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Katechismus der Katholischen Kirche /
Erster Teil: Das Glaubensbekenntnis
Zweiter Abschnitt - Das Christliche Glaubensbekenntnis
Zweites Kapitel - Ich Glaube An Jesus
Christus, Gottes Eingeborenen Sohn
Die frohe Botschaft: Gott hat seinen Sohn gesandt
422 ,,Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von
einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter
dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen" (Gal 4,4-5).
Das ist ,,die Frohbotschaft von Jesus Christus, dem Sohn Gottes"
(Mk 1,1): Gott hat sein Volk besucht [Vgl. Lk 1,68.]; er hat die Verheißungen
erfüllt, die er Abraham und seinen Nachkommen gegeben hatte [Vgl. Lk 1,55.]er
hat weit mehr getan, als man je erwarten durfte: er hat seinen ,,geliebten
Sohn" (Mk 1,11) gesandt.
423 Wir glauben und bekennen: Jesus von Nazaret, ein Jude, zur Zeit des
Königs Herodes des Großen und des Kaisers Augustus von einer Tochter Israels
in Betlehem geboren, von Beruf Zimmermann und während der Herrschaft des
Kaisers Tiberius unter dem Statthalter Pontius Pilatus in Jerusalem am
Kreuz hingerichtet, ist der menschgewordene ewige Sohn Gottes. Er ist
,,von Gott ausgegangen" (Joh 13,3), ,,vom Himmel herabgestiegen"
(Joh 3, 13; 6,33), ,,im Fleisch gekommen" (1 Joh 4,2). Denn ,,das
Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine
Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater,
voll Gnade und Wahrheit ... Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen,
Gnade um Gnade" (Joh 1,14.16).
424 Durch die Gnade des Heiligen Geistes bewegt und vom Vater angezogen,
glauben und bekennen wir von Jesus: ,,Du bist der Messias, der Sohn des
lebendigen Gottes" (Mt 16,16). Auf den Felsen dieses Glaubens, den
der hl. Petrus bekannte, hat Christus seine Kirche gebaut [Vgl. Mt 16,18;
Leo d. Gr., serm. 4,3; 51,1; 62,2; 83,3.].
,,Den unergründlichen Reichtum Christi verkünden" (Eph 3,8)
425 Die Weitergabe des christlichen Glaubens besteht in erster Linie
in der Verkündigung Jesu Christi: sie soll zum Glauben an ihn führen.
Von Anfang an brannten die ersten Jünger vor Verlangen, Christus zu verkünden:
,,Wir
können unmöglich von dem schweigen, was wir gesehen und gehört haben"
(Apg 4,20). Und sie laden die Menschen aller Zeiten ein, in die Freude
ihrer Gemeinschaft mit Christus einzutreten:
,,Was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir
geschaut und was unsere Hände angefaßt haben, das verkünden wir: das
Wort des Lebens. Denn das Leben wurde offenbart; wir haben gesehen und
bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und
uns offenbart wurde. Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden
wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben
Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. Wir schreiben
dies, damit unsere Freude vollkommen ist" (1 Joh 1,1-4).
Christus ist die Mitte der Katechese
426 ,,Im Kern der Katechese finden wir wesentlich eine Person vor, nämlich
Jesus von Nazaret, einziger Sohn vom Vater ..., der für uns gelitten hat
und gestorben ist und der jetzt als der Auferstandene immer für uns lebt
... Katechisieren heißt ... in der Person Christi den gesamten ewigen
Plan Gottes aufzuzeigen, der sich in ihr erfüllt. Es ist das Bemühen,
die Bedeutung der Taten und Worte Christi und der von ihm gewirkten Zeichen
zu verstehen" (CT 5). ,,Ziel der Katechese" ist es, die Menschen
,,in Lebenseinheit mit Jesus Christus zu bringen; er allein kann zur Liebe
des Vaters im Heiligen Geiste hinführen und uns Anteil am Leben der heiligsten
Dreifaltigkeit geben" (ebd.).
427 ,,In der Katechese wird nur Christus, das fleischgewordene Wort und
der Sohn Gottes, gelehrt - und alles andere im Hinblick auf ihn. Und Christus
allein ist Lehrer, jeder andere nur in dem Maße, wie er Christi Wort weitergibt
und so Christus ermöglicht, durch seinen Mund zu lehren ... Jeder Katechet
müßte auf sich selber die geheimnisvollen Worte Jesu anwenden können:
,Meine Lehre stammt nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat‘
(Joh 7,16)" (CT 6).
428 Wer den Auftrag hat, ,,Christus zu lehren", muß somit zuerst
nach der ,,alles überbietenden Erkenntnis Christi Jesu" suchen; er
muß bereit sein, ,,alles aufzugeben, um Christus zu gewinnen und in ihm
zu sein", ihn zu ,,erkennen und die Macht seiner Auferstehung und
die Gemeinschaft mit seinen Leiden", von seinem Tod geprägt zu werden,
um ,,auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen" (Phil 3,8-11).
