Katechismus der Katholischen Kirche /
Dritter Teil: Das Leben In Christus
Erster Abschnitt - Die Berufung Des Menschen: Das Leben Im Heiligen Geist
Zweites Kapitel - Die Menschliche Gemeinschaft
1877 Die Menschheit ist dazu berufen, das Ebenbild Gottes offenbar zu
machen und nach dem Bilde des eingeborenen Sohnes des Vaters umgestaltet
zu werden. Diese Berufung ergeht an jeden persönlich, denn jeder Mensch
ist eingeladen, in die göttliche Seligkeit einzutreten. Sie betrifft aber
auch die menschliche Gesellschaft als Ganze.
Artikel 9
Person Und Gesellschaft
I. Der Gemeinschaftscharakter der Berufung
des Menschen
1878 Alle Menschen sind zum gleichen Ziel berufen: zu Gott. Zwischen
der Einheit der göttlichen Personen und der brüderlichen Gesinnung, in
der die Menschen in Wahrheit und Liebe untereinander leben sollen [Vgl.
GS 24,3], besteht eine gewisse Ähnlichkeit. Die Liebe zum Nächsten läßt
sich von der Liebe zu Gott nicht trennen.
1879 Die menschliche Person bedarf des gesellschaftlichen Lebens. Dieses
stellt für sie nicht etwas Zusätzliches dar, sondern ist ein Anspruch
ihrer Natur. Durch Begegnung mit anderen, durch wechselseitige Dienste
und durch Zwiesprache mit seinen Brüdern und Schwestern entwickelt der
Mensch seine Anlagen und kann seiner Berufung entsprechen [Vgl. OS 25,1].
1880 Eine Gesellschaft ist eine Gruppe von Personen, die organisch durch
ein Einheitsprinzip verbunden sind, das über den Einzelnen hinausgeht.
Als zugleich sichtbare und geistige Vereinigung dauert eine Gesellschaft
in der Zeit fort: sie empfängt das Vergangene und bereitet die Zukunft
vor. Durch sie wird jeder Mensch zum „Erben" und empfängt „Talente",
die ihn bereichern und die er fruchtbringend einsetzen soll [Vgl. Lk 19,
13.15]. Darum schuldet jeder Mensch den Gemeinschaften, denen er angehört,
seinen Beitrag, und den Autoritäten, die mit der Sorge für das Gemeinwohl
betraut sind, Achtung.
1881 Jede Gemeinschaft ist durch ihr Ziel bestimmt und gehorcht infolgedessen
eigenen Regeln, aber „Grund, Träger und Ziel aller gesellschaftlichen
Institutionen ist die menschliche Person und muß es sein" (GS 25,
1).
1882 Manche Gesellschaften, so die Familie und der Staat, entsprechen
unmittelbar der Natur des Menschen; sie sind für ihn notwendig. Um die
Beteiligung möglichst vieler am gesellschaftlichen Leben zu fördern, ist
die Schaffung von „Verbänden, Vereinigungen, Einrichtungen mit wirtschaftlicher,
kultureller, unterhaltender, sportlicher, beruflicher und politischer
Zielsetzung sowohl im nationalen Raum wie auf Weltebene" (MM 60)
zu fördern. Diese Sozialisation gründet auch auf der natürlichen Neigung
der Menschen, sich zusammenzuschließen, um Ziele zu erreichen, welche
die Kräfte der Einzelnen übersteigen. Sie bringt die Anlagen der Person,
insbesondere ihren Unternehmungsgeist und ihren Sinn für Verantwortung
zur Entfaltung und hilft, ihre Rechte zu gewährleisten [Vgl. GS 25,2;
CA 12].
1883 Die Sozialisation ist auch mit Gefahren verbunden. Ein allzu weitgehendes
Eingreifen des Staates kann die persönliche Freiheit und Initiative bedrohen.
Die Kirche vertritt das sogenannte Subsidiaritätsprinzip: „Eine übergeordnete
Gesellschaft darf nicht so in das innere Leben einer untergeordneten Gesellschaft
dadurch eingreifen, daß sie diese ihrer Kompetenzen beraubt. Sie soll
sie im Notfall unterstützen und ihr dazu helfen, ihr eigenes Handeln mit
dem der anderen gesellschaftlichen Kräfte im Hinblick auf das Gemeinwohl
abzustimmen" (CA 48) [Vgl. Pius Xl.. Enz. „Quadragesimo anno"].
