnt, muß es jeder Aufforderung der Eltern gehorchen, die seinem eigenen Wohl oder dem der Familie dient. „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem; denn so ist es gut und recht im Herrn" (Kol 3,20) [Vgl. Eph 6,1. ]. Die Kinder haben auch den vernünftigen Vorschriften ihrer Erzieher und all derer zu gehorchen, denen sie von den Eltern anvertraut wurden. Falls jedoch das Kind im Gewissen überzeugt ist, daß es unsittlich wäre, einem bestimmten Befehl zu gehorchen, soll es ihm nicht Folge leisten.

Auch wenn sie größer werden, sollen die Kinder ihre Eltern weiterhin achten. Sie sollen ihren Wünschen zuvorkommen, ihren Rat suchen und ihre gerechtfertigten Ermahnungen annehmen. Die Pflicht, den Eltern zu gehorchen, hört mit der Volljährigkeit der Kinder auf, doch schulden sie ihnen für immer Achtung. Diese wurzelt in der Gottesfurcht, einer der Gaben des Heiligen Geistes.

2218 Das vierte Gebot ruft den erwachsenen Kindern die Pflichten gegenüber den Eltern in Erinnerung. Im Alter, in Krankheit, Einsamkeit oder Not sollen sie ihnen, so gut sie können, materiell und moralisch beistehen. Jesus erinnert an diese Dankespflicht [Vgl. Mk 7,10-12.].

„Der Herr hat den Kindern befohlen, ihren Vater zu ehren, und die Söhne verpflichtet, das Recht ihrer Mutter zu achten. Wer den Vater ehrt, erlangt Verzeihung der Sünden, und wer seine Mutter achtet, gleicht einem Menschen, der Schätze sammelt. Wer den Vater ehrt, wird Freude haben an den eigenen Kindern, und wenn er betet, wird er Erhörung finden. Wer den Vater achtet, wird lange leben, und wer seiner Mutter Ehre erweist, erweist sie dem Herrn" (Sir 3,2-6).

 

„Mein Sohn, wenn dein Vater alt ist, nimm dich seiner an, und betrübe ihn nicht, solange er lebt. Wenn sein Verstand abnimmt, sieh es ihm nach, und beschäme ihn nicht in deiner Volikraft! ... Wie ein Gotteslästerer handelt, wer seinen Vater im Stich läßt, und von Gott ist verflucht, wer seine Mutter kränkt" (Sir 3,12-13.16).

2219 Die Kindesliebe begünstigt die Harmonie des ganzen Familienlebens; sie beeinflußt auch die Beziehungen zwischen den Geschwistern. Die Achtung vor den Eltern durchstrahlt die Atmosphäre innerhalb der Familie. „Eine Krone der Alten sind Kindeskinder" (Spr 17,6). „Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe" (Eph 4,2).

2220 Die Christen sind jenen besondere Dankbarkeit schuldig, denen sie die Gabe des Glaubens, die Gnade der Taufe und das Leben in der Kirche verdanken. Es kann sich dabei um die Eltern, um andere Familienmitglieder, um die Großeltern, um Seelsorger, Katecheten, Lehrer oder Freunde handeln. „Ich denke an deinen aufrichtigen Glauben, der schon in deiner Großmutter Lois und in deiner Mutter Eunike lebendig war und der nun, wie ich weiß, auch in dir lebt" (2 Tim 1,5).

Pflichten der Eltern

2221 Die Fruchtbarkeit der ehelichen Liebe beschränkt sich nicht darauf, Kinder zu zeugen; sie muß sich auch auf ihre sittliche Erziehung und ihre geistliche Bildung erstrecken. Die Erziehung durch die Eltern „ist so entscheidend, daß sie dort, wo sie fehlt, kaum zu ersetzen ist" (GE 3). Das Grundrecht und die Grundpflicht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, sind unveräußerlich [Vgl. FC 36.].

2222 Die Eltern sollen ihre Kinder als Kinder Gottes ansehen und sie als menschliche Personen achten. Sie erziehen ihre Kinder dazu, das Gesetz Gottes zu erfüllen, indem sie selbst gegenüber dem Willen des Vaters im Himmel gehorsam sind.

2223 Die Eltern sind die Erstverantwortlichen für die Erziehung ihrer Kinder. In erster Linie erfüllen sie diese Verantwortung, indem sie ein Zuhause schaffen, wo Zärtlichkeit, Vergebung, gegenseitige Achtung, Treue und selbstlose Dienstbereitschaft herrschen. Die Erziehung zu den Tugenden beginnt zu Hause. Hier müssen die Kinder Opferbereitschaft, gesundes Urteil und Selbstbeherrschung lernen, die Voraussetzung zu wahrer Freiheit sind. Die Eltern sollen die Kinder lehren, „die materiellen und triebhaften [Dimensionen] den inneren und geistigen" unterzuordnen (CA 36). Die Eltern haben die große Verantwortung, ihren Kindern ein gutes Beispiel zu geben. Wenn sie ihre Fehler vor ihnen eingestehen können, werden sie eher imstande sein, sie zu leiten und zurechtzuweisen.

„Wer seinen Sohn liebt, hält den Stock für ihn bereit, damit er später Freude erleben kann. Wer seinen Sohn in Zucht hält, wird Freude an ihm haben" (Sir 30,1-2). „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Weisung des Herrn!" (Eph 6,4).

2224 Das Zuhause ist die natürliche Umgebung, in der die Kinder zur Solidarität und zur gemeinsamen Verantwortung angeleitet werden sollen. Die Eltern sollen die Kinder dazu erziehen, sich vor falschen Zugeständnissen und dem Verlust der Würde zu bewahren, die jede menschliche Gesellschaft in Gefahr bringen.

2225 Durch die Gnade des Ehesakramentes haben die Eltern die Pflicht und das Vorrecht erhalten, ihre Kinder zu evangelisieren. Sie sollen als „die ersten Glaubensboten" (LG 11) ihre Kinder möglichst früh in die Mysterien des Glaubens einführen und sie schon von früher Kindheit an in das kirchliche Leben miteinbeziehen. Die Lebensweise in der Familie kann jene Gefühlshaltungen prägen, die während des ganzen späteren Lebens Voraussetzung und Stütze eines lebendigen Glaubens bleiben werden.

2226 Die Erziehung zum Glauben durch die Eltern muß schon in frühester Kindheit einsetzen. Sie beginnt damit, daß die Familienmitglieder einander helfen, durch das Zeugnis eines dem Evangelium entsprechenden Lebens im Glauben zu wachsen. Die Familienkatechese geht allen anderen Formen der Glaubensunterweisung voran, begleitet und bereichert sie. Die Eltern haben die Sendung, ihre Kinder beten zu lehren und sie ihre Berufung als Kinder Gottes entdecken zu lassen [Vgl. LG 11. ]. Die Pfarrei ist für die christlichen Familien Eucharistiegemeinschaft und Herz des liturgischen Lebens. Sie ist ein besonders geeigneter Ort für die Katechese der Kinder und der Eltern.

2227 Die Kinder tragen ihrerseits dazu bei, daß ihre Eltern an Heiligkeit zunehmen [Vgl. GS 48,4.]. Wenn es zu Beleidigung, Streit, Ungerechtigkeit und Mangel an Aufmerksamkeit kommt, sollen alle einander großmütig und unermüdlich verzeihen, wie es die gegenseitige Liebe nahelegt und die Liebe Christi verlangt [Vgl. Mt 18,21-22; Lk 17,4].

2228 Die Achtung und die Liebe der Eltern gegenüber ihren Kindern zeigt sich während der ersten Jahre in der Sorge und der Zuwendung, mit der sie ihre Kinder erziehen und deren leibliche und geistige Bedürfnisse stillen. Wenn die Kinder heranwachsen, werden die Eltern aufgrund der gleichen Achtung und Hingabe ihre Kinder dazu anleiten, Vernunft und Freiheit recht zu gebrauchen.

2229 Als Erstverantwortliche für die Erziehung ihrer Kinder haben die Eltern das Recht, für sie eine Schule zu wählen, die ihren Überzeugungen entspricht. Das ist ein Grundrecht. Die Eltern haben die Pflicht, soweit wie möglich solche Schulen zu wählen, die sie in ihrer Aufgabe als christliche Erzieher am besten unterstützen [Vgl. GE 6]. Die Behörden haben die Pflicht, dieses Elternrecht zu gewährleisten und dafür zu sorgen, daß es auch wirklich ausgeübt werden kann.

2230 Wenn die Kinder erwachsen werden, haben sie die Pflicht und das Recht, ihren Beruf und Lebensstand zu wählen. Sie sollen diese neuen Verantwortungen in vertrauensvoller Beziehung zu ihren Eltern wahrnehmen und deren Ansichten und Ratschläge gerne erfragen und entgegennehmen. Die Eltern mögen darauf bedacht sein, weder in der Berufswahl noch in der Partnerwahl auf ihre Kinder Zwang auszuüben. Diese Pflicht, sich zurückzuhalten, verbietet ihnen jedoch nicht, den Kindern durch kluge Ratschläge beizustehen, besonders dann, wenn diese vorhaben, eine Familie zu gründen.

2231 Manche Menschen heiraten nicht, um für ihre Eltern oder Geschwister zu sorgen, sich intensiver einem Beruf zu widmen oder aus anderen achtenswerten Beweggründen. Sie können zum Wohl der Menschheitsfamilie.

IV. Familie und Reich Gottes

2232 Die Familienbande sind zwar wichtig, aber nicht absolut. So wie das Kind zur menschlichen und geistigen Selbständigkeit heranreift, bestätigt sich auch seine besondere Berufung, die von Gott kommt, immer klarer und stärker. Die Eltern sollen diese Berufung achten und ihre Kinder ermutigen, ihr Folge zu leisten. Man muß überzeugt sein, daß es die erste Berufung des Christen ist, Christus nachzufolgen [Vgl. Mt 16,25.]: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig" (Mt 10,37).

2233 Jünger Jesu werden heißt die Einladung annehmen, zur Familie Gottes zu gehören und so zu leben wie er: „Wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter" (Mt 12,49). Die Eltern sollen es freudig und dankbar annehmen und achten, wenn der Herr eines ihrer Kinder beruft, ihm in der Jungfräulichkeit um des Himmel-reiches willen, im gottgeweihten Leben oder im priesterlichen Dienst nachzufolgen.

V. Autoritäten in der Gesellschaft

2234 Das vierte Gebot Gottes befiehlt uns auch, all jene zu ehren, die von Gott zu unserem Wohl ein öffentliches Amt in der Gesellschaft erhalten haben. Es gibt Aufschluß über die Pflichten der Amtsträger sowie jener, zu deren Wohl sie bestellt sind.

Pflichten der Behörden

2235 Der Inhaber eines Amtes muß dieses als einen Dienst ausüben. „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein" (Mt 20,26). Die Ausübung eines Amtes wird sittlich gemessen an seinem göttlichen Ursprung, seiner vernünftigen Natur und seinem besonderen Objekt. Niemand darf etwas befehlen oder einführen, was der Menschenwürde und dem natürlichen Sittengesetz widerspricht.

2236 Die Ausübung von Autorität zielt darauf ab, eine gerechte Rangordnung der Werte sichtbar zu machen, um allen den Gebrauch ihrer Freiheit und Verantwortung zu erleichtern. Die Vorgesetzten sollen die austeilende Gerechtigkeit weise ausüben, dabei den Bedürfnissen sowie dem Beitrag eines jeden Rechnung tragen und gegenseitiges Einvernehmen und Frieden anstreben. Sie sollen darauf bedacht sein, daß die von ihnen getroffenen Maßnahmen und Anordnungen nicht dadurch in Versuchung führen, daß sie das persönliche Interesse in Widerspruch zum Gemeinwohl bringen [Vgl. CA 25.].

2237 Die politischen Autoritäten sind verpflichtet, die Grundrechte der menschlichen Person zu achten. Sie sollen die Gerechtigkeit menschlich ausüben und dabei das Recht eines jeden, besonders das der Familien und Bedürftigen, achten.

Die staatsbürgerlichen Rechte dürfen und sollen gemäß den Erfordernissen des Gemeinwohls gewährt werden. Die öffentlichen Gewalten dürfen sie nicht ohne berechtigten und angemessenen Grund außer Kraft setzen. Die Ausübung der politischen Rechte soll das Gemeinwohl der Nation und der menschlichen Gesellschaft fördern.

Pflichten der Bürger

2238 Die der Autorität Unterstellten sollen ihre Vorgesetzten als Diener Gottes ansehen, der diese zur Verwaltung seiner Gaben bestellt hat [Vgl. Röm 13, 1-2.] „Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen Ordnung ... Handelt als Freie, aber nicht als solche, die Freiheit als Deckmantel für das Böse nehmen, sondern wie Knechte Gottes" (1 Petr 2, 13. 16). Loyale Mitarbeit bringt für die Bürger das Recht und manchmal sogar die Pflicht mit sich, in angemessener Weise zu kritisieren, was der Menschenwürde oder dem Gemeinwohl zu schaden scheint.

2239 Pflicht der Bürger ist es, gemeinsam mit den Behörden im Geist der Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit zum Wohl der Gesellschaft beizutragen. Die Heimatliebe und der Einsatz für das Vaterland sind Dankespflichten und entsprechen der Ordnung der Liebe. Gehorsam gegenüber den rechtmäßigen Autoritäten und Einsatzbereitschaft für das Gemeinwohl verlangen von den Bürgern, ihre Aufgabe im Leben der staatlichen Gemeinschaft zu erfüllen.

2240 Der Gehorsam gegenüber der Autorität und die Mitverantwortung für das Gemeinwohl machen es zu einer sittlichen Pflicht, Steuern zu zahlen, das Stimmrecht auszuüben und das Land zu verteidigen.

„Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, sei es Steuer oder Zoll, sei es Furcht oder Ehre" (Röm 13,7).

Die Christen „bewohnen das eigene Vaterland, aber wie seßhafte Fremde. Sie nehmen an allem teil wie Bürger, und sie ertragen alles wie Fremde ... Sie gehorchen den erlassenen Gesetzen, und mit der ihnen eigenen Lebensweise überbieten sie die Gesetze ... Auf einen so wichtigen Posten hat Gott sie gestellt, dem sich zu entziehen ihnen nicht erlaubt ist" (Diognet 5,5.10; 6,10).

Paulus fordert uns auf, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, zu beten und dankzusagen, „damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können" (1 Tim 2,2).

2241 Die wohlhabenderen Nationen sind verpflichtet, so weit es ihnen irgend möglich ist, Ausländer aufzunehmen, die auf der Suche nach Sicherheit und Lebensmöglichkeiten sind, die sie in ihrem Herkunftsland nicht finden können. Die öffentlichen Autoritäten sollen für die Achtung des Naturrechts sorgen, das den Gast unter den Schutz derer stellt, die ihn aufnehmen.

Die politischen Autoritäten dürfen im Hinblick auf das Gemeinwohl, für das sie verantwortlich sind, die Ausübung des Einwanderungsrechtes verschiedenen gesetzlichen Bedingungen unterstellen und verlangen, daß die Einwanderer ihren Verpflichtungen gegenüber dem Gastland nachkommen. Der Einwanderer ist verpflichtet, das materielle und geistige Erbe seines Gastlandes dankbar zu achten, dessen Gesetzen zu gehorchen und die Lasten mit zu tragen.

2242 Der Bürger hat die Gewissenspflicht, die Vorschriften der staatlichen Autoritäten nicht zu befolgen, wenn diese Anordnungen den Forderungen der sittlichen Ordnung, den Grundrechten des Menschen oder den Weisungen des Evangeliums widersprechen. Den staatlichen Autoritäten den Gehorsam zu verweigern, falls deren Forderungen dem rechten Gewissen Widersprechen, findet seine Rechtfertigung in der Unterscheidung zwischen dem Dienst Gottes und dem Dienst an der staatlichen Gemeinschaft. „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!" (Mt 22,21). „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apg 5,29).

„Wo ... die Staatsbürger von einer öffentlichen Gewalt, die ihre Zuständigkeit überschreitet, bedrückt werden, sollen sie sich nicht weigern, das zu tun, was das Gemeinwohl objektiv verlangt. Sie haben jedoch das Recht, ihre und ihrer Mitbürger Rechte gegen den Mißbrauch der staatlichen Autorität zu verteidigen, freilich innerhalb der Grenzen des Naturrechts und des Evangeliums" (GS 74,5).

2243 Bewaffneter Widerstand gegen Unterdrückung durch die staatliche Gewalt ist nur dann berechtigt, wenn gleichzeitig die folgenden Bedingungen erfüllt sind: (1) daß nach sicherem Wissen Grundrechte schwerwiegend und andauernd verletzt werden; (2) daß alle anderen Hilfsmittel erschöpft sind; (3) daß dadurch nicht noch schlimmere Unordnung entsteht; (4) daß begründete Aussicht auf Erfolg besteht und (5) daß vernünftigerweise keine besseren Lösungen abzusehen sind.

Staat und Kirche

2244 Jede Institution ist, zumindest implizit, von einer bestimmten Sicht des Menschen und seiner Bestimmung beeinflußt, aus der sie ihre Urteilskriterien, ihre Wertordnung und ihre Verhaltensweisen ableitet. Bei der Errichtung ihrer Institutionen gehen die meisten Gesellschaften davon aus, daß dem Menschen ein gewisser Vorrang vor den Dingen gebührt. Einzig die göttlich geoffenbarte Religion hat in Gott, dem Schöpfer und Erlöser, klar den Ursprung und das Ziel des Menschen erkannt. Die Kirche lädt die politischen Verantwortungssträger ein, sich in ihren Urteilen und Entscheidungen nach dieser geoffenbarten Wahrheit über Gott und den Menschen zu richten.

Die Gesellschaften, die diese Offenbarung nicht kennen oder sie im Namen ihrer Unabhängigkeit von Gott ablehnen, müssen ihre Maßstäbe und Ziele in sich selbst suchen oder einer Ideologie entnehmen. Und da sie kein objektives Kriterium zur Unterscheidung von gut und böse dulden, maßen sie sich offen oder unterschwellig eine totalitäre Gewalt über den Menschen und sein Schicksal an, wie die Geschichte beweist [Vgl. CA 45;46.].

2245 Die Kirche, die sich aufgrund ihres Auftrags und ihrer Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft keineswegs deckt, ist Zeichen und zugleich Schützerin des transzendenten Wesens des Menschen. Als solche „achtet und fördert sie auch die politische Freiheit der Bürger und ihre Verantwortlichkeit" (GS 76,3).

2246 Zur Sendung der Kirche gehört es, „auch politische Angelegenheiten einer sittlichen Beurteilung zu unterstellen, wenn die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil der Seelen es verlangen. Sie wendet dabei alle, aber auch nur jene Mittel an, welche dem Evangelium und dem Wohl aller je nach den verschiedenen Zeiten und Verhältnissen entsprechen" (GS 76,5).

Kurztexte

2247 „Ehre deinen Vater und deine Mutter!" (Dtn 5 16 Mk 7 10).

2248 Gemäß dem vierten Gebot will Gott daß wir nach ihm auch unsere Eltern und diejenigen ehren, denen er zu unserem Wohl Autorität verliehen hat.

2249 Die eheliche Gemeinschaft gründet auf dem Bund und dem Konsens der Gatten Ehe und Familie sind auf das Wohl der Gatten und auf die Zeugung und Eiziehung von Kindern hingeordnet.

2250 Das Wohl der Person sowie der menschlichen und christlichen Gemeinschaft ist zuinnerst mit einem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft verbunden (GS 47 1).

2251 Die Kinder schulden ihren Eltern Achtung Dankbarkeit gebührenden Gehorsam und Hilfsbereitschaft. Die Ehrfurcht vor den Eltern fordert die Harmonie des ganzen Familienlebens.

2252 Die Eltern sind die Erstverantwortlichen für die Erziehung ihrer Kinder zum Glauben zum Gebet und zu allen Tugenden Sie haben die Pflicht soweit es ihnen möglich ist für die leiblichen und geistigen Bedürfnisse ihrer Kinder zu sorgen.

2253 Die Eltern sollen die Berufung ihrer Kinder achten und unterstützen. Sie sollen nicht vergessen und es auch ihren Kindern beibringen daß jeder Christ in erster Linie dazu berufen ist Christus nachzufolgen.

2254 Die öffentliche Autorität hat die Grundrechte der Menschen und die Voraussetzungen zur Ausübung dieser Rechte zu achten.

2255 Die Bürger haben die Pflicht mit den staatlichen Gewalten zusammenzuarbeiten um die Gesellschaft im Geist der Wahrheit der Gerechtigkeit der Solidarität und der Freiheit aufzubauen.

2256 Der Bürger hat die Gewissenspflicht. Vorschriften der Staatsgewalt nicht zu befolgen falls diese Anordnungen den Forderungen der sittlichen Ordnung widersprechen. Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg 5 29).

2257 Jede Gesellschaft bezieht ihre Urteile und ihr Verhalten auf eine bestimmte Sicht des Menschen und seiner Bestimmung. Wenn Gesellschaften von den erhellenden Aufsagen des Evangeliums über Gott und den Menschen absehen besteht die Gefahr daß sie totalitär werden.

Artikel 5
Das Fünfte Gebot

„Du sollst nicht morden" (Ex 20,13).

„Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein" (Mt 5, 21-23).

2258 „Das menschliche Leben ist heilig, weil es von seinem Beginn an ‚der Schöpfermacht Gottes‘ bedarf und für immer in einer besonderen Beziehung zu seinem Schöpfer bleibt, seinem einzigen Ziel. Nur Gott ist der Herr des Lebens von seinem Anfang bis zu seinem Ende: Niemand darf sich, unter keinen Umständen, das Recht anmaßen, ein unschuldiges menschliches Wesen direkt zu zerstören" (DnV intr. 5).

I. Die Achtung vor dem menschlichen Leben

Das Zeugnis der Heilsgeschichte

2259 Im Bericht über die Ermordung Abels durch seinen Bruder Kam‘ offenbart die Schrift, daß im Menschen schon von Anfang seiner Geschichte [Vgl. Gen 4, 8-12.] an Zorn und Eifersucht als Folgen der Erbsünde wirksam sind. Der Mensch ist zum Feind des Mitmenschen geworden. Gott spricht aus, wie niederträchtig dieser Brudermord ist: „Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden. So bist du verflucht, verbannt vom Ackerboden, der seinen Mund aufgesperrt hat, um aus deiner Hand das Blut deines Bruders aufzunehmen" (Gen 4,10-11).

2260 Der Bund zwischen Gott und der Menschheit ist vom Wissen um die göttliche Gabe des menschlichen Lebens und die mörderische Gewalttätigkeit des Menschen durchwirkt:

„Wenn aber euer Blut vergossen wird, fordere ich Rechenschaft, und zwar für das Blut eines jeden von euch ... Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut wird durch Menschen vergossen. Denn: Als Abbild Gottes hat er den Menschen gemacht" (Gen 9,5-6).

Das Alte Testament hat das Blut stets als ein heiliges Sinnbild des Lebens betrachtet [Vgl. Lev 17.14. ]. Dies muß zu allen Zeiten gelehrt werden.