429 Diese liebende Erkenntnis Christi weckt das Verlangen, zu verkünden,
zu ,,evangelisieren" und andere zum Ja des Glaubens an Jesus Christus
zu
führen. Gleichzeitig wird das Bedürfnis verspürt, diesen Glauben immer
besser kennenzulernen. Zu diesem Zweck werden dem Aufbau des Glaubensbekenntnisses
entsprechend zunächst die Hoheitstitel Jesu dargelegt:
Christus, der Sohn Gottes, der Herr (Artikel 2). Das Credo bekennt sodann
die Hauptmysterien des Lebens Christi: seine Menschwerdung (Artikel 3),
sein Pascha (Artikel 4 und 5) und schließlich seine Verherrlichung (Artikel
6 und 7).
Artikel 2
„Und An Jesus Christus, Seinen Eingeborenen Sohn, Unseren Herrn"
I. Jesus
430 ,,Jesus" bedeutet auf hebräisch ,,Gott rettet". Bei der
Verkündigung gibt der Engel Gabriel ihm den Namen Jesus, der besagt, wer
er ist, und zugleich, wozu er gesandt ist [Vgl. Lk 1,31.]. Weil niemand
,,Sünden vergeben" kann ,,außer dem einen Gott" (Mk 2,7), ist
er es, der in Jesus, seinem menschgewordenen ewigen Sohn, ,,sein Volk
von seinen Sünden erlösen" wird (Mt 1,21). In Jesus faßt also Gott
sein ganzes Heilswirken für die Menschen zusammen.
431 In der Geschichte des Heils begnügte Gott sich nicht damit, Israel
aus dem ,,Sklavenhaus" zu befreien (Dtn 5,6), indem er es aus Ägypten
herausführte. Er rettet Israel auch aus seiner Sünde. Weil die Sünde stets
eine Beleidigung Gottes ist [Vgl. Ps 51,6.], kann allein er von ihr lossprechen
[Vgl. Ps 51,12.]. Darum wird Israel, das sich der allgemeinen Verbreitung
der Sünde immer mehr bewußt wird, das Heil nur darin finden, daß es den
Namen des Erlösergottes anruft [Vgl. Ps 79,9.].
432 Der Name Jesus besagt, daß der Name Gottes in der Person seines Sohnes
zugegen ist [Vgl. Apg 5,41; 3 Job 7.]. Er wurde Mensch, um alle endgültig
von den Sünden zu erlösen. Jesus ist der göttliche Name, der allein Heil
bringt [Vgl. Job 3,18; Apg 2,21.]. Er kann nunmehr von allen angerufen
werden, weil Gott sich durch die Fleischwerdung seines Sohnes mit allen
Menschen sosehr vereint hat [Vgl. Röm 10,6-13.], daß ,,uns Menschen kein
anderer Name unter dem Himmel gegeben ist, durch den wir gerettet werden
sollen" (Apg 4, 12) [Vgl. Apg 9,14; Jak 2,7.].
433 Der Name des Rettergottes wurde zur Sühnung der Sünden Israels nur
einmal im Jahr vom Hohenpriester angerufen, wenn er die Sühneplatte des
Allerheiligsten mit dem Blut des Opfertieres besprengte [Vgl. Lev 16,15
-16; Sir 50,20; Hebr 9,7. 6,13.]. Die Sühneplatte war die Stätte der Gegenwart
Gottes [Vgl. Ex 25,22; Lev 16,2; Num 7,89; Hebr 9,5]. Wenn der hl. Paulus
von Jesus sagt:
,,Ihn hat Gott als Sühne hingestellt in seinem eigenen Blut" (Röm
3,25), meint er damit, daß es in dessen Menschennatur ,,Gott war ... der
in Christus die Welt mit sich versöhnt hat" (2 Kor 5, 19).
434 Die Auferstehung Jesu verherrlicht den Namen des Rettergottes [Vgl.
Job 12,28], denn von nun an bekundet der Name Jesus voll und ganz die
erhabene Macht des Namens, ,,der größer ist als alle Namen" (Phil
2,9). Die bösen Geister haben vor seinem Namen Angst [Vgl. Apg 16,16],
und die Jünger Jesu wirken in seinem Namen Wunder [Vgl. Mk 16,17.], denn
alles, worum sie den Vater in seinem Namen bitten, wird er ihnen gewähren.
[Vgl. Job 15,16.]
435 Der Name Jesu ist das Herz des christlichen Betens. Liturgische Gebete
schließen mit der Formel ,,durch [Jesus] Christus, [deinen Sohn,] unseren
Herrn .. .,, Das ,,Ave Maria" gipfelt in ,,Gebenedeit ist die Frucht
deines Leibes: Jesus". Das ostkirchliche Herzensgebet, das sogenannte
Jesusgebet, lautet: ,,Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, hab‘ Erbarmen
mit mir Sünder!". Viele Christen sterben, wie die hl. Jeanne d‘Arc,
mit dem Wort ,,Jesus" auf den Lippen.
II. Christus
436 „Christus" ist das griechische Wort für den hebräischen Ausdruck
,,Messias", der ,,Gesalbter" bedeutet. Zum Eigennamen Jesu wird
es deshalb, weil Jesus die göttliche Sendung, die ,,Christus" bedeutet,
vollkommen erfüllt. In Israel wurden nämlich im Namen Gottes die Menschen
gesalbt, die vom Herrn für eine erhaltene Sendung geweiht ,wurden. Das
war bei den Königen der Fall [Vgl. 1 Sam 9,16;10,1; 16,1.12-13;1 Kön 1,39.],
bei den Priestern [Vgl. Ex 29,7; Lev 8,12.]und in seltenen Fällen bei
den Propheten [Vgl. 1 Kön 19,16.]. Vor allem sollte dies der Fall sein
beim Messias, den Gott senden würde, um sein Reich endgültig zu errichten
[Vgl. Ps 2,2; Apg 4,26-27.]. Der Messias sollte durch den Geist des Herrn
[Vgl. Jes 11,2.] zugleich zum König und zum Priester [Vgl. Sach 4,14;
6,13.], aber auch zum Propheten [Vgl. Jes 61,1; Lk 4,16 - 21.] gesalbt
werden. Jesus hat in seinem dreifachen Amt als Priester, Prophet und König
die messianische Hoffnung Israels erfüllt.
437 Der Engel verkündete den Hirten die Geburt Jesu, des für Israel verheißenen
Messias: ,,Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist
der Messias, der Herr" (Lk 2, 11). Von Anfang an ist Jesus der, ,,den
der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat" (Joh 10,36), da
er im jungfräulichen Schoß Marias als ,,heilig" [Vgl. Lk l,35.]empfangen
wurde. Josef wird von Gott aufgefordert, Maria als seine Frau zu sich
zu nehmen - ,,denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist"
(Mt 1,20) -, damit Jesus, ,,der der Christus genannt wird", von der
Frau Josefs als messianischer Nachkomme Davids geboren werde (Mt 1, 16)
[Vgl. Röm l,3; 2 Tim 2,8;Offb 22,16.].
438 Die Weihe Jesu zum Messias bekundet seine göttliche Sendung. ,,Der
Name Christus bedeutet den, der salbt, den, der gesalbt wurde, und die
Salbung selbst, mit der er gesalbt wurde. Es salbte aber der Vater, gesalbt
wurde der Sohn in dem Geiste, der die Salbung ist" (Irenäus, hæer.
3, 18,3). Seine ewige messianische Salbung wurde in der Zeit seines Erdenlebens
bei seiner Taufe durch Johannes geoffenbart, als ihn Gott salbte ,,mit
dem Heiligen Geist und mit Kraft" (Apg 10,38), ,,damit er Israel
offenbar würde" (Joh 1,31) als sein Messias. Seine Werke und seine
Worte bekunden, daß er ,,der Heilige Gottes" ist (Mk 1,24; Joh 6,69;
Apg 3,14).
439 Viele Juden und selbst einzelne Heiden, die ihre Hoffnung teilten,
erkannten in Jesus die Grundzüge des messianischen ,,Davidssohnes",
den Gott Israel verheißen hatte [Vgl. Mt 2,2; 9,27; 12,23; 15,22; 20,30;
21,9.15.]. Jesus hat den Titel Messias, auf den er Anspruch hatte [Vgl.
Job 4,25-26; 11,27.], gelten lassen, aber nicht vorbehaltlos, denn dieser
Titel war mißverständlich, wurde er doch von einem Teil seiner Zeitgenossen
allzumenschlich [Vgl. Mt 22,41-46.], im Grunde politisch [Vgl. Job 6,15;
Lk 24,21.]aufgefaßt.
440 Jesus nahm das Glaubensbekenntnis des Petrus, der ihn als Messias
anerkannte, entgegen, kündigte aber im Anschluß daran das dem Menschensohn
bevorstehende Leiden an [Vgl. Mt 16, 16-23.]. Er offenbarte, daß sein
Messiaskönigtum sowohl in seiner göttlichen Herkunft als Menschensohn
liege, ,,der vom Himmel herabgestiegen ist" (Joh 3, 13) [Vgl. Job
6,62; Dan 7,13.], als auch in seiner Erlösersendung als leidender Gottesknecht:
,,Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern
um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele" (Mt
20,28) [Vgl. Jes 53,10 -12.]. Darum wird der wahre Sinn seines Königtums
erst vom Kreuz herab kundgetan [Vgl. Job 19,19-22; Lk 23,39-43.]. Erst
nach seiner Auferstehung kann sein Messiaskönigtum von Petrus vor dem
.Gottesvolk verkündet werden: ,,Mit Gewißheit erkenne also das ganze Haus
Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den
ihr gekreuzigt habt" (Apg 2,36).
III. Gottes eingeborener Sohn
441 ,,Gottessohn" ist im Alten Testament ein Titel, der den Engeln
gegeben wird [Vgl. Dtn 32,8 LXX; Ijob 1,6.], dem auserwählten Volk [Vgl.
Ex 4,22; Hos 11,1; Jer 3,19; Sir 36,11; Weish 18,3.], den Kindern Israels
[Vgl. Dtn 14,1; los 2,1.]und seinen Königen [Vgl. 2 Sam 7,14; Ps 82,6.].
Er bedeutet eine Adoptivsohnschaft, die zwischen Gott und seinem Geschöpf
eine besonders innige Verbindung herstellt. Wenn der verheißene MessiasKönig
,,Sohn Gottes" genannt wird [Vgl. 1 Chr 17,13; Ps 2,7.], so heißt
das dem wörtlichen Sinn dieser Texte nach nicht unbedingt, daß er mehr
als ein bloßer Mensch ist. Jene, die Jesus als den Messias Israels [Vgl.
Mt 27,54.]so bezeichneten, wollten vielleicht damit nicht mehr sagen [Vgl.
Lk 23,47.- 18.].
442 Das gilt nicht für Petrus, wenn er Jesus als den ,,Messias, den Sohn
des lebendigen Gottes" bekennt (Mt 16,16), denn dieser antwortet
darauf feierlich: ,,Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern
mein Vater im Himmel" (Mt 16,17). Ebenso sagt Paulus im Blick auf
seine Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus: ,,Als aber Gott, der mich schon
im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner
Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige,
da zog ich keinen Menschen zu Rate .. .,, (Gal 1,15-16). ,,Und sogleich
verkündete er Jesus in den Synagogen und sagte: Er ist der Sohn Gottes"
(Apg 9,20). Dieses Bekenntnis war von Anfang an [Vgl. 1 Thess 1,10.]das
Zentrum des apostolischen Glaubens [Vgl. Job 20,31.]. Als erster hat Petrus
diesen Glauben als Fundament der Kirche bekannt [Vgl. Mt 16,18.].
443 Petrus konnte den transzendenten Charakter der Gottessohnschaft Jesu,
des Messias, deshalb erkennen, weil Jesus diesen deutlich zu verstehen
gegeben hatte. Auf die Frage seiner Ankläger: ,,Du bist also der Sohn
Gottes?"
antwortete Jesus vor dem Hohen Rat: ,,Ihr sagt es - ich bin es"
(Lk 22,70) [Vgl. Mt 26,64; Mk 14,61.]. Schon lange vorher hatte er sich
als den ,,Sohn" bezeichnet, der den Vater kennt [Vgl. Mt 11,27; 21,37-38.]und
sich von den ,,Knechten" unterscheidet, die Gott früher seinem Volk
geschickt hatte [Vgl. Mt 21,34-36.], und der sogar höher steht als die
Engel [Vgl. Mt 24,36.]. Er unterschied seine Sohnschaft von derjenigen
der Jünger, indem er nie ,,unser Vater" sagte [Vgl. Mt 5,48; 6,8;
7,21; Lkl 1,13.], außer um ihnen aufzutragen: ,,So sollt ihr beten: Unser
Vater" (Mt 6,9). Ja, er hob den Unterschied deutlich hervor. ,,mein
Vater und euer Vater (Joh 20,17).
444 Wie die Evangelien berichten, ertönte in zwei feierlichen Momenten,
bei der Taufe und der Verklärung Christi, die Stimme des Vaters, der ihn
als seinen ,,geliebten Sohn" bezeichnete [Vgl. Mt 3,17; 17,5.]. Jesus
nennt sich Gottes ,,eingeborenen [einziggezeugten] Sohn" (Joh 3,16)
und bekräftigt damit seine ewige Präexistenz [Vgl. Joh 10,36.]. Er verlangt,
,,an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes" (Joh 3,18) zu glauben.
Dieses christliche Bekenntnis erscheint schon im Ausruf des Hauptmanns
angesichts des am Kreuze hängenden Jesus: ,,Wahrhaftig, dieser Mensch
war Gottes Sohn!" (Mk 15,39). Denn erst im Pascha-Mysterium kann
der Glaubende dem Titel ,,Sohn Gottes" seine volle Bedeutung geben.
445 Nach der Auferstehung Jesu tritt seine Gottessohnschaft in der Macht
seiner verherrlichten Menschennatur zutage: Er ist ,,dem Geist der Heiligkeit
nach eingesetzt ... als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von
den Toten" (Röm 1,4) [Vgl. Apg 13,33.]. Die Apostel können dann bekennen:
,,Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen
Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit" (Joh 1,14).
IV. Herr
446 In der griechischen Übersetzung der Bücher des Alten Testamentes
[LXX] wird der nicht auszusprechende Name JHWH, unter dem sich Gott offenbart
hat [Vgl. Ex 3,14.], mit ,,Kyrios" [Herr] wiedergegeben. ,,Herr"
wird somit zur gebräuchlichsten Bezeichnung für die Gottheit des Gottes
Israels. In diesem strengen Sinn verwendet das Neue Testament den Titel
,,Herr" für den Vater, aber auch zugleich - und das ist das Neue
- für Jesus, der so als Gott selbst anerkannt wird [Vgl. 1 Kor 2,8.].
447 Jesus selbst nahm auf verhüllte Weise diesen Titel in Anspruch, als
er mit den Pharisäern über den Sinn des Psalmes 110 diskutiert [Vgl. Mt
22,41-46 sowie Apg 2,34.-36; Hebr 1,13.]. Ausdrücklich gebraucht er den
Titel ,,Herr" im Gespräch mit den Jüngern [Vgl. Joh 13,13.]. Während
seines ganzen öffentlichen Lebens zeigen seine Taten, daß er Herr ist
über die Natur, die Krankheiten, die Dämonen, den Tod und die Sünde und
somit göttliche Herrschaft besitzt.
448 In den Berichten der Evangelien nennen Menschen, die sich an Jesus
wenden, ihn sehr oft ,,Herr". In dieser Betitelung äußern sich die
Hochachtung und das Vertrauen derer, die sich Jesus nahen und von ihm
Hilfe und Heilung erwarten [Vgl. z. B. Mt 8,2;14,30; 15,22.]. Wenn vom
Heiligen Geist eingegeben, spricht aus dieser Anrede die Erkenntnis des
göttlichen Mysteriums Jesu [Vgl. Lk 1,43; 2,11.]. In der Begegnung mit
dem auferweckten Jesus wird sie zur Anbetung: ,,Mein Herr und mein Gott!"
(Joh 20,28). ,,Herr" erhält dann einen Klang von Liebe und Zuneigung,
der in der christlichen Tradition immer mitschwingen wird: ,,Es ist der
Herr!" (Joh 21,7).
449 Die ersten Glaubensbekenntnisse der Kirche legen Jesus von Anfang
an den göttlichen Würdetitel "Herr" bei [Vgl. Apg 2,34-36.].
Damit sagen sie, daß die Macht, die Ehre und Herrlichkeit, die Gott gebühren,
auch Jesus zukommen [Vgl. Röm 9,5; Tit 2,13;Offb 5,13], weil er ,,Gott
gleich" ist (Phil 2,6). Der Vater hat diese Herrscherwürde Jesu kundgetan,
indem er ihn von den Toten auferweckte und in seine Herrlichkeit erhob
[Vgl. Röm 10,9; 1 Kor 12,3; Phil 2,9-11.].
450 Vom Beginn der christlichen Geschichte an bedeutet die Aussage, daß
Jesus Herr über die Welt und die Geschichte ist [Vgl. Offb 11,15.], auch,
daß der Mensch seine personale Freiheit keiner irdischen Gewalt absolut
unterwerfen darf, sondern einzig Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus:
Nicht Cäsar ist ,,der Herr" [Vgl. Mk 12,17;Apg 5,29]. ,,Die Kirche
glaubt ..., daß in ihrem Herrn und Meister der Schlüssel, der Mittelpunkt
und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte zu finden ist" (GS
10,2) [10 Vgl. GS 45,2.].
451 Der Titel ,,Herr" gibt dem christlichen Gebet sein Gepräge.
Denken wir an die Gebetseinladung ,,Der Herr sei mit euch" oder an
den Gebetsschluß ,,durch Jesus Christus, ... unseren Herrn" oder
auch an den vertrauens - und hoffnungsvollen Ruf ,,Maran atha" [Der
Herr kommt] oder ,,Maräna tha" [Komm, Herr!] (1 Kor 16,22). ,,Amen.
Komm, Herr Jesus!" (Offb 22,20).
KURZTEXTE
452 Der Name „Jesus" bedeutet „Gott rettet". Das Kind der Jungfrau
Maria wird „Jesus" genannt, „denn er wird sein Volk von seinen Sünden
erlösen" (Mt 1,21). „Es ist uns Menschen kein anderer Name unter
dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen" (Apg 4,12).
453 „Christus" bedeutet „Gesalbter", „Messias". Jesus
ist der Christus, weil „Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen
Geist und mit Kraft" (Apg 10,38). Er war „der, der da kommen soll"
(Lk 7,19), die „Hoffnung Israels" (Apg 28,20).
454 „Sohn Gottes" besagt die einzigartige, ewige Beziehung Jesu
Christi zu Gott, seinem Vater: Er ist der eingeborene Sohn des Vaters
[Vgl. Joh 1,14. 18; 3, 16. 18.], ja Gott selbst [Vgl. Joh 1,1.]. Um Christ
zu sein, muß man glauben, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist [Vgl.
Apg 8,37; 1 Joh 2,23.].
455 „Herr" bezeichnet die göttliche Herrschergewalt. Jesus als Herrn
bekennen oder anrufen heißt an seine Gottheit glauben. „Keiner kann sagen:
Jesus ist der Herr !, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet"
(1 Kor 12,3).
Artikel 3
„Jesus Christus Ist Empfangen Durch Den Heiligen Geist, Geboren
Von Der Jungfrau Maria"
Absatz 1. Der Sohn Gottes Ist Mensch
Geworden
I Warum ist das Wort Fleisch geworden?
456 Wir antworten, indem wir mit dem Credo von Nizäa-Konstantinopel bekennen:
,,Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat
Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und
ist Mensch geworden".
457 Das Wort ist Fleisch geworden, um uns mit Gott zu versöhnen und uns
so zu retten: Gott hat ,,uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere
Sünden gesandt" (1 Joh 4,10). Wir wissen, daß ,,der Vater den Sohn
gesandt hat als den Retter der Welt" (1 Joh 4,14), ,,daß er erschienen
ist, um die Sünde wegzunehmen" (1 Joh 3,5):
,,Es bedurfte des Arztes unsere kranke Natur; es bedurfte des Aufhebers
der gefallene Mensch; es bedurfte des Lebendigmachers der des Lebens
Verlustige; es bedurfte des Zurückführers zum Guten der der Verbindung
mit dem Guten Beraubte; es sehnte sich nach der Ankunft des Lichtes
der in Finsternis Gehüllte; es verlangte nach dem Retter der Gefangene,
nach dem Erlöser der Gebundene, nach dem Befreier der vom Sklavenjoch
Niedergedrückte. Sind das zu geringfügige und zu unbedeutende Dinge,
als daß sie hätten Gott bestimmen dürfen, wie ein Arzt zum Besuch der
menschlichen Natur herabzusteigen, nachdem nun einmal die Menschheit
sich in einer so kläglichen und armseligen Lage befand?" (Gregor
v. Nyssa, or. catech. 14).
458 Das Wort ist Fleisch geworden, damit wir so die Liebe Gottes erkennen:
,,Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, daß Gott seinen
eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben"
(1 Joh 4,9). ,,Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen eingeborenen
Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern
das ewige Leben hat" (Joh 3,16).
459 Das Wort ist Fleisch geworden, um für uns Vorbild der Heiligkeit
zu sein:
,,Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir . . .,, (Mt 11,29). ,,Ich
bin der
Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch
mich" (Joh 14,6). Und auf dem Berg der Verklärung gebietet der Vater:
,,Hört auf ihn!" (Mk 9,7) [Vgl. Dtn 6,4-5.]. Jesus ist ja das Inbild
der Seligpreisungen und die Norm des neuen Gesetzes: ,,Liebt einander,
so wie ich euch geliebt habe !,, (Joh 15,12). Diese Liebe verlangt, in
seiner Nachfolge sich selbst hinzugeben [Vgl. Mk 8,34.].
460 Das Wort ist Fleisch geworden, um uns ,,Anteil an der göttlichen
Natur" zu geben (2 Petr 1,4): ,,Dazu ist das Wort Gottes Mensch geworden
und der Sohn Gottes zum Menschensohn, damit der Mensch das Wort in sich
aufnehme und, an Kindesstatt angenommen, zum Sohn Gottes werde" (Irenäus,
hæer. 3,19,1). Das Wort Gottes ,,wurde Mensch, damit wir vergöttlicht
würden" (Athanasius, inc. 54,3). ,,Weil uns der eingeborene Sohn
Gottes Anteil an seiner Gottheit geben wollte, nahm er unsere Natur an,
wurde Mensch, um die Menschen göttlich zu machen" (Thomas v. A.,
opusc. 57 in festo Corp. Chr. 1).
II Die Menschwerdung
461 Im Anschluß an die Sprechweise des hl. Johannes (,,Verbum caro factum
est - das Wort ist Fleisch geworden": Joh 1,14) nennt die Kirche
das Geschehnis, daß der Sohn Gottes eine menschliche Natur annahm, um
in ihr unser Heil zu wirken, ,,Inkarnation" [Fleisch- oder Menschwerdung].
In einem beim hl. Paulus bezeugten Hymnus besingt die Kirche das Inkarnationsgeheimnis:
,,Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus
entspricht:
Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest‘ wie Gott zu sein,
sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen
gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war
gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz" (Phil 2,5-8) [Vgl.
LH, Canticum 1. Sonntagsvesper.].
462 Der Hebräerbrief sagt vom gleichen Mysterium:
,,Darum spricht Christus bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht-
und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir
geschaffen; an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. Da sagte
ich: Ja, ich komme um deinen Willen, Gott, zu tun" (Hebr 10,5-7;
Ps 40,7-9 LXX anführend).
463 Der Glaube an die tatsächliche Menschwerdung des Sohnes Gottes ist
das entscheidende Kennzeichen des christlichen Glaubens: ,,Daran erkennt
ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der bekennt, Jesus Christus sei im
Fleisch gekommen, ist aus Gott" (1 Joh 4,2). Das ist von Anfang an
die freudige Überzeugung der Kirche. Sie besingt ,,das große Geheimnis
der Frömmigkeit": ,,Er wurde offenbart im Fleisch" (1 Tim 3,16).
III Wahrer Gott und Wahrer Mensch
464 Das ganz einzigartige und einmalige Ereignis der Menschwerdung des
Sohnes Gottes bedeutet nicht, daß Jesus Christus zum Teil Gott und zum
Teil Mensch wäre oder daß er das Ergebnis einer unklaren Vermischung von
Göttlichem und Menschlichem wäre. Er ist wahrhaft Mensch geworden und
dabei doch wahrhaft Gott geblieben. Jesus Christus ist wahrer Gott und
wahrer Mensch. Im Laufe der ersten Jahrhunderte mußte die Kirche diese
Glaubenswahrheit gegenüber mißdeutenden Irrlehren verteidigen und klären.
465 Die ersten Häresien haben weniger die Gottheit Christi als sein wahres
Menschsein geleugnet [gnostischer Doketismus]. Schon zur Zeit der Apostel
betonte der christliche Glaube die wahre Menschwerdung des Sohnes Gottes,
der ,,im Fleisch gekommen" ist [Vgl. 1 Joh 4,2-3;2 Joh 7.]. Bereits
im 3. Jahrhundert aber mußte die Kirche auf einem in Antiochien versammelten
Konzil gegenüber Paul von Samosata bekräftigen, daß Jesus Christus von
Natur aus und nicht durch Adoption Sohn Gottes ist. In seinem Credo bekannte
im Jahr 325 das erste Ökumenische Konzil, das Konzil von Nizäa, daß der
Sohn Gottes ,,gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit [homoúsios]
dem Vater" ist. Es verurteilte Arius, der behauptete, ,,der Sohn
Gottes [sei] aus nichts" (DS 130) und ,,aus einer anderen Substanz
oder Wesenheit" als der Vater (DS 126).
466 Die nestorianische Häresie erblickte in Christus eine mit der göttlichen
Person des Sohnes Gottes verbundene menschliche Person. Dieser Irrlehre
gegenüber bekannten der hl. Cyrill von Alexandrien und das dritte Ökumenische
Konzil, das 431 in Ephesus versammelt war, ,,daß das Wort, indem es das
mit einer vernunftbegabten Seele beseelte Fleisch mit sich selbst der
Hypostase [Person] nach einte, ... Mensch geworden" ist (DS 250).
Die menschliche Natur Christi hat kein anderes Subjekt als die göttliche
Person des Sohnes Gottes, die sie angenommen und schon bei der Empfängnis
sich zu eigen gemacht hat. Deswegen hat das gleiche Konzil verkündet,
daß Maria dadurch, daß sie den Sohn Gottes in ihrem Schoß empfing, wirklich
,,Gottesgebärerin" geworden ist, ,,nicht etwa weil die Natur des
Wortes beziehungsweise seine Gottheit den Anfang des Seins aus der heiligen
Jungfrau genommen hätte, sondern weil der vernünftig beseelte heilige
Leib aus ihr geboren wurde; mit ihm hat sich das Wort der Hypostase [Person]
nach geeint, und deshalb wird von ihm gesagt, es sei dem Fleische nach
geboren worden" (DS 251).
467 Die sogenannten Monophysiten behaupteten, die menschliche Natur habe
als solche in Christus zu bestehen aufgehört, als sie von seiner göttlichen
Person, dem Sohne Gottes, angenommen wurde. Gegenüber dieser Häresie hat
451 das vierte Ökumenische Konzil, das von Chalkedon, erklärt:
,,In der Nachfolge der heiligen Väter lehren wir alle übereinstimmend,
unseren Herrn Jesus Christus als ein und denselben Sohn zu bekennen;
derselbe ist vollkommen in der Gottheit und derselbe ist vollkommen
in der Menschheit; derselbe ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch aus
vernunftbegabter Seele und Leib; derselbe ist der Gottheit nach dem
Vater wesensgleich und der Menschheit nach uns wesensgleich, ,in allem
uns gleich außer der Sünde‘ (Hebr 4,15). Derselbe wurde einerseits der
Gottheit nach vor den Zeiten aus dem Vater gezeugt, andererseits der
Menschheit nach in den letzten Tagen unsertwegen und um unseres Heiles
willen aus Maria, der Jungfrau [und] Gottesgebärerin, geboren.
Ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr‘ der
in zwei Naturen unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar
erkannt wird, wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen
aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen
gewahrt bleibt und sich in einer einzigen Person und einer einzigen
Hypostase vereinigt" (DS 301-302).
468 Nach dem Konzil von Chalkedon faßten einige die menschliche Natur
Christi als eine Art eigenständige Person auf. Ihnen gegenüber bekannte
553 das fünfte Ökumenische Konzil, das von Konstantinopel, in bezug auf
Christus ,,eine einzige Hypostase [Person] ..., die der Herr Jesus Christus
ist, einer der heiligen Dreifaltigkeit" (DS 424). Alles an der Menschennatur
Christi ist somit seiner göttlichen Person als ihrem eigentlichen Träger
zuzuschreiben [So schon das K. v. Ephesus: DS 255.] nicht nur die Wunder,
sondern auch die Leiden [Vgl. DS 424.]und sogar der Tod, weil unser ,,im
Fleisch gekreuzigter Herr Jesus Christus wahrer Gott und Herr der Herrlichkeit
und einer der heiligen Dreifaltigkeit ist" (DS 432).
469 Die Kirche bekennt so, daß Jesus untrennbar wahrer Gott und wahrer
Mensch ist. Er ist wirklich der Sohn Gottes, Mensch geworden, unser Bruder,
und dies ohne aufzuhören, Gott, unser Herr zu sein:
,,Er blieb, was er war, und nahm an, was er nicht war", singt
die römische Liturgie (LH, Antiphon der Laudes vom 1. Januar) []. Und
die Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus verkündet und singt: ,,O
eingeborener Sohn und Wort Gottes, obwohl unsterblich, hast du dich
um unseres Heiles willen gewürdigt, Fleisch anzunehmen von der heiligen
Gottesmutter und allzeit jungfräulichen Maria. Du bist ohne Veränderung
Mensch geworden und gekreuzigt worden, o Christus, Gott; du hast durch
deinen Tod den Tod vernichtet; du bist einer der heiligen Dreifaltigkeit,
mit dem Vater und dem Heiligen Geist verherrlicht; rette uns!"
(Troparion ,,O monogenis").
IV Wie der Sohn Gottes Mensch ist
470 Da in der Fleischwerdung, dieser geheimnisvollen Vereinigung, ,,die
menschliche Natur angenommen, nicht aufgehoben wurde" (GS 22,2),
sah sich die Kirche im Lauf der Jahrhunderte veranlaßt, die volle Wirklichkeit
der menschlichen Seele Christi, mit ihren Verstandes- und Willenstätigkeiten,
wie auch seines menschlichen Leibes zu bekennen. Doch gleichzeitig mußte
sie jeweils daran erinnern, daß die menschliche Natur Christi der göttlichen
Person des Sohnes Gottes angehört, von der sie angenommen worden ist.
Alles, was Christus in seiner Person ist und tut, ist und tut ,,einer
der Dreifaltigkeit". Der Sohn Gottes teilt also seiner Menschennatur
seine eigene, persönliche Daseinsweise in der Trinität mit. In seiner
Seele wie in seinem Leibe bringt folglich Christus das Leben der heiligsten
Dreifaltigkeit menschlich zum Ausdruck [Vgl. hl. Leo d. Gr., serm. 21,2-3.]:
,,Denn er, der Sohn Gottes, hat ... mit menschlichen Händen ... gearbeitet,
mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen gehandelt,
mit einem menschlichen Herzen geliebt. Geboren von Maria, der Jungfrau,
ist er in Wahrheit einer aus uns geworden, in allem uns gleich außer
der Sünde" (GS 22,2).
Die menschliche Seele und die menschliche Erkenntnis Christi
471 Apollinaris von Laodizäa behauptete, in Christus sei das Wort an
die
Stelle der Seele oder des Geistes getreten. Gegenüber diesem Irrtum hat
die
Kirche bekannt, daß der ewige Sohn auch eine vernunftbegabte menschliche
Seele angenommen hat [Vgl. Joh 14,9-10. - Vgl. DS 149.].
472 Diese menschliche Seele, die der Sohn Gottes angenommen hat, ist
mit wahrhaft menschlicher Erkenntnisfähigkeit begabt. Diese kann an sich
nicht unbegrenzt sein: sie betätigte sich in den geschichtlichen Verhältnissen
seines Daseins in Raum und Zeit. Deshalb wollte der Sohn Gottes, als er
Mensch wurde, auch ,,an Weisheit und Alter und Gnade" zunehmen (Lk
2,52). Er wollte das erfragen, was man als Mensch durch Erfahrung lernen
muß [Vgl. z. B. Mk 6,38; 8,27; Joh 11,34.]. Das entsprach seiner freiwilