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Katechismus der Katholischen Kirche /
Dritter Teil: Das Leben In Christus
Erster Abschnitt - Die Berufung Des Menschen: Das Leben Im Heiligen Geist
Drittes Kapitel - Das Heil Gottes: Das
Gesetz Und Die Gnade
1949 Zur Seligkeit berufen, aber durch die Sünde verwundet, bedarf der
Mensch des Heiles Gottes. Die göttliche Hilfe wird ihm in Christus durch
das Gesetz, das ihn leitet, und in der Gnade, die ihn stärkt, zuteil.
„Müht euch mit Furcht und Zittern um euer Heil! Denn Gott ist es, der
in euch das Wollen und Vollbringen bewirkt, nach seinem Wohlgefallen"
(Phil 2,12-13).
Artikel 12
Das Sittliche Gesetz
1950 Das sittliche Gesetz ist Werk der göttlichen Weisheit. Man kann
es im biblischen Sinn als eine väterliche Unterweisung, eine Pädagogik
Gottes bezeichnen. Es schreibt dem Menschen die Wege und die Verhaltensregeln
vor, die zur verheißenen Seligkeit führen; es verbietet die Wege zum Bösen,
die von Gott und seiner Liebe wegführen. Es ist zugleich fest in seinen
Geboten und liebenswert in seinen Verheißungen.
1951 Das Gesetz ist eine von der zuständigen Autorität im Blick auf das
Gemeinwohl angeordnete Verhaltensregel. Das sittliche Gesetz setzt die
vernunftgemäße Ordnung unter den Geschöpfen voraus, die durch die Macht,
Weisheit und Güte des Schöpfers zu ihrem Wohl und im Blick auf ihr Ziel
festgelegt worden ist. Jedes Gesetz hat im ewigen Gesetz seine erste und
letzte Wahrheit. Das Gesetz wird von der Vernunft ausgesprochen und festgelegt
als eine Teilhabe an der Vorsehung des lebendigen Gottes, des Schöpfers
und Erlösers aller. „Diese Anordnung der Vernunft nennt man das Gesetz"
(Leo XIII., Enz. „Libertas præstantissimum", Thomas v. A., s. th.
1-2,90,1 zitierend).
„Unter allen beseelten Wesen kann einzig der Mensch sich rühmen, gewürdigt
worden zu sein, von Gott ein Gesetz zu empfangen. Als vernunftbegabtes
Lebewesen, das zu verstehen und zu unterscheiden fähig ist, soll er
das Verhalten seiner Freiheit und seiner Vernunft entsprechend regeln
in Unterordnung unter den, der ihm alles übergeben hat" (Tertullian,
Marc. 2,4).
1952 Die verschiedenen Ausdrucksformen des moralischen Gesetzes sind
alle aufeinander abgestimmt: das ewige Gesetz, der göttliche Ursprung
aller Gesetze; das natürliche Sittengesetz; das geoffenbarte Gesetz, das
aus dem alten Gesetz und dem neuen Gesetz des Evangeliums besteht; schließlich
die staatlichen und kirchlichen Gesetze.
1953 Das sittliche Gesetz findet in Christus seine Fülle und Einheit.
Jesus Christus ist in Person der Weg zur Vollkommenheit. Er ist das Ende
des Gesetzes, denn er allein lehrt und schenkt die Gerechtigkeit Gottes:
„Christus ist das Ende des Gesetzes, und jeder, der an ihn glaubt, wird
gerecht" (Röm 10,4).
I. Das Natürliche Sittengesetz
1954 Der Mensch hat an der Weisheit und Güte des Schöpfers teil, der
ihm die Herrschaft über seine Taten gibt und ihm die Fähigkeit verleiht,
sich selbst im Hinblick auf die Wahrheit und das Gute zu leiten. Das natürliche
Gesetz bringt das grundlegende sittliche Wissen zum Ausdruck, das dem
Menschen ermöglicht, durch die Vernunft zwischen Gut und Böse, Wahrheit
und Lüge zu unterscheiden.
Das natürliche Sittengesetz ist „das vornehmste von allen, das in die
Herzen der einzelnen Menschen geschrieben und eingemeißelt ist, weil es
selbst die menschliche Vernunft ist, die recht zu handeln befiehlt und
zu sündigen verbietet. Diese Vorschrift der menschlichen Vernunft kann
aber nur dann die Kraft eines Gesetzes haben, wenn sie die Stimme und
Auslegerin einer höheren Vernunft ist, der unser Geist und unsere Freiheit
unterworfen sein müssen" (Leo XIII., Enz. „Libertas præstantissimum").
1955 „Die Kenntnis des göttlichen und natürlichen Sittengesetzes"
(GS 89,1) zeigt dem Menschen den Weg, an den er sich halten muß, um das
Gute zu tun und sein Ziel zu erreichen. Das natürliche Sittengesetz drückt
die ersten, wesentlichen Gebote aus, die das sittliche Leben regeln. Angelpunkt
des Sittengesetzes ist das Verlangen nach Gott und die Unterordnung unter
ihn, den Quell und Richter alles Guten, sowie der Sinn für den Mitmenschen
als ein ebenbürtiges Wesen. In seinen Hauptgeboten wird es im Dekalog
vorgelegt. Dieses Gesetz wird nicht in bezug auf die Natur der vernunftlosen
Wesen natürlich genannt, sondern weil die Vernunft, die es verkündet,
zur menschlichen Natur gehört.
„Wo sind denn diese Regeln verzeichnet, wenn nicht im Buch des Lichtes,
das man die Wahrheit nennt? Darin ist jedes gerechte Gesetz verzeichnet.
Von da geht es in das Herz des Menschen über, der der Gerechtigkeit
nachkommt -nicht, als ob es in dieses auswanderte, aber es prägt in
es seinen Abdruck ein, so wie ein Siegel, das von einem Ring in das
Wachs übergeht, aber ohne den Ring zu verlassen" (Augustinus, Trin.
14,15,21).
„Das Gesetz der Natur ist nichts anderes als das von Gott in uns hineingelegte
Licht der Vernunft. Durch es erkennen wir, was zu tun und was zu meiden
ist. Dieses Licht und dieses Gesetz hat Gott dem Menschen in der Schöpfung
gegeben" (Thomas v. A., dec. præc. prol.).
1956 Das sittliche Naturgesetz ist im Herzen jedes Menschen zugegen und
durch die Vernunft festgesetzt. Es ist in seinen Vorschriften allgemeingültig,
und seine Autorität erstreckt sich auf alle Menschen. Es bringt die Würde
der Person zum Ausdruck und bestimmt die Grundlage ihrer Grundrechte und
pflichten.
„Es gibt ein wahres Gesetz: das der rechten Vernunft. Es stimmt mit
der Natur überein, ist bei allen Menschen vorhanden und besteht unveränderlich
und ewig. Seine Gebote fordern zur Pflicht auf; seine Verbote verwehren
Verfehlungen ... Es durch ein gegenteiliges Gesetz zu ersetzen, ist
ein Sakrileg. Man darf es auch nicht teilweise aufheben, und niemand
kann es gänzlich abschaffen" (Cicero, rep. 3, 22, 33).
1957 Die Anwendung des natürlichen Sittengesetzes ist vielfältig; sie
kann ein Nachdenken erfordern, das die je nach Ort, Zeit und Umständen
vielfach verschiedenen Lebensbedingungen berücksichtigt. Dennoch bleibt
in der Mannigfaltigkeit der Kulturen das natürliche Gesetz eine Regel,
welche die Menschen untereinander verbindet und ihnen über die unvermeidlichen
Unterschiede hinaus gemeinsame Grundsätze auferlegt.
1958 Das natürliche Sittengesetz ist unveränderlich [Vgl. GS 10] und
überdauert die geschichtlichen Veränderungen; in der Flut der Vorstellungen
und der Sitten bleibt es bestehen und unterstützt ihren Fortschritt. Die
Regeln, die es wiedergeben, bleiben dem Wesen nach gültig. Selbst wenn
man es einschließlich seiner Grundsätze bestreitet, kann man es weder
zerstören noch aus dem Herzen des Menschen reißen. Es taucht im Leben
der einzelnen Menschen und der Gesellschaften immer wieder auf.