2261 Die Schrift verdeutlicht das Verbot des fünften Gebotes: „Wer unschuldig und im Recht ist, den bring nicht um sein Leben" (Ex 23,7). Der willentliche Mord an einem Unschuldigen ist ein schwerer Verstoß gegen die Menschenwürde, die goldene Regel und die Heiligkeit des Schöpfers. Das Gesetz, das ihn untersagt, gilt allgemein: es verpflichtet alle und jeden, immer und überall.

2262 In der Bergpredigt erinnert der Herr an das Gebot: „Du sollst nicht töten" (Mt 5,21) und fügt das Verbot des Zorns, des Hasses und der Rache hinzu. Christus verlangt sogar von seinem Jünger, auch die andere Wange hinzuhalten und seine Feinde zu lieben [Vgl. Mt 5,44.]. Er selbst verteidigte sich nicht und sagte zu Petrus, er solle sein Schwert in die Scheide stecken [Vgl. Mt 26,52.].

Notwehr

2263 Die Notwehr von Personen und Gesellschaften ist keine Ausnahme vom Verbot, einen Unschuldigen zu töten, also einen willentlichen Mord zu begehen. „Aus der Handlung dessen, der sich selbst verteidigt, kann eine doppelte Wirkung folgen: die eine ist die Rettung des eigenen Lebens, die andere ist die Tötung des Angreifers" (Thomas v. A., s. th. 2-2, 64, 7). Nur die eine Wirkung ist gewollt, die andere nicht.

2264 Die Liebe zu sich selbst bleibt ein Grundprinzip der Sittenlehre. Somit darf man sein eigenes Recht auf das Leben geltend machen. Wer sein Leben verteidigt, macht sich keines Mordes schuldig, selbst wenn er gezwungen ist, seinem Angreifer einen tödlichen Schlag zu versetzen:

„Wenn jemand zur Verteidigung des eigenen Lebens größere Gewalt anwendet als nötig, ist das unerlaubt. Wenn er die Gewalt aber mit Maß zurückstößt, ist die Verteidigung erlaubt ... Es ist zum Heil nicht notwendig, auf den Akt des maßvollen Schutzes zu verzichten, um die Tötung des anderen zu vermeiden; denn der Mensch ist mehr gehalten, für das eigene Leben als für das fremde Leben zu sorgen" (Thomas v. A., s. th. 2-2, 64, 7).

2265 Die Notwehr kann für den, der für das Leben anderer oder für das Wohl seiner Familie oder de Gemeinwesens verantwortlich ist, nicht nur ein Recht, sondern eine schwerwiegende Verpflichtung sein.

2266 Der Schutz des Gemeinwohls der Gesellschaft erfordert, daß der Angreifer außerstande gesetzt wird schaden. Aus diesem Grund hat die überlieferte Lehre der Kirche die Rechtmäßigkeit des Rechtes und der Pflicht der gesetzmäßigen öffentlichen Gewalt anerkannt, der Schwere des Verbrechens angemessene Strafen zu verhängen, ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen. Aus analogen Gründen haben die Verantwortungsträger das Recht, diejenigen, die das Gemeinwesen, für das sie verantwortlich sind, angreifen, mit Waffengewalt abzuwehren.

Die Straft soll in erster Linie die durch das Vergehen herbeigeführte Unordnung wiedergutmachen. Wird sie vom Schuldigen willig angenommen, gilt sie als Sühne. Zudem hat die Strafe die Wirkung, die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Personen zu schützen. Schließlich hat die Strafe auch eine heilende Wirkung: sie soll möglichst dazu beitragen, daß sich der Schuldige bessert [Vgl. Lk 23,40-43.].

2267 Soweit unblutige Mittel hinreichen, um das Leben der Menschen gegen Angreifer zu verteidigen und die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Menschen zu schützen, hat sich die Autorität an diese Mittel zu halten, denn sie entsprechen besser den konkreten Bedingungen des Gemeinwohls und sind der Menschenwürde angemessener.

Mord

2268 Das fünfte Gebot verwirft den direkten und wilentlichen Mord als schwere Sünde. Der Mörder und seine freiwilligen Helfer begehen eine himmelschreiende Sünde [Vgl. Gen 4,10. ].

Kindesmord [Vgl. GS 51,3.], Brudermord, Elternmord und Gattenmord sind wegen der natürlichen Bande, die sie zerreißen, besonders schwere Verbrechen. Rücksichten auf die Gesundheit des Erbgutes und die öffentliche Gesundheit können keinen Mord rechtfertigen, selbst wenn er von der öffentlichen Gewalt angeordnet wäre.

2269 Das fünfte Gebot untersagt auch, etwas mit der Absicht zu tun, den Tod eines Menschen indirekt herbeizuführen. Das sittliche Gesetz verbietet, jemanden ohne schwerwiegenden Grund einer tödlichen Gefahr auszusetzen ebenso wie die Weigerung, einem Menschen in Lebensgefahr zu Hilfe zu kommen.

Daß die menschliche Gesellschaft mörderische Hungersnöte hinnimmt, ohne sich um Hilfe zu bemühen, ist ein empörendes Unrecht und eine schwere Verfehlung. Händler, die durch wucherische und profitgierige Geschäfte ihre Mitmenschen hungern und sterben lassen, begehen indirekt einen Mord; für diesen sind sie verantwortlich [Vgl. Am 8,4-10].

Die unwillentliche Tötung eines Menschen ist moralisch nicht anrechenbar. Man ist aber nicht von einem schweren Vergehen entschuldigt, wenn man ohne angemessene Gründe so handelt, daß man, wenn auch unbeabsichtigt, den Tod eines Menschen verursacht.

Abtreibung

2270 Das menschliche Leben ist vom Augenblick der Empfängnis an absolut zu achten und zu schützen. Schon im ersten Augenblick seines Daseins sind dem menschlichen Wesen die Rechte der Person zuzuerkennen, darunter das unverletzliche Recht jedes unschuldigen Wesens auf das Leben [Vgl. DnV 1,1.].

„Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt" (Jer 1,5) [Vgl. Ijob 10,812; Ps 22,10-11.].

„Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde, waren meine Glieder dir nicht verborgen" (Ps 139,15).

DAS LEBEN IN CHRISTUS

2271 Seit dem ersten Jahrhundert hat die Kirche es für moralisch verwerflich erklärt, eine Abtreibung herbeizuführen. Diese Lehre hat sich nicht geändert und ist unveränderlich. Eine direkte, das heißt eine als Ziel oder Mittel gewollte, Abtreibung stellt ein schweres Vergehen gegen das sittliche Gesetz dar:

„Du sollst ... nicht abtreiben noch ein Neugeborenes töten" (Didaché 2,2) [Vgl. Barnabasbrief 19,5; Diognet 5,5; Tertullian, apol. 9].

„Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muß. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuenswürdige Verbrechen" (GS 51,3).

2272 Die formelle Mitwirkung an einer Abtreibung ist ein schweres Vergehen. Die Kirche ahndet dieses Vergehen gegen das menschliche Leben mit der Kirchenstrafe der Exkommunikation. „Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu" ( [link] CIC, can. 1398), „so daß sie von selbst durch Begehen der Straftat eintritt" 1463 ( [link] CIC, can. 1314) unter den im Recht vorgesehenen Bedingungen [Vgl. [link] CIC, cann. 1323-1324.]. Die Kirche will dadurch die Barmherzigkeit nicht einengen; sie zeigt aber mit Nachdruck die Schwere des begangenen Verbrechens und den nicht wieder gutzumachenden Schaden auf, der dem unschuldig getöteten Kind, seinen Eltern und der ganzen Gesellschaft angetan wird.

2273 Das unveräußerliche Recht jedes unschuldigen Menschen auf das 1930 Leben bildet ein grundlegendes Element der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Gesetzgebung.

„Die unveräußerlichen Rechte der Person müssen von der bürgerlichen Gesellschaft und von der staatlichen Macht anerkannt und geachtet werden: Diese Rechte des Menschen hängen weder von den einzelnen Individuen noch von den Eltern ab und stellen auch nicht ein Zugeständnis der Gesellschaft und des Staates dar. Sie gehören zur menschlichen Natur und wurzeln in der Person kraft des Schöpfungsaktes, aus dem sie ihren Ursprung genommen hat. Unter diese fundamentalen Rechte muß man in diesem Zusammenhang zählen: das Recht auf Leben und auf leibliche Unversehrtheit jedes menschlichen Wesens vom Augenblick der Empfängnis an bis zum Tod" (DnV 3).

„In dem Augenblick, in dem ein positives Gesetz eine Kategorie von Menschen des Schutzes beraubt, den die bürgerliche Gesetzgebung ihnen gewähren muß, leugnet der Staat die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Wenn die Staatsmacht sich nicht in den Dienst der Rechte jedes Bürgers stellt, und in besonderer Weise dessen, der am schwächsten ist, dann werden die Grundmauern des Rechtsstaates untergraben ... Als Folge der Achtung und des Schutzes, die man dem Ungeborenen vom Augenblick 578 seiner Empfängnis an zusichern muß, muß das Gesetz die geeigneten Strafmaßnahmen für jede gewollte Verletzung seiner Rechte vorsehen" (DnV 3).

2274 Da der Embryo schon von der Empfängnis an wie eine Person behandelt werden muß, ist er wie jedes andere menschliche Wesen im Rahmen des Möglichen unversehrt zu erhalten, zu pflegen und zu heilen.

Die vorgeburtliche Diagnostik ist sittlich erlaubt, wenn sie „das Leben und die Unversehrtheit des Embryos und des menschlichen Fötus achtet und auf den Schutz und die Sorge für den einzelnen Embryo ausgerichtet ist ... Aber sie steht in schwerwiegender Weise im Gegensatz zum Moralgesetz, falls sie - je nachdem, wie die Ergebnisse ausfallen - die Möglichkeit in Erwägung zieht, eine Abtreibung durchzuführen. So darf eine Diagnose ... nicht gleichbedeutend mit einem Todesurteil sein" (DnV 1,2).

2275 „Eingriffe am menschlichen Embryo müssen unter der Bedingung als erlaubt angesehen werden, daß sie das Leben und die Unversehrtheit des Embryos achten und für ihn nicht unverhältnismäßige Risiken mit sich bringen, sondern seine Heilung, die Besserung seines Gesundheitszustandes oder sein individuelles Überleben zum Ziel haben" (DnV 1,3).

„Es ist unmoralisch, menschliche Embryonen zum Zweck der Verwertung als frei verfügbares ‚biologisches Material‘ herzustellen" (DnV 1,5).

„Einige Versuche, in das chromosomale oder das genetische Gut einzugreifen, sind nicht therapeutischer Natur, sondern zielen auf die Produktion menschlicher Wesen, die nach dem Geschlecht oder anderen vorher festgelegten Eigenschaften ausgewählt werden. Diese Manipulationen stehen im Gegensatz zur personalen Würde des menschlichen Wesens, seiner Integrität und seiner Identität" (DnV 1,6).

Euthanasie

2276 Menschen, die versehrt oder geschwächt sind, brauchen besondere Beachtung. Kranke oder Behinderte sind zu unterstützen, damit sie ein möglichst normales Leben führen können.

2277 Die direkte Euthanasie besteht darin, daß man aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln auch immer dem Leben behinderter, kranker oder sterbender Menschen ein Ende setzt. Sie ist sittlich unannehmbar.

Eine Handlung oder eine Unterlassung, die von sich aus oder der Absicht nach den Tod herbeiführt, um dem Schmerz ein Ende zu machen, ist ein Mord, ein schweres Vergehen gegen die Menschenwürde und gegen die Achtung, die man dem lebendigen Gott, dem Schöpfer, schuldet. Das Fehlurteil, dem man gutgläubig zum Opfer fallen kann, ändert die Natur dieser mörderischen Tat nicht, die stets zu verbieten und auszuschließen ist.

2278 Die Moral verlangt keine Therapie um jeden Preis. Außerordentliche oder zum erhofften Ergebnis in keinem Verhältnis stehende aufwendige und gefährliche medizinische Verfahren einzustellen, kann berechtigt sein. Man will dadurch den Tod nicht herbeiführen, sondern nimmt nur hin, ihn nicht verhindern zu können. Die Entscheidungen sind vom Patienten selbst zu treffen, falls er dazu fähig und imstande ist, andernfalls von den gesetzlich Bevollmächtigten, wobei stets der vernünftige Wille und die berechtigten Interessen des Patienten zu achten sind.

2279 Selbst wenn voraussichtlich der Tod unmittelbar bevorsteht, darf die Pflege, die man für gewöhnlich einem kranken Menschen schuldet, nicht abgebrochen werden. Schmerzlindernde Mittel zu verwenden, um die Leiden des Sterbenden zu erleichtern selbst auf die Gefahr hin, sein Leben abzukürzen, kann sittlich der Menschenwürde entsprechen, falls der Tod weder als Ziel noch als Mittel gewollt, sondern bloß als unvermeidbar vorausgesehen und in Kauf genommen wird.

Die Betreuung des Sterbenden ist eine vorbildliche Form selbstloser Nächstenliebe; sie soll aus diesem Grund gefördert werden.

Selbstmord

2280 Jeder ist vor Gott für sein Leben verantwortlich. Gott hat es ihm geschenkt. Gott ist und bleibt der höchste Herr des Lebens. Wir sind verpflichtet, es dankbar entgegenzunehmen und es zu seiner Ehre und zum Heil unserer Seele zu bewahren. Wir sind nur Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens, das Gott uns anvertraut hat. Wir dürfen darüber nicht verfügen.

2281 Der Selbstmord widerspricht der natürlichen Neigung des Menschen, sein Leben zu bewahren und zu erhalten. Er ist eine schwere Verfehlung gegen die rechte Eigenliebe. Selbstmord verstößt auch gegen die Nächstenliebe, denn er zerreißt zu Unrecht die Bande der Solidarität mit der Familie, der Nation und der Menschheit, denen wir immer verpflichtet sind. Der Selbstmord widerspricht zudem der Liebe zum lebendigen Gott.

2282 Wenn der Selbstmord in der Absicht begangen wird, als Beispiel -vor allem für junge Menschen - zu dienen, bildet er zudem ein schweres Ärgernis. Freiwillige Beihilfe zum Selbstmord verstößt gegen das sittliche Gesetz.

Schwere psychische Störungen, Angst oder schwere Furcht vor einem Schicksalsschlag, vor Qual oder Folterung können die Verantwortlichkeit des Selbstmörders vermindern.

2283 Man darf die Hoffnung auf das ewige Heil der Menschen, die sich das Leben genommen haben, nicht aufgeben. Auf Wegen, die Gott allein kennt, kann er ihnen Gelegenheit zu heilsamer Reue geben. Die Kirche betet für die Menschen, die sich das Leben genommen haben.

II. Achtung der Menschenwürde

2284 Das Ärgernis ist eine Haltung oder ein Verhalten, das den Anderen zum Bösen verleitet. Wer Ärgernis gibt, wird zum Versucher seines Nächsten. Er gefährdet dessen Tugend und Rechtschaffenheit; er kann seinen Bruder in den seelischen Tod treiben. Das Ärgernis ist eine schwere Verfehlung, wenn durch eine Tat oder eine Unterlassung andere absichtlich zu einem schlimmen Fehrtritt verleitet werden.

2285 Besonders schlimm ist das Ärgernis, wenn es von Respektspersonen gegeben wird und wenn Schwache dadurch gefährdet werden. Dies hat unseren Herrn zum Wehruf veranlaßt: „Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde!" (Mt 18,6)1. Das Ärgernis ist besonders schwerwiegend, wenn es von Erziehern und Lehrern gegeben wird. Deshalb wirft Jesus den Schriftgelehrten und den Pharisäern vor, sie seien Wölfe im Schafspelz [Vgl. Mt 7,15].

2286 Ärgernis kann durch Gesetz oder Institutionen, durch Mode oder öffentliche Meinung hervorgerufen werden.

So gibt Ärgernis, wer Gesetze oder gesellschaftliche Strukturen schafft, die zum Verfall der Sitten und zur Zersetzung des religiösen Lebens führen oder zu „Gesellschaftsverhältnissen, die - ob gewollt oder nicht - ein den Geboten entsprechendes christliches Verhalten schwierig und praktisch unmöglich machen" (Pius XII., Ansprache vom [Vgl. 1 Kor 8,10-13]. Juni 1941). Das gleiche gilt von Betriebsleitern, welche Vorschriften erlassen, die zu Betrügereien verleiten, von Lehrern, die ihre Kinder „zum Zorn reizen" [Vgl. Eph 6,4; Kol 3,21.], oder von Leuten, die die öffentliche Meinung manipulieren und sie von den sittlichen Werten abbringen.

2287 Wer seine Befugnisse so gebraucht, daß sie zum Bösen verleiten, macht sich des Ärgernisses schuldig und ist für das Böse, das er direkt oder indirekt begünstigt, verantwortlich. „Es ist unvermeidlich, daß Ärgernisse kommen. Aber wehe dem, der sie verschuldet" (Lk 17,1).

2288 Das Leben und die Gesundheit sind wertvolle, uns von Gott anvertraute Güter. Wir haben für sie auf vernünftige Weise Sorge zu tragen und dabei auch die Bedürfnisse anderer und das Gemeinwohl zu berücksichtigen.

Die Sorge für die Gesundheit der Bürger erfordert, daß die Gesellschaft mithilft, Existenzbedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen sich entwickeln und reifen können: Nahrung und Kleidung, Wohnung, Gesundheitsdienst, Grundausbildung, Arbeitsplatz und Sozialhilfe.

2289 Zwar fordert die Sittenlehre auf, das leibliche Leben zu achten, aber sie erklärt dieses nicht zu einem absoluten Wert. Sie wendet sich gegen eine neuheidnische Auffassung, die dazu neigt, einen Körperkult zu treiben, ihm alles zu opfern, körperliche Tüchtigkeit und sportlichen Erfolg zu vergötzen. Durch eine einseitige Auslese der Starken kann diese Auffassung die menschlichen Beziehungen verzerren.

2290 Die Tugend der Mäßigung läßt Unmäßigkeit aller Art meiden: jedes Übermaß an Speisen, Alkohol, Tabak und Medikamenten. Wer in betrunkenem Zustand oder im Geschwindigkeitsrausch auf der Straße, auf dem Wasser oder in der Luft die Sicherheit anderer und die eigene gefährdet, versündigt sich schwer.

2291 Der Genuß von Drogen führt zu schweren Schädigungen der Gesundheit und des menschlichen Lebens. Abgesehen vom rein medizinischen Gebrauch ist er eine schwerwiegende sittliche Verfehlung. Die heimliche Herstellung von Drogen und der Rauschgifthandel sind etwas Schändliches; durch ihre verführerische Wirkung sind sie eine direkte Mitwirkung zu schwerwiegenden Verstößen gegen das moralische Gesetz.

Achtung des Menschen und wissenschaftliche Forschung

2292 Medizinische und psychologische Experimente an Personen oder Menschengruppen können zur Heilung von Kranken und zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit beitragen.

2293 In der wissenschaftlichen Grundlagenforschung und in der angewandten Forschung kommt die Herrschaft des Menschen über die Schöpfung deutlich zum Ausdruck. Wissenschaft und Technik sind wertvolle Mittel, wenn sie in den Dienst des Menschen gestellt werden und dessen ganzheitliche Entwicklung zum Wohl aller fördern. Sie sind jedoch nicht imstande, aus sich selbst heraus den Sinn des Daseins und des menschlichen Fortschritts anzugeben. Wissenschaft und Technik sind auf den Menschen hingeordnet, dem sie ihre Entstehung und Entwicklung verdanken; die Bestimmung ihres Ziels und das Bewußtsein ihrer Grenzen finden sie somit nur in der Person und ihren sittlichen Werten.

2294 Die Meinung, die wissenschaftliche Forschung und ihre Anwendungen seien wertfrei, ist eine Illusion. Auch lassen sich die Kriterien für die Orientierung der Forschung weder einfach aus der technischen Wirksamkeit noch aus dem Nutzen ableiten, den sie für die einen zum Schaden der anderen haben kann, und erst recht nicht aus den herrschenden Ideologien. Wissenschaft und Technik erfordern ihrem inneren Sinn gemäß die unbedingte Achtung der sittlichen Grundwerte. Sie müssen im Dienst der menschlichen Person, ihrer unveräußerlichen Rechte, ihres wahren, ganzheitlichen Wohls stehen, wie das dem Plan und dem Willen Gottes entspricht.

2295 Forschungen und Experimente, die am Menschen vorgenommen werden, können keine Handlungen rechtfertigen, die in sich der Menschenwürde und dem sittlichen Gesetz widersprechen. Auch das allfällige Einverständnis der betreffenden Menschen rechtfertigt solche Handlungen nicht. Ein Experiment, das an einem Menschen vorgenommen wird, ist sittlich unerlaubt, wenn es dessen Leben oder physische und psychische Unversehrtheit unverhältnismäßigen oder vermeidbaren Gefahren aussetzt. Solche Experimente widersprechen der Menschenwürde erst recht, wenn sie ohne Wissen und Einverständnis der Betreffenden oder der für sie Verantwortlichen vorgenommen werden.

2296 Organverpflanzung ist sittlich unannehmbar, wenn der Spender oder die für ihn Verantwortlichen nicht im vollen Wissen ihre Zustimmung gegeben haben. Sie entspricht hingegen dem sittlichen Gesetz und kann sogar verdienstvoll sein, wenn die physischen und psychischen Gefahren und Risiken, die der Spender eingeht, dem Nutzen, der beim Empfänger zu erwarten ist, entsprechen. Die Invalidität oder den Tod eines Menschen direkt herbeizuführen, ist selbst dann sittlich unzulässig, wenn es dazu dient, den Tod anderer Menschen hinauszuzögern.

Achtung der körperlichen Unversehrtheit

2297 Entführungen und Geiselnahmen verbreiten Schrecken und üben durch Drohung auf die Opfer unzulässigen Druck aus; sie sind moralisch unzulässig. Terrorismus, der willkürlich bedroht, verwundet und tötet, ist ein schwerer Verstoß gegen die Gerechtigkeit und die christliche Liebe. Folterung, die körperliche oder seelische Gewalt anwendet, um Geständnisse zu erpressen, Schuldige zu bestrafen, Opponenten Angst einzujagen oder Haß zu befriedigen, widerspricht der Achtung vor der Person und der Menschen würde. Außer wenn streng therapeutische Gründe dafür sprechen, verstoßen direkt gewollte Amputationen, Verstümmelungen oder Sterilisationen unschuldiger Menschen gegen das sittliche Gesetz [Vgl. DS 3722]

2298 In früheren Zeiten wurden grausame Maßnahmen auch von rechtmäßigen Regierungen allgemein angewendet, um Gesetz und Ordnung aufrechtzuerhalten - oft ohne Mißbilligung durch die Hirten der Kirche, die in ihren eigenen Gerichten die Vorschriften des römischen Rechts in bezug auf die Folter übernahmen. Von diesen bedauerlichen Vorkommnissen abgesehen, trat die Kirche stets für Milde und Barmherzigkeit ein; sie verbot Klerikern, Blut zu vergießen. In neuerer Zeit setzte sich die Einsicht durch, daß solche grausame Handlungen weder für die öffentliche Ordnung notwendig sind noch den legitimen Menschenrechten entsprechen, sondern im Gegenteil zu schlimmsten Verirrungen führen. Man muß sich für ihre Abschaffung einsetzen. Für die Opfer, aber auch für ihre Peiniger, soll man beten.

Achtung der Toten

2299 Sterbenden soll Aufmerksamkeit und Pflege zuteil werden, um ihnen zu helfen, die ihnen noch verbleibende Zeit in Würde und Frieden zu leben. Sie sollen durch das Gebet ihrer Angehörigen Beistand erfahren. Diese sollen darauf bedacht sein, daß die Kranken zu gegebener Zeit die Sakramente erhalten, die auf die Begegnung mit dem lebendigen Gott vorbereiten.

2300 Der Leib des Verstorbenen ist im Glauben und in der Hoffnung auf die Auferstehung ehrfürchtig und liebevoll zu behandeln. Die Totenbestattung ist ein Werk der leiblichen Barmherzigkeit [Vgl. Tob 1,16-18, ]; sie ehrt die Kinder Gottes als Tempel des Heiligen Geistes.

2301 Die Autopsie von Leichen zur gerichtlichen Untersuchung oder zur wissenschaftlichen Forschung ist sittlich zulässig. Die unentgeltliche Organspende nach dem Tode ist erlaubt und kann verdienstvoll sein.

Die Kirche gestattet die Einäscherung, sofern diese nicht den Glauben an die Auferstehung des Fleisches in Frage stellen will [Vgl. [link] CIC, can. 1176, § 3].

III. Aufrechterhaltung Des Friedens

2302 Wenn Jesus an das Gebot: „Du sollst nicht töten" (Mt 5,21) erinnert, fordert er den Frieden des Herzens und verurteilt die Unsittlichkeit des mörderischen Zorns und des Hasses.

Zorn ist ein Verlangen nach Rache. „Nach Rache zu verlangen zum Schaden dessen, der bestraft werden soll, ist unerlaubt; aber nach Rache zu verlangen zur Bestrafung der Laster und zur Bewahrung der Gerechtigkeit ist lobenswert" (Thomas v. A., s. th. 2-2, 158,1, ad 3). Falls der Zorn so weit geht, daß man den Mitmenschen absichtlich töten oder schwer verwunden möchte, ist er eine schwere Verfehlung gegen die Liebe und damit eine Todsünde. Der Herr sagt: „Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein" (Mt 5,22).

2303 Willentlicher Haß verstößt gegen die Liebe. Haß gegen einen Mitmenschen ist eine Sünde, wenn man diesem absichtlich Böses wünscht. Er ist eine schwere Sünde, wenn man dem Nächsten wohlüberlegt schweren Schaden wünscht. „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet" (Mt 5, 44-45).

2304 Damit das Menschenleben geachtet wird und sich entfalten kann, muß Friede sein. Friede besteht nicht einfach darin, daß kein Krieg ist; er läßt sich nicht bloß durch das Gleichgewicht der feindlichen Kräfte sichern. Friede auf Erden herrscht nur dann, wenn die persönlichen Güter gesichert sind, die Menschen frei miteinander verkehren können, die Würde der Personen und der Völker geachtet und die Brüderlichkeit unter den Menschen gepflegt wird. Der Friede besteht in der „Ruhe der Ordnung" (Augustinus, civ. 19, 13). Er ist das Werk der Gerechtigkeit [Vgl. GS 78,5] und die Wirkung der Liebe [Vgl. GS 78.1-2.].

2305 Der irdische Friede ist Abbild und Frucht des Friedens Christi, welcher der messianische „Fürst des Friedens" ist (Jes 9,5). Durch sein am Kreuz vergossenes Blut hat er „in seiner Person die Feindschaft getötet" (Eph 2, 16) [Vgl. Kol 1,20-22.] die Menschen mit Gott versöhnt und seine Kirche zum Sakrament der Einheit des Menschengeschlechts und dessen Vereinigung mit Gott gemacht. „Er ist unser Friede" (Eph 2, 14). Jesus nennt die „selig, die Frieden stiften" [Vgl. Mt 5,9]

2306 Wer auf gewaltsame und blutige Handlungen verzichtet und zur Wahrung und Verteidigung der Menschenrechte Mittel einsetzt, die auch den Schwächsten zur Verfügung stehen, legt Zeugnis ab für die Liebe des Evangeliums, sofern dabei nicht die Rechte und Pflichten der anderen Menschen und der Gesellschaft verletzt werden. Er bezeugt zu Recht, welch schwerwiegende physische und moralische Gefahren der Einsatz gewaltsamer Mittel mit sich bringt, der immer Zerstörungen und Tote hinterläßt [vgl .ies 32,17. ].

Vermeidung des Krieges

2307 Das fünfte Gebot verbietet, menschliches Leben willentlich zu zerstören. Wegen der Übel und Ungerechtigkeiten, die jeder Krieg mit sich bringt, fordert die Kirche alle eindringlich zum Beten und Handeln auf, damit die göttliche Güte uns von der alten Knechtschaft des Krieges befreit [Vgl. GS 81,4].

2308 Jeder Bürger und jeder Regierende ist verpflichtet, sich für die Vermeidung von Kriegen tätig einzusetzen.

Solange allerdings „die Gefahr von Krieg besteht und solange es noch keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht absprechen" (GS 79,4).

2309 Die Bedingungen, unter denen es einem Volk gestattet ist, sich in Notwehr militärisch zu verteidigen, sind genau einzuhalten. Eine solche Entscheidung ist so schwerwiegend, daß sie nur unter den folgenden strengen Bedingungen, die gleichzeitig gegeben sein müssen, sittlich vertretbar ist:

- Der Schaden, der der Nation oder der Völkergemeinschaft durch den Angreifer zugefügt wird, muß sicher feststehen, schwerwiegend und von Dauer sein.

- Alle anderen Mittel, dem Schaden ein Ende zu machen, müssen sich als undurchführbar oder wirkungslos erwiesen haben.

- Es muß ernsthafte Aussicht auf Erfolg bestehen.

- Der Gebrauch von Waffen darf nicht Schäden und Wirren mit sich bringen, die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel. Beim Urteil darüber, ob diese Bedingung erfüllt ist, ist sorgfältig auf die gewaltige Zerstörungskraft der modernen Waffen zu achten.

Dies sind die herkömmlichen Elemente, die in der sogenannten Lehre vom „gerechten Krieg" angeführt werden.

Die Beurteilung, ob alle diese Voraussetzungen für die sittliche Erlaubtheit eines Verteidigungskrieges vorliegen, kommt dem klugen Ermessen derer zu, die mit der Wahrung des Gemeinwohls betraut sind.

2310 Die staatlichen Behörden haben in diesem Fall das Recht und die Pflicht, den Bürgern die zur nationalen Verteidigung notwendigen Verpflichtungen aufzuerlegen.

Diejenigen, die sich als Militärangehörige in den Dienst ihres Vaterlandes stellen, verteidigen die Sicherheit und Freiheit der Völker. Wenn sie ihre Aufgabe richtig erfüllen, tragen sie zum Gemeinwohl der Nation und zur Erhaltung des Friedens bei [Vgl. GS 79,5.].

2311 Die staatlichen Behörden sollen sich in angemessener Weise um jene kümmern, die aus Gewissensgründen den Waffengebrauch verweigern. Diese bleiben verpflichtet, der Gemeinschaft in anderer Form zu dienen [Vgl. GS 79,3].

2312 Die Kirche und die menschliche Vernunft erklären, daß das sittliche Gesetz während bewaffneter Konflikte in Geltung bleibt. Es „wird nicht deshalb, weil ein Krieg unglücklicherweise ausgebrochen ist, damit nun jedes Kampfmittel zwischen den gegnerischen Parteien erlaubt" (GS 79,4).

2313 Die Zivilbevölkerung, die verwundeten Soldaten und die Kriegsgefangenen sind zu achten und mit Menschlichkeit zu behandeln.

Handlungen, die mit Wissen und Willen gegen das Völkerrecht und seine allgemeingültigen Grundsätze verübt werden, sowie Befehle, solche Handlungen auszuführen, sind Verbrechen. Blinder Gehorsam ist kein ausreichender Entschuldigungsgrund für jene, die sich solchen Befehlen fügen. So ist die Ausrottung eines Volkes, einer Nation oder einer ethnischen Minderheit als eine Todsünde zu verurteilen. Man ist sittlich verpflichet, sich Befehlen, die einen Völkermord anordnen, zu widersetzen.

2314 „Jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder weiter Gebiete und ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ist ein Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen, das fest und entschieden zu verwerfen ist" (GS 80,4). Eine Gefahr des modernen Krieges ist es, den Besitzern hochtechnisierter, insbesondere atomarer, biologischer oder chemischer Waffen Anlaß zu solchen Verbrechen zu geben.

2315 Die Anhäufung von Waffen erscheint vielen als ein paradoxerweise geeignetes Vorgehen, mögliche Gegner vom Krieg abzuhalten. Sie sehen darin das wirksamste Mittel, um den Frieden zwischen den Nationen zu sichern. Gegenüber einer solchen Abschreckung sind schwere moralische Vorbehalte anzubringen. Der Rüstungswettlauf sichert den Frieden nicht. Statt die Kriegsursachen zu beseitigen, droht er diese zu verschlimmern. Die Ausgabe ungeheurer Summen, die für die Herstellung immer neuer Waffen verwendet werden, verhindert, daß notleidenden Völkern geholfen wird 1. Somit hält die übermäßige Rüstung die Entwicklung der Völker auf. Sie vervielfacht die Konfliktgründe und verstärkt die Gefahr der Ausbreitung von Kriegen.

2316 Waffenerzeugung und Waffenhandel betreffen das Gemeinwohl der Nationen und der internationalen Gemeinschaft. Deshalb hat der Staat das Recht und die Pflicht, sie gesetzlich zu regeln. Kurzfristige private oder kollektive Interessen rechtfertigen nicht Unternehmungen, die Gewalttätigkeit und die Auseinandersetzungen zwischen den Nationen schüren und die internationale Rechtsordnung gefährden.

2317 Ungerechtigkeiten, krasse Unterschiede in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht sowie Neid, Mißtrauen und Stolz, die unter den Menschen und den Nationen wüten, bedrohen unablässig den Frieden und führen zu Kriegen. Alles, was unternommen wird, um diese Übel [Vgl. PP 53.] zu besiegen, trägt zum Aufbau des Friedens und zur Vermeidung des Krieges bei.

„Insofern die Menschen Sünder sind, droht ihnen die Gefahr des Krieges, und sie wird ihnen drohen bis zur Ankunft Christi. Soweit aber die Menschen sich in Liebe vereinen und so die Sünde überwinden, überwinden sie auch die Gewaltsamkeit, bis sich einmal die Worte erfüllen: ‚Zu Pflügen schmieden sie ihre Schwerter um, zu Winzermessern ihre Lanzen. Kein Volk zückt mehr gegen das andere das Schwert. Das Kriegshandwerk gibt es nicht mehr‘ (Jes 2,4)" (GS 78,6).

Kurztexte

2318 „In Gottes Hand ruht die Seele allen Lebens und jeden Menschenleibes Geist" (Ijob 12, 10).

2319 Jedes menschliche Leben ist vom Moment der Empfängnis an bis zum Tod heilig, denn die menschliche Person ist um ihrer selbst willen gewollt und nach dem Bild des lebendigen und heiligen Gottes, ihm ähnlich geschaffen.

2320 Der Mord an einem Menschen verstoßt schwer gegen die Menschen wurde und gegen die Heiligkeit des Schöpfers.

2321 Das Verbot des Mordes hebt nicht das Recht auf einen ungerechten Angreifer unschädlich zu machen. Die Notwehr ist für solche die für das Leben anderer oder für das Gemeinwohl verantwortlich sind, eine schwerwiegende Pflicht.

2322 Das Kind hat von seiner Empfängnis an das Recht auf Leben. Die direkte das heißt als ein Ziel oder ein Mittel gewollte Abtreibung ist eine Schändhchkeit (GS 27 3) ein schwerer Verstoß gegen das sittliche Gesetz. Die Kirche ahndet dieses Vergehen gegen das menschliche Leben mit der Kirchenstrafe der Exkommunikation.

2323 Weil der Embryo von seiner Empfängnis an als eine Person zu behandeln ist muß er wie jeder Mensch unversehrt bewahrt gepflegt und geheilt werden.

2324 Willentliclie Euthanasie, gleich in welcher Form und aus welchen Beweggründen, ist Mord Sie ist ein schwerer Verstoß gegen die Wurde des Menschen und gegen die Ehrfurcht vor dem lebendigen Gott seinem Schöpfer.

2325 Der Selbstmord ist ein schwerer Verstoß gegen die Gerechtigkeit die Hoffnung und die Liebe Er wird durch das fünfte Gebot untersagt.

2326 Das Ärgernis ist ein schweres Vergehen wenn es durch eine Tat oder eine Unterlassung andere mit Wissen und Willen zum Sündigen verleitet.

2327 Wegen der Übel und Ungerechtigkeiten die jeder Krieg mit sich bringt müssen wir alles tun was vernünftigerweise möglich ist um ihn zu verhindern Die Kirche betet. Von Hunger Pest und Krieg befreie uns o Herr.

2328 Die Kirche und die menschliche Vernünft erklären daß das sittliche Gesetz auch wahrend bewaffneter Konflikte in Geltung bleibt. Maßnahmen die bewußt gegen das Völkerrecht und seine allgemeingültigen Grundsätze verstoßen, sind Verbrechen.

2329 Der Rüstungswettlauf ist eine der schrecklichsten Wunden der Menschheit er schädigt unerträglich die Armen (GS 81 3).

2330 Selig die Frieden stiften denn sie werden Söhne Gottes genannt werden (Mt 5 9).

Artikel 6
Das Sechste Gebot

„Du sollst nicht die Ehe brechen" (Ex 20,14; Dtn 5,18).

„Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen" (Mt 5,27-28).

I. „Als Mann und Frau schuf er sie..."

2331 „Gott ist Liebe‘ und lebt in sich selbst ein Geheimnis personaler Liebesgemeinschaft. Indem er den Menschen nach seinem Bild erschafft prägt Gott der Menschennatur des Mannes und der Frau die Berufung und daher auch die Fähigkeit und die Verantwortung zu Liebe und Gemeinschaft ein" (FC 11).

„Gott schuf also den Menschen als sein Abbild ... Als Mann und Frau schuf er sie" (Gen 1,27). „Seid fruchtbar, und vermehrt euch" (Gen 1,28). „Am Tag, da Gott den Menschen erschuf, machte er ihn Gott ähnlich. Als Mann und Frau erschuf er sie, er segnete sie und nannte sie Mensch an dem Tag, da sie erschaffen wurden" (Gen 5,1-2).

2332 Die Geschlechtlichkeit berührt alle Aspekte des Menschen in der Einheit seines Leibes und seiner Seele. Sie betrifft ganz besonders das Gefühisleben, die Fähigkeit, zu lieben und Kinder zu zeugen und, allgemeiner, die Befähigung, Bande der Gemeinschaft mit anderen zu knüpfen.

2333 Jeder Mensch, ob Mann oder Frau, muß seine Geschlechtlichkeit anerkennen und annehmen. Die leibliche, moralische und geistige Verschiedenheit und gegenseitige Ergänzung sind auf die Güter der Ehe und auf die Entfaltung des Familienlebens hingeordnet. Die Harmonie des Paares und der Gesellschaft hängt zum Teil davon ab, wie Gegenseitigkeit, Bedürftigkeit und wechselseitige Hilfe von Mann und Frau gelebt werden.

2334 „Indem Gott den Menschen ‚als Mann und Frau‘ erschuf, schenkte er dem Mann und der Frau in gleicher Weise personale Würde" (FC 22)1. „Der Mensch ist eine Person: das gilt in gleichem Maße für den Mann und für die Frau; denn beide sind nach dem Bild und Gleichnis des personhaften Gottes erschaffen" (MD 6).

2335 Beide Geschlechter besitzen die gleiche Würde und sind, wenn auch auf verschiedene Weise, Bild der Kraft und der zärtlichen Liebe Gottes. Die eheliche Vereinigung von Mann und Frau ahmt die Freigebigkeit und Fruchtbarkeit des Schöpfers leiblich nach. „Der Mann verläßt Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch" (Gen 2,24). Diese Vereinigung ist Ursprung aller Generationen [Vgl. Gen 4,1-2.25-26; 5,1. ].

2336 Jesus ist gekommen, um die Schöpfung in der ursprünglichen Reinheit wiederherzustellen. In der Bergpredigt legt er den Plan Gottes entschieden aus: „Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen" (Mt 5,27-28). Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen [Vgl. Mt 19,6.].

Die Überlieferung der Kirche hat das sechste Gebot als auf die gesamte menschliche Geschlechtlichkeit bezogen verstanden.

II. Berufung zur Keuschheit

2337 Keuschheit bedeutet die geglückte Integration der Geschlechtlichkeit in die Person und folglich die innere Einheit des Menschen in seinem leiblichen und geistigen Sein. Die Geschlechtlichkeit, in der sich zeigt, daß der Mensch auch der körperlichen und biologischen Welt angehört, wird persönlich und wahrhaft menschlich, wenn sie in die Beziehung von Person zu Person, in die vollständige und zeitlich unbegrenzte wechselseitige Hingabe von Mann und Frau eingegliedert ist.

Die Tugend der Keuschheit wahrt somit zugleich die Unversehrtheit der Person und die Ganzheit der Hingabe.

Unversehrtheit der Person

2338 Der keusche Mensch bewahrt die in ihm angelegten Lebens- und Liebeskräfte unversehrt. Diese Unversehrtheit sichert die Einheit der Person; sie widersetzt sich jedem Verhalten, das diese Einheit beeinträchtigen würde. Sie duldet kein Doppelleben und keine Doppelzüngigkeit [Vgl. Mt 5,37].

2339 Die Keuschheit erfordert das Erlernen der Selbstbeherrschung, die eine Erziehung zur menschlichen Freiheit ist. Die Alternative ist klar: Entweder ist der Mensch Herr über seine Triebe und erlangt so den Frieden, oder er wird ihr Knecht und somit unglücklich [Vgl. Sir 1,22. ]. „Die Würde des Menschen erfordert also, daß er in bewußter und freier Wahl handelt, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloßem äußeren Zwang. Eine solche Würde erwirbt der Mensch, wenn er sich aus aller Knechtschaft der Leidenschaften befreit und so sein Ziel in freier Wahl des Guten verfolgt und sich die geeigneten Hilfsmittel wirksam und in schöpferischem Bemühen verschafft" (GS 17).

2340 Wer seinem Taufversprechen treu bleiben und den Versuchungen widerstehen will, soll darauf bedacht sein, die Mittel dazu zu ergreifen:

Selbsterkenntnis, den jeweiligen Situationen angepaßten Verzicht, Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes, Übung der sittlichen Tugenden und Treue im Gebet. „Durch die Keuschheit werden wir gesammelt und zu der Einheit zurückgeführt, von der wir uns getrennt hatten, um in der Vielheit zu zerfließen" (Augustinus, conf. 10,29).

2341 Die Tugend der Keuschheit steht unter dem Einfluß der Kardinaltugend der Mäßigung, welche die Leidenschaften und das sinnliche Begehren des Menschen mit Vernunft zu durchdringen sucht.

2342 Selbstbeherrschung zu erringen, ist eine langwierige Aufgabe. Man darf nie der Meinung sein, man habe sie für immer erworben. Man muß sich in allen Lebensiagen immer wieder neu um sie bemühen [Vgl. Tit 2,1-6.]. In gewissen Lebensabschnitten, in denen sich die Persönlichkeit ausformt, erfordert sie eine besondere Anstrengung, etwa in der Kindheit und im Jugendalter.

2343 Die Keuschheit folgt Gesetzen des Wachstums: sie durchläuft verschiedene Stufen, in denen sie noch unvollkommen und für die Sünde anfällig ist. Der tugendhafte und keusche Mensch ist „ein geschichtliches Wesen, das sich Tag für Tag durch seine zahlreichen freien Entscheidungen selbst formt; deswegen kennt, liebt und vollbringt er das sittlich Gute auch in einem stufenweisen Wachsen." (FC 34).

2344 Die Keuschheit ist eine persönliche Aufgabe; sie erfordert aber auch eine kulturelle Anstrengung, weil „der Fortschritt der menschlichen Person und das Wachstum der Gesellschaft als solcher voneinander abhängen" (GS 25,1). Die Keuschheit setzt die Achtung der Menschenrechte voraus, insbesondere des Rechtes auf Bildung und Erziehung, welche die sittlichen und geistigen Dimensionen des menschlichen Lebens berücksichtigen.

2345 Die Keuschheit ist eine sittliche Tugend. Sie ist auch eine Gabe Gottes, eine Gnade, eine Frucht des Geistes 1. Der Heilige Geist schenkt den im Wasser der Taufe Wiedergeborenen die Kraft, der Reinheit Christi [Vgl. 1 Joh 3,3] nachzustreben.

Ganzheit der Selbsthingabe

2346 Die Liebe ist die Form aller Tugenden. Unter ihrem Einfluß erscheint die Keuschheit als eine Schule der Selbsthingabe. Die Selbstbeherrschung ist auf die Selbsthingabe hingeordnet. Die Keuschheit läßt den, der ihr gemäß lebt, für den Nächsten zu einem Zeugen der Treue und der zärtlichen Liebe Gottes werden.

2347 Die Tugend der Keuschheit entfaltet sich in der Freundschaft. Sie läßt den Jünger Christi erkennen, wie er Jesus nachfolgen und ähnlich werden kann. Jesus hat uns zu seinen Freunden erwählt [Vgl. Joh 15,15.], sich uns ganz hingegeben und läßt uns an seinem Gottsein teilhaben. Keuschheit verheißt Unsterblichkeit.

Keuschheit äußert sich besonders in der Freundschaft mit dem Nächsten. Freundschaft zwischen Menschen gleichen oder verschiedenen Geschlechtes ist etwas sehr Wertvolles für alle. Sie führt zu einer Gemeinschaft im Geist.

Verschiedene Formen der Keuschheit

2348 Jeder Getaufte ist zur Keuschheit berufen. Der Christ hat „Christus [als Gewand] angelegt" (Gal 3,27), ihn, das Vorbild jeglicher Keuschheit. Alle, die an Christus glauben, sind berufen, ihrem jeweiligen Lebensstand entsprechend ein keusches Leben zu führen. Bei der Taufe verpflichtet sich der Christ, in seinem Gefühlsleben keusch zu sein.

2349 Die Keuschheit „soll die Menschen in den verschiedenen Lebensständen auszeichnen: die einen im Stand der Jungfräulichkeit oder in der gottgeweihten Ehelosigkeit, einer hervorragenden Weise, sich leichter mit ungeteiltem Herzen allein Gott hinzugeben; die anderen, in der für alle vom Sittengesetz bestimmten Weise, je nachdem ob sie verheiratet oder unverheiratet sind" (CDF, Erkl. „Persona humana" 11). Verheiratete sind berufen, in ehelicher Keuschheit zu leben; die anderen leben keusch, wenn sie enthaltsam sind.

„Es gibt drei Formen der Tugend der Keuschheit: die eine ist die der Verheirateten, die andere die der Verwitweten, die dritte die der Jungfräulichkeit. Wir loben nicht die eine unter Ausschluß der anderen. Dies macht den Reichtum der Disziplin der Kirche aus" (Ambrosius, vid. 23).

2350 Die Brautleute sind aufgefordert, die Keuschheit in Enthaltsamkeit zu leben. Sie sollen diese Bewährungszeit als eine Zeit ansehen, in der sie lernen, einander zu achten und treu zu sein in der Hoffnung, daß sie von Gott einander geschenkt werden. Sie sollen Liebesbezeugungen, die der ehelichen Liebe vorbehalten sind, der Zeit nach der Heirat vorbehalten. Sie sollen einander helfen, in der Keuschheit zu wachsen.

Verstöße gegen die Keuschheit

2351 Unkeuschheit ist ein ungeregelter Genuß der geschlechtlichen Lust oder ein ungeordnetes Verlangen nach ihr. Die Geschlechtslust ist dann ungeordnet, wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und dabei von ihrer inneren Hinordnung auf Weitergabe des Lebens und auf liebende Vereinigung losgelöst wird.

2352 Masturbation ist die absichtliche Erregung der Geschlechtsorgane, mit dem Ziel, geschlechtliche Lust hervorzurufen. „Tatsache ist, daß sowohl das kirchliche Lehramt in seiner langen und stets gleichbleibenden Überlieferung als auch das sittliche Empfinden der Gläubigen niemals gezögert haben, die Masturbation als eine in sich schwere ordnungswidrige Handlung zu brandmarken", weil „der frei gewollte Gebrauch der Geschlechtskraft, aus welchem Motiv er auch immer geschieht, außerhalb der normalen ehelichen Beziehungen seiner Zielsetzung wesentlich widerspricht". Der um ihrer selbst willen gesuchten geschlechtlichen Lust fehlt „die von der sittlichen Ordnung geforderte geschlechtliche Beziehung, jene nämlich, die den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe realisiert" (CDF, Erkl. „Persona humana" 9).

Um ein ausgewogenes Urteil über die sittliche Verantwortung jener, die sich hierin verfehlen, zu bilden und um die Seelsorge danach auszurichten, soll man affektive Unreife, die Macht eingefleischter Gewohnheiten, Angstzustände und weitere psychische oder gesellschaftliche Faktoren berücksichtigen, welche die moralische Schuld vermindern oder sogar aufheben.

2353 Unzucht ist die körperliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht miteinander verheiratet sind. Sie ist ein schwerer Verstoß gegen die Würde dieser Menschen und der menschlichen Geschlechtlichkeit selbst, die von Natur aus auf das Wohl der Ehegatten sowie auf die Zeugung und Erziehung von Kindern hingeordnet ist. Zudem ist sie ein schweres Ärgernis, wenn dadurch junge Menschen sittlich verdorben werden.

2354 Pornographie besteht darin, tatsächliche oder vorgetäuschte geschlechtliche Akte vorsätzlich aus der Intimität der Partner herauszunehmen, um sie Dritten vorzuzeigen. Sie verletzt die Keuschheit, weil sie den ehelichen Akt, die intime Hingabe eines Gatten an den anderen, entstellt. Sie verletzt die Würde aller Beteiligten (Schauspieler, Händler, Publikum) schwer; diese werden nämlich zum Gegenstand eines primitiven Vergnügens und zur Quelle eines unerlaubten Profits. Pornographie versetzt alle Beteiligten in eine Scheinwelt. Sie ist eine schwere Verfehlung. Die Staatsgewalt hat die Herstellung und Verbreitung pornographischer Materialien zu verhindern.

2355 Prostitution verletzt die Würde der Person, die sich prostituiert und sich dadurch zum bloßen Lustobjekt anderer herabwürdigt. Wer sie in Anspruch nimmt, sündigt schwer gegen sich selbst: er bricht mit der Keuschheit, zu der ihn seine Taufe verpflichtet hat, und befleckt seinen Leib, den Tempel des Heiligen Geistes [Vgl. 1 Kor 6,15-20.]. Prostitution ist eine Geißel der Gesellschaft. Sie betrifft für gewöhnlich Frauen, aber auch Männer, Kinder oder Jugendliche (in den beiden letzteren Fällen kommt zur Sünde noch ein Ärgernis hinzu). Es ist immer schwer sündhaft, sich der Prostitution hinzugeben; Notlagen, Erpressung und durch die Gesellschaft ausgeübter Druck können die Anrechenbarkeit der Verfehlung mindern.

2356 Vergewaltigung ist ein gewaltsamer Einbruch in die geschlechtliche Intimität eines Menschen. Sie ist ein Verstoß gegen die Gerechtigkeit und die Liebe. Vergewaltigung ist eine tiefe Verletzung des jedem Menschen zustehenden Rechtes auf Achtung, Freiheit, physische und seelische Unversehrtheit. Sie fügt schweren Schaden zu, der das Opfer lebenslang zeichnen kann.

Sie ist stets eine in sich zutiefst verwerfliche Tat. Noch schlimmer ist es, wenn Eltern oder Erzieher ihnen anvertraute Kinder vergewaltigen.

Keuschheit und Homosexualität

2357 Homosexuell sind Beziehungen von Männern oder Frauen, die sich in geschlechtlicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend zu Menschen gleichen Geschlechtes hingezogen fühlen. Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt. Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10.], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, „daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind" (CDF, Erkl. „Persona humana" 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.

2358 Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen sind homosexuell veranlagt. Sie haben diese Veranlagung nicht selbst gewählt; für die meisten von ihnen stellt sie eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Veranlagung erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen.

2359 Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die Tugenden der Selbstbeherrschung, die zur inneren Freiheit erziehen, können und sollen sie sich - vielleicht auch mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft -‚ durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern.

III. Eheliche Liebe

2360 Die Geschlechtlichkeit ist auf die eheliche Liebe von Mann und Frau hingeordnet. In der Ehe wird die leibliche Intimität der Gatten zum Zeichen und Unterpfand der geistigen Gemeinschaft. Das Eheband zwischen Getauften wird durch das Sakrament geheiligt.

2361 „Infolgedessen ist die Sexualität, in welcher sich Mann und Frau durch die den Eheleuten eigenen und vorbehaltenen Akte einander schenken, keineswegs etwas rein Biologisches, sondern betrifft den innersten Kern der menschlichen Person als solcher. Auf wahrhaft menschliche Weise wird sie nur vollzogen, wenn sie in jene Liebe integriert ist, mit der Mann und Frau sich bis zum Tod vorbehaltlos einander verpflichten" (FC 11).

„Als Tobias und Sara in der Kammer allein waren, erhob sich Tobias vom Lager und sagte: Steh auf, Schwester, wir wollen beten, damit der Herr Erbarmen mit uns hat. Und er begann zu beten: Sei gepriesen, Gott unserer Väter ... Du hast Adam erschaffen und hast ihm Eva zur Frau gegeben, damit sie ihm hilft und ihn ergänzt. Von ihnen stammen alle Menschen ab. Du sagtest: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein ist; wir wollen für ihn einen Menschen machen, der ihm hilft und zu ihm paßt. Darum, Herr, nehme ich diese meine Schwester nicht aus reiner Lust zur Frau, sondern aus wahrer Liebe. Hab Erbarmen mit mir, und laß mich gemeinsam mit ihr ein hohes Alter erreichen! Und Sara sagte zusammen mit ihm: Amen. Und beide schliefen die Nacht über miteinander" (Tob 8,4-9).

2362 „Jene Akte also, durch die Eheleute innigst und lauter eins werden, sind von sittlicher Würde; sie bringen, wenn sie human vollzogen werden, jenes gegenseitige Übereignetsein zum Ausdruck und vertiefen es, durch das sich die Gatten gegenseitig in Freude und Dankbarkeit reich machen" (GS 49,2). Die Geschlechtlichkeit ist eine Quelle der Freude und Lust:

„Der Schöpfer selbst ... hat es so eingerichtet, daß die Gatten bei dieser [Zeugungs]funktion Lust und Befriedigung des Leibes und des Geistes erleben. Somit begehen die Gatten nichts Böses, wenn sie diese Lust anstreben und sie genießen. Sie nehmen das an, was der Schöpfer ihnen zugedacht hat. Doch sollen die Gatten sich innerhalb der Grenzen einer angebrachten Mäßigung zu halten wissen" (Pius XII., Ansprache vom 29. Oktober 1951).

2363 Durch die Vereinigung der Gatten verwirklicht sich der doppelte Zweck der Ehe: das Wohl der Gatten selbst und die Weitergabe des Lebens. Man kann diese beiden Bedeutungen oder Werte der Ehe nicht voneinander trennen, ohne das geistliche Leben des Ehepaares zu beeinträchtigen und die Güter der Ehe und die Zukunft der Familie aufs Spiel zu setzen

Die eheliche Liebe zwischen Mann und Frau steht somit unter der doppelten Forderung der Treue und der Fruchtbarkeit.

Eheliche Treue

2364 „Die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt, wird durch den Ehebund, das heißt durch ein unwiderrufliches personales Einverständnis, gestiftet" (GS 48,1). Die Ehegatten schenken sich einander endgültig und ganz. Sie sind nicht mehr zwei, sondern bilden fortan ein einziges Fleisch. Der von den Ehegatten in Freiheit geschlossene Bund verpflichtet sie, an seiner Einheit und Unauflöslichkeit fest zu halte &. „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen" (Mk 10,9) [Vgl. Mt 19, 1-12; 1 Kor 7. 10-11].

2365 Die Treue kommt darin zum Ausdruck, daß das gegebene Wort stets gehalten wird. Gott ist treu. Das Sakrament der Ehe nimmt den Mann und die Frau in die Treue Christi zu seiner Kirche hinein. Durch die eheliche Keuschheit bezeugen sie vor der Welt dieses Mysterium.

Der hl. Johannes Chrysostomus empfiehlt den jungen Ehemännern, zu ihrer Gattin zu sagen: „ [Ich habe dich in meine Arme genommen] und liebe dich sogar mehr als mein Leben. Das gegenwärtige Leben bedeutet ja nichts, und mein glühendster Traum ist der, es zusammen mit dir so zu durchschreiten, daß wir sicher sind, in dem Leben, das unser harrt, nicht voneinander getrennt zu werden ... Deine Liebe geht mir über alles, und nichts wäre für mich schmerzlicher, als nicht so gesinnt zu sein wie du" (hom. in Eph. 20,8).

Eheliche Fruchtbarkeit

2366 Die Fruchtbarkeit ist eine Gabe, ein Zweck der Ehe, denn die eheliche Liebe neigt von Natur aus dazu, fruchtbar zu sein. Das Kind kommt nicht von außen zu der gegenseitigen Liebe der Gatten hinzu; es entspringt im Herzen dieser gegenseitigen Hingabe, deren Frucht und Erfüllung es ist. Darum lehrt die Kirche, die „auf der Seite des Lebens" steht (FC 30), „daß jeder eheliche Akt von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens ausgerichtet bleiben muß" (HV 11). „Diese vom kirchlichen Lehramt oft dargelegte Lehre gründet in einer von Gott bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Bedeutungen - liebende Vereinigung und Fortpflanzung -‚ die beide dem ehelichen Akt innewohnen" (HV 12) [Vgl. Pius Xl., Enz. „Casti connubii"].

2367 Dazu berufen, Leben zu schenken, haben die Gatten an der Schöpfer- kraft und Vaterschaft Gottes teil [Vgl. Eph 3,14; Mt 23,9.]. „In ihrer Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen, die als die nur ihnen zukommende Sendung zu betrachten ist, wissen sich die Eheleute als mitwirkend mit der Liebe Gottes des Schöpfers und gleichsam als Interpreten dieser Liebe. Daher müssen sie in menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit ihre Aufgabe erfüllen" (GS 50,2).

2368 Ein besonderer Aspekt dieser Verantwortung betrifft die Empfängnisregelung. Aus berechtigten Gründen dürfen die Eheleute für Abstände zwischen den Geburten ihrer Kinder sorgen wollen. Es ist an ihnen, zu prüfen, ob ihr Wunsch nicht auf Egoismus beruht, sondern der angebrachten Großmut einer verantwortlichen Elternschaft entspricht. Außerdem werden sie ihr Verhalten nach den objektiven Maßstäben der Sittlichkeit regeln:

„Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher Keuschheit" (GS 51,3).

2369 „Wenn die beiden wesentlichen Gesichtspunkte der liebenden Vereinigung und der Fortpflanzung beachtet werden, behält der Verkehr in der Ehe voll und ganz die Bedeutung gegenseitiger und wahrer Liebe und seine Hinordnung auf die erhabene Aufgabe der Elternschaft, zu der der Mensch berufen ist" (HV 12).

2370 Die zeitweilige Enthaltsamkeit sowie die auf Selbstbeobachtung und der Wahl von unfruchtbaren Perioden der Frau beruhenden Methoden der Empfängnisregelung [Vgl. HV 16] entsprechen den objektiven Kriterien der Moral. Diese Methoden achten den Leib der Eheleute, ermutigen diese zur Zärtlichkeit und begünstigen die Erziehung zu echter Freiheit. Hingegen „ist jede Handlung verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzuges des ehelichen Aktes oder im Anschluß an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel" (HV 14).

„Während die geschlechtliche Vereinigung ihrer ganzen Natur nach ein vorbehaltloses gegenseitiges Sich-Schenken der Gatten zum Ausdruck bringt, wird sie durch die Empfängnisverhütung zu einer objektiv widersprüchlichen Gebärde, zu einem Sich-nicht-ganz-Schenken. So kommt zur aktiven Zurückweisung der Offenheit für das Leben auch eine Verfälschung der inneren Wahrheit ehelicher Liebe, die ja zur Hingabe in personaler Ganzheit berufen ist." Dieser anthropologische und moralische Unterschied zwischen der Empfängnisverhütung und der Zuflucht zu den natürlichen Fruchtbarkeitszyklen ist „mit zwei sich ausschließenden Vorstellungen von Person und menschlicher Sexualität verknüpft"(FC 32).

2371 „Mögen alle daran denken: Das menschliche Leben und die Aufgabe, es weiterzuvermitteln, haben nicht nur eine Bedeutung für diese Zeit und können deshalb auch nicht von daher allein bemessen und verstanden werden, sondern haben immer eine Beziehung zu der ewigen Bestimmung des Menschen" (GS 51,4).

2372 Der Staat ist für das Wohl der Bürger verantwortlich. Aus diesem Grund ist er berechtigt, auf das Bevölkerungswachstum einzuwirken. Er darf das mittels einer taktvollen objektiven Information tun, nicht aber auf autoritäre Weise und durch Ausübung von Zwang. Er darf sich nicht über den freien Entschluß der Gatten hinwegsetzen, welche die erste Verantwortung für die Zeugung und Erziehung ihrer Kinder tragen [Vgl. HV 23; PP 37]. Er ist nicht berechtigt, der Moral widersprechende Mittel zur Regelung des Bevölkerungswachstums zu begünstigen.

Kinder sind ein Geschenk

2373 Die Heilige Schrift und die kirchliche Überlieferung sehen in kinderreichen Familien ein Zeichen des göttlichen Segens und der Großzügigkeit der Eltern [Vgl. GS 50,2].

2374 Keine Kinder bekommen zu können, ist für Eheleute ein schweres Leid. „Herr, mein Herr, was willst du mir schon geben? Ich gehe doch kinderlos dahin . . .„ (Gen 15,2). „Verschaff mir Söhne! Wenn nicht, sterbe ich" schreit Rahel ihrem Gatten Jakob zu (Gen 30,1).

2375 Forschungsarbeiten zur Behebung der Unfruchtbarkeit sind zu ermutigen, vorausgesetzt, daß sie „im Dienst der menschlichen Person stehen, ihrer unveräußerlichen Rechte sowie ihres wahren und ganzheitlichen Wohls gemäß dem Plan und dem Willen Gottes" (DnV intr. 2).

2376 Techniken, die durch das Einschalten einer dritten Person (Ei- oder Samenspende, Leihmutterschaft) die Gemeinsamkeit der Elternschaft auflösen, sind äußerst verwerflich. Diese Techniken (heterologe künstliche Insemination und Befruchtung) verletzen das Recht des Kindes, von einem Vater und einer Mutter abzustammen, die es kennt und die miteinander ehelich verbunden sind. Sie verletzen ebenso das Recht beider Eheleute, „daß der eine nur durch den anderen Vater oder Mutter wird" (DnV 2,1).

2377 Werden diese Techniken innerhalb des Ehepaares angewendet (homologe künstliche Insemination und Befruchtung), sind sie vielleicht weniger verwerflich, bleiben aber dennoch moralisch unannehmbar. Sie trennen den Geschlechtsakt vom Zeugungsakt. Der Akt, der die Existenz des Kindes begründet, ist dann kein Akt mehr, bei dem sich zwei Personen einander hingeben. Somit vertraut man „das Leben und die Identität des Embryos der Macht der Mediziner und Biologen an und errichtet eine Herrschaft der Technik über Ursprung und Bestimmung der menschlichen Person. Eine derartige Beziehung von Beherrschung widerspricht in sich selbst der Würde und der Gleichheit, die Eltern und Kindern gemeinsam sein muß" (DnV 2,5). „Die Fortpflanzung ist aus moralischer Sicht ihrer eigenen Vollkommenheit beraubt, wenn sie nicht als Frucht des ehelichen Aktes, also des spezifischen Geschehens der Vereinigung der Eheleute, angestrebt wird ... Nur die Achtung vor dem Band, das zwischen den Sinngehalten des ehelichen Aktes besteht, und die Achtung vor der Einheit des menschlichen Wesens gestatten eine der Würde der Person entsprechende Fortpflanzung" (DnV 2,4).

2378 Das Kind ist nicht etwas Geschuldetes, sondern ein Geschenk. Das „vorzüglichste Geschenk der Ehe" ist also eine menschliche Person. Das Kind darf nicht als Eigentum angesehen werden, so als könnte man ein „Recht auf das Kind" beanspruchen. In diesem Bereich besitzt einzig das Kind eigentliche Rechte: „das Recht, die Frucht des spezifischen Aktes der ehelichen Hingabe seiner Eltern zu sein" und das Recht, „vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an als Person geachtet zu werden" (DnV 2,8).

2379 Wie das Evangelium zeigt, ist körperliche Unfruchtbarkeit kein absolutes Übel. Eheleute, die, nachdem sie alle berechtigten medizinischen Hilfsmittel ausgeschöpft haben, weiterhin an Unfruchtbarkeit leiden, werden sich dem Kreuz des Herrn anschließen, dem Quell aller geistlichen Fruchtbarkeit. Sie können ihre Großmut zeigen, indem sie verlassene Kinder adoptieren oder anspruchsvolle Dienste an anderen erfüllen.

IV. Verstöße gegen die Würde der Ehe

2380 Ehebruch, das heißt eheliche Untreue. Wenn zwei Partner, von denen wenigstens einer verheiratet ist, miteinander eine, wenn auch nur vorübergehende geschlechtliche Beziehung eingehen, begehen sie Ehebruch. Christus verurteilt schon den Ehebruch im Geiste [Vgl. Mt 5,27-28]. Das sechste Gebot und das Neue Testament verbieten den Ehebruch absolut [Vgl. Mt 5,32; 19,6; Mk 10,11; 1 Kor 6,9-10]. Die Propheten prangern ihn als schweres Vergehen an. Sie betrachten den Ehebruch als Abbild des sündigen Götzendjenstes [Vgl. Hos 2.7: Jer 5,7].

2381 Ehebruch ist ein Unrecht. Wer die Ehe bricht, wird seinen Verpflichtungen untreu. Er verletzt das Band der Ehe, das Zeichen des Bundes ist; er verletzt auch das Recht seines Ehepartners und schädigt die Institution der Ehe, indem er den Vertrag nicht einhält, der ihr zugrunde liegt. Er setzt das Gut der menschlichen Zeugung aufs Spiel sowie das Wohl der Kinder, die eine dauerhafte Verbundenheit der Eltern benötigen.

Ehescheidung

2382 Jesus betonte die ursprüngliche Absicht des Schöpfers, der wollte, daß die Ehe unauflöslich sei 1. Er hob die Duldungen auf, die sich in das alte Gesetz eingeschlichen hatten [Vgl. Mt 19,7].

„Die gültig geschlossene und vollzogene Ehe" zwischen getauften Katholiken „kann durch keine menschliche Gewalt und aus keinem Grunde, außer durch den Tod, aufgelöst werden" ( [link] CIC, can. 1141).

2383 Die Trennung der Gatten unter Beibehaltung des Ehebandes kann in gewissen Fällen, die das kanonische Recht vorsieht, berechtigt sein [Vgl. [link] CIC, cann. 1151-1155].

Falls die zivile Scheidung die einzige Möglichkeit ist, gewisse legitime Rechte, die Sorge für die Kinder oder das ererbte Vermögen zu sichern, darf sie in Kauf 4 genommen werden und ist dann keine sittliche Verfehlung.

2384 Die Ehescheidung ist ein schwerer Verstoß gegen das natürliche Sittengesetz. Sie gibt vor, den zwischen den Gatten freiwillig eingegangenen Vertrag, bis zum Tod zusammenzuleben, brechen zu können. Die Ehescheidung mißachtet den Bund des Heiles, dessen Zeichen die sakramentale Ehe ist. Das Eingehen einer, wenn auch vom Zivilrecht anerkannten, neuen Verbindung verstärkt den Bruch noch zusätzlich. Der Ehepartner, der sich wieder verheiratet hat, befindet sich dann in einem dauernden, öffentlichen Ehebruch.

„Wenn der Gatte, nachdem er sich von seiner Frau getrennt hat, sich einer anderen Frau nähert, ist er ein Ehebrecher, denn er läßt diese Frau Ehebruch begehen; und die Frau, die mit ihm zusammenwohnt, ist eine Ehebrecherin, denn sie hat den Gatten einer anderen an sich gezogen" (Basilius, moral. reg. 73).

2385 Die Ehescheidung ist auch deshalb unsittlich, weil sie in die Familie und in die Gesellschaft Unordnung bringt. Diese Unordnung zieht schlimme

Folgen nach sich: für den Partner, der verlassen worden ist; für die Kinder, die durch die Trennung der Eltern einen Schock erleiden und oft zwischen diesen hin- und hergerissen werden; für die Gesellschaft, für die sie aufgrund ihrer ansteckenden Wirkung zu einer tiefen Wunde wird.

2386 Möglicherweise ist einer der beiden Gatten das unschuldige Opfer der durch das Zivilgesetz ausgesprochenen Scheidung. In diesem Fall vestößt er nicht gegen das sittliche Gebot. Es besteht ein beträchtlicher Unterschied zwischen dem Ehepartner, der sich redlich bemüht hat, dem Sakrament der Ehe treu zu bleiben, und ungerechterweise verlassen wird, und demjenigen, der durch ein schweres Vergehen eine kirchenrechtlich gültige Ehe zerstört [Vgl. FC 84].

Weitere Verstöße gegen die Würde der Ehe

2387 Man kann sich vorstellen, welchen inneren Konflikt es für jemanden, der sich zum Evangelium bekehren will, bedeutet, deshalb eine oder mehrere Frauen entlassen zu müssen, mit denen er jahrelang ehelich zusammengelebt hat. Doch läßt sich die Polygamie mit dem sittlichen Gesetz nicht vereinbaren, denn sie „widerspricht radikal" der ehelichen Gemeinschaft. „Sie leugnet in direkter Weise den Plan Gottes, wie er am Anfang offenbart wurde; denn sie widerspricht der gleichen personalen Würde von Mann und Frau, die sich in der Ehe mit einer Liebe schenken, die total und eben deshalb einzig und ausschließlich ist" (FC 19) [Vgl. GS 47,2]. Ein Christ, der einst mehrere Frauen hatte, untersteht der strengen Gerechtigkeitspflicht, den finanziellen Verpflichtungen gegenüber seinen ehemaligen Frauen und seinen Kindern nachzukommen.

2388 Als Inzest bezeichnet man intime Beziehungen zwischen Verwandten oder Verschwägerten, unter denen die Ehe verboten wäre [Vgl. Lev 18. 7-20]. Der hl. Paulus brandmarkt dieses besonders schwere Vergehen: „Übrigens hört man von Unzucht unter euch ... daß nämlich einer mit der Frau seines Vaters lebt.

Im Namen Jesu, unseres Herrn, wollen wir ... diesen Menschen dem Satan übergeben zum Verderben seines Fleisches" (1 Kor 5,1.4-5). Inzest verdirbt die Beziehungen in der Familie und stellt einen Rückschritt zu tierischem Verhalten dar.

2389 Mit Inzest sind auch sexuelle Mißbräuche Erwachsener von Kindern oder Jugendlichen, die ihrer Obhut anvertraut sind, in Verbindung zu bringen. Dann kommt zu der Verfehlung ein skandalöser Verstoß gegen die leibliche und moralische Unversehrtheit der jungen Menschen hinzu, die dadurch für ihr ganzes Leben gezeichnet bleiben. Hier ist zudem eine krasse Verletzung der Erziehungsverantwortung gegeben.

2390 Ein Verhältnis liegt dann vor, wenn ein Mann und eine Frau sich weigern, ihrer auch die sexuelle Intimität einbegreifenden Beziehung eine öffentliche Rechtsform zu geben.

Der Ausdruck „freie Liebe" ist trügerisch: Was kann ein Liebesverhältnis bedeuten, bei dem die beiden Partner keine gegenseitigen Verpflichtungen eingehen und damit bezeugen, daß sie weder auf den Partner noch auf sich selbst noch auf die Zukunft genügend vertrauen?

Der Ausdruck „Verhältnis" bezeichnet unterschiedliche Situationen: Konkubinat, Ablehnung der Ehe als solcher und Unfähigkeit, sich durch langfristige Verpflichtungen zu binden [Vgl. FC 81]. Alle diese Situationen verletzen die Würde der Ehe; sie zerstören den Grundgedanken der Familie; sie schwächen den Sinn für Treue. Sie verstoßen gegen das moralische Gesetz: Der Geschlechtsakt darf ausschließlich in der Ehe stattfinden; außerhalb der Ehe ist er stets eine schwere Sünde und schließt vom Empfang der Heiligen Kommunion aus.

2391 Manche, die zu heiraten beabsichtigen, beanspruchen heute eine Art Versuchsrecht. Wenn auch der Wille zur Heirat fest ist, besteht doch die Tatsache, daß verfrühte geschlechtliche Beziehungen „keineswegs die Aufrichtigkeit und die Treue der zwischenmenschlichen Beziehungen von Mann und Frau zu gewährleisten noch sie vor allem gegen Laune und Begierlichkeit zu schützen vermögen" (CDF, Erkl. „Persona humana" 7). Die leibliche Vereinigung ist nur dann moralisch zu rechtfertigen, wenn zwischen dem Mann und der Frau eine endgültige Lebensgemeinschaft gegründet worden ist. Die menschliche Liebe läßt den bloßen „Versuch" nicht zu. Sie verlangt eine endgültige und ganze gegenseitige Hingabe der beiden Partner [Vgl. FC 80].

Kurztexte

2392 „Die Liebe ist die grundlegende und naturgemäße Berufung jedes Menschen (FC 11).

2393 Als Gott den Menschen als Mann und Frau erschuf, gab er beiden die gleiche personale Würde. Mann und Frau haben ihre Geschlechtlichkeit wahrzunehmen und anzunehmen.

2394 Christus ist das Vorbild der Keuschheit. Jeder Getaufte ist berufen seinem Lebensstand entsprechend ein keusches Leben zu führen.

2395 Keuschheit bedeutet ,daß die Geschlechtlichkeit in die Person integriert ist. Sie ist eine Schule der Selbstbeherrschung.

2396 Zu den Sünden, die schwer gegen die Keuschheit verstoßen gehören Masturbation, Unzucht, Pornographie und homosexuelle Praktiken.

2397 Zum Bund den die Brautleute in Freiheit eingehen gehört treue Liebe. Diese bringt die Verpflichtung mit sich die Ehe unauflöslich zu bewahren.

2398 Fruchtbarkeit ist ein Gut ein Geschenk ein Zweck der Ehe. Indem die Eheleute Leben schenken nehmen sie an der Vaterschaft Gottes teil.

2399 Die Empfängnisregelung stellt einen der Aspekte verantwortlicher Elternschaft dar Auch wenn die Absicht der beiden Gatten gut ist sind sie doch nicht berechtigt sich sittlich unzulässiger Mittel zu bedienen (z B direkte Sterilisation oder Verhütungsmittel,).

2400 Ehebruch und Ehescheidung Polygamie und Verhältnisse sind schwere Verstöße gegen die Wurde der Ehe.

Artikel 7
Das Siebte Gebot

„Du sollst nicht stehlen" (Ex 20,15; Dtn 5,19; Mt ‘19,18).

2401 Das siebte Gebot verbietet, fremdes Eigentum unrechtmäßig an sich zu nehmen oder zurückzubehalten und dem Nächsten auf irgendwelche Weise an Hab und Gut Schaden zuzufügen. Es schreibt Gerechtigkeit und 1807 Liebe in der Verwaltung der irdischen Güter und der Früchte der menschlichen Arbeit vor. Es verlangt, im Hinblick auf das Gemeinwohl, die allgemeine Bestimmung der Güter und das Recht auf Privateigentum zu achten. Der Christ ist in seinem Leben bestrebt, die Güter dieser Welt auf Gott und 952 die Bruderliebe hinzuordnen.

I. Bestimmung der irdischen Güter für alle Menschen und das Recht auf Privateigentum

2402 Am Anfang hat Gott die Erde und ihre Güter der Menschheit zur gemeinsamen Verwaltung anvertraut, damit sie für die Erde sorge, durch ihre Arbeit über sie herrsche und ihre Früchte genieße [Vgl. Gen 1,26-29]. Die Güter der Schöpfung sind für das gesamte Menschengeschlecht bestimmt. Die Erde ist jedoch unter die Menschen aufgeteilt, um die Sicherheit ihres Lebens zu gewährleisten, das in Gefahr schwebt, Mangel zu leiden und der Gewalttätigkeit zum Opfer zu fallen. Die Aneignung von Gütern ist berechtigt, um die Freiheit und Würde der Menschen zu sichern und jedem die Möglichkeit zu verschaffen, für seine Grundbedürfnisse und die Bedürfnisse der ihm Anvertrauten aufzukommen. Sie soll ermöglichen, daß unter den Menschen eine natürliche Solidarität besteht.

2403 Das Recht auf das Privateigentum, das man sich selbst erarbeitet oder von andern geerbt oder geschenkt bekommen hat, hebt die Tatsache nicht auf, daß die Erde ursprünglich der ganzen Menschheit übergeben worden ist. Daß die Güter für alle bestimmt sind, bleibt vorrangig, selbst wenn das Gemeinwohl erfordert, das Recht auf und den Gebrauch von Privateigentum zu achten.

2404 „Darum soll der Mensch, der sich dieser Güter bedient, die äußeren Dinge, die er rechtmäßig besitzt, nicht nur als ihm persönlich zu eigen, sondern er muß sie zugleich auch als Gemeingut ansehen in dem Sinn, daß sie nicht ihm allein, sondern auch anderen von Nutzen sein können" (GS 69,1). Der Besitz eines Gutes macht dessen Eigentümer zu einem Verwalter im Dienst der Vorsehung; er soll es nutzen und den daraus erwachsenden Ertrag mit anderen, in erster Linie mit seinen Angehörigen, teilen.

2405 Materielle oder immaterielle Produktionsgüter - wie z. B. Ländereien oder Fabriken, Fachwissen oder Kunstfertigkeiten - sollen von ihren Besitzern gut verwaltet werden, damit der Gewinn, den sie abwerfen, möglichst vielen zugute kommt. Die Eigentümer von Gebrauchs- und Konsumgütern sollen sie mit Maß verwenden und den besten Teil davon Gästen, Kranken und Armen vorbehalten.

2406 Die staatliche Gewalt hat das Recht und die Pflicht, zugunsten des Gemeinwohls die rechtmäßige Ausübung des Eigentumsrechtes zu regeln [Vgl. GS 71,4; SRS 42; CA 40; 48].

II. Achtung der Menschen und ihrer Güter

2407 Auf wirtschaftlichem Gebiet erfordert die Achtung der Menschenwürde die Tugend der Mäßigung, um die Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt zu zügeln; die Tugend der Gerechtigkeit, um die Rechte des Nächsten zu wahren und ihm zu geben, was ihm zusteht; und die Solidarität gemäß der Goldenen Regel und der Freigebigkeit des Herrn, denn „er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen" (2 Kor 8,9).

Achtung fremden Gutes

2408 Das siebte Gebot untersagt den Diebstahl, der darin besteht, daß man sich fremdes Gut gegen den vernünftigen Willen des Besitzers widerrechtlich aneignet. Kein Diebstahl ist es, wenn man das Einverständnis des Besitzers voraussetzen kann, oder wenn seine Weigerung der Vernunft oder der Bestimmung der Güter für alle widerspricht. So wenn in äußerster und offensichtlicher Notlage die Aneignung und der Gebrauch fremden Gutes das einzige Mittel ist, um unmittelbare Grundbedürfnisse (wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung) zu befriedigen [Vgl. GS 69,1].

2409 Sich fremdes Gut auf welche Weise auch immer ungerecht anzueignen oder es zu behalten, ist selbst dann, wenn dabei den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzes nicht zuwidergehandelt wird, ein Verstoß gegen das siebte Gebot. Das Gleiche gilt vom bewußten Zurückbehalten entliehener Sachen oder von Fundgegenständen, vom Betrug im Handel [Vgl. Din 25,13-16], von der Zahlung ungerechter Löhne [Vgl. Dtn 24,14-15; Jak 5,4] und dem Hochtreiben von Preisen unter Ausnützung der Unwissenheit oder der Notlage der anderen [Vgl. Am 8,4-6].

Ebenfalls sittlich verwerflich sind: Spekulation, durch die man Preise für Güter künstlich steigert oder senkt, um daraus zum Schaden anderer Gewinn zu ziehen; Korruption, durch die man Verantwortliche dazu verführt, entgegen den Rechtsbestimmungen zu entscheiden; Aneignung und private Verwendung des Gesellschaftseigentums eines Unternehmens; schlechte Ausführung von Arbeiten, Steuerhinterziehung, Fälschung von Schecks und Rechnungen, überhöhte Ausgaben und Verschwendung. Privates oder öffentliches Eigentum mutwillig zu beschädigen verstößt gegen das moralische Gesetz und verlangt Wiedergutmachung.

2410 Versprechen und Verträge müssen gewissenhaft gehalten werden, soweit die eingegangene Verpflichtung sittlich gerecht ist. Das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben hängt zu einem großen Teil davon ab, daß man sich an die Verträge zwischen physischen oder moralischen Personen hält: an Verkauf- oder Kaufverträge, Miet- oder Arbeitsverträge. Jeder Vertrag ist guten Glaubens abzuschließen und auszuführen.

2411 Verträge unterstehen der ausgleichenden Gerechtigkeit, die den Austausch zwischen Personen unter genauer Beachtung ihrer Rechte regelt. Die ausgleichende Gerechtigkeit ist streng verpflichtend. Sie fordert, daß man Eigentumsrechte wahrt, Schulden zurückzahlt und sich an freiwillig eingegangene Verpflichtungen hält. Ohne ausgleichende Gerechtigkeit ist keine andere Form der Gerechtigkeit möglich.

Man unterscheidet ausgleichende [kommutative] von legaler Gerechtigkeit, die das betrifft, was der Bürger gerechterweise der Gemeinschaft schuldet, und von austeilender [distributiver] Gerechtigkeit, die regelt, was die Gemeinschaft den Bürgern im Verhältnis zu deren Beiträgen und Bedürfnissen schuldet.

2412 Im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit fordert die Verpflichtung zur Wiedergutmachung einer begangenen Ungerechtigkeit, daß man das entwendete Gut dem Eigentümer zurückgibt.

Jesus lobt Zachäus für sein Versprechen: „Wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück" (Lk 19,8). Wer sich direkt oder indirekt fremdes Gut angeeignet hat, ist verpflichtet, es zurückzugeben oder, falls es nicht mehr vorhanden ist, den Gegenwert bar oder in Naturalien zurückzuzahlen sowie die Zinsen und den Nutzen zu vergüten, die sein Eigentümer rechtmäßig daraus gewonnen hätte. Wer in irgendeiner Weise an einem Diebstahl beteiligt war oder in dessen Kenntnis daraus Nutzen gezogen hat, z. B. wer ihn befohlen oder daran mitgewirkt oder ihn gedeckt hat, ist entsprechend seiner Verantwortung und seinem Profit ebenfalls zur Wiedergutmachung verpflichtet.

2413 Glücksspiele (wie Kartenspiele) oder Wetten verstoßen an und für sich nicht gegen die Gerechtigkeit. Sie werden jedoch dann sittlich unzulässig, wenn sie jemand um das bringen, was er zu seinem und anderer Menschen Lebensunterhalt braucht. Die Spielleidenschaft droht den Spieler zu versklaven. Eine ungerechte Wette abzuschließen oder beim Spiel zu betrügen ist schwerwiegend, außer wenn der zugefügte

Schaden so gering ist, daß der Geschädigte ihn vernünftiger weise nicht ernst nehmen kann.

2414 Das siebte Gebot verbietet Handlungen oder Unternehmungen, die aus irgendeinem Grund - aus Egoismus, wegen einer Ideologie, aus Profitsucht oder in totalitärer Gesinnung - dazu führen, daß Menschen geknechtet, ihrer persönlichen Würde beraubt oder wie Waren gekauft, verkauft oder ausgetauscht werden. Es ist eine Sünde gegen ihre Menschenwürde und ihre Grundrechte, sie gewaltsam zur bloßen Gebrauchsware oder zur Quelle des Profits zu machen. Der hl. Paulus befahl einem christlichen Herrn, seinen christlichen Sklaven „nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder" zu behandeln (PhIm 16).

Achtung der Unversehrtheit der Schöpfung

2415 Das siebte Gebot verlangt auch, die Unversehrtheit der Schöpfung zu achten. Tiere, Pflanzen und leblose Wesen sind von Natur aus zum gemeinsamen Wohl der Menschheit von gestern, heute und morgen bestimmt [Vgl. Gen 1,28-31]. Die Bodenschätze, die Pflanzen und die Tiere der Welt dürfen nicht ohne Rücksicht auf sittliche Forderungen genutzt werden. Die Herrschaft über die belebte und die unbelebte Natur, die der Schöpfer dem Menschen übertragen hat, ist nicht absolut; sie wird gemessen an der Sorge um die Lebensqualität des Nächsten, wozu auch die künftigen Generationen zählen; sie verlangt Ehrfurcht vor der Unversehrtheit der Schöpfung [Vgl. CA 37-38].

2416 Tiere sind Geschöpfe Gottes und unterstehen seiner für sorgenden Vorsehung [Vgl. Mt 6,26]. Schon allein durch ihr Dasein preisen und verherrlichen sie Gott [Vgl. Dan 3,57-58]. Darum schulden ihnen auch die Menschen Wohlwollen. Erinnern wir uns, mit welchem Feingefühl die Heiligen, z. B. der hl. Franz von Assisi und der hl. Philipp Neri, die Tiere behandelten.

2417 Gott hat die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt, den er nach seinem Bild geschaffen hat [Vgl. Gen 2, 19-20; 9,1-14]. Somit darf man sich der Tiere zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidern bedienen. Man darf sie zähmen, um sie dem Menschen bei der Arbeit und in der Freizeit dienstbar zu machen. Medizinische und wissenschaftliche Tierversuche sind in vernünftigen Grenzen sittlich zulässig, weil sie dazu beitragen, menschliches Leben zu heilen und zu retten.

2418 Es widerspricht der Würde des Menschen, Tiere nutzlos leiden zu lassen und zu töten. Auch ist es unwürdig, für sie Geld auszugeben, das in erster Linie menschliche Not lindern sollte. Man darf Tiere gern haben, soll ihnen aber nicht die Liebe zuwenden, die einzig Menschen gebührt.

III. Soziallehre der Kirche

2419 „Die christliche Offenbarung ... führt ... zu einem tieferen Verständnis der Gesetze des gesellschaftlichen Lebens" (GS 23, 1). Die Kirche erhält durch das Evangelium die volle Offenbarung der Wahrheit über den Menschen. Wenn sie ihren Auftrag, das Evangelium zu verkünden, erfüllt, bescheinigt sie dem Menschen im Namen Christi seine Würde und seine Berufung zu personaler Gemeinschaft; sie lehrt ihn die Forderungen der Gerechtigkeit und der Liebe, die der göttlichen Weisheit entsprechen.

2420 Die Kirche fällt auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet ein sittliches Urteil, „wenn die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil der Seelen es verlangen" (GS 76,5). Im Bereich der Moral hat sie eine andere Sendung als die staatliche Gewalt: Die Kirche kümmert sich um die zeitlichen Belange des Gemeinwohls, weil diese auf das höchste Gut, unser letztes Ziel, hinge ordnet sind. Sie ist bestrebt, die richtige Einstellung zu den irdischen Gütern und den gesellschaftlich wirtschaftlichen Beziehungen zu verbreiten.

2421 Die Soziallehre der Kirche entwickelte sich im 19. Jahrhundert, veranlaßt durch die Konfrontation des Evangeliums mit der modernen Industriegesellschaft, ihren neuen Strukturen zur Herstellung von Verbrauchsgütern, ihrer neuen Auffassung von der Gesellschaft, dem Staat und der Autorität und ihren neuen Arbeits- und Eigentumsformen. Die Entwicklung der Wirtschafts- und Soziallehre der Kirche bezeugt den bleibenden Wert der kirchlichen Lehrtätigkeit sowie den wahren Sinn ihrer stets lebendigen und wirksamen Überlieferung [Vgl. CA 3].

2422 Die Soziallehre der Kirche besteht aus einem Lehrgefüge, das sich dadurch bildet, daß die Kirche die geschichtlichen Ereignisse unter dem Beistand des Heiligen Geistes im Licht der gesamten Offenbarung Christi deutet [Vgl. SRS 1;41]. Diese Lehre wird für Menschen guten Willens umso annehmbarer, je stärker sich die Gläubigen in ihrem Verhalten von ihr bestimmen lassen.

2423 Die Soziallehre der Kirche legt Grundsätze für die Reflexion vor, erarbeitet Maßstäbe des Urteilens und gibt Wegweisungen zum Handeln.

Jedes System, in dem die gesellschaftlichen Beziehungen ausschließlich durch wirtschaftliche Faktoren bestimmt werden, widerspricht der Natur der menschlichen Person und ihrer Handlungen [Vgl. CA 24].

2424 Eine Theorie, die den Profit zur alleinigen Regel und zum letzten Zweck aller wirtschaftlichen Tätigkeit macht, ist sittlich unannehmbar. Ungezügelte Geldgier zieht böse Folgen nach sich. Sie ist eine der Ursachen der zahlreichen Konflikte, die die Gesellschaftsordnung stören [Vgl. GS 63,3; LE 7; CA 35].

Systeme, die „um einer kollektivistischen Organisation des Produktionsprozesses willen grundlegende Rechte der Einzelpersonen und der Gruppen hintansetzen", widersprechen der Würde des Menschen (GS 65,2). Alles, was die Menschen zu bloßen Profitmitteln erniedrigt, knechtet den Menschen, führt zur Vergötzung des Geldes und trägt zur Ausbreitung des Atheismus bei. „Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon" (Mt 6,24; Lk 16,13).

2425 Die Kirche hat die totalitären und atheistischen Ideologien abgelehnt, die in neuerer Zeit mit dem „Kommunismus" oder dem „Sozialismus" einhergingen. Andererseits hat sie in der Handlungsweise des „Kapitalismus" den Individualismus und den absoluten Primat der Marktgesetze über die menschliche Arbeit abgelehnt [Vgl. CA 10; 13; 44]. Die ausschließliche Regulierung der Wirtschaft durch zentralistische Planung verdirbt die gesellschaftlichen Beziehungen von Grund auf; ihre ausschließliche Regulierung durch das Gesetz des freien Marktes verstößt gegen die soziale Gerechtigkeit, denn „es gibt ... unzählige menschliche Bedürfnisse, die keinen Zugang zum Markt haben" (CA 34). Deshalb ist auf eine vernünftige Regelung des Marktes und der wirtschaftlichen Unternehmungen hinzu wirken, die sich an die rechte Wertordnung hält und auf das Wohl aller ausgerichtet ist.

IV. Wirtschaftsleben und soziale Gerechtigkeit

2426 Die Entfaltung des Wirtschaftslebens und die Steigerung der Produktion haben den Bedürfnissen der Menschen zu dienen. Das wirtschaftliche Leben ist nicht allein dazu da, die Produktionsgüter zu vervielfachen und den Gewinn oder die Macht zu steigern; es soll in erster Linie im Dienst der Menschen stehen: des ganzen Menschen und der gesamten menschlichen Gemeinschaft. Die wirtschaftliche Tätigkeit ist - gemäß ihren eigenen Methoden - im Rahmen der sittlichen Ordnung und der sozialen Gerechtigkeit so auszuüben, daß sie dem entspricht, was Gott mit dem Menschen vorhat.

2427 Die menschliche Arbeit ist das unmittelbare Werk der nach dem Bilde Gottes geschaffenen Menschen. Diese sind dazu berufen, miteinander das Schöpfungswerk fortzusetzen, indem sie über die Erde herrschen [Vgl. Gen 1,28; GS 34; CA 31]. Die Arbeit ist somit eine Pflicht: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen" (2 Thess 3, 10) [Vgl. 1 Thess 4,11]. Die Arbeit ehrt die Gaben des Schöpfers und die empfangenen Talente. Sie kann auch erlösend sein. Indem der Mensch in Vereinigung mit Jesus, dem Handwerker von Nazaret und dem Gekreuzigten von Golgotha, die Mühen der Arbeit [Vgl. Gen 3,14-19] auf sich nimmt, arbeitet er gewissermaßen mit dem Sohn Gottes an dessen Erlösungswerk mit. Er erweist sich als Jünger Christi, indem er bei der Tätigkeit, die er auszuführen hat, Tag für Tag sein Kreuz auf sich nimmt [Vgl. LE 27]. Die Arbeit kann ein Mittel der Heiligung sein und die irdische Wirklichkeit mit dem Geiste Christi durchdringen.

2428 Bei der Arbeit übt und verwirklicht der Mensch einen Teil seiner natürlichen Fähigkeiten. Der Hauptwert der Arbeit kommt vom Menschen selbst, der sie vollzieht und für den sie bestimmt ist. Die Arbeit ist für den Menschen da, und nicht der Mensch für die Arbeit [Vgl. LE 6].

Jeder soll aus der Arbeit die Mittel gewinnen können, um für sich und die Seinen zu sorgen und sich für die menschliche Gemeinschaft nützlich zu erweisen.

2429 Jeder hat das Recht auf wirtschaftliche Unternehmung; jeder darf und soll seine Talente nutzen, um zu einem Wohlstand beizutragen, der allen zugute kommt, und um die gerechten Früchte seiner Mühe zu ernten. Er soll darauf bedacht sein, sich dabei an die Regelungen zu halten, die rechtmäßigen Autoritäten zugunsten des Gemeinwohls erlassen haben [Vgl. CA 32; 34].

2430 Im Wirtschaftsleben sind verschiedene Interessen im Spiel, die einander oft widersprechen. Daraus ergeben sich die Konflikte, die es kennzeichnen [Vgl. LE 11]. Man soll sich bemühen, sie auf dem Weg von Verhandlungen zu lösen, die den Rechten und Pflichten jedes Sozialpartners Rechnung tragen: denen der Unternehmensleiter, denen der Lohnempfänger und ihrer Vertreter, z. B. der Gewerkschaften, und gegebenenfalls denen der staatlichen Behörden.

2431 Die Verantwortung des Staates. „Die Wirtschaft, insbesondere die Marktwirtschaft, kann sich nicht in einem institutionellen, rechtlichen und politischen Leerraum abspielen. Im Gegenteil, sie setzt die Sicherheit der individuellen Freiheit und des Eigentums sowie eine stabile Währung und leistungsfähige öffentliche Dienste voraus. Hauptaufgabe des Staates ist es darum, diese Sicherheit zu garantieren, so daß der, der arbeitet und produziert, die Früchte seiner Arbeit genießen kann und sich angespornt fühlt, seine Arbeit effizient und redlich zu vollbringen ... Eine andere Aufgabe des Staates besteht darin, die Ausübung der Menschenrechte im wirtschaftlichen Bereich zu überwachen und zu leiten. Aber die erste Verantwortung auf diesem Gebiet liegt nicht beim Staat, sondern bei den Einzelnen und bei den verschiedenen Gruppen und Vereinigungen, in denen sich die Gesellschaft artikuliert" (CA 48).

2432 Die Unternehmensleiter sind gegenüber der Gesellschaft für die wirtschaftlichen und ökologischen [Vgl. CA 37] Folgen ihrer Tätigkeiten verantwortlich. Sie sind verpflichtet, auf das Wohl der Menschen und nicht nur auf die Steigerung der Gewinne Bedacht zu nehmen. Gewinne sind jedoch notwendig. Sie ermöglichen Investitionen, die die Zukunft des Unternehmens und die Arbeitsplätze sichern.

2433 Ohne ungerechte Zurücksetzung sollen alle, Männer und Frauen, Gesunde und Behinderte, Einheimische und Fremdarbeiter Zugang zur Arbeit und zum Berufsleben haben [Vgl. LE 19; 22-23]. Die Gesellschaft soll den Umständen entsprechend den Bürgern helfen, sich Arbeit und Anstellung zu verschaffen [Vgl. CA 48].

2434 Der gerechte Lohn ist die rechtmäßige Frucht der Arbeit. Ihn zu verweigern oder zurückzubehalten ist eine schwere Ungerechtigkeit [Vgl. Lev 19,13: Dtn 24,14-15; Jak 5,4] Zur Berechnung des gerechten Entgelts sind sowohl die Bedürfnisse als auch die Leistungen eines jeden zu berücksichtigen. Die Arbeit ist „so zu entlohnen, daß dem Arbeiter die Mittel zu Gebote stehen, um sein und der Seinigen materielles, soziales, kulturelles und spirituelles Dasein angemessen zu gestalten - gemäß der Funktion und Leistungsfähigkeit des Einzelnen, der Lage des Unternehmens und unter Rücksicht auf das Gemeinwohl" (GS 67,2). Das Einverständnis der Parteien allein genügt nicht, um die Höhe des Lohns sittlich zu rechtfertigen.

2435 Streik ist sittlich berechtigt, wenn er ein unvermeidliches, ja notwendiges Mittel zu einem angemessenen Nutzen darstellt. Er wird sittlich unannehmbar, wenn er von Gewalttätigkeiten begleitet ist oder wenn man mit ihm Ziele verfolgt, die nicht direkt mit den Arbeitsbedingungen zusammenhängen oder die dem Gemeinwohl widersprechen.

2436 Es ist ungerecht, den Institutionen der Sozialversicherung die von den Zuständigen Autoritäten festgesetzten Beiträge nicht zu entrichten.

Arbeitslosigkeit verletzt fast immer die Würde dessen, den sie trifft, und droht, sein Leben aus dem Gleichgewicht zu bringen. Außer dem Schaden, den er persönlich erleidet, bringt sie auch zahlreiche Gefahren für seine Familie mit sich [Vgl. LE 18].

V. Gerechtigkeit und Solidarität zwischen den Nationen

2437 Auf internationaler Ebene sind die wirtschaftlichen Ressourcen und Mittel so ungleich verteilt, daß zwischen den Nationen ein regelrechter 1 „Graben" aufgerissen wird (SRS 14). Auf der einen Seite stehen jene, die Entwicklungsmöglichkeiten haben und nützen, auf der anderen Seite jene, die sich immer tiefer verschulden.

2438 Verschiedene Ursachen religiöser, politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Natur verleihen heute der sozialen Frage „ein weltweites Ausmaß" (SRS 9). Zwischen den Nationen, die politisch bereits voneinander abhängen, bedarf es der Solidarität. Sie ist noch unerläßlicher, wenn es darum geht, „entarteten Mechanismen" Einhalt zu gebieten, die Entwicklung der wirtschaftlich schwachen Länder behindern [Vgl. SRS 17; 45]. Mißbräuchliche, wenn nicht gar wucherische Finanzsysteme [Vgl. CA 35], ungerechte Handelsbeziehungen zwischen den Nationen und der Rüstungswettlauf sind durch gemeinsame Anstrengungen zu ersetzen, um die Ressourcen für sittliche, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklungsziele einsetzen zu können; dabei wird man „die Prioritäten und die Werteskalen ... neu definieren müssen" (CA 28).

2439 Die reichen Nationen haben eine große sittliche Verantwortung gegenüber denen, welche die Mittel zu ihrer Entwicklung nicht selbst aufbringen können oder durch tragische geschichtliche Ereignisse daran gehindert worden sind. Das ist eine Pflicht der Solidarität und der Liebe, aber auch eine Pflicht der Gerechtigkeit, falls der Wohlstand der reichen Nationen aus Ressourcen stammt, die nicht angemessen bezahlt wurden.

2440 Direkthilfe ist eine entsprechende Reaktion auf unmittelbare, außerordentliche Bedürfnisse, die z. B. durch Naturkatastrophen und Seuchen verursacht werden. Sie genügt aber nicht, um die aus der Not erwachsenden schweren Schäden zu beheben, noch um Bedürfnisse dauernd zu stillen. Man muß auch die internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen erneuern, damit sie sich stärker für gerechte Beziehungen zu den weniger entwickelten

Ländern einsetzen [Vgl. SRS 16. 2 Vgl. CA 26]. Die Anstrengungen der armen Länder, die an ihrem Wachstum und ihrer Befreiung arbeiten, sind zu unterstützen [Vgl. SRS 32; CA 51]. Dies gilt ganz besonders für den Bereich der Landwirtschaft. Die Bauern stellen, vor allem in der Dritten Welt, die Hauptmasse der Armen dar.

2441 Grundlage ist für jede umfassende Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, den Sinn für Gott und die Selbsterkenntnis zu fördern. Diese Entwicklung vervielfacht die materiellen Güter und stellt sie in den Dienst des Menschen und seiner Freiheit. Sie vermindert das Elend und die wirtschaftliche Ausbeutung. Sie läßt die Achtung vor den kulturellen Eigenarten und die Offenheit für das Transzendente wachsen [Vgl. SRS 42].

2442 Es ist nicht Sache der Hirten der Kirche, in die politischen Strukturen und die Organisation des Gesellschaftslebens direkt einzugreifen. Diese Aufgabe gehört zur Sendung der gläubigen Laien, die aus eigenem Ansporn mit ihren Mitbürgern zusammenarbeiten. Ihrem sozialen Einsatz steht eine Vielzahl konkreter Wege offen. Er soll stets auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein und der Botschaft des Evangeliums und der Lehre der Kirche entsprechen. Es ist Aufgabe der gläubigen Laien, „mit christlichem Engagement die irdischen Bereiche zu durchdringen und sich darin als Zeugen und Mitarbeiter des Friedens und der Gerechtigkeit zu erweisen" (SRS 47) [Vgl. Mt 25,31-36].

VI. Liebe zu den Armen

2443 Gott segnet die, die den Armen zuhilfe kommen, und verurteilt jene, die sich von ihnen abwenden: „Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab" (Mt 5,42). „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben" (Mt 10,8). An dem, was sie für die Armen getan haben, wird Jesus Christus seine Auserwählten erkennen [Vgl. Lk 4,18]. Wenn „den Armen das Evangelium verkündet" wird (Mt 11,5)6, ist dies ein Zeichen für die Gegenwart Christi.

2444 Die Kirche läßt sich in ihrer „Liebe zu den Armen, die ... zu ihrer festen Tradition gehört" (CA 57), vom Evangelium der Seligpreisungen [Vgl. Lk 6,20-22], von der Armut Jesu [Vgl. Mt 8,20] und seiner Zuwendung zu den Armen [Vgl. Mk 12,41-44] leiten. Die Liebe zu den Armen ist für den Christen sogar einer der Beweggründe, zu arbeiten und etwas zu „verdienen, damit er den Notleidenden davon geben kann" (Eph 4,28). Dies betrifft nicht nur die materielle Armut, sondern auch zahlreiche Formen kultureller und religiöser Armut [Vgl. CA 57].

2445 Die Liebe zu den Armen ist mit der ungezügelten Liebe zum Reichtum oder mit dessen egoistischem Gebrauch unvereinbar:

„Ihr aber, ihr Reichen, weint nur und klagt über das Elend, das euch treffen wird. Euer Reichtum verfault, und eure Kleider werden von Motten zerfressen. Euer Gold und Silber verrostet; ihr Rost wird als Zeuge gegen euch. auftreten und euer Fleisch verzehren wie Feuer. Noch in den letzten Tagen sammelt ihr Schätze. Aber der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben, der Lohn, den ihr ihnen vorenthalten habt, schreit zum Himmel; die Klagerufe derer, die eure Ernte eingebracht haben, dringen zu den Ohren des Herrn der himmlischen Heere. Ihr habt auf Erden ein üppiges und ausschweifendes Leben geführt, und noch am Schlachttag habt ihr euer Herz gemästet. Ihr habt den Gerechten verurteilt und umgebracht, er aber leistete euch keinen Widerstand" (Jak 5,1-6).

2446 Der hl. Johannes Chrysostomus erinnert an diese Pflicht mit den eindringlichen Worten: „Die Armen nicht an seinen Gütern teilhaben lassen, heißt sie bestehlen und ihnen das Leben nehmen. Nicht unsere Güter haben wir in Besitz, sondern die ihrigen" (Laz. 1,6). „Zuerst muß man den Forderungen der Gerechtigkeit Genüge tun, und man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist" (AA 8).

„Wenn wir den Armen das unbedingt Nötige geben, machen wir ihnen nicht freigebige persönliche Spenden, sondern geben wir ihnen zurück, was ihnen gehört. Wir erfüllen damit viel eher eine Pflicht der Gerechtigkeit als daß wir damit eine Tat der Nächstenliebe vollziehen" (Gregor d. Gr., past. 3,21).

2447 Die Werke der Barmherzigkeit sind Liebestaten, durch die wir unserem Nächsten in seinen leiblichen und geistigen Bedürfnissen zuhilfe kommen [Vgl. Jes 58,6-7; Hebr 13,3]. Belehren, raten, trösten, ermutigen sowie vergeben und geduldig ertragen sind geistliche Werke der Barmherzigkeit. Leibliche Werke der Barmherzigkeit sind vor allem: die Hungrigen speisen, Obdachlose beherbergen, Nackte bekleiden, Kranke und Gefangene besuchen und Tote begraben [Vgl. Mt 25,31-46]. Unter diesen Werken ist das Almosenspenden an Arme [Vgl. Tob 4,5-IL Sir 17,22] eines der Hauptzeugnisseder Bruderliebe; es ist auch eine Gott wohlgefällige Tat der Gerechtigkeit [Vgl. Mt 6,2-4]:

„Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso" (Lk 3,11). „Gebt lieber, was in den Schüsseln ist, den Armen, dann ist für euch alles rein" (Lk 11,41). „Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen - was nützt das?" (Jak 2,15-16) [Vgl. 1 ich 3,17].

2448 „Unter seinen vielfältigen Formen - materielle Not, Unrecht und Unterdrückung, leibliche und seelische Krankheiten und schließlich der Tod - ist das menschliche Elend das offenkundige Zeichen für den Zustand einer angeborenen Schwäche, in dem sich der Mensch nach der Ursünde befindet, sowie für die Notwendigkeit einer Heilung. Darum hat es das Mitleid Christi, des Erlösers, geweckt, der dieses Elend hat auf sich nehmen und sich mit den ‚geringsten seiner Brüder‘ hat identifizieren wollen. Darum richtet sich auf alle, die davon bedrückt sind, auch eine vorrangige Liebe der Kirche, die seit ihren Anfängen, ungeachtet der Schwächen vieler ihrer Glieder, unaufhörlich dafür gewirkt hat, die Bedrückten zu stützen, zu verteidigen und zu befreien. Das hat sie getan durch zahllose Werke der Wohltätigkeit, die immer und überall unentbehrlich bleiben" (CDF, Instr. „Libertatis conscientia" 68).

2449 Schon im Alten Testament entsprechen allerlei gesetzliche Maßnahmen (Schuldenerlaßjahr, Verbot, Zins zu verlangen und ein Pfand zu behalten, Verpflichtung zum Zehnten, tägliche Bezahlung von Tagelöhnern, Recht zur Nachlese in Weinbergen und auf Fruchtfeldern) der Mahnung im Buch Deuteronomium: „Die Armen werden niemals ganz aus deinem Land verschwinden. Darum mache ich dir zur Pflicht: Du sollst deinem notleidenden und armen Bruder, der in deinem Land lebt, deine Hand öffnen" (Dtn 15,11). Jesus hat sich dieses Wort zu eigen gemacht: „Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer bei euch" (Joh 12,8). Damit entkräftet er nicht die früheren heftigen Anklagen der Propheten gegen Leute, die sagten: „Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen, für ein Paar Sandalen die Armen" (Am 8,6), sondern er fordert uns damit auf, seine Gegenwart in seinen Brüdern, den Armen, zu erkennen [Vgl. Mt 25,40].

Die hl. Rosa antwortete ihrer Mutter, als diese sie tadelte, weil sie zu Hause Arme und Kranke beherbergte: „Wenn wir den Armen und Kranken dienen, dienen wir Jesus. Wir dürfen nicht müde werden, unseren Nächsten zu helfen, denn in ihnen dienen wir Jesus" (vita).

Kurztexte

2450 Du sollst nicht stehlen (Dtn 5 19). Weder Diebe noch Habgierige keine Räuber werden das Reich Gottes erben (1 Kor 6 10).

2451 Das siebte Gebot gebietet bei der Verwaltung der irdischen Güter und der Früchte der menschlichen Arbeit Gerechtigkeit und Nachstenliebe zu üben.

2452 Die Güter der Schöpfung sind für das ganze Menschengeschlecht bestimmt. Das Recht auf Privateigentum hebt die Tatsache nicht auf daß diese Güter für alle bestimmt sind.

2453 Das siebte Gebot verbietet den Diebstahl. Diebstahl besteht darin daß man fremdes Gut gegen den vernünftigen Willen des Eigentumers widerrechtlich an sich nimmt.

2454 Jede Weise fremdes Gut entgegen der Gerechtigkeit an sich zu nehmen und zu gebrauchen verstoßt gegen das siebte Gebot. Die begangene Ungerechtigkeit erfordert Wiedergutmachung. Die ausgleichende Gerechtigkeit verlangt, das gestohlene Gut zurückzugeben.

2455 Das sittliche Gesetz verbietet aus Gewinnsucht oder in totalitärer Absicht Menschen auf irgendeine Weise zu knechten und sie wie Waren zu kaufen zu verkaufen oder zu tauschen.

2456 Der Schöpfer hat dem Menschen das Recht gewahrt über die Rohstoffe Pflanzen und Tiere der Welt zu verfügen. Dabei muß aber der Mensch die sittlichen Verpflichtungen achten auch gegenüber den kommenden Generationen.

2457 Die Tiere sind dem Menschen unterstellt der ihnen Wohlwollen schuldet. Sie können einer gerechten Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen.

2458 Die Kirche urteilt im wirtschaftlichen und sozialen Bereich wenn die Grundrechte der Person oder das Heil der Seelen es erfordern. Sie kümmert sich um das irdische Gemeinwohl der Menschen insofern diese auf das höchste Gut, unser letztes Ziel hingeordnet sind.

2459 Der Mensch selbst ist Urheber Mitte und Zweck des ganzen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Es ist für die soziale Frage entscheidend daß die von Gott für alle geschaffenen Guter entsprechend der Gerechtigkeit und mit Hilfe der Liebe tatsächlich allen zukommen.

2460 Der vorangige Weit der Arbeit kommt vom Menschen selbst der sie verrichtet und für den sie bestimmt ist. Durch seine Arbeit nimmt der Mensch am Schöpfungswerk teil Mit Christus vereint zu arbeiten kann erlösend sein.

2461 Wahre Entwicklung betrifft den ganzen Menschen. Es geht darum die Fahigkeit jedes Menschen zu fordern seiner Berufung also dem Ruf Gottes zu entsprechen [Vgl. CA 29].

2462 Armen Almosen zu geben ist ein Zeugnis der brüderlichen Liebe und ein Gott wohlgefälliges Werk der Gerechtigkeit.

2463 Wer erkennt nicht in der großen Zahl von Menschen ohne Brot Dach und Bleibe Lazarus den hungrigen Bettler im Gleichnis Jesu [Vgl. Lk 16, 19-31]? Wie kann man die Stimme Jesu überhören: „Das habt ihr auch mir nicht getan" (Mt 25,45)?

Artikel 8
Das Achte Gebot

„Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen" (Ex 20,16).

„Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen hast" (Mt 5,33).

2464 Das achte Gebot verbietet, in den Beziehungen zu anderen die Wahrheit zu verdrehen. Diese moralische Vorschrift ergibt sich auch aus der Berufung des heiligen Volkes, Zeuge seines Gottes zu sein, der die Wahrheit ist und sie will. In Worten oder Taten gegen die Wahrheit zu verstoßen, bedeutet eine Weigerung, sich zur moralischen Redlichkeit zu verpflichten; es ist eine tiefgreifende Untreue gegenüber Gott und untergräbt damit die Fundamente des Bundes.

I. In der Wahrheit leben

2465 Das Alte Testament bezeugt: Gott ist der Quell aller Wahrheit. Sein Wort ist Wahrheit [Vgl. Spr 8,7; 2 Sam 7,28]. Sein Gesetz ist Wahrheit [Vgl. Ps 119, 142]. „Deine Treue währt von Geschlecht zu Geschlecht" (Ps 119,90) [Vgl. Lk 1,50]. Weil Gott der „Wahrhaftige" ist (Röm 3,4), sollen die Angehörigen seines Volkes in der Wahrheit leben [Vgl. Ps 119,30].

2466 In Jesus Christus hat sich die Wahrheit Gottes voll und ganz gezeigt. Weil „voll Gnade und Wahrheit" (Joh 1,14), ist er „das Licht der Welt" (Joh 8,12), die Wahrheit selbst [Vgl. Joh 14,6]„damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt" (Joh 12,46). Wer in Jesu Wort bleibt, ist wahrhaft Jesu Jünger; er wird „die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird [ihn] befreien" (Joh 8,32) und heiligen [Vgl. Joh 17,17]. Jesus nachfolgen heißt aus dem „Geist der Wahrheit" (Joh 14,17) leben, den der Vater in seinem Namen sendet [Vgl. Joh 14.26] und der „in die ganze Wahrheit führen wird" (Joh 16,13). Seine Jünger lehrt Jesus unbedingte Wahrheitsliebe: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein" (Mt 5,37).

2467 Der Mensch strebt von Natur aus nach Wahrheit. Er ist verpflichtet, sie in Ehren zu halten und zu bezeugen: Die Menschen „werden alle ihrer Würde gemäß durch ihre eigene Natur gedrängt sowie durch eine moralische Verpflichtung gehalten, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene Wahrheit, welche die Religion betrifft. Sie sind auch dazu verpflichtet, an der erkannten Wahrheit festzuhalten und ihr ganzes Leben an den Forderungen der Wahrheit auszurichten" (DH 2).

2468 Die Wahrheit im Sinn des redlichen Handelns und aufrichtigen Sprechens heißt Wahrhafligkeit, Aufrichtigkeit oder Freimut. Die Tugend der Aufrichtigkeit oder Wahrhaftigkeit besteht darin, daß man sich in seinen Handlungen als wahr erweist, in seinen Worten die Wahrheit sagt und sich vor Doppelzüngigkeit, Verstellung, Vortäuschung und Heuchelei hütet.

2469 „Die Menschen könnten nicht in Gemeinschaft miteinander leben, wenn sie sich nicht gegenseitig glaubten, als solche, die einander die Wahrheit offenbaren" (Thomas v. A., s. th. 2-2,109,3, ad 1). Die Tugend der Wahrhaftigkeit gibt dem anderen, was ihm zusteht. Sie bewahrt die rechte Mitte zwischen dem, was auszusprechen, und dem Geheimnis, das zu halten ist. Dazu gehören Aufrichtigkeit und Verschwiegenheit. „Ein Mensch schuldet dem anderen aus Ehrenhaftigkeit die Kundgabe der Wahrheit" (Thomas v. A., s. th. 2-2, 109, 3).

2470 Der Jünger Christi ist bereit, „in der Wahrheit zu leben", das heißt in der Einfachheit eines Lebens nach dem Beispiel des Herrn; so bleibt er in der Wahrheit. „Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und doch in der Finsternis leben, lügen wir und tun nicht die Wahrheit" (1 Joh 1,6).

II. Für die Wahrheit Zeugnis ablegen

2471 Vor Pilatus erklärt der Herr: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege" (Joh 18,37). Der Christ braucht sich nicht „des Zeugnisses für unseren Herrn" (2 Tim 1,8) zu schämen. In Situationen, die ein Glaubenszeugnis verlangen, muß der Christ, wie der hl. Paulus vor seinen Richtern, den Glauben unzweideutig bekennen. Er muß sich bemühen, „vor Gott und den Menschen immer ein reines Gewissen zu haben" (Apg 24,16).

2472 Die Pflicht der Christen, sich am Leben der Kirche zu beteiligen, drängt sie, als Zeugen für das Evangelium und für die sich daraus ergebenden Verpflichtungen zu handeln. Dieses Zeugnis ist Weitergabe des Glaubens in Wort und Tat. Zeugnis abzulegen ist ein Akt der Gerechtigkeit, der die Wahrheit feststellt oder zur Kenntnis bringt [Vgl. Mt 18,16.].

„Alle Christgläubigen, wo immer sie leben, müssen durch das Beispiel ihres Lebens und durch das Zeugnis des Wortes den neuen Menschen, den sie durch die Taufe angezogen haben, und die Kraft des Heiligen Geistes, der sie durch die Firmung gestärkt hat ... offenbaren" (AG 11).

2473 Das Martyrium ist das erhabenste Zeugnis, das man für die Wahrheit des Glaubens ablegen kann; es ist ein Zeugnis bis zum Tod. Der Märtyrer legt Zeugnis ab für Christus, der gestorben und auferstanden ist und mit dem er durch die Liebe verbunden ist. Er legt Zeugnis ab für die Wahrheit des Glaubens und die christliche Glaubenslehre. Er nimmt in christlicher Stärke den Tod auf sich. „Laßt mich ein Fraß der wilden Tiere sein, durch die es möglich ist, zu Gott zu gelangen!" (Ignatius v. Antiochien, Rom. 4,1).

2474 Mit größter Sorgfalt hat die Kirche Erinnerungen an jene, die in ihrer Glaubensbezeugung bis zum äußersten gegangen sind, in den Akten der Märtyrer gesammelt. Sie bilden die mit Blut geschriebenen Archive der Wahrheit.

„Nichts werden mir nützen die Enden der Welt und die Königreiche dieses Äons. Besser ist es für mich, zu sterben auf Christus hin, als König zu sein über die Enden der Erde. Jenen suche ich, der für uns starb; jenen will ich, der unsertwegen auferstand. Das Gebären steht mir bevor" (Ignatius v. Antiochien, Rom. 6,1-2).

 

„Herr, allmächtiger Gott ... ich preise dich, weil du mich dieses Tages und 1 dieser Stunde gewürdigt hast, zur Zahl deiner Blutzeugen zu gehören ... Du hast dein Versprechen gehalten, Gott der Treue und Wahrheit. Für diese Gnade und für alles lobe ich dich, preise ich dich und verherrliche ich dich durch den ewigen himmlischen Hohenpriester Jesus Christus, deinen geliebten Sohn. Durch ihn, der mit dir und dem Geist ist, sei dir Ehre jetzt und in alle Ewigkeit. Amen" (Polykarp, mart. 14,2-3).

III. Verstöße gegen die Wahrheit

2475 Die Jünger Christi haben „den neuen Menschen" angezogen, „der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Eph 4,24). Daraus folgen die Ermahnungen: „Legt deshalb die Lüge ab" (Eph 4,25) und: „Legt also alle Bosheit ab, alle Falschheit und Heuchelei, allen Neid und alle Verleumdung" (1 Petr 2,1).

2476 Falsches Zeugnis und Meineid. Eine wahrheitswidrige Aussage ist ganz besonders schwerwiegend, wenn sie öffentlich gemacht wird. Vor einem Gericht wird sie zu einem falschen Zeugnis [Vgl. Spr 19,9], unter Eid wird sie zu einem Meineid. Diese Handlungsweisen tragen dazu bei, daß Unschuldige verurteilt oder Schuldige entlastet werden oder die Strafe, welcher der Angeklagte verfällt [Vgl. Spr 18,5], verschärft wird. Sie beeinträchtigen schwerwiegend das Rechtswesen und die Gerechtigkeit des von den Richtern gefällten Urteils.

2477 Die Rücksicht auf den guten Ruf eines Menschen verbietet jede Haltung und jedes Wort, die ihn ungerechterweise schädigen könnten [Vgl. [link] CIC, can. 220]. Schuldig macht sich

- des vermessenen Urteils, wer ohne ausreichende Beweise, und sei es auch nur stillschweigend, von einem Mitmenschen annimmt, er habe einen Fehltritt begangen;

- der üblen Nachrede, wer ohne objektiv gültigen Grund Fehler und Vergehen eines Mitmenschen gegenüber Personen aufdeckt, die nichts davon wissen [Vgl. Sir 21,28.];

- der Verleumdung, wer durch wahrheitswidrige Aussagen dem guten Ruf anderer schadet und zu Fehlurteilen über sie Anlaß gibt.

2478 Um nicht vermessen zu urteilen, soll jeder darauf bedacht sein, die Gedanken, Worte und Handlungen seines Nächsten soweit als möglich günstig zu beurteilen.

„Jeder gute Christ muß mehr dazu bereit sein, die Aussage des Nächsten für glaubwürdig zu halten, als sie zu verurteilen. Vermag er sie nicht zu rechtfertigen, so forsche er nach, wie jener sie versteht; versteht jener sie aber in üblem Sinn, so verbessere er ihn mit Liebe; und wenn das nicht genügt, so suche er nach allen angemessenen Mitteln, damit jener zu ihrem richtigen Verständnis gelange und so sich rette" (Ignatius, ex. spir. 22).

2479 Üble Nachrede und Verleumdung zerstören den guten Ruf und die Ehre des Nächsten. Nun ist aber die Ehre das gesellschaftliche Zeugnis für die Würde eines Menschen, und jeder besitzt das natürliche Recht auf die Ehre seines Namens, auf seinen guten Ruf und auf Achtung. Üble Nachrede und Verleumdung verletzen somit die Tugenden der Gerechtigkeit und der Liebe.

2480 Es ist verwerflich, durch Schmeichelei, Lobhudelei oder Gefälligkeit in Worten oder Haltungen andere in ihren schlechten Handlungen und ihrem falschen Verhalten zu bestärken. Lobhudelei ist ein schwerwiegender Fehler, wenn sie sich zum Komplizen von Lastern oder schweren Sünden macht. Der Wunsch, einen Dienst zu leisten, oder Freundschaft rechtfertigt Doppelzüngigkeit nicht. Lobhudelei ist eine läßliche Sünde, wenn sie nur in der Absicht geschieht, angenehm zu sein, ein Übel zu verhüten, einer Not zu begegnen oder berechtigte Vorteile zu erlangen.

2481 Prahlerei oder Aufschneiderei ist eine Verfehlung gegen die Wahrheit. Das gleiche gilt von der Ironie, die jemanden herabzusetzen sucht, indem sie den einen oder anderen Aspekt seines Verhaltens böswillig ins Lächerliche zieht.

2482 „Die Lüge besteht darin, daß man Unwahres sagt in der Absicht zu täuschen" (Augustinus, mend. 4,5). Der Herr prangert die Lüge als Werk des Teufels an: „Ihr habt den Teufel zum Vater ... Es ist keine Wahrheit in ihm. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt; denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge" (Joh 8,44).

2483 Die Lüge ist der unmittelbarste Verstoß gegen die Wahrheit. Lügen heißt gegen die Wahrheit reden oder handeln, um jemanden zu täuschen, der ein Recht hat, sie zu kennen. Da die Lüge die Verbindung des Menschen mit der Wahrheit und dem Nächsten verletzt, verstößt sie gegen die grundlegende Beziehung des Menschen und seines Wortes zum Herrn.

2484 Eine Lüge ist mehr oder weniger schwerwiegend gemessen an der Natur der Wahrheit, die sie entstellt, den Umständen, den Absichten dessen, der sie begeht, und den Nachteilen, die den Belogenen daraus erwachsen. Die Lüge ist an sich nur eine läßliche Sünde, wird jedoch zu einer Todsünde, wenn sie gegen die Tugenden der Gerechtigkeit und der Liebe schwer verstößt.

2485 Die Lüge ist ihrer Natur nach verwerflich. Sie ist eine Profanierung des Wortes, das dazu bestimmt ist, die Wahrheit, die man kennt, anderen mitzuteilen. Die bewußte Absicht, durch wahrheitswidrige Aussagen den Nächsten zu täuschen, verstößt gegen die Gerechtigkeit und die Liebe. Die Schuld ist noch größer, wenn Gefahr besteht, daß die Täuschungsabsicht für die Getäuschten schlimme Folgen hat.

2486 Als ein Verstoß gegen die Tugend der Wahrhaftigkeit ist die Lüge eine Art der Gewalt gegenüber dem Nächsten. Sie trifft ihn in seiner Erkenntnisfähigkeit, die Voraussetzung für jedes Urteil und jede Entscheidung ist. Sie enthält im Keim die Spaltung der Geister und alle Übel, die daraus hervorgehen. Die Lüge ist für jede Gesellschaft unheilvoll; sie untergräbt das Vertrauen zwischen den Menschen und zerreißt das Netz der gesellschaftlichen Beziehungen.

2487 Jede Verfehlung gegen die Gerechtigkeit und die Wahrheit bringt die Verpflichtung zur Wiedergutmachung mit sich, selbst dann, wenn ihrem Urheber Vergebung gewährt worden ist. Falls es unmöglich ist, ein Unrecht öffentlich wiedergutzumachen, muß man es insgeheim tun; wenn der Geschädigte nicht direkt entschädigt werden kann, muß man ihm im Namen der Liebe moralische Genugtuung leisten. Die Pflicht zur Wiedergutmachung betrifft auch die Verfehlungen gegen den guten Ruf eines anderen. Diese moralische und zuweilen auch materielle Wiedergutmachung ist nach der Größe des verursachten Schadens zu bemessen. Sie ist eine Gewissenspflicht.

IV. Achtung der Wahrheit

2488 Das Recht auf Mitteilung der Wahrheit ist nicht bedingungslos. Das Leben ist nach dem Gebot der Nächstenliebe des Evangeliums auszurichten. Diese Liebe verlangt, daß man in der konkreten Situation abschätzt, ob es angemessen ist oder nicht, die Wahrheit dem zu sagen, der sie wissen will.

2489 Eine Bitte um Wissen oder Mitteilung muß stets mit Nächstenliebe und Achtung vor der Wahrheit beantwortet werden. Das Wohl und die Sicherheit 1 anderer, die Achtung des Privatlebens oder die Rücksicht auf das Gemeinwohl sind hinreichende Gründe, etwas, das nicht bekanntwerden soll, zu verschweigen oder sich einer diskreten Sprache zu bedienen. Die Pflicht, Ärgernis zu vermeiden, fordert oft strenge Diskretion. Niemand ist verpflichtet, die Wahrheit Personen zu enthüllen, die kein Recht auf deren Kenntnis haben [Vgl. Sir 27,16; Spr 25, 9-10].

2490 Das Beichtgeheimnis ist heilig, und es darf aus keinem Grund verletzt werden. „Das Beichtgeheimnis ist unverletzlich; dem Beichtvater ist es daher streng verboten, den Pönitenten durch Worte oder auf irgendeine andere Weise und aus irgendeinem Grund irgendwie zu verraten" ( [link] CIC, can. 983, § 1).

2491 Berufsgeheimnisse - die z. B. Politiker, Militärangehörige, Ärzte und Juristen bewahren müssen - oder vertrauliche Mitteilungen, die unter dem Siegel der Verschwiegenheit gemacht wurden, dürfen nicht verraten werden, außer wenn der Sonderfall eintritt, daß die Bewahrung des Geheimnisses dem, der es anvertraut, oder dem, dem es anvertraut wird, oder einem Dritten einen sehr großen Schaden zufügen würde, der sich nur durch die Verbreitung der Wahrheit verhüten läßt. Private Informationen, die für andere nachteilig sind, dürfen selbst dann, wenn sie nicht unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut wurden, nicht ohne einen entsprechend wichtigen Grund weiterverbreitet werden.

2492 Jeder muß sich in bezug auf das Privatleben anderer Menschen gebührende Zurückhaltung auferlegen. Jene, die für die Weitergabe von Informationen verantwortlich sind, müssen das Gemeinwohl und die Achtung persönlicher Rechte in ein gerechtes Verhältnis bringen. Informationen über das Privatleben von Personen, die eine politische oder öffentliche Tätigkeit ausüben, sind soweit zu verurteilen, als sie deren Intimsphäre und Freiheit verletzen.

V. Gebrauch der Massenmedien

2493 In der modernen Gesellschaft spielen die Massenmedien bei der Weitergabe von Information, der Förderung der Kultur und in der Bildung eine bedeutende Rolle. Infolge der technischen Fortschritte, des Umfangs und der Vielfalt der übermittelten Inhalte sowie aufgrund ihres Einflusses auf die öffentliche Meinung wird diese Rolle immer wichtiger.

2494 Die Information durch Medien steht im Dienst des Gemeinwohls [Vgl. IM 11]. Die Gesellschaft hat das Recht auf eine Information, die auf Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gründet.

„Der richtige Gebrauch [dieses] Rechtes fordert aber, daß die Mitteilung inhaltlich stets der Wahrheit entspricht und bei Beachtung der durch Recht und menschliche Rücksichtnahme gezogenen Grenzen vollständig ist. Auch in der Form muß sie ethisch einwandfrei sein, das heißt beim Sammeln und Verbreiten von Nachrichten müssen die ethischen Grundsätze sowie die Rechte und Würde des Menschen beachtet werden" (IM 5).

2495 „Darum müssen alle Glieder der Gesellschaft ihren Verpflichtungen zu Gerechtigkeit und Liebe auch in diesem Bereich nachkommen und mit Hilfe dieser Mittel ebenfalls zur Bildung und Verbreitung richtiger öffentlicher Meinungen beitragen" (IM 8). Solidarität ergibt sich aus einer wahren und rechten Kommunikation und dem Fluß von Ideen, die Kenntnis und Achtung anderer Menschen fördern.

2496 Die Kommunikationsmittel, vor allem die Massenmedien, können bei den Benützern eine gewisse Passivität erzeugen, indem sie diese zu wenig aufmerksamen Konsumenten von Worten und Bildern machen. Die Benützer sollen die Massenmedien maß - und zuchtvoll gebrauchen und sich ein klares und rechtes Gewissen bilden, um schlechten Einflüssen leichter zu widerstehen.

2497 Schon aufgrund ihrer Berufsaufgabe im Pressewesen haben Journalisten die Verpflichtung, bei der Verbreitung von Informationen der Wahrheit zu dienen und das Liebesgebot nicht zu verletzen. Sie sollen sich in gleichem Maße bemühen, den Fakten gerecht zu werden und die Grenzen des kritischen Urteils über Personen zu achten. Sie sollen sich vor Verleumdung hüten.

2498 „Die öffentliche Gewalt hat hier mit Rücksicht auf das Gemeinwohl ... besondere Verpflichtungen ... Im Rahmen ihrer Zuständigkeit hat sie die wahre und rechte Freiheit der Information ... zu verteidigen und zu schützen" (IM 12). Indem die Behörden entsprechende Gesetze erlassen und darauf achten, daß diese auch eingehalten werden, sollen sie dafür sorgen, daß der schlechte Gebrauch der Massenmedien „nicht schwere Schäden für die öffentliche Sitte und den Fortschritt der Gesellschaft" verursacht (IM 12). Sie sollen die Verletzung der Rechte eines jeden auf seinen guten Ruf und auf die Achtung seines Privatlebens bestrafen. Sie sollen rechtzeitig und aufrichtig die Informationen vermitteln, die das Gemeinwohl betreffen, und auf begründete Besorgnisse der Bevölkerung antworten. Die Verbreitung von Fehlinformationen, um die öffentliche Meinung durch die Medien zu manipulieren, ist durch nichts zu rechtfertigen. Behördliche Eingriffe dürfen die Freiheit von Einzelpersonen und Gruppen nicht beeinträchtigen.

2499 Die Moral verurteilt die Mißstände in den totalitären Staaten, wo die Wahrheit systematisch verfälscht wird, wo durch die Medien eine politische Herrschaft über die öffentliche Meinung ausgeübt wird, bei Schauprozessen die Angeklagten und Zeugen manipuliert werden und wo die Machthaber meinen, sie könnten ihre Tyrannei dadurch sichern, daß sie alles, was sie als „Gesinnungsdelikte" ansehen, im Keim ersticken und unterdrücken.

VI. Wahrheit, Schönheit und sakrale Kunst

2500 Das Tun des Guten ist mit geistiger Freude und moralischer Schönheit verbunden. Desgleichen bringt die Wahrheit Freude und den Glanz geistiger Schönheit mit sich. Die Wahrheit ist von sich aus schön. Die Wahrheit des Wortes ist rationaler Ausdruck der Erkenntnis der geschaffenen und der unerschaffenen Wirklichkeit. Sie ist für den vernunftbegabten Menschen notwendig. Die Wahrheit kann aber auch andere, ergänzende menschliche Ausdrucksformen finden, vor allem dann, wenn das angesprochen werden soll, was sich an ihr nicht in Worte fassen läßt: die Tiefen des menschlichen Herzens, die Erhebungen der Seele und das Mysterium Gottes. Bevor sich Gott dem Menschen in Worten der Wahrheit offenbart, offenbart er sich ihm durch die allgemeine Sprache der Schöpfung, des Werkes seines Wortes, seiner Weisheit, in der Ordnung und Harmonie des Kosmos, die sowohl das Kind als auch der Wissenschaftler entdecken kann. „Von der Größe und Schönheit der Geschöpfe läßt sich auf ihren Schöpfer schließen" (Weish 13,5), „denn der Urheber der Schönheit hat sie geschaffen" (Weish 13,3).

Die Weisheit „ist ein Hauch der Kraft Gottes und reiner Ausfluß der Herrlichkeit des Allherschers; darum fällt kein Schatten auf sie. Sie ist der Widerschein des ewigen Lichts, der ungetrübte Spiegel von Gottes Kraft, das Bild seiner Vollkommenheit" (Weish 7, 25-26). „Sie ist schöner als die Sonne und übertrifft jedes Sternbild. Sie ist strahlender als das Licht; denn diesem folgt die Nacht, doch über die Weisheit siegt keine Schlechtigkeit" (Weish 7,29-30). „Ich fand Gefallen an ihrer Schönheit" (Weish 8,2).

2501 Weil der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen [Vgl. Gen 1,26] ist, bringt er die Wahrheit seiner Beziehung zu Gott, dem Schöpfer, auch durch die Schönheit seiner Kunstwerke zum Ausdruck. Die Kunst ist eine dem Menschen eigentümliche Ausdrucksform. Sie geht über das allen Lebewesen gemeinsame Streben nach dem Lebensnotwendigen hinaus; sie ist ein freies Überströmen des inneren Reichtums des Menschen. Einem vom Schöpfer geschenkten Talent und der Anstrengung des Menschen entstammend, ist die Kunst eine Form der praktischen Weisheit. In ihr vereinen sich Erkenntnis und Können [Vgl. Weish 7,17], um der Wahrheit einer Wirklichkeit in einer dem Sehen oder dem Hören verständlichen Sprache Gestalt zu verleihen. Soweit sich die Kunst von der Wahrheit der Geschöpfe und der Liebe zu ihnen inspirieren läßt, weist sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der Tätigkeit Gottes in der Schöpfung auf. Wie jede andere menschliche Tätigkeit hat die Kunst ihr absolutes Ziel nicht in sich selbst, sondern empfängt ihre Ordnung vom letzten Ziel des Menschen und wird durch dieses veredelt [Vgl. Pius XII., Ansprachen vom 25. Dezember 1955 und vom 3. September 1950].

2502 Die sakrale Kunst ist wahr und schön, wenn sie durch die Form ihrer Berufung entspricht: im Glauben und in der Anbetung das transzendente Mysterium Gottes erahnen zu lassen und zu verherrlichen - die unsichtbare, über alles erhabene Schönheit der Wahrheit und Liebe, die in Christus erschienen ist, der „Abglanz" von Gottes „Herrlichkeit und ... Abbild seines Wesens" (Hebr 1,3) ist, und in dem „die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig" wohnt (Kol 2,9). Diese geistige Schönheit spiegelt sich in der seligen Jungfrau und Gottesmutter, den Engeln und den Heiligen wider. Die wahre sakrale Kunst versetzt den Menschen in Anbetung, in Gebet und Liebe zu Gott dem Schöpfer und Retter, dem Heiligen und Heilig machen den.

2503 Deswegen sollen die Bischöfe entweder selbst oder durch Beauftragte dafür sorgen, daß die alte und die neue sakrale Kunst in allen ihren Formen gefördert werden. Mit der gleichen religösen Sorgfalt sollen sie von der Liturgie und den Kultgebäuden alles fernzuhalten suchen, was der Glaubenswahrheit und der echten Schönheit der sakralen Kunst nicht entspricht [Vgl. SC 122-127.].

Kurztexte

2504 Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen (Ex 20 16). Die Jünger Christi haben den neuen Menschen angezogen der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit (Eph 4 24).

2505 Die Wahrheit oder Wahrhaftigkeit ist die Tugend die darin besteht daß sich der Mensch in seinen Handlungen wahr verhalt und in seinen Worten das Wahre sagt indem er sich vor Doppelzüngigkeit Verstellung und Heuchelei hütet.

2506 Der Christ hat sich des Zeugnisses für unseren Herrn in Wort und Tat nicht zu schämen (2 Tim 1 8). Das Martyrium ist das erhabenste Zeugnis für die Wahrheit des Glaubens.

2507 Die Rücksicht auf den guten Ruf und die Ehre der Menschen verbietet üble Nachrede und Verleumdung in Haltung oder Worten.

2508 Die Lüge besteht dann die Unwahrheit zu sagen in der Absicht den Nächsten der ein Recht auf die Wahrheit hat zu tauschen.

2509 Eine Verfehlung gegen die Wahrheit verlangt Wiedergutmachung.

2510 Die Goldene Regel laßt in konkreten Situationen unterscheiden ob die Wahrheit dem der nach ihr fragt, mitgeteilt werden soll oder nicht.

2511 Das Beichtgeheimnis ist unverletzlich ( [link] CIC can 983 § 1) Berufsgeheimnisse sind zu wahren Vertrauliche Mitteilungen die anderen schaden könnten dürfen nicht verbreitet werden.

2512 Die Gesellschaft hat Anrecht auf eine Information, die auf Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit beruht Beim Gebrauch der Massenmedien hat man maß und zuchtvoll zu sein.

2513 Die schonen Künste vor allem die sakrale Kunst sind ausgerichtet auf die unendliche Schönheit Gottes, die in menschlichen Werken zum Ausdruck kommen soll und sie sind um so mehr Gott seinem Lob und seiner Herrlichkeit geweiht als ihnen kein anderes Ziel gesetzt ist als durch ihre Werke den Sinn der Menschen in heiliger Verehrung auf Gott zu wenden (SC 122).

Artikel 9
Das Neunte Gebot

„Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgend etwas, das deinem Nächsten gehört" (Ex 20, 17).

„Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen" (Mt 5,28).

2514 Der hl. Johannes unterscheidet drei Arten der Begehrlichkeit oder Begierde: die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und die Hoffart der Welt [Vgl. 1 Joh 2,16 Vgl]. Gemäß der katholischen katechetischen Tradition verbietet das neunte Gebot die fleischliche Begierde, das zehnte die Begierde nach fremdem Besitz.

2515 Seiner etymologischen Bedeutung nach kann das Wort „Begierde" jede heftige Form des menschlichen Verlangens bezeichnen. Die christliche Theologie versteht darunter eine Regung des sinnlichen Strebevermögens, die sich der menschlichen Vernunft widersetzt. Der hi. Apostel Paulus gebraucht das Wort für das Aufbegehren des „Fleisches" wider den „Geist" [Vgl. Gal 5,16.17.24; Eph 2,3]. Die Begierde entstammt dem Ungehorsam der ersten Sünde [Vgl. Gen 3,11]. Auch wenn die Begierde selbst keine Verfehlung ist, stört sie doch die Ordnung der sittlichen Kräfte des Menschen und macht diesen geneigt, Sünden zu begehen [Vgl. K. v. Trient DS 1515.].

2516 Weil der Mensch ein aus Geist und Leib zusammengesetztes Wesen ist, besteht in ihm eine gewisse Spannung; die Neigungen des Geistes und die des Leibes liegen in einem gewissen Widerstreit. Aber dieser Konflikt ist ein Erbe der Sünde; er folgt aus ihr und bestätigt sie zugleich. Wir erleben ihn im täglichen geistlichen Kampf.

„Dem Apostel geht es nicht darum, den Leib zu diskriminieren und zu verurteilen, der zusammen mit der Geistseele die Natur des Menschen und seine personale Subjektivität bildet; er handelt vielmehr von den Werken oder besser von den habituellen Verhaltensweisen - Tugenden und Lastern - die sittlich gut oder böse sind als Frucht der Unterordnung (im ersten Fall) oder des Widerstandes (im zweiten) gegen das Heilswirken des Heiligen Geistes. Deshalb schreibt der Apostel: ‚Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen‘ (Gal 5,25)" (DeV 55).

I. Läuterung des Herzens

2517 Das Herz ist der Sitz der sittlichen Persönlichkeit: „Aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht" (Mt 15,19). Beim Kampf gegen das Begehren des Fleisches bedarf es der Läuterung des Herzens und des Maßhaltens.

„Bewahre dich in Einfachheit und Unschuld, und du wirst wie die kleinen Kinder sein, die das Böse, das das Menschenleben zerstört, nicht kennen." (Hermas, mand. 2,1).

2518 Die sechste Seligpreisung verkündet: „Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen" (Mt 5,8). Ein „reines Herz" haben jene, die ihren Verstand und ihren Willen mit den Forderungen der Heiligkeit Gottes in Einklang gebracht haben, vor allem in drei Bereichen: in dem der christlichen Liebe [Vgl. 1 Tim 4,3-9; 2 Tim 2,22], dem der Keuschheit oder geschlechtlichen Lauterkeit [Vgl. 1 Thess 4,7; Kol 3,5; Eph 4,19], und in dem der Wahrheitsliebe und der Rechtgläubigkeit [Vgl. Tit 1,15;1 Tim 1,3-4; 2Tim 2,23-26]. Die Reinheit des Herzens, des Leibes und des Glaubens stehen miteinander in Verbindung.

Die Christen müssen die Artikel des Symbolum glauben, „damit. sie als Glaubende Gott gehorchen; als Gehorchende sittlich gut leben; als sittlich gut Lebende ihr Herz läutern, und als ihr Herz Läuternde das, was sie glauben, erfassen" (Augustinus, fid. et symb. 10,25).

2519 Den „Herzensreinen" ist verheißen, daß sie Gott von Angesicht zu Angesicht schauen und ihm ähnlich sein werden [Vgl. 1 Kor 13,12; 1 Joh 3,2]. Ein reines Herz ist Voraussetzung der Gottesschau. Schon heute befähigt es uns, die Dinge im Lichte Gottes zu sehen und andere als „Nächste" anzunehmen. Es läßt uns den menschlichen Leib, unseren eigenen wie den des Nächsten, als Tempel des Heiligen Geistes, als Spur der göttlichen Schönheit wahrnehmen.

II. Kampf um die Reinheit

2520 Die Taufe verleiht dem Täufling die Gnade der Reinigung von allen Sünden. Der Getaufte muß aber weiterhin gegen die Begierde des Fleisches und die ungeordnete Begehrlichkeit ankämpfen. Mit der Gnade Gottes gelingt ihm das

- durch die Tugend und Gabe der Keuschheit, denn die Keuschheit ermöglicht, mit aufrichtigem und ungeteiltem Herzen zu lieben;

durch die lautere Absicht, die das wahre Ziel des Menschen ins Auge faßt, denn der Getaufte sucht mit arglosem Auge in allem den Willen Gottes zu erkennen und zu erfüllen [Vgl. Röm 12,2; Kol 1,10];

- durch die äußerlich und innerlich lautere Sichtweise, durch die Beherrschung der Gefühle und der Phantasie, durch die Zurückweisung jedes

Wohlgefallens an unreinen Gedanken, die zur Abkehr vom Weg der göttlichen Gebote verleiten: Der „Anblick erregt die Sehnsucht der Toren" (Weish 15,5);

- durch das Gebet:

„Ich glaubte, die Enthaltsamkeit sei Sache der eigenen Kraft ... denn in meiner Torheit wußte ich nicht, was geschrieben steht: daß ‚keiner enthaltsam sein kann, außer wem Gott es gibt‘. Du hättest es mir gegeben, wenn ich mit innerlichem Seufzen dein Ohr bestürmt und in gefestigtem Glauben meine Sorge auf dich geworfen hätte" (Augustinus, conf. 6,11,20).

2521 Reinheit verlangt Schamhaftigkeit. Diese ist ein wesentlicher Bestandteil der Mäßigung. Die Schamhaftigkeit wahrt den Intimbereich des Menschen. Sie weigert sich, zu enthüllen, was verborgen bleiben soll. Sie ist auf die Keuschheit hingeordnet, deren Feingefühl sie bezeugt. Sie lenkt Blicke und Gesten entsprechend der Würde der Menschen und ihrer Verbundenheit.

2522 Die Schamhaftigkeit schützt das Geheimnis der Personen und ihrer Liebe. Sie lädt zu Geduld und Mäßigung in der Liebesbeziehung ein; sie verlangt, daß die Bedingungen der endgültigen Bindung und wechselseitigen Hingabe von Mann und Frau erfüllt seien. Zur Schamhaftigkeit gehört auch Bescheidenheit. Sie beeinflußt die Wahl der Kleidung. Wo sie die Gefahr einer ungesunden Neugier vermutet, gebietet sie Schweigen und Zurückhaltung. Sie wahrt Diskretion.

2523 Es gibt eine Schamhaftigkeit der Gefühle wie des Körpers. Sie erhebt z. B. Einspruch gegen die „voyeuristische" Ausbeutung des menschlichen Körpers in gewissen Reklamen oder gegen die Bestrebungen mancher Medien, bei der Enthüllung intimer Dinge zu weit zu gehen. Die Schamhaftigkeit regt zu einer Lebensweise an, die den Zwängen der Mode und dem Druck vorherrschender Ideologien widersteht.

2524 Die Ausdrucksformen der Schamhaftigkeit sind von Kultur zu Kultur verschieden. Überall wohnt ihnen jedoch die Ahnung einer dem Menschen eigenen geistigen Würde inne. Sie entsteht durch das Erwachen des personalen Bewußtseins. Kinder und Jugendliche zur Schamhaftigkeit erziehen heißt, Achtung vor der menschlichen Person zu wecken.

2525 Die christliche Reinheit erfordert eine Reinigung des gesellschaftlichen Umfeldes. Sie verlangt von den Massenmedien jene Ausdrucksweise, die auf Rücksichtnahme und Zurückhaltung bedacht ist. Herzensreinheit befreit von diffuser Erotik und meidet Schauspiele, die Voyeurismus und Sinnestäuschung begünstigen.

2526 Die sogenannte Permissivität der Sitten beruht auf einer irrigen Auffassung von der menschlichen Freiheit. Die Entwicklung der Freiheit bedarf der Erziehung durch das sittliche Gesetz. Von den Erziehern ist zu verlangen, daß sie der Jugend eine Unterweisung vermitteln, welche die Wahrheit, die Eigenschaften des Herzens und die sittliche und geistige Würde des Menschen achtet.

2527 „Die gute Botschaft Christi erneuert unausgesetzt Leben und Kultur des gefallenen Menschen und bekämpft und beseitigt Irrtümer und Übel, die aus der stets drohenden Verführung zur Sünde hervorgehen. Unablässig reinigt und hebt sie die Sitten der Völker. Die geistigen Vorzüge und Anlagen eines jeden Volkes oder einer jeden Zeit befruchtet sie sozusagen von innen her mit überirdischen Gaben, festigt, vollendet und erneuert sie in Christus" (GS 58,4).

Kurztexte

2528 Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen (Mt 5 28).

2529 Das neunte Gebot warnt vor der fleischlichen Begierde oder Begehrlichkeit.

2530 Der Kampf gegen die fleischliche Begierde geschieht durch Läuterung des Herzens und Übung des Maßhaltens.

2531 Die Reinheit des Herzens wird uns Gott schauen lassen. Sie läßt uns schon jetzt alles im Lichte Gottes sehen.

2532 Zur Läuterung des Herzens braucht es Gebet Keuschheit Reinheit der Absicht und des Blickes.

2533 Die Herzensreinheit erfordert Schamhaftigkeit die in Geduld Bescheidenheit und Feingefühl besteht. Das Schamgefühl behütet die Intimsphäre der Person.

Artikel 10
Das Zehnte Gebot

„Du sollst nicht ... verlangen ... nach irgend etwas, das deinem Nächsten gehört" (Ex 20,17). „Du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren, nicht sein Feld, seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel, nichts, was deinem Nächsten gehört" (Dtn 5,21).

„Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz" (Mt 6,21).

2534 Das zehnte Gebot verdoppelt und ergänzt das neunte, das die Begierde des Fleisches betrifft. Es untersagt, fremdes Gut zu begehren, denn daraus gehen Diebstahl, Raub und Betrug hervor, die das siebte Gebot verbietet. Die „Begierde der Augen" [Vgl. 1 Joh 2,16] führt zu Gewalttätigkeit und Ungerechtigkeit, die durch das fünfte Gebot verboten sind [Vgl. Mich 2,2]. Die Begierde wurzelt, wie die Unkeuschheit, in dem von den drei ersten Gesetzesvorschriften untersagten Götzendienst [Vgl. Weish 14,12]. Das zehnte Gebot betrifft die Absicht des Herzens; es faßt, zusammen mit dem neunten, alle Vorschriften des Gesetzes zusammen.

I. Ungeordnetheit der Begierden

2535 Das sinnliche Verlangen läßt uns angenehme Dinge ersehnen, die wir nicht haben. So verlangen wir z. B. nach Essen, wenn wir hungern, oder nach Wärme, wenn wir frieren. Diese Wünsche sind an sich gut, gehen aber oft über das vernünftige Maß hinaus und verleiten uns dazu, ungerechterweise nach etwas zu verlangen, das nicht uns, sondern einem anderen gehört oder zusteht.

2536 Das zehnte Gebot verbietet die Gier und das maßlose Verlangen nach irdischen Gütern; es verbietet die ungezügelte Habsucht, die aus dem unmäßigen, leidenschaftlichen Verlangen nach Reichtum und der damit verbundenen Macht entsteht. Es untersagt auch das Verlangen, eine Ungerechtigkeit zu begehen, die den irdischen Besitz eines anderen schädigen würde:

„Wenn durch das Gesetz verboten wird: ‚Du sollst nicht begehren‘ haben diese Worte den Sinn, daß wir unsere Begierden von fremden Dingen fernhalten; denn der Durst der Begierde nach fremden Dingen ist sehr groß und unendlich und läßt sich nie stillen, wie die Schrift sagt: ‚Der Geizige wird nie genug Geld bekommen‘ (Koh 5,9)" (Catech. R. 3,10,13).

2537 Der Wunsch nach Dingen, die dem Nächsten gehören, verletzt dieses Gebot nicht, sofern man sie sich mit rechten Mitteln verschaffen will. Die herkömmliche Katechese gibt realistisch an, welche Menschen gegen das Laster der Begierlichkeit besonders zu kämpfen haben und die man somit „sorgfältiger zur Einhaltung dieses Gebotes ermahnen muß":

„Kaufleute, die Hungersnot und Teuerung herbeiwünschen, und es ungern sehen, daß es andere neben ihnen gibt, die kaufen oder verkaufen, weil sie sonst teurer verkaufen und billiger kaufen könnten. In dieser Sache sündigen auch jene, die wünschen, daß andere Not leiden, damit sie beim Verkaufen oder Kaufen selber Gewinn machen ... auch die Ärzte, die Krankheiten wünschen; die Rechtsgelehrten, die viele schwere Fälle und Streitereien begehren" (Catech. R. 3,10,23).

2538 Das zehnte Gebot verlangt, den Neid aus dem Herzen der Menschen zu verbannen. Als der Prophet Natan den König David zur Reue bewegen wollte, erzählte er ihm die Geschichte vom Armen, der nur ein einziges Schaf besaß, das er wie sein eigenes Kind behandelte, und vom Reichen, der, obwohl er zahlreiche Herden besaß, den Armen beneidete und ihm schließlich sein Schaf wegnah [Vgl. 2 Sam 12,1-4]. Neid kann zu schlimmsten Untaten führen [Vgl. Gen 4,3-7; 1 Kön 21,1-29]. Durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt [Vgl. Weish 2,24.].

„Wir bekämpfen einander, und der Neid bewaffnet uns gegeneinander... Wenn alle so verbissen den Leib Christi zerrütten, wo kommen wir dann hin? Wir sind im Begriff, den Leib Christi zu zermürben ... Wir sagen, wir seien Glieder ein und desselben Leibes, und verschlingen dabei einander wie Raubtiere" (Johannes Chrysostomus, hom. in 2 Cor. 27,3-4).

2539 Der Neid ist eine Hauptsünde. Er besteht darin, daß man traurig ist, weil es einem anderen gut geht, und maßlos danach verlangt, sich dessen Gut selbst auf ungerechte Weise anzueignen. Wer aus Neid dem Nächsten ein schlimmes Übel wünscht, begeht eine Todsünde.

Der hl. Augustinus erblickte im Neid „die teuflische Sünde schlechthin" (catech. 4,8). „Aus dem Neid entstehen Haß, üble Nachrede, Verleumdung, Freude am Unglück des Nächsten und Mißfallen an seinem Wohlergehen" (Gregor d. Gr., mor. 31,45).

2540 Der Neid stellt eine der Formen des Trübsinns dar und somit eine Zurückweisung der Liebe. Der Getaufte soll durch das Wohlwollen gegen ihn ankämpfen. Neid entspringt oft dem Stolz; der Getaufte bemüht sich, in Demut zu leben.

„Möchtet ihr Gott durch euch verherrlicht sehen? Gut, dann freut euch über die Fortschritte eures Bruders, und schon wird Gott durch euch verherrlicht sein. ‚Gott sei gelobt!‘ wird man sagen, weil sein Diener den Neid zu besiegen verstand, indem er sich über die Verdienste der anderen freute" (Johannes Chrysostomus, horn. in Rom. 7,5).

II. Die Absicht des Heiligen Geistes

2541 Die Ordnung des Gesetzes und der Gnade wendet das Herz der Menschen von Habsucht und Neid ab; sie leitet es an, nach dem höchsten Gut zu verlangen; sie belehrt es über den Willen des Heiligen Geistes, der das Menschenherz sättigt. Der Gott der Verheißungen hat den Menschen von jeher vor der Verlockung durch das gewarnt, was schon im Paradies als gut zu essen, lieblich anzusehen und begehrenswert erschien [Vgl. Gen 3,6].

2542 Das dem Volk Israel anvertraute Gesetz konnte niemals die ihm unterstellten Menschen rechtfertigen; es ist sogar zum Werkzeug der „Begierde" geworden [Vgl. Röm 7,7]. Die Kluft zwischen dem Wollen und dem Tun [Vgl. Röm 7,10] zeigt den Konflikt zwischen dem Gesetz Gottes, nämlich dem „Gesetz der Vernunft", und einem anderen Gesetz, das „mich gefangenhält im Gesetz der Sünde, von dem meine Glieder beherrscht werden" (Röm 7,23).

2543 „Jetzt aber ist unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbart worden, bezeugt vom Gesetz und von den Propheten: die Gerechtigkeit Gottes aus dem Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben" (Röm 3,21-22). Folglich haben die an Christus Glaubenden „das Fleisch und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt" (Gal 5,24); sie lassen sich durch den Heiligen Geist leiten [Vgl. Röm 8,14] und folgen seiner Absicht [Vgl. Röm 8,27].

III. Armut des Herzens

2544 Jesus macht es seinen Jüngern zur Pflicht, ihn allem und allen Vorzuziehen, und schlägt ihnen vor, um seinetwillen und um des Evangeliums willen [Vgl. Mk 8,35] auf ihren „ganzen Besitz" zu verzichten (Lk 14,33). Kurz vor seinem Leiden stellt er ihnen die arme Witwe von Jerusalem als Vorbild hin, die, obwohl selbst bedürftig, alles gab, was sie zum Leben besaß [Vgl. Lk 21,4]. Das Gebot der Loslösung von den Besitztümern zu erfüllen, ist notwendig, um in das Himmelreich zu gelangen.

2545 Alle Christgläubigen sollen „ihre Willensantriebe richtig leiten, um nicht im Umgang mit Dingen der Welt und durch die Anhänglichkeit an die Reichtümer wider den Geist der evangelischen Armut im Streben nach vollkommener Liebe gehindert zu werden" (LG 42).

2546 „Selig, die arm sind im Geiste" (Mt 5,3). Die Seligpreisungen offenbaren eine Ordnung der Freude und der Gnade, der Schönheit und des Friedens. Jesus preist die Freude der Armen, denen das Reich Gottes schon gehört [Vgl. Lk 6,20].

„Das Wort [das heißt Christus] bezeichnet als ‚Armut im Geiste‘ die willige Demut und Entsagung eines menschlichen Geistes, und der Apostel stellt uns die Armut Gottes als Beispiel hin, wenn er sagt: ‚Er ist unseretwegen arm geworden‘ (2 Kor 8,9)" (Gregor v. Nyssa, beat. 1).

2547 Der Herr beklagt die Reichen, weil sie im Überfluß der Güter ihren Trost finden [Vgl. Lk 6,24]. „Der Stolze strebt nach irdischer Macht, während der Arme im Geist nach dem Himmelreich sucht" (Augustinus, serm. Dom. 1,1,3). Wer sich auf die Vorsehung des himmlischen Vaters verläßt, wird von unruhiger Sorge um seine Zukunft befreit [Vgl. Mt 6. 25-34]. Das Vertrauen auf Gott ist eine Vorbereitung auf die Seligkeit der Armen. Sie werden Gott schauen.

IV. „Ich will Gott schauen"

2548 Das Verlangen nach dem wahren Glück befreit den Menschen von maßloser Anhänglichkeit an die Güter dieser Welt und findet seine Erfüllung in der Schau und der Seligkeit Gottes. Die Verheißung, Gott zu schauen, „geht über alle Seligkeit hinaus ... In der Schrift ist Schauen gleichbedeutend mit Besitzen ... Wer Gott schaut, hat alle Güter erlangt, die man sich nur denken kann" (Gregor v. Nyssa, beat. 6).

2549 Noch muß das heilige Volk mit Hilfe der Gnade von oben kämpfen, um die von Gott versprochenen Güter zu erlangen. Um Gott zu besitzen und zu schauen, töten die an Christus Glaubenden ihre Begierden und siegen mit der Gnade Gottes über die Verlockungen von Genuß und Macht.

2550 Auf diesem Weg zur Vollkommenheit rufen der Geist und die Braut jeden, der auf sie hört [Vgl. Offh 22,17], zur vollkommenen Gemeinschaft mit Gott:

„Dort wird es wahre Verherrlichung geben, wo das Lob weder dem Irrtum ausgesetzt noch von Schmeicheleien angekränkelt ist; wahre Ehre, die keinem Würdigen versagt, keinem Unwürdigen zuteil wird; es wird sich gar kein Unwürdiger darum bemühen, wo nur Würdige sich aufhalten dürfen. Wahrer Friede wird herrschen, wo keiner Widriges zu erfahren hat von sich selbst oder von einem anderen. Der Lohn der Tugend wird Gott selbst sein, der die Tugend verliehen und ihr sich selbst in Aussicht gestellt hat, das Größte und Beste, was es geben kann ... ‚Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein‘ (Lev 26,12) ... In diesem Sinn ist auch das Wort des Apostels aufzufassen: ‚Auf daß Gott alles in allem sei‘ (1 Kor 15,12). Der wird unseres Sehnens Ende sein, den man ohne Ende schaut, ohne Überdruß liebt, ohne Ermüdung preist. Diese Gnadengabe, diese Zuneigung, diese Tätigkeit wird, wie das ewige Leben selbst, sicher allen gemeinsam sein" (Augustinus, civ. 22,30).

Kurztexte

2551 „ Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz" (Mt 6, 21).

2552 Das zehnte Gebot verbietet die Habgier die aus maßlosem leiden schaftlichem Verlangen nach Reichtum und der damit verbundenen Macht entsteht.

2553 Neid besteht in der Traurigkeit über das Gut eines anderen und im ungezügelten Verlangen es sich anzueignen Neid ist ein Hauptlaster.

2554 Der Getaufte bekampft den Neid durch Wohlwollen. Demut und Hingabe an die Vorsehung Gottes.

2555 Die an Christus Glaubenden haben das Fleisch und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt (Gal 5 24): sie lassen sich durch den Heiligen Geist leiten und halten sich an seinen Willen.

2556 Um in das Himmelreich einzugehen muß man sich von den Reichtümern lösen. „Selig, die arm sind im Geiste!"

2557 Der Mensch voll Sehnsucht sagt: „Ich will Gott schauen". Der Durst nach Gott wird durch das Wasser des ewigen Lebens gestillt [Vgl. Joh 4,14.].


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Quelle: http://www.vatican.va/



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