1884 Gott wollte sich nicht die Ausübung aller Gewalten allein vorbehalten.
Er überläßt jedem Geschöpf jene Aufgaben, die es den Fähigkeiten seiner
Natur gemäß auszuüben vermag. Diese Führungsweise soll im gesellschaftlichen
Leben nachgeahmt werden. Das Verhalten Gottes bei der Weltregierung, das
von so großer Rücksichtnahme auf die menschliche Freiheit zeugt, sollte
die Weisheit derer inspirieren, welche die menschlichen Gesellschaften
regieren. Sie haben sich als Diener der göttlichen Vorsehung zu verhalten.
1885 Das Subsidiaritätsprinzip widersetzt sich allen Formen des Kollektivismus.
Es zieht die Grenzen für das Eingreifen des Staates. Es zielt darauf ab,
die Beziehungen zwischen den Einzelpersonen und den Gesellschaften in
ein harmonisches Verhältnis zu bringen. Es sucht auf internationaler Ebene
eine wahre Ordnung zu schaffen.
DAS LEBEN IN CHRISTUS
II. Umkehr Und Gesellschaft
1886 Die Gesellschaft ist notwendig für die Verwirklichung der Berufung
des Menschen. Damit dieses Ziel erreicht wird, ist die richtige Ordnung
der Werte zu beachten, welche „die materiellen und triebhaften [Dimensionen]
den inneren und geistigen unterordnet" (CA 36).
„Das Zusammenleben der Menschen ist ... als ein vordringlich geistiges
Geschehen aufzufassen. In den geistigen Bereich gehören nämlich die
Forderungen, daß die Menschen im hellen Licht der Wahrheit ihre Erkenntnisse
untereinander austauschen, daß sie in den Stand gesetzt werden, ihre
Rechte wahrzunehmen und ihre Pflichten zu erfüllen, daß sie angespornt
werden, die geistigen Güter zu erstreben, daß sie aus jeder ehrenhaften
Sache, wie immer sie beschaffen sein mag, einen Anlaß zu gemeinsamer
rechtschaffener Freude gewinnen, daß sie in unermüdlichem Wollen das
Beste, was sie haben, einander mitzuteilen und voneinander zu empfangen
suchen. Diese Werte berühren und lenken alles, was sich auf Wissenschaft,
Wirtschaft, soziale Einrichtungen, Entwicklung und Ordnung des Staates
und schließlich auf alle übrigen Dinge bezieht, die äußerlich das menschliche
Zusammenleben ausmachen und in ständigem Fortschritt entwickeln"
(PT 36).
1887 Die Vertauschung von Mitteln und Zielen [Vgl. CA 41] gibt dem, was
nur Mittel ist, den Wert eines letzten Zieles oder betrachtet Personen
als bloße Mittel zum Zweck. Das führt zu ungerechten Strukturen, die „ein
christliches, den Geboten des göttlichen Gesetzgebers entsprechendes Leben
erschweren, ja praktisch verunmöglichen" (Pius XII., Ansprache vom
1. Juni 1941).
1888 Deshalb ist an die geistigen und sittlichen Kräfte des Menschen
zu appellieren, und es ist daran zu erinnern, daß sich der Mensch dauernd
innerlich erneuern muß, um Gesellschaftsveränderungen herbeizuführen,
die wirklich im Dienste der Person stehen. Die Bekehrung des Herzens ist
an erste Stelle zu setzen. Das enthebt nicht der Pflicht, sondern verstärkt
sie vielmehr, Institutionen und Lebensbedingungen, falls sie zur Sünde
Anlaß geben, zu verbessern, damit sie den Normen der Gerechtigkeit entsprechen
und das Gute fördern, statt es zu behindern [Vgl. LG 36].
1889 Ohne die Hilfe der Gnade sind die Menschen außerstande, „den schmalen
Pfad zu erkennen zwischen der Feigheit, die dem Bösen weicht, und der
Gewalt, die sich zwar einbildet, das Böse zu bekämpfen, es aber in Wirklichkeit
verschlimmert" (CA 25). Dies ist der Pfad der christlichen Liebe,
der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Die Liebe ist das größte soziale Gebot.
Sie achtet den anderen und dessen Rechte. Sie verlangt gerechtes Handeln
und sie allein macht uns dazu fähig. Sie drängt zu einem Leben der Selbsthingabe:
„Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert,
wird es gewinnen" (Lk 17,33).
Kurztexte
1890 Zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der brüderlichen
Beziehung die unter den Menschen herrschen soll besteht eine gewisse Ähnlichkeit.
1891 Der Mensch bedarf des gesellschaftlichen Lebens. um sich seiner
Natur gemäß entfalten zu können Gewisse Gesellschaften so die Familie
und der Staat, entsprechen unmittelbar der Natur des Menschen.
1892 Grund Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen ist
die menschliche Person und muß es sein (GS 25 1).
1893 Eine starke und freiwillige Beteiligung an Vereinigungen und Institutionen
ist zu fördern.
1894 Gemäß dem Subsidiarztätsprinzip dürfen weder Staat noch größere
Gesellschaften die Initiative und Verantwortung der Personen und der kleineren
Gemeinwesen verdrängen.
1895 Die Gesellschaft muß das Tun des Guten begünstigen, nicht behindern
Sie muß sich von einer richtigen Ordnung der Werte leiten lassen.
1896 Wo die Sunde das Gesellschaftsklima verdirbt ist zur Bekehrung der
Herzen aufzurufen und an die Gnade Gottes zu appellieren Die Liebe drangt
zu gerechten Reformen Es gibt keine Losung der sozialen Frage außerhalb
des Evangeliums [Vgl. CA 3].
Artikel 10
Die Beteiligung Am Gesellschaftlichen Leben
I. Die Autorität
1897 „Die, menschliche Gesellschaft kann weder gut geordnet noch fruchtbar
sein, wenn es in ihr niemanden gibt, der mit rechtmäßiger Autorität die
Ordnung aufrecht erhält und mit der notwendigen Sorgfalt auf das allgemeine
Wohl bedacht ist" (PT 46).
Als „Autorität" bezeichnet man die Eigenschaft von Personen oder
Institutionen, aufgrund derer sie den Menschen Gesetze und Befehle geben
und von ihnen Gehorsam erwarten können.
1898 Jede menschliche Gemeinschaft bedarf einer Autorität, von der sie
geleitet wird [Vgl. Leo XIII., Enz. „Immortale Dei"; Enz. „Diuturnum
illud"]. Diese hat ihre Grundlage in der menschlichen Natur. Sie
ist für die Einheit des Gemeinwesens notwendig. Ihre Aufgabe ist es, soweit
wie möglich das Gemeinwohl der Gesellschaft zu gewährleisten.
1899 Die von der sittlichen Ordnung geforderte Autorität geht von Gott
aus: „Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam.
Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede
ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt,
stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt,
wird dem Gericht verfallen" (Röm 13, 1-2).
1900 Die Gehorsamspflicht verlangt von allen, der Autorität die ihr gebührende
Ehre zu erweisen und die Personen, die ein Amt ausüben, zu achten und
ihnen - je nach Verdienst - Dankbarkeit und Wohlwollen entgegenzubringen.
Dem hl. Papst Clemens von Rom verdanken wir das älteste Gebet der Kirche
für die Träger der staatlichen Autorität [Vgl. schon 1 Tim 2,1-2]: „Gib
ihnen, Herr, Gesundheit, Frieden, Eintracht, Beständigkeit, damit sie
die von dir ihnen gegebene Herrschaft untadelig ausüben! Denn du, himmlischer
Herr, König der Aonen, gibst den Menschenkindern Herrlichkeit und Ehre
und Gewalt über das, was auf Erden ist; du, Herr, lenke ihren Willen nach
dem, was gut und wohlgefällig ist vor dir, damit sie in Frieden und Milde
frommen Sinnes die von dir ihnen gegebene Gewalt ausüben und so deiner
Huld teilhaftig werden!" (Cor. 61,1-2).
1901 Während die Autorität als solche auf eine von Gott vorgebildete
Ordnung verweist, muß „die Bestimmung der Regierungsform und die Auswahl
der Regierenden dem freien Willen der Staatsbürger überlassen" bleiben
(GS 74,3).
Unterschiedliche Regierungsformen sind sittlich zulässig, sofern sie
zum rechtmäßigen Wohl der Gemeinschaft, die sie annimmt, beitragen. Regierungen,
deren Wesen dem natürlichen Sittengesetz, der öffentlichen Ordnung und
den Grundrechten der Personen widerspricht, können das Gemeinwohl der
Nationen, denen sie aufgezwungen wurden, nicht verwirklichen.
1902 Die Autorität hat ihre moralische Rechtmäßigkeit nicht aus sich
selbst. Sie darf sich nicht willkürlich verhalten, sondern muß für das
Gemeinwohl wirken „als moralische Macht, die sich stützt auf die Freiheit
und auf das Bewußtsein einer übernommenen Verantwortung" (GS 74,2).
„Insofern das menschliche Gesetz der rechten Vernunft entspricht, hat
es das Wesen eines Gesetzes; dementsprechend leitet es sich offenbar vom
ewigen Gesetz her. Aber insofern es von der Vernunft abweicht, heißt es
ungerechtes Gesetz; und so hat es nicht das Wesen eines Gesetzes, sondern
vielmehr das einer Gewaittat" (Thomas v. A., s. th. 1-2, 93,3, ad
2).
1903 Die Autorität wird nur dann rechtmäßig ausgeübt, wenn sie das Gemeinwohl
der betreffenden Gemeinschaft anstrebt und sittlich erlaubte Mittel anwendet,
um es zu erreichen. Falls Behörden ungerechte Gesetze erlassen oder der
sittlichen Ordnung widersprechende Maßnahmen ergreifen, können solche
Anordnungen das Gewissen nicht verpflichten; „in diesem Falle hört die
Autorität ganz auf; an ihre Stelle tritt gräßliches Unrecht" (PT
51).
1904 Es ist besser, „wenn jede Macht von anderen Mächten und anderen
Kompetenzbereichen ausgeglichen wird, die sie in ihren rechten Grenzen
halten. Das ist das Prinzip des ‚Rechtsstaates‘, in dem das Gesetz und
nicht die Willkür der Menschen herrscht" (CA 44).
II. Das Gemeinwohl
1905 Der gesellschaftlichen Natur des Menschen entsprechend steht das
Wohl eines jeden in Verbindung mit dem Gemeinwohl. Dieses läßt sich nur
von der menschlichen Person her bestimmen.
„Verkriecht euch nicht in euch selbst und sondert euch nicht ab, als
wäret ihr schon gerechtfertigt, sondern kommt zusammen und sucht miteinander
nach dem gemeinsamen Nutzen!" (Barnabasbrief 4,10).
1906 Das Gemeinwohl ist „die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen
Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ermöglichen,
die eigene Vollendung voller und leichter zu erreichen" (GS 26,1)
[Vgl. GS 74,1]. Das Gemeinwohl betrifft das Leben aller. Von einem jeden
verlangt es Klugheit, besonders von denen, die mit der Ausübung der Autorität
betraut sind. Es beruht auf drei wesentlichen Elementen:
1907 Erstens setzt es die Achtung der Person als solcher voraus. Im Namen
des Gemeinwohls sind die öffentlichen Gewalten verpflichtet, die unveräußerlichen
Grundrechte der menschlichen Person zu achten. Die Gesellschaft muß jedem
ihrer Glieder ermöglichen, seine Berufung zu verwirklichen. Insbesondere
besteht das Gemeinwohl darin, daß man die natürlichen Freiheiten ausüben
kann, die unerläßlich sind, um die Berufung als Mensch zu entfalten: „das
Recht zum Handeln nach der rechten Norm seines Gewissens, das Recht auf
Schutz des Privatlebens und auf die rechte Freiheit, und zwar auch im
religiösen Bereich" (GS 26,2).
1908 Zweitens verlangt das Gemeinwohl das soziale Wohl und die Entwicklung
der Gemeinschaft. Entwicklung ist der Inbegriff aller sozialen Aufgaben.
Gewiß kommt es der Autorität zu, im Namen des Gemeinwohls zwischen den
verschiedenen Sonderinteressen als Schiedsrichterin zu walten. Sie muß
aber einem jeden das zugänglich machen, was für ein wirklich menschliches
Leben notwendig ist, wie Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit, Arbeit,
Erziehung und Bildung, richtige Information und Recht auf Familiengründung
[Vgl. GS 26,2].
1909 Zum Gemeinwohl gehört schließlich der Friede, das heißt die Dauerhaftigkeit
und Sicherheit einer gerechten Ordnung. Es setzt somit voraus, daß die
Autorität durch rechte Mittel die Sicherheit der Gesellschaft und deren
Glieder gewährleistet. Es begründet das Recht auf persönliche und kollektive
Selbstverteidigung.
1910 Jede menschliche Gemeinschaft besitzt ein Gemeinwohl, durch das
sie sich als solche erkennen kann. Am vollständigsten wird dies in der
politischen Gemeinschaft verwirklicht. Es ist Aufgabe des Staates, das
Gemeinwohl der bürgerlichen Gesellschaft, der Bürger und der kleineren
Gemeinwesen zu schützen und zu fördern.
1911 Die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen wächst und erstreckt
sich allmählich über die ganze Erde. Die Einheit der Menschheitsfamilie,
welche Menschen gleicher natürlicher Würde vereint, setzt ein weltweites
Gemeinwohl voraus. Dieses erfordert eine Gliederung der Völkergemeinschaft,
die imstande ist, „den verschiedenen Bedürfnissen der Menschen nach Kräften
Rechnung zu tragen, und zwar sowohl in den Bereichen des sozialen Lebens,
z. B. Ernährung, Gesundheit, Erziehung, Arbeit, als auch in besonderen
Situationen, die hier und dort entstehen können" (GS 84,2), etwa
durch Flüchtlingshilfe und Unterstützung Heimatloser und ihrer Familien.
1912 Das Gemeinwohl ist stets auf den Fortschritt der Personen ausgerichtet,
„denn die Ordnung der Dinge ist der Ordnung der Personen zu unterwerfen
und nicht umgekehrt" (GS 26,3). Diese Ordnung gründet in der Wahrheit,
wird in der Gerechtigkeit aufgebaut und ist durch die Liebe beseelt.
III. Verantwortung und Mitarbeit
1913 Die Mitarbeit ist der freiwillige und großmütige Einsatz der Person
im gesellschaftlichen Austausch. Ihrem Platz und ihrer Rolle entsprechend,
sollen alle an der Förderung des Gemeinwohls mitwirken. Diese Pflicht
ist mit der Würde der menschlichen Person untrennbar verbunden.
1914 Diese Mitarbeit besteht zunächst darin, daß der Mensch sich in Bereichen
einsetzt, für die er die persönliche Verantwortung übernimmt. Indem der
Mensch für die Erziehung seiner Familie sorgt und gewissenhaft arbeitet,
trägt er zum Wohl anderer und dem der Gesellschaft bei [Vgl. CA 43].
1915 Die Bürger sollen soweit wie möglich am öffentlichen Leben aktiv
teilnehmen. Die Art und Weise dieser Teilnahme kann von Land zu Land,
von Kultur zu Kultur verschieden sein. „Lobenswert ist aber die Handlungsweise
jener Nationen, in denen ein möglichst großer Teil der Bürger in wahrer
Freiheit am Gemeinwesen beteiligt wird" (GS 31,3).
1916 Die Mitarbeit aller an der Förderung des Gemeinwohls verlangt, wie
jede ethische Verpflichtung, eine stets erneuerte Bekehrung der Mitglieder
der Gesellschaft. Listige Betrügereien, durch die sich manche den Bestimmungen
des Gesetzes und den sozialen Pflichten entziehen, sind entschieden zu
verurteilen. Sie lassen sich mit den Forderungen der Gerechtigkeit nicht
vereinbaren. Institutionen, die die menschlichen Lebensverhältnisse verbessern,
sind zu fördern [Vgl. GS 3O,1].
1917 Wer Autorität auszuüben hat, muß die Werte sichern, die bei den
Mitgliedern der Gruppe Vertrauen schaffen und sie anspornen, sich in den
Dienst ihrer Mitmenschen zu stellen. Die Mitwirkung beginnt mit der Erziehung
und Bildung. „Mit Recht dürfen wir annehmen, daß das künftige Schicksal
der Menschheit in den Händen jener ruht, die imstande sind, den kommenden
Generationen einen Sinn des Lebens und Grund zur Hoffnung zu vermitteln"
(GS 31,3).
Kurztexte
1918 „Es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede
ist von Gott eingesetzt (Rom 13 1).
1919 Jede menschliche Gemeinschaft bedarf einer Autorität um sich erhalten
und entwickeln zu können.
1920 Die politische Gemeinschaft und die öffentliche Autorität sind in
der menschlichen Natur begründet und gehören zu der von Gott vorgebildeten
Ordnung (GS 74 3).
1921 Die Autorität wird rechtmäßig ausgeübt wenn sie darauf bedacht ist
das Gemeinwohl der Gesellschaft zu fordern Um das zu erreichen soll sie
sittlich annehmbare Mittel anwenden.
1922 Die verschiedenen Regierungsformen sind rechtmäßig sofern sie zum
Wohl der Gemeinschaft beitragen.
1923 Die politische Autorität muß sich innerhalb der Grenzen der sittlichen
Ordnung entfalten und die Voraussetzungen zur Ausübung der Freiheit gewährleisten.
1924 Das Gemeinwohl ist die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen
Lebens die sowohl den Gruppen als auch den einzelnen Gliedern ermöglichen
die eigene Vollendung voller und leichter zu erreichen" (GS 26, 1).
1925 Zum Gemeinwohl gehören drei wesentliche Elemente die Achtung und
Forderung der Grundrechte der Person das Gedeihen oder die Entfaltung
der geistigen und der zeitlichen Güter der Gesellschaft der Friede und
die Sicherheit der Gruppe und ihrer Glieder.
1926 Zur Wurde des Menschen gehört es das Gemeinwohl anzustreben. Jeder
soll darauf bedacht sein Institutionen anzuregen und zu fordern, welche
die menschlichen Lebensbedingungen verbessern.
1927 Der Staat hat die Aufgabe, das Gemeinwohl der Gesellschaft zu verteidigen
und zu fördern. Das Gemeinwohl der gesamten Menschheitsfamilie erfordert
eine Organisation der internationalen Gesellschaft.
Artikel 11
Die Soziale Gerechtigkeit
1928 Die Gesellschaft gewährleistet die soziale Gerechtigkeit, wenn sie
dafür sorgt, daß die Verbände und die einzelnen Menschen das erhalten
können, was ihnen ihrer Natur und Berufung nach zusteht. Die soziale Gerechtigkeit
hängt mit dem Gemeinwohl und der Ausübung der Autorität zusammen.
I. Die Achtung der menschlichen Person
1929 Die soziale Gerechtigkeit läßt sich nur dann ereichen, wenn die
überragende Würde des Menschen geachtet wird. Die Person ist das letzte
Ziel der Gesellschaft; die Gesellschaft ist auf die Person hingeordnet.
Auf dem Spiel steht „die Würde der menschlichen Person, deren Verteidigung
und Förderung uns vom Schöpfer anvertraut ist und deren verantwortliche
Schuldner im strengen Sinn alle Männer und Frauen in jeder Lage der Geschichte
sind" (SRS 47).
1930 Zur Achtung der menschlichen Person gehört auch die Achtung der
Rechte, die sich aus ihrer Würde als Geschöpf ergeben. Diese Rechte leiten
sich nicht von der Gesellschaft ab und sind von ihr anzuerkennen. Sie
bilden die Grundlage für die sittliche Berechtigung jeder Autorität. Eine
Gesellschaft, die diese Rechte mit Füßen tritt oder sich weigert, sie
in ihrer positiven Gesetzgebung anzuerkennen, untergräbt ihre eigene sittliche
Rechtmäßigkeit‘. Wenn eine Autorität die Person nicht achtet, kann sie
sich nur auf Macht oder Gewalt stützen, um ihre Untergebenen zum Gehorsam
zu bringen. Die Kirche muß die Menschen guten Willens an diese Rechte
erinnern und diese von mißbräuchlichen oder falschen Forderungen unterscheiden.
1931 Um die menschliche Person zu achten, muß man sich an den Grundsatz
halten, daß „alle ihren Nächsten ohne Ausnahme als ein anderes Ich ansehen
müssen, indem sie vor allem auf sein Leben und die notwendigen Mittel,
um es würdig zu führen, bedacht sind" (GS 27, 1). Keiner Gesetzgebung
wird es von sich aus gelingen, die Ängste und Vorurteile, die überheblichen
und egoistischen Haltungen zu beseitigen, die das Entstehen wahrhaft brüderlicher
Gesellschaften behindern. Solche Verhaltensweisen werden nur durch die
christliche Liebe überwunden, die in jedem Menschen einen „Nächsten",
einen Bruder oder eine Schwester erblickt.
1932 Je größer die Hilflosigkeit eines Menschen in irgendeinem Lebensbereich
ist, desto dringender ist die Pflicht, sich ihm durch tätigen Beistand
als Nächster zu erweisen. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder
getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt 25,40).
1933 Diese Pflicht bezieht sich auch auf jene, die anders denken oder
handeln als wir. Die Lehre Christi verlangt sogar, Schuld zu verzeihen.
Sie dehnt das Gebot der Liebe, das Gebot des neuen Gesetzes, auf alle
Feinde aus [Vgl. Mt 5,43 - 44]. Die Befreiung im Geist des Evangeliums
ist unvereinbar mit dem Haß des Feindes als Person, nicht aber mit dem
Haß auf das Böse, das er als Feind verübt.
II. Gleichheit und Verschiedenheit
der Menschen
1934 Weil alle Menschen nach dem Bilde des einzigen Gottes geschaffen
und mit der gleichen vernunftbegabten Seele ausgestattet sind, haben sie
die gleiche Natur und den gleichen Ursprung. Da sie durch das Opfer Christi
erlöst wurden, sind alle berufen, an der gleichen göttlichen Seligkeit
teilzuhaben. Alle Menschen erfreuen sich somit der gleichen Würde.
1935 Die Gleichheit unter den Menschen bezieht sich wesentlich auf deren
Würde als Person und auf die Rechte, die sich daraus ergeben.
„Jede Form einer Diskriminierung in den gesellschaftlichen und kulturellen
Grundrechten der Person, sei ‘es wegen des Geschlechts oder der Rasse,
der Farbe, der gesellschaftlichen Stellung, der Sprache oder der Religion,
muß überwunden und beseitigt werden, da sie dem Plan Gottes widerspricht"
(GS 29,2).
1936 Der Mensch verfügt zu Beginn seines irdischen Daseins noch nicht
über alles, was er zur Entwicklung seines leiblichen und geistigen Lebens
benötigt. Er bedarf der anderen Menschen. Es treten Unterschiede zutage,
die mit dem Alter, den körperlichen Fähigkeiten, den geistigen und sittlichen
Anlagen, den im Umgang mit anderen gewonnenen Vorteilen oder mit der Verteilung
der Reichtümer zusammenhängen [Vgl. GS 29,2]. Die „Talente" sind
nicht gleich verteilt [Vgl. Mt 25,14-30; Lk 19,11-27].
1937 Diese Unterschiede entsprechen dem Plane Gottes. Gott will, daß
jeder Mensch vom anderen erhält, was er benötigt. Wer über besondere „Talente"
verfügt, soll sie zum Vorteil derer anwenden, die ihrer bedürfen. Die
Unterschiede ermutigen und verpflichten die Menschen oft zu Großmut, Wohlwollen
und zum Teilen; sie regen die Kulturen an, einander zu bereichern.
„Ich habe die Tugenden verschieden verteilt, indem ich nicht sämtliche
einem Einzelnen verlieh, vielmehr dem einen diese, dem andern jene ...
Dem einen schenke ich vor allem die Liebe, einem anderen die Gerechtigkeit
oder die Demut, diesem lebendigen Glauben ... Die zum menschlichen Leben
notwendigen Dinge habe ich so unterschiedlich verteilt und nicht jedem
alle gegeben, damit ihr gezwungen seid, euch gegenseitig Liebe zu erweisen
... Ich wollte, daß der eine auf den andern angewiesen sei, und alle als
meine Diener die von mir empfangenen Gnaden und Geschenke mit anderen
teilen" (Katharina v. Siena, dial. 1,7).
1938 Es gibt auch ungerechte Unterschiede, die Millionen von Männern
und Frauen betreffen. Sie stehen in offenem Widerspruch zum Evangelium.
Die gleiche Würde der Personen fordert, „daß man zu humaneren und gerechten
Lebensbedingungen gelangt. Allzu große wirtschaftliche und gesellschaftliche
Ungleichheiten zwischen den Gliedern oder Völkern der einen menschlichen
Familie erregen nämlich Ärgernis und widersprechen der sozialen Gerechtigkeit,
der Billigkeit, der Würde der menschlichen Person sowie dem
gesellschaftlichen und internationalen Frieden" (GS 29,3).
III. Die menschliche Solidarität
1939 Das Prinzip der Solidarität, die man auch als „Freundschaft"
oder „soziale Liebe" bezeichnen kann, ist eine Forderung, die sich
aus der menschlichen und christlichen Brüderlichkeit direkt ergibt [Vgl.
SRS 38-40; CA 10].
„Ein heute weitverbreiter Irrtum liegt darin, daß man das Gesetz der
Solidarität und Liebe zwischen den Menschen in Vergessenheit geraten
läßt, jenes Gesetz, das sowohl durch den gemeinsamen Ursprung und durch
die nämliche Vernunftnatur aller Menschen, gleichviel welchen Volkes,
vorgeschrieben und auferlegt ist, wie auch durch das Opfer der Erlösung,
das Jesus Christus am Altar des Kreuzes seinem himmlischen Vater darbrachte
der sündigen Menschheit zum Heil" (Pius XII., Enz. „Summi pontificatus").
1940 Die Solidarität zeigt sich in erster Linie in der Güterverteilung
und in der Entlohnung der Arbeit. Sie setzt auch den Einsatz für eine
gerechtere Gesellschaftsordnung voraus, in der die Spannungen sich besser
beseitigen und die Konflikte sich leichter auf dem Verhandlungsweg lösen
lassen.
1941 Die gesellschaftlich-wirtschaftlichen Probleme lassen sich nur mit
Hilfe aller Formen von Solidarität lösen: Solidarität der Armen untereinander,
der Reichen mit den Armen, der Arbeiter untereinander, der Arbeitgeber
und der Arbeitnehmer im Unternehmen und Solidarität unter den Nationen
und Völkern. Die internationale Solidarität ist eine Forderung der sittlichen
Ordnung. Der Weltfriede hängt teilweise von ihr ab.
1942 Bei der Tugend der Solidarität geht es nicht nur um materielle Güter.
Durch die Verbreitung der geistigen Güter des Glaubens begünstigte die
Kirche auch die Entwicklung zeitlicher Güter, der sie oft neue Wege bahnte.
So erfüllte sich im Verlauf der Jahrhunderte das Wort des Herrn: „Euch
aber muß es zuerst um [Gottes] Reich und um seine Gerechtigkeit gehen;
dann wird euch alles andere dazugegeben" (Mt 6,33).
„Seit zweitausend Jahren lebt und verharrt in der Seele der Kirche
dieser Sinn, der die Seelen - bis zum Liebesheroismus der das Land bebauenden
Mönche, der Sklavenbefreier, der Krankenheiler, der Boten des Glaubens,
der Zivilisation, der Wissenschaft - zu allen Generationen und Völkern
gedrängt hat und drängt, um Gesellschaftsverhältnisse zu schaffen, die
allen ein menschen- und christenwürdiges Leben ermöglichen" (Pius
XII., Ansprache vom 1. Juni 1941).
Kurztexte
1943 Die Gesellschaft sichert die soziale Gerechtigkeit, indem sie die
Bedingungen schafft die es den Verbanden und jedem einzelnen ermöglichen
das ihnen Zustehende zu erhalten.
1944 Die Achtung vor der menschlichen Person betrachtet den Mitmenschen
als ein anderes. Ich Sie setzt die Achtung der Grundrechte voraus die
sich aus der Wurde der Person ergeben.
1945 Die Gleichheit der Menschen betrifft die Wurde der Person und die
sich daraus ergebenden Rechte.
1946 Die Unterschiede zwischen den Menschen gehören zum Plane Gottes
der will daß wir aufeinander angewiesen sind Sie sollen die christliche
Liebe fordern.
1947 Die gleiche Würde aller Menschen verpflichtet zum Bemühen die krassen
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Unterschiede zu vermindern und
ungerechte Ungleichheiten zu beseitigen.
1948 Die Solidarität ist eine vorzüglich christliche Tugend Sie drangt
dazu die materiellen und ganz besonders die geistigen Guter zu teilen.
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Katechismus der Katholischen Kirche Inhalt
Quelle: http://www.vatican.va/
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