„Jedermann weiß, daß dein Gesetz, Herr, den Diebstahl verbietet, und
ebenso das Gesetz, das in die Herzen der Menschen geschrieben ist und
das auch die Ungerechtigkeit nicht auszulöschen vermag" (Augustinus,
conf. 2,4,9).
1959 Das natürliche Sittengesetz liefert als sehr gutes Werk des Schöpfers
das feste Fundament, auf dem der Mensch das Gebäude der moralischen Regeln
aufbauen kann, die seine Entscheidungen leiten sollen. Es ist auch die
unerläßliche sittliche Grundlage für den Aufbau der menschlichen Gemeinschaft.
Es bietet schließlich den notwendigen Boden für das staatliche Gesetz,
das an es gebunden bleibt, sei es durch Schlußfolgerungen aus seinen Grundsätzen,
sei es durch Zusätze positivrechtlicher Art.
1960 Die Gebote des natürlichen Gesetzes werden nicht von allen Menschen
klar und unmittelbar wahrgenommen. Damit religiöse und moralische Wahrheiten
„von allen ohne Schwierigkeit, mit sicherer Gewißheit und ohne Beimischung
eines Irrtums erkannt werden" können (Pius XII., Enz. „Humani generis":
DS 3876), sind dem sündigen Menschen in seiner jetzigen Verfaßtheit Gnade
und Offenbarung notwendig. Das sittliche Naturgesetz verschafft dem geoffenbarten
Gesetz und der Gnade eine Grundlage, die von Gott gelegt und dem Wirken
des Heiligen Geistes angemessen ist.
II. Das Alte Gesetz
1961 Gott, unser Schöpfer und Erlöser, hat sich Israel zu seinem Volk
erwählt und ihm sein Gesetz geoffenbart. So hat er das Kommen Christi
vor bereitet. Das mosaische Gesetz bringt mehrere Wahrheiten zum Ausdruck,
die der Vernunft von Natur aus einsichtig sind, jedoch innerhalb des Heilsbundes
bekanntgemacht und beglaubigt wurden.
1962 Das alte Gesetz ist die erste Stufe des geoffenbarten Gesetzes.
Seine sittlichen Vorschriften sind in den zehn Geboten zusammengefaßt.
Die Gebote des Dekalogs legen die Grundlagen der Berufung des Menschen,
der nach dem Bilde Gottes geschaffen ist. Sie untersagen, was gegen die
Liebe zu Gott und zum Nächsten verstößt, und schreiben vor, was für sie
wesentlich ist. Der Dekalog ist ein Licht für das Gewissen jedes Menschen,
um ihn auf den Ruf und die Wege Gottes hinzuweisen und ihn vor dem Bösen
zu schützen.
„Gott hat auf die Gesetzestafeln das geschrieben, was die Menschen
nicht in ihren Herzen lasen" (Augustinus, Psal. 57,1).
1963 Gemäß der christlichen Überlieferung ist das heilige [Vgl. Röm 7,12],
geistige [Vgl. Röm 7,14] und gute [Vgl. Röm 7,16] Gesetz noch unvollkommen.
Wie ein Lehrmeister [Vgl. Gal 3,4] zeigt es uns, was zu tun ist, gibt
aber nicht von sich aus die Kraft, die Gnade des Heiligen Geistes, zu
seiner Erfüllung. Weil es die Sünde nicht wegnehmen kann, bleibt es ein
Gesetz der Knechtschaft. Dem hi. Paulus zufolge hat es insbesondere die
Aufgabe, die Sünde anzuklagen und ans Licht zu bringen, die im Herzen
des Menschen ein Gesetz der Begierlichkeit bildet [Vgl. Röm 7]. Immerhin
bleibt das Gesetz auf dem Weg zum Gottesreich die erste Stufe. Es bereitet
das auserwählte Volk und jeden Christen auf die Bekehrung und den Glauben
an den rettenden Gott vor. Es bietet eine Lehre, die - wie das Wort Gottes
- für immer besteht.
1964 Das alte Gesetz ist eine Vorbereitung auf das Evangelium. „Das Gesetz
war eine Pädagogik und eine Weissagung der zukünftigen Güter" (Irenäus,
hæer. 4,15,1). Es kündigt das Werk der Befreiung von der Sünde an, das
mit Christus vollendet wird; es liefert dem Neuen Testament die Bilder,
„Typen", Symbole, um das Leben nach dem Geiste zu veranschaulichen.
Das Gesetz wird vervollständigt durch die Lehre der Weisheitsbücher und
der Propheten, die es auf den Neuen Bund und das Himmelreich ausrichten.
„Manche, die in der Zeit des Alten Bundes lebten, hatten die Liebe
und die Gnade des Heiligen Geistes und erwarteten hauptsächlich geistige
und ewige Verheißungen; und insofern gehörten sie zum neuen Gesetz.
- Ebenso sind im Neuen Testament manche fleischliche Menschen noch nicht
zur Vollkommenheit des neuen Gesetzes gelangt. Diese mußten auch im
Neuen Testament durch Furcht vor Strafen und durch gewisse zeitliche
Verheißungen zu den Tugendwerken geführt werden. Wenn das alte Gesetz
auch die Gebote der Liebe gab, so wurde durch es doch nicht der Heilige
Geist verliehen, durch den ‚die Liebe in unsere Herzen ausgegossen ist‘
(Röm 5,5)" (Thomas v. A., s. th. 1 -2,107,1, ad 2).
III. Das Neue Gesetz - Das Gesetz Des
Evangeliums
1965 Das neue Gesetz, das Gesetz des Evangeliums, ist die vollendete
irdische Gestalt des natürlichen und geoffenbarten göttlichen Gesetzes.
Es ist das Werk Christi und kommt vor allem in der Bergpredigt zum Ausdruck.
Es ist auch das Werk des Heiligen Geistes und wird durch ihn zum inneren
Gesetz der Liebe: Ich werde „mit dem Haus Israel ... einen neuen Bund
schließen ... Ich lege meine Gesetze in ihr Inneres hinein und schreibe
sie ihnen in ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk
sein" (Hebr 8,8_10) [Vgl. Jer 31,31-34].
1966 Das neue Gesetz ist die Gnade des Heiligen Geistes, die den Gläubigen
durch den Glauben an Christus geschenkt wird. Es wirkt durch die Liebe;
es lehrt uns mit Hilfe der Bergpredigt des Herrn, was wir zu tun haben,
und gibt uns durch die Sakramente die Gnade, dies dann auch wirklich zu
tun.
„Wer die Predigt, die unser Herr auf dem Berg gehalten hat, wie wir
sie im Matthäusevangelium lesen, fromm und mit Scharfsinn überdenken
will, wird darin zweifellos das vollkommene Grundgesetz des christlichen
Lebens finden Diese Predigt enthält alle Gebote, die dazu bestimmt sind,
das christliche Leben zu leiten" (Augustinus, serm. Dom. 1,1).
1967 Das Gesetz des Evangeliums „erfüllt" [Vgl. Mt 5,17-19], verfeinert,
überragt und vervollkommnet das alte Gesetz. In den Seligpreisungen erfüllt
es die göttlichen Verheißungen, indem es sie erhebt und auf das Himmelreich
hinordnet. Es wendet sich an jene, die bereit sind, diese neue Hoffnung
gläubig anzunehmen: an die Armen, Demütigen, Betrübten, die Menschen reinen
Herzens und die um Christi willen Verfolgten. So bahnt es die überraschenden
Wege des Reiches Gottes.
1968 Das Gesetz des Evangeliums erfüllt die Gebote des Gesetzes. Die
Bergpredigt schafft die sittlichen Vorschriften des alten Gesetzes keineswegs
ab und setzt sie nicht außer Kraft, sondern offenbart die in ihm verborgenen
Möglichkeiten und läßt aus ihm neue Forderungen hervorgehen; dasneue Gesetz
offenbart die ganze göttliche und menschliche Wahrheit des alten Gesetzes.
Es fügt ihm nicht neue äußere Vorschriften hinzu, sondern erneuert das
Herz, die Wurzel der Handlungen; hier wählt der Mensch zwischen Rein und
Unrein [Vgl. Mt 15,18-19] und hier bilden sich der Glaube, die Hoffnung
und die Liebe und mit ihnen die anderen Tugenden. So bringt das Evangelium
das Gesetz zur Vollendung, indem es fordert, vollkommen zu sein wie der
himmlische Vater [Vgl. Mt 5,48] und der göttlichen Großmut entsprechend
den Feinden zu vergeben und für die Verfolger zu beten [Vgl. Mt 5,44].
1969 Das neue Gesetz vollbringt die Akte der Gottesverehrung - wie Almosengeben,
Beten und Fasten -‚ aber im Blick „auf den Vater, der im Verborgenen sieht",
statt im Verlangen, dabei „von den Menschen gesehen zu werden" [Vgl.
Mt 6,1-6; 16-18]. Das Gebet des neuen Gesetzes ist das Vaterunser [Vgl.
Mt 6,9-13].
1970 Das Gesetz des Evangeliums bringt die entscheidende Wahl zwischen
den „zwei Wegen" [Vgl. Mt 7.13-14] mit sich und verlangt, daß man
die Worte des Herrn in die Tat umsetzt [Vgl. Mt 7, 21-27]. Es ist zusammengefaßt
in der goldenen Regel: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das
tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten" (Mt 7,12)
[Vgl. Lk 6.31].
Das ganze Gesetz des Evangeliums besteht im neuen Gebot Jesu (Joh 13,34),
einander zu lieben, wie er uns geliebt hat [Vgl. Joh 15,12].
1971 Zur Predigt des Herrn kommen die sittlichen Weisungen der Apostel
hinzu [Vgl. etwa Röm 12-15; 1 Kor 12-13; Kol 3-4; Eph 4-5]. Sie geben
die Lehre des Herrn mit der Autorität der Apostel weiter, insbesondere
durch die Darlegung der Tugenden, die sich aus dem Glauben an Christus
ergeben und die durch die Liebe, die Hauptgabe des Heiligen Geistes, beseelt
werden. „Eure Liebe sei ohne Heuchelei ... Seid einander in brüderlicher
Liebe zugetan ... Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis,
beharrlich im Gebet! Helft den Heiligen, wenn sie in Not sind; gewährt
jederzeit Gastfreundschaft!" (Röm 12,9-13). Diese Weisungen lehren
uns auch, Gewissensfälle im Licht unserer Beziehung zu Christus und zur
Kirche zu behandeln [Vgl. Röm 14; 1 Kor 5-10].
1972 Das neue Gesetz wird Gesetz der Liebe genannt, weil es mehr aus
Liebe, die der Heilige Geist eingießt, handeln läßt als aus Furcht. Es
heißt auch Gesetz der Gnade, denn es schenkt die Gnade, aus der Kraft
des Glaubens und der Sakramente zu handeln. Es wird auch als Gesetz der
Freiheit bezeichnet [Vgl. Jak 1,25; 2,12], weil es uns von den rituellen
und rechtlichen Vorschriften des alten Gesetzes befreit, uns bereit macht,
unter dem Antrieb der Liebe spontan zu handeln, und uns aus dem Stand
des Knechtes, „der nicht weiß, was sein Herr tut", in den eines Freundes
Christi erhebt - „denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem
Vater gehört habe" (Joh 15,15) - und in den Stand des erbberechtigten
Sohnes einsetzt [Vgl. Gal 4,1-7.21-31; Röm 8,15].
1973 Das neue Gesetz enthält neben seinen Geboten die evangelischen Räte.
Die überlieferte Unterscheidung zwischen den Geboten Gottes und den evangelischen
Räten wird in bezug auf die Liebe, die Vollkommenheit des christlichen
Lebens, getroffen. Die Gebote sollen aus dem Wege räumen, was sich mit
der Liebe nicht vereinbaren läßt. Ziel der Räte ist es, zu beheben, was
die Entfaltung der Liebe hemmen kann, auch wenn es nicht gegen sie verstößt
[Vgl. Thomas v.A., s. th. 2-2,184,3].
1974 Die evangelischen Räte bekunden die lebendige Fülle der Liebe, die
immer noch mehr schenken möchte. Sie bezeugen ihre Dynamik und fordern
uns zu geistiger Verfügbarkeit auf. Die Vollkommenheit des neuen Gesetzes
besteht wesentlich in den Geboten der Liebe zu Gott und zum Nächsten.
Die Räte geben direktere Wege und tauglichere Mittel dazu an und sollen
je nach der Berufung eines jeden in die Tat umgesetzt werden.
Gott „will nicht, daß jeder alle Räte befolge, sondern nur jene, die
den jeweils verschiedenen Personen, Zeiten, Anlässen und Kräften angemessen
sind, so wie die Liebe es erfordert. Denn sie ist die Königin aller Tugenden,
aller Gebote, aller Räte, kurz aller christlichen Gesetze und Taten und
gibt ihnen allen Rang und Ordnung, Zeit und Wert" (Franz v. Sales,
amour 8,6).
Kurztexte
1975 Gemäß der Schrift ist das Gesetz eine väterliche Unterweisung Gottes
die dem Menschen die Wege vorschreibt die zur verheißenen Seligkeit fuhren
und die Wege zum Bösen verbietet.
1976 Das Gesetz ist nichts anderes als eine Anordnung der Vernunft im
Hinblick auf das Gemeinwohl öffentlich bekanntgegeben von dem der die
Sorge für die Gemeinschaft innehat (Thomas v A s th 1-2 904).
1977 Christus ist das Ende des Gesetzes [Vgl. Röm 10,4]. Ei allein lehrt
und gewahrt die Gerechtigkeit Gottes.
1978 Das natürliche Sittengesetz ist eine Teilhabe des nach dem Bilde
seines Schöpfers geschaffenen Menschen an der Weisheit und Gute Gottes
Es bringt die Wurde der menschlichen Person zum Ausdruck und bildet die
Grundlage ihrer Grundrechte und -pflichten.
1979 Das natürliche Sittengesetz ist unveränderlich und bleibt die ganze
Geschichte hindurch bestehen Die Regeln die dieses Gesetz zum Ausdruck
bringen bleiben der Substanz nach gültig. Es i ist notwendiges Fundament
zum Aufbau der sittlichen Regeln und der staatlichen Gesetzgebung.
1980 Das alte Gesetz ist die erste Stufe des geoffenbarten Gesetzes Seine
sittlichen Vorschriften sind in den zehn Geboten zusammengefaßt.
1981 Das mosaische Gesetz enthält Wahrheiten die der Vernunft von Natur
aus zugänglich sind Gott hat sie geoffenbart weil die Menschen sie nicht
in ihrem Herzen erkannten.
1982 Das alte Gesetz ist eine Vorbereitung auf das Evangelium.
1983 Das neue Gesetz ist die durch den Glauben an Christus empfangene
in der Liebe wirksame Gnade des Heiligen Geistes. Es findet vor allem
in der Bergpredigt des Herrn seinen Ausdruck und teilt uns mit Hilfe der
Sakramente die Gnade mit.
1984 Das Gesetz des Evangeliums erfüllt übersteigt und vervollkommnet
das alte Gesetz Dessen Verheißungen werden durch die Seligpreisungen des
Himmelreiches erfüllt und dessen Gebote durch die Erneuerung des Herzens
dem Ursprung aller Handlungen.
1985 Das neue Gesetz ist ein Gesetz der Liebe der Gnade und der Freiheit.
1986 Das neue Gesetz enthält neben seinen Geboten die evangelischen Rate.
Die Heiligkeit der Kirche wird in besonderer Weise gefordert durch die
vielfachen Rate deren Beobachtung der Herr im Evangelium seinen Jüngern
vorlegt" (LG 42).
Artikel 13
Gnade Und Rechtfertigung
I. Die Rechtfertigung
1987 Die Gnade des Heiligen Geistes hat die Macht, uns zu rechtfertigen,
das heißt von unseren Sünden reinzuwaschen und uns „die Gerechtigkeit
Gottes aus dem Glauben an Jesus Christus" (Röm 3,22) und aus der
Taufe [Vgl. Röm 6,3 - 4] zu schenken:
„Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch
mit ihm leben werden. Wir wissen, daß Christus, von den Toten auferweckt,
nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Denn durch
sein Sterben ist er ein für allemal gestorben für die Sünde, sein Leben
aber lebt er für Gott. So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen,
die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus"
(Röm 6,8-11).
1988 Durch die Macht des Heiligen Geistes nehmen wir am Leiden und an
der Auferstehung Christi teil, indem wir der Sünde sterben und zu einem
neuen Leben geboren werden. Denn wir sind die Glieder seines Leibes, der
Kirche [Vgl. 1 Kor 12], und die Rebzweige, die auf den Weinstock aufgepfropft
sind, welcher er selbst ist [Vgl. Joh 15,1-4].
„Durch den Geist haben wir an Gott teil. Dadurch, daß wir am Geist
teilhaben, werden wir der göttlichen Natur teilhaftig ... Deswegen sind
die, in denen der Geist wohnt, vergöttlicht" (Athanasius, ep. Serap.
1,24).
1989 Das erste Werk der Gnade des Heiligen Geistes ist die Bekehrung,
die die Rechtfertigung bewirkt, wie Jesus zu Beginn des Evangeliums angekündigt
hat: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe" (Mt 4,17). Der Mensch
wird von der Gnade dazu bewogen, sich Gott zuzuwenden und von der Sünde
Abstand zu nehmen. So empfängt er die Vergebung und die Gerechtigkeit
von oben. Darin besteht „die Rechtfertigung selbst, die nicht nur Vergebung
der Sünden ist, sondern auch Heiligung und Erneuerung des inneren Menschen"
(K. v. Trient: DS 1528).
1990 Die Rechtfertigung löst den Menschen von der Sünde, die der Liebe
zu Gott widerspricht, und reinigt sein Herz. Die Rechtfertigung erfolgt
auf die Initiative der Barmherzigkeit Gottes hin, der die Vergebung anbietet.
Sie versöhnt den Menschen mit Gott, befreit von der Herrschaft der Sünde
und heilt.
1991 Die Rechtfertigung besteht zugleich darin, daß man durch den Glauben
an Jesus Christus die Gerechtigkeit Gottes aufnimmt. „Gerechtigkeit"
besagt hier die Geradheit der göttlichen Liebe. Bei der Rechtfertigung
werden Glaube, Hoffnung und Liebe in unsere Herzen gegossen und es wird
uns geschenkt, dem Willen Gottes zu gehorchen.
1992 Die Rechtfertigung wurde uns durch das Leiden Christi verdient,
der sich am Kreuz als lebendige, heilige, Gott wohlgefällige Opfergabe
dargebracht hat und dessen Blut zum Werkzeug der Sühne für die Sünden
aller Menschen geworden ist. Die Rechtfertigung wird uns durch die Taufe,
das Sakrament des Glaubens, gewährt. Sie läßt uns der Gerechtigkeit Gottes
gleichförmig werden, der uns durch die Macht seiner Barmherzigkeit innerlich
gerecht macht. Die Rechtfertigung hat die Verherrlichung Gottes und Christi
sowie die Gabe des ewigen Lebens zum Ziel [Vgl. K. v. Trient: DS 1529].
„Jetzt aber ist unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbart
worden, bezeugt vom Gesetz und von den Propheten: die Gerechtigkeit
Gottes aus dem Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben.
Denn es gibt keinen Unterschied: Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit
Gottes verloren. Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank
seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. Ihn hat Gott dazu
bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, 5ühne, wirksam durch Glauben.
So erweist Gott seine Gerechtigkeit durch die Vergebung der Sünden,
die früher, in der Zeit seiner Geduld, begangen wurden; er erweist seine
Gerechtigkeit in der gegenwärtigen zeit, um zu zeigen, daß er gerecht
ist und den gerecht macht, der an Jesus glaubt" (Röm 3,21-26).
1993 Die Rechtfertigung begründet ein Zusammenwirken zwischen der Gnade
Gottes und der Freiheit des Menschen. Sie äußert sich dadurch, daß der
Mensch dem Wort Gottes, das ihn zur Umkehr auffordert, gläubig zustimmt
und in der Liebe mit der Anregung des Heiligen Geistes zusammenwirkt,
der unserer Zustimmung zuvorkommt und sie trägt.
„Wenn Gott durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes das Herz des
Menschen berührt, bleibt einerseits der Mensch nicht ganz untätig, denn
er nimmt ja jene Eingebung auf, die er auch ablehnen könnte; anderseits
kann er sich doch nicht aus freiem Willen heraus ohne die Gnade Gottes
zur Gerechtigkeit vor ihm erheben" (K. v. Trient: DS 1525).
1994 Die Rechtfertigung ist das erhabenste Werk der Liebe Gottes. Sie
wird in Jesus Christus geoffenbart und durch den Heiligen Geist gewährt.
Der hl. Augustinus ist der Ansicht, daß „die Rechtfertigung des Gottlosen
ein größeres Werk ist als die Erschaffung des Himmels und der Erde",
denn „Himmel und Erde werden vergehen, während das Heil und die Rechtfertigung
der Auserwählten bleiben werden" (ev. Jo. 72,3). Er meint sogar,
die Rechtfertigung der Sünder übertreffe die Erschaffung der Engel in
Gerechtigkeit, da sie von einem noch größeren Erbarmen zeuge.
1995 Der Heilige Geist ist der innere Meister. Die Rechtfertigung läßt
den „inneren Menschen" erstehen (Röm 7,22; Eph 3,16) und bringt die
Heiligung des ganzen menschlichen Wesens mit sich.
„Wie ihr eure Glieder in den Dienst der Unreinheit und der Gesetzlosigkeit
gestellt habt, so daß ihr gesetzlos wurdet, so stellt jetzt eure Glieder
in den Dienst der Gerechtigkeit, so daß ihr heilig werdet ... Jetzt,
da ihr aus der Macht der Sünde befreit und zu Sklaven Gottes geworden
seid, habt ihr einen Gewinn, der zu eurer Heiligung führt und das ewige
Leben bringt" (Röm 6,19.22).
II. Die Gnade
1996 Wir haben unsere Rechtfertigung der Gnade Gottes zu verdanken. Die
Gnade ist das Wohlwollen, die ungeschuldete Hilfe, die Gott uns schenkt,
um seinem Ruf zu entsprechen. Denn unsere Berufung ist es, Kinder Gottes
zu werden [Vgl. Joh 1,12-18], seine Adoptivsöhne [Vgl. Röm 8, 14-17],
teilzuhaben an der göttlichen Natur [Vgl. 2 Petr 1,3-4.] und am ewigen
Leben [Vgl. Joh 17,3.].
1997 Die Gnade ist eine Teilhabe am Leben Gottes; sie führt uns in das
Innerste des dreifaltigen Lebens: Durch die Taufe hat der Christ Anteil
an der Gnade Christi, der das Haupt seines Leibes ist. Als ein „Adoptivsohn"
darf er nun in Vereinigung mit dem eingeborenen Sohn Gott „Vater"
nennen. Er empfängt das Leben des Geistes, der ihm die Liebe einhaucht
und der die Kirche aufbaut.
1998 Diese Berufung zum ewigen Leben ist übernatürlich. Sie ist ganz
dem ungeschuldeten Zuvorkommen Gottes zu verdanken, denn er allein kann
sich offenbaren und sich schenken. Sie geht über die Verstandes- und Willenskräfte
des Menschen und jedes Geschöpfes hinaus [Vgl. 1 Kor 2,7-9.].
1999 Die Gnade Christi besteht darin, daß uns Gott ungeschuldet sein
Leben schenkt. Er gießt es durch den Heiligen Geist in unsere Seele ein,
um sie von der Sünde zu heilen und sie zu heiligen. Das ist die heiligmachende
oder vergöttlichende Gnade, die wir in der Taufe erhalten haben. Sie ist
in uns der Ursprung des „Heiligungswerkes" [Vgl. Joh 4,14; 7, 38-39].
„Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung:
Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Aber das alles kommt von
Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt" hat (2 Kor 5,17-18).
2000 Die heiligmachende Gnade ist ein bleibendes Geschenk, eine übernatürliche
feste Neigung. Sie vervollkommnet die Seele, um sie zu befähigen, mit
Gott zu leben und aus seiner Liebe zu handeln. Man unterscheidet die sogenannte
habituelle Gnade, das heißt eine bleibende Neigung, entsprechend dem göttlichen
Ruf zu leben und zu handeln, von den sogenannten helfenden Gnaden, das
heißt dem göttlichen Eingreifen zu Beginn der Bekehrung oder im Verlauf
des Heiligungswerkes.
2001 Schon die Vorbereitung des Menschen auf den Empfang der Gnade ist
ein Werk der Gnade. Diese ist notwendig, um unser Mitwirken an der Rechtfertigung
durch den Glauben und an der Heiligung durch die Liebe hervorzurufen und
zu unterstützen. Gott vollendet in uns, was er begonnen hat, „denn er
beginnt, indem er bewirkt, daß wir wollen; er vollendet, indem er mit
unserem schon bekehrten Wollen mitwirkt" (Augustinus, grat. 17).
„Zwar arbeiten auch wir, aber wir arbeiten nur zusammen mit Gott, der
arbeitet. Sein Erbarmen ist uns nämlich zuvorgekommen, damit wir geheilt
wurden, und es folgt uns, damit wir, einmal geheilt, belebt werden;
es kommt uns zuvor, damit wir gerufen werden, und es folgt uns, damit
wir verherrlicht werden; es kommt uns zuvor, damit wir fromm leben,
und folgt uns, damit wir für immer mit Gott leben, denn ohne ihn können
wir nichts tun" (Augustinus, nat. et grat. 31).
2002 Das freie Handeln Gottes erfordert die freie Antwort des Menschen.
Denn Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen und hat ihm zusammen
mit der Freiheit die Fähigkeit verliehen, ihn zu erkennen und zu lieben.
Die Seele kann nur freiwillig in die Gemeinschaft der Liebe eintreten.
Gott berührt das Herz des Menschen unmittelbar und bewegt es direkt. Er
hat in den Menschen eine Sehnsucht nach dem Wahren und Guten gelegt, die
er allein erfüllen kann. Die Verheißungen des „ewigen Lebens" entsprechen
über alle Hoffnung hinaus diesem inneren Verlangen.
„Wenn du am Ende deiner sehr guten Werke am siebten Tag geruht hast,
dann um uns durch die Stimme deines Buches im voraus zu sagen, daß auch
wir am Ende unserer Werke, die deshalb ‚sehr gut‘ sind, weil du sie
uns geschenkt hast, am Sabbat des ewigen Lebens in dir ruhen werden"
(Augustinus, conf. 13, 36,51).
2003 Die Gnade ist in erster Linie die Gabe des Heiligen Geistes, der
uns rechtfertigt und heiligt. Zur Gnade gehören aber auch die Gaben, die
der Geist uns gewährt, um uns an seinem Wirken teilnehmen zu lassen und
uns zu befähigen, am Heil der andern und am Wachstum des Leibes Christi,
der Kirche, mitzuwirken. Dazu gehören die sakramentalen Gnaden, das heißt
Gaben, die den verschiedenen Sakramenten zu eigen sind. Dazu gehören aber
auch die besonderen Gnaden, die entsprechend dem vom hl. Paulus verwendeten
griechischen Ausdruck Charismen genannt werden, der Wohlwollen, freies
Geschenk und Wohltat bedeutet 1. Es gibt verschiedene Charismen, manchmal
außerordentliche wie die Wunder- oder Sprachengabe. Sie alle sind auf
die heiligmachende Gnade hingeordnet und haben das Gemeinwohl der Kirche
zum Ziel. Sie stehen im Dienst der Liebe, welche die Kirche aufbaut [Vgl.
1 Kor 12. - Vgl. K. v. Trient: DS 1533-1534].
2004 Unter den besonderen Gnaden sind die Standesgnaden zu erwähnen,
welche die Ausübung der Pflichten des christlichen Lebens und der Dienste
innerhalb der Kirche begleiten.
„Wir haben unterschiedliche Gaben, je nach der uns verliehenen Gnade.
Hat einer die Gabe prophetischer Rede, dann rede er in Übereinstimmung
mit dem Glauben; hat einer die Gabe des Dienens, dann diene er. Wer
zum Lehren berufen ist, der lehre; wer zum Trösten und Ermahnen berufen
ist, der tröste und ermahne. Wer gibt, gebe ohne Hintergedanken; wer
Vorsteher ist, setze sich eifrig ein; wer Barmherzigkeit übt, der tue
es freudig" (Röm 12,6-8).
2005 Da die Gnade übernatürlich ist, entzieht sie sich unserer Erfahrung
und ist nur durch den Glauben zu erkennen. Wir können uns also nicht auf
unsere Gefühle oder Werke verlassen, um daraus zu folgern, daß wir gerechtfertigt
und gerettet sind [Vgl. K. v. Trient: DS 1533-1534.]. Doch nach dem Wort
des Herrn: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen" (Mt 7,20),
können wir, wenn wir an die Wohltaten Gottes in unserem Leben und im Leben
der Heiligen denken, darin eine Gewähr dafür erblicken, daß die Gnade
in uns am Werk ist. Das ermutigt uns zu einem stets stärkeren Glauben
und zu einer Haltung vertrauender Armut.
Diese Haltung wird besonders gut in der Antwort der hl. Jeanne d‘Arc
auf eine Fangfrage ihrer kirchlichen Richter veranschaulicht: Befragt,
ob sie wisse, daß sie in der Gnade Gottes sei, antwortet sie: „Falls ich
nicht in ihr bin, wolle Gott mich in sie versetzen; falls ich in ihr bin,
möge Gott mich in ihr bewahren" (Jeanne d‘Arc, proc.).
III. Das Verdienst
„Die Schar der Heiligen verkündet deine Größe, denn in der Krönung ihrer
Verdienste krönst du das Werk deiner Gnade" (MR, Präfation von den
Heiligen, nach einem Wort des „Lehrers der Gnade", des hl. Augustinus,
Psal. 102,7).
2006 Das Wort „Verdienst" bezeichnet im allgemeinen die Vergeltung,
die eine Gemeinschaft oder Gesellschaft für die Tat eines ihrer Mitglieder
schuldet, die als Wohltat oder Missetat, als etwas zu Belohnendes oder
zu Bestrafendes empfunden wird. Verdienste zu vergelten, ist Sache der
Tugend der Gerechtigkeit, denn es entspricht dem für sie geltenden Prinzip
der Gleichheit.
2007 Gegenüber Gott gibt es von seiten des Menschen kein Verdienst im
eigentlichen Sinn. Zwischen ihm und uns besteht eine unermeßliche Ungleichheit,
denn wir haben alles von ihm, unserem Schöpfer, empfangen.
2008 Der Mensch hat nur deshalb im christlichen Leben bei Gott ein Verdienst,
weil Gott in Freiheit verfügt hat, den Menschen mit seiner Gnade mitwirken
zu lassen. Ausgangspunkt für dieses Mitwirken ist immer das väterliche
Handeln Gottes, das den Anstoß für das freie Handeln des Menschen gibt,
so daß die Verdienste für gute Werke in erster Linie der Gnade Gottes
und erst dann dem Glaubenden zuzuschreiben sind. Das Verdienst des Menschen
kommt im Grunde Gott zu, denn seine guten Taten gehen in Christus aus
den zuvorkommenden und helfenden Gnaden des Heiligen Geistes hervor.
2009 Die Annahme an Kindes Statt macht uns aus Gnade der göttlichen Natur
teilhaftig. Sie kann uns darum der ungeschuldeten Gerechtigkeit Gottes
entsprechend ein wirkliches Verdienst verleihen. Dies ist ein Recht aus
Gnade, das volle Recht der Liebe, die uns zu „Miterben" Christi macht,
würdig, „das ewige Leben zu gegebener Zeit zu erlangen" (K. v. Trient:
DS 1546). Die Verdienste unserer guten Werke sind Geschenke der göttlichen
Güte [Vgl. K. v. Trient: DS 1548]. „Die Gnade ist vorausgegangen; jetzt
wird vergolten, was geschuldet ist ... Die Verdienste sind Geschenke Gottes"
(Augustinus, serm. 298, 4-5).
2010 Da in der Ordnung der Gnade das erste Handeln Gott zukommt, kann
niemand die erste Gnade verdienen, aus der die Bekehrung, die Vergebung
und die Rechtfertigung hervorgehen. Erst vom Heiligen Geist und der Liebe
dazu angetrieben, können wir uns selbst und anderen die Gnaden verdienen,
die zu unserer Heiligung, zum Wachstum der Gnade und der Liebe sowie zum
Erlangen des ewigen Lebens beitragen. Der Weisheit Gottes gemäß können
selbst zeitliche Güter wie Gesundheit oder Freundschaft verdient werden.
Diese Gnaden und Güter sind Gegenstand des christlichen Gebetes. Dieses
sorgt für die Gnade, die für unsere verdienstlichen Taten unerläßlich
ist.
2011 Die Liebe Christi ist in uns die Quelle all unserer Verdienste vor
Gott. Die Gnade vereint uns in tätiger Liebe mit Christus und gewährleistet
so den übernatürlichen Charakter unserer Taten und folglich ihren Verdienst
vor Gott und den Menschen. Die Heiligen waren sich stets lebhaft bewußt,
daß ihre Verdienste reine Gnade sind:
„Nach der Verbannung auf Erden hoffe ich, in der Heimat mich an dir
zu erfreuen; aber ich will nicht Verdienste für den Himmel sammeln,
sondern allein für deine Liebe arbeiten ... Am Ende dieses Lebens werde
ich mit leeren Händen vor dir erscheinen; denn ich bitte dich nicht,
o Herr, meine Werke zu zählen. All unsere Gerechtigkeit ist voll Makel
in deinen Augen! Ich will mich also mit deiner eigenen Gerechtigkeit
bekleiden und von deiner Liebe den ewigen Besitz deiner selbst erlangen"
(Theresia vom Kinde Jesu, offr.).
IV. Die Christliche Heiligkeit
2012 „Wir wissen, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten
führt denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu
bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser
der Erstgeborene von vielen Brüdern sei. Die aber, die er vorausbestimmt
hat, hat er auch berufen, und die er berufen hat, hat er auch gerecht
gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht"
(Röm 8,28-30).
2013 „Daher ist allen klar, daß alle Christgläubigen jeglichen Standes
oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und Vollkommenheit der Liebe
berufen sind" (LG 40). Alle sind zur Heiligkeit berufen: „Ihr sollt
also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist" (Mt
5,48).
„Zur Erreichung dieser Vollkommenheit sollen die Gläubigen die Kräfte,
die sie nach Maß der Gabe Christi empfangen haben, anwenden, um, ...
indem sie dem Willen des Vaters in allem gehorchen, sich der Ehre Gottes
und dem Dienst am Nächsten mit ganzem Herzen zu verschreiben. So wird
die Heiligkeit des Gottesvolkes zu überreichen Früchten anwachsen, wie
es in der Geschichte der Kirche durch das Leben so vieler Heiliger leuchtend
aufgezeigt wird" (LG 40).
2014 Der geistliche Fortschritt strebt nach immer innigerer Vereinigung
mit Christus. Diese Vereinigung wird „mystisch" genannt, weil sie
durch die Sakramente - „die heiligen Mysterien" - am Mysterium Christi
teilhat und in Christus am Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit. Gott
beruft uns alle zu dieser innigen Vereinigung mit ihm. Besondere Gnaden
oder außerordentliche Zeichen dieses mystischen Lebens werden nur Einzelnen
gewährt, um die uns allen geschenkte Gnade sichtbar zu machen.
2015 Der Weg zur Vollkommenheit führt über das Kreuz. Es gibt keine Heiligkeit
ohne Entsagung und geistigen Kampf [Vgl. 2 Tim 4]. Der geistliche Fortschritt
verlangt Askese und Abtötung, die stufenweise dazu führen, im Frieden
und in der Freude der Seligpreisungen zu leben.
„Wer aufsteigt, hört nie auf, durch endlose Anfänge von Anfang zu Anfang
zu schreiten. Wer aufsteigt, hört nie auf, zu ersehnen, was er schon
kennt" (Gregor von Nyssa, hom. in Cant. 8).
2016 Die Kinder unserer Mutter, der heiligen Kirche, erhoffen die Gnade
der Beharrlichkeit bis zum Ende und die Belohnung durch Gott, ihren Vater,
für die guten Werke, die sie dank seiner Gnade in Gemeinschaft mit Jesus
vollbracht haben [Vgl. K. v. Trient: DS 1576]. Da sie sich an die gleiche
Lebensregel halten, teilen die Gläubigen die „selige Hoffnung" derer,
die das göttliche Erbarmen in der „Heiligen Stadt" versammelt. Dieses
„neue Jerusalem", das von Gott her aus dem Himmel herabkommt, ist
„bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat" (Offb
21,2).
Kurztexte
2017 Die Gnade des Heiligen Geistes schenkt uns die Gerechtigkeit Gottes.
Der Geist vereint uns durch den Glauben und die Taufe mit dem Leiden und
der Auferstehung Christi und laßt uns an dessen Leben teilhaben.
2018 Die Rechtfertigung hat wie die Bekehrung zwei Seiten. Unter dem
Antrieb der Gnade wendet sich der Mensch Gott zu und von der Sünde ab
so empfangt er die Vergebung und die Gerechtigkeit von oben.
2019 Die Rechtfertigung besteht in der Sündenvergebung der Heiligung
und der Erneuerung des inneren Menschen.
2020 Die Rechtfertigung ist uns durch das Leiden Christi verdient worden
und wird uns durch die Taufe gewahrt Sie laßt uns der Gerechtigkeit Gottes
gleichförmig werden die uns gerecht macht Sie hat die Ehre Gottes und
Christi und das Geschenk des ewigen Lebens zum Ziel. Sie ist das vortrefflichste
Werk der Barmherzigkeit Gottes.
2021 Die Gnade ist die Hilfe die Gott uns gewahrt um unserer Berufung
zu entsprechen seine Adoptivkinder zu werden. Sie führt uns in das Innerste
des Lebens der Dreifaltigkeit ein.
2022 Im Werk der Gnade kommt das göttliche Handeln der freien Antwort
des Menschen zuvor fuhrt zu ihr hin und ruft sie hervor Die Gnade entspricht
den tiefen Erwartungen der menschlichen Freiheit sie ruft diese auf mit
ihr mitzuwirken und vervollkommnet sie.
2023 Die heiligmachende Gnade ist die ungeschuldete Gabe, in der Gott
uns sein Leben schenkt. Sie wird vom Heiligen Geist in unsere Seele eingegossen
um sie von der Sünde zu heilen und sie zu heiligen.
2024 Die heiligmachende Gnade macht uns „Gott wohlgefällig". Besondere
Gaben des Heiligen Geistes die Charismen sind auf die heilig machende
Gnade hingeordnet und haben das Gemeinwohl der Kirche zum Ziel. Gott handelt
auch durch vielfältige, helfende Gnaden, die man von der habituellen Gnade,
die in uns dauernd vorhanden ist unterscheidet.
2025 Verdienst vor Gott gibt es für uns nur infolge des freien Ratschlusses
Gottes, den Menschen am Wirken seiner Gnade zu beteiligen. Das Verdienst
gebührt in erster Linie der Gnade Gottes, in zweiter Linie dem Mitwirken
des Menschen. Das Verdienst des Menschen kommt somit Gott zu.
2026 Durch unsere Annahme an Kindes Statt und dank der ungeschuldeten
Gerechtigkeit Gottes kann die Gnade des Heiligen Geistes uns ein wirkliches
Verdienst ermöglichen. Die Liebe ist in uns die Hauptquelle des Verdienstes
vor Gott.
2027 Niemand kann sich die erste Gnade verdienen welche die Bekehrung
bewirkt. Unter dem Antrieb des Heiligen Geistes können wir für uns und
auch für andere die Gnaden verdienen die uns zum ewigen Leben verhelfen
wie auch die notwendigen zeitlichen Güter.
2028 „Daher ist allen klar, daß alle Christgläubigen jeglichen Standes
oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur Vollkommenheit der
Liebe berufen sind (LG 40). Die christliche Vollkommenheit hat nur eine
Grenze die, keine Grenze zu haben" (Gregor von Nyssa, v. Mos).
2029 „Wer mein Junger sein will der verleugne sich selbst, nehme sein
Kreuz auf sich und folge mir nach" (Mt 16 24).
Artikel 14
Die Kirche - Mutter Und Lehrmeisterin
2030 Der Getaufte erfüllt seine Sendung in der Kirche, der Gemeinschaft
aller Getauften. Von der Kirche empfängt er das Wort Gottes, das die Weisungen
des „Gesetzes Christi" (Gal 6,2) enthält. Von der Kirche empfängt
er die Gnade der Sakramente, die ihn auf dem „Weg" stärkt. Die Kirche
gibt ihm das Beispiel der Heiligkeit. In der heiligen Jungfrau Maria erkennt
er die Gestalt und die Quelle dieser Heiligkeit; er gewahrt sie im unverfälschten
Zeugnis derer, die sie leben; er entdeckt sie in der geistlichen Tradition
und in der langen Geschichte der Heiligen, die ihm vorausgegangen sind
und deren jeweiliger Gedenktag in der Liturgie gefeiert wird.
2031 Das sittliche Leben ist ein geistiger Gottesdienst. Im Leib Christi,
den wir bilden, und in Verbindung mit der Darbringung der Eucharistie
bringen wir uns selbst als „lebendiges und heiliges Opfer" dar, das
Gott gefällt (Röm 12,1). In der Liturgie und der Feier der Sakramente
verbinden sich Gebet und Lehre mit der Gnade Christi, um das christliche
Handeln zu erhellen und zu nähren. Wie das ganze christliche Leben findet
das sittliche Leben seine Quelle und seinen Höhepunkt im eucharistischen
Opfer.
I. Sittliches Leben Und Lehramt Der
Kirche
2032 Die Kirche ist „die Säule und das Fundament der Wahrheit" (1
Tim 3, 15). Den „feierlichen Auftrag Christi zur Verkündigung der Heilswahrheit
hat die Kirche von den Aposteln erhalten" (LG 17). „Der Kirche kommt
es zu, immer und überall die sittlichen Grundsätze auch über die soziale
Ordnung zu verkündigen wie auch über menschliche Dinge jedweder Art zu
urteilen, insoweit die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil
der Seelen dies erfordern" ( [link] CIC, can. 747, § 2).
2033 Das Lehramt der Hirten der Kirche auf dem Gebiet der Moral wird
für gewöhnlich in der Katechese und Predigt ausgeübt, mit Hilfe der Werke
der Theologen und der geistlichen Schriftsteller. Unter Leitung und Aufsicht
der Hirten ist das „Vermächtnis" der christlichen Moral von Generation
zu Generation weitergegeben worden. Dieses besteht aus einer unverwechselbaren
Gesamtheit von Regeln, Geboten und Tugenden, welche sich aus dem Glauben
an Christus ergeben und durch die Liebe belebt werden. Diese Katechese
nimmt nach alter Tradition neben dem Glaubensbekenntnis und dem Vaterunser
den Dekalog zur Grundlage, der die für alle Menschen geltenden Grundsätze
des sittlichen Lebens ausspricht.
2034 Der Papst und die Bischöfe sind „authentische, das heißt mit der
Autorität Christi versehene Lehrer, die dem ihnen anvertrauten Volk den
Glauben verkündigen, der geglaubt und auf die Sitten angewandt werden
soll" (LG 25). Das universale ordentliche Lehramt des Papstes und
der in Gemeinschaft mit ihm stehenden Bischöfe lehrt die Gläubigen die
zu glaubende Wahrheit, die zu lebende Liebe und die zu erhoffende Seligkeit.
2035 Die höchste Stufe in der Teilhabe an der Autorität Christi wird
durch das Charisma der Unfehlbarkeit gewährleistet. Diese reicht so weit
wie das Vermächtnis der göttlichen Offenbarung [Vgl. LG 25.]. Sie erstreckt
sich auf alle Elemente der Lehre einschließlich der Sittenlehre, ohne
welche die Heilswahrheiten des Glaubens nicht bewahrt, dargelegt und beobachtet
werden können [Vgl. CDF, Erkl. „Mysterium Ecclesiæ"].
2036 Die Autorität des Lehramtes erstreckt sich auch auf die einzelnen
Gebote des natürlichen Sittengesetzes. Es ist heilsnotwendig, sie zu beobachten,
wie der Schöpfer es verlangt. Wenn das Lehramt der Kirche die Vorschriften
des sittlichen Naturgesetzes in Erinnerung ruft, übt es einen wesentlichen
Teil seiner prophetischen Aufgabe aus, den Menschen zu verkünden, was
sie in Wirklichkeit sind, und sie daran zu erinnern, was sie vor Gott
sein sollen [Vgl. DH 14].
2037 Das der Kirche anvertraute Gesetz Gottes wird den Gläubigen als
Weg des Lebens und der Wahrheit gelehrt. Die Gläubigen haben das Recht
[Vgl. [link] CIC, can. 213], in den heilsamen göttlichen Geboten unterwiesen
zu werden, die das Urteilsvermögen läutern und mit Hilfe der Gnade die
verwundete menschliche Vernunft heilen. Sie haben die Pflicht, die durch
die rechtmäßige Autorität der Kirche erlassenen Anordnungen und Vorschriften
zu beobachten. Selbst wenn diese disziplinärer Natur sind, erfordern sie
Folgsamkeit in Liebe.
2038 Bei ihrer Aufgabe, die christliche Moral zu lehren und anzuwenden,
benötigt die Kirche den Eifer der Seelsorger, das Wissen der Theologen
und den Beitrag aller Christen und Menschen guten Willens. Der Glaube
und das gelebte Evangelium schenken jedem eine Lebenserfahrung „in Christus",
die ihn erhellt und befähigt, die göttlichen und menschlichen Wirklichkeiten
dem Geist Gottes entsprechend zu beurteilen [Vgl. 1 Kor 2,10-15] So kann
der Heilige Geist sich ganz einfacher Menschen bedienen, um Gelehrte und
höchste Würdenträger zu erleuchten.
2039 Die kirchlichen Ämter sind im Geist brüderlichen Dienens und der
Hingabe an die Kirche im Namen des Herrn auszuüben [Vgl. Röm 12,8.11].
Wer im Dienst der Kirche steht, soll sich hüten, sich bei der moralischen
Beurteilung des eigenen Tuns auf eine bloß individuelle Sicht zurückzuziehen.
Er soll soweit wie möglich das Wohl aller im Blick haben, wie es im natürlichen
und geoffenbarten Sittengesetz und daher auch im Gesetz der Kirche und
in der Lehre des Lehramtes über die sittlichen Fragen zum Ausdruck kommt.
Es ist nicht angemessen, das persönliche Gewissen und die Vernunft dem
moralischen Gesetz oder dem Lehramt der Kirche entgegenzusetzen.
2040 So kann sich unter den Christen eine echte Haltung kindlicher Liebe
zur Kirche entwickeln. Sie ist die normale Entfaltung der Taufgnade, die
uns im Schoß der Kirche gezeugt und zu Gliedern des Leibes Christi gemacht
hat. In ihrer mütterlichen Sorge vermittelt uns die Kirche die Barmherzigkeit
Gottes, die über alle unsere Sünden siegt und insbesondere im Sakrament
der Versöhnung wirkt. Als eine sorgende Mutter spendet sie uns auch in
ihrer Liturgie Tag für Tag die Nahrung des Wortes und der Eucharistie
des Herrn.
II. Die Gebote der Kirche
2041 Die Gebote der Kirche stehen im Dienst eines sittlichen Lebens,
das mit dem liturgischen Leben verbunden ist und sich von ihm nährt. Der
verpflichtende Charakter dieser von den Hirten der Kirche erlassenen positiven
Gesetze will den Gläubigen das unerläßliche Minimum an Gebetsgeist und
an sittlichem Streben, im Wachstum der Liebe zu Gott und zum Nächsten
sichern.
2042 Das erste Gebot (,‚Du sollst an Sonn- und Feiertagen der heiligen
Messe andächtig beiwohnen") verlangt von den Gläubigen, an der Eucharistie
teilzunehmen, zu der sich die christliche Gemeinschaft am Gedenktag der
Auferstehung des Herrn versammelt [Vgl. [link] CIC, cann. 1246-1248; CCEO,
can. 881,1.2.4].
Das zweite Gebot (,‚Du sollst deine Sünden jährlich wenigstens einmal
beichten") sichert die Vorbereitung auf die Eucharistie durch den
Empfang des Sakramentes der Versöhnung, das die in der Taufe erfolgte
Umkehr und Vergebung weiterführt [Vgl. [link] CIC, can. 989; CCEO, can.
719]
Das dritte Gebot (,‚Du sollst wenigstens zur österlichen Zeit sowie in
Todesgefahr die heilige Kommunion empfangen") gewährleistet ein Mindestmaß
für den Empfang des Leibes und Blutes des Herrn. Dabei wird auf die Verbindung
mit den Festen der Osterzeit, dem Ursprung und Zentrum der christlichen
Liturgie, Wert gelegt [Vgl. [link] CIC, can. 920; CCEO, cann. 708; 881,3].
2043 Das vierte Gebot (,‚Du sollst die gebotenen Feiertage halten")
vervollständigt das Sonntagsgebot durch die Teilnahme an den liturgischen
Hauptfesten, welche die Mysterien des Herrn, der Jungfrau Maria und der
Heiligen ehren [Vgl. [link] CIC, can. 1246; CCEO, cann. 881,1,4; 880,3].
Das fünfte Gebot (,‚Du sollst die gebotenen Fasttage halten") sichert
die Zeiten der Entsagung und Buße, die uns auf die liturgischen Feste
vorbereiten; sie tragen dazu bei, daß wir uns die Herrschaft über unsere
Triebe und die Freiheit des Herzens erringen [Vgl. [link] CIC, cann. 1249-1251;
CCEO, can. 882].
Die Gläubigen sind auch verpflichtet, ihren Möglichkeiten entsprechend
zu den materiellen Bedürfnissen der Kirche beizutragen [Vgl. [link] CIC,
can. 222].
III. Sittliches Leben und missionarisches
Zeugnis
2044 Die Treue der Getauften ist eine entscheidende Voraussetzung zur
Verkündigung des Evangeliums und für die Sendung der Kirche in der Welt.
Damit die Heilsbotschaft vor den Menschen ihre Wahrheits- und Ausstrahlungskraft
zeigen kann, muß sie durch das Lebenszeugnis der Christen beglaubigt werden.
„Das Zeugnis des christlichen Lebens selbst und die guten in übernatürlichem
Geist vollbrachten Werke haben die Kraft, Menschen zum Glauben und zu
Gott zu führen" (AA 6).
2045 Als Glieder des Leibes, dessen Haupt Christus ist [Vgl. Eph 1,22.],
tragen die Christen durch die Beständigkeit ihrer Überzeugungen und ihres
sittlichen Verhaltens zum Aufbau der Kirche bei. Die Kirche wächst, erstarkt
und entwickelt sich durch die Heiligkeit ihrer Gläubigen [Vgl. LG 39],
bis diese „zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten
Gestalt darstellen" (Eph 4, 13).
2046 Durch ihr christusförmiges Leben beschleunigen die Christen das
Kommen des Reiches Gottes, des Reiches „der Gerechtigkeit, der Liebe und
des Friedens" (MR, Präfation vom Christkönigssonntag). Sie vernachlässigen
deswegen ihre irdischen Aufgaben nicht; ihrem Meister getreu erfüllen
sie diese redlich, geduldig und in Liebe.
Kurztexte
2047 Das sittliche Leben ist ein geistiger Gottesdienst. Das christliche
Handeln findet Nahrung in der Liturgie und in der Feier der Sakramente.
2048 Die Gebote der Kirche beziehen sich auf das sittliche und christliche
Leben das mit der Liturgie verbunden ist und sich aus ihr nährt.
2049 Die Hirten der Kirche üben ihr Lehramt im Bereich der Moral für
gewöhnlich in Katechese und Predigt aus Grundlage. dafür ist der Dekalog,
der die für jeden Menschen geltenden Grundsätze des sittlichen Lebens
zum Ausdruck bringt.
2050 Als maßgebende Lehrer predigen der Papst und die Bischöfe dem Volk
Gottes den Glauben an dem festzuhalten und der im sittlichen Leben anzuwenden
ist. Es steht ihnen auch zu sich zu sittlichen Fragen zu äußern, die Gegenstand
des sittlichen Naturgesetzes und der Vernunft sind.
2051 Die Unfehlbarkeit des Lehramtes der Hirten erstreckt sich auf all
jene Elemente der Lehre, auch der Sittenlehre ohne die sich die Heilswahrheiten
des Glaubens nicht bewahren, darlegen und beobachten lassen.
Die Zehn Gebote
Exodus 20,2-17
Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem
Sklavenhaus.
Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Gottesbild
machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der
Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen
Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn
ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die
mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der
dritten und vierten Generation; bei denen, die mich lieben und auf meine
Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen; denn
der Herr läßt den nicht ungestraft, der seinen Namen mißbraucht.
Gedenke des Sabbat: Halte ihn heilig!
Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist
ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit
tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein
Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat.
Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles,
was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag
gesegnet und ihn für heilig erklärt.
Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land,
das der Herr, dein Gott, dir gibt.
Du sollst nicht morden. Du sollst nicht die Ehe brechen, Du sollst nicht
stehlen. Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen, Du sollst
nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der
Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin,
seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten
gehört.
Deuternonomium 5,6 - 21
Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem
Sklavenhaus.
Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Gottes
bildnis machen, das irgend etwas darstellt am Himmel droben, auf der Erde
unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen
Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn
ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die
mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen und an
der dritten und vierten Generation; bei denen, die mich lieben und auf
meine Gebot achten, erweise ich Tausenden meine Huld.
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen; denn
der Herr läßt den nicht ungestraft, der seinen Namen mißbraucht.
Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott,
zur Pflicht gemacht hat. Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit
tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht.
An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein
Sklave und deine Sklavin, dein Rind, dein Esel und dein ganzes Vieh und
der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Dein Sklave und
deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du. Denk daran: Als du in Ägypten
Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und hocherhobenem
Arm dort herausgeführt. Darum hat es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht
gemacht, den Sabbat zu halten.
Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie es dir der Herr, dein Gott, zur
Pflicht gemacht hat, damit du lange lebst und es dir gut geht in dem Land,
das der, Herr, dein Gott, dir gibt.
Du sollst nicht morden, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht
stehlen, du sollst nicht Falsches gegen deinen Nächsten aussagen, du sollst
nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, und du sollst nicht das
Haus deines Nächsten begehren, nicht sein Feld, seinen Sklaven oder seine
Sklavin, sein Rind oder seinen Esel, nichts, was deinem Nächsten gehört.
Katechetische Überlieferung
Du sollst an einen Gott glauben. Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren.
Du sollst den Tag des Herrn heiligen. Du sollst Vater Mutter, und Mutter
ehren, damit du lange lebest und es dir wohlergehe auf Erden.
Du sollst nicht töten. Du sollst nicht Unkeuschheit treiben. Du sollst
nicht stehlen. Du sollst kein falsches Zeugnis geben. Du sollst nicht
begehren deines Nächsten Frau. Du sollst nicht begehren deines Nächsten
Gut.
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Katechismus der Katholischen Kirche Inhalt
Quelle: http://www.vatican.va/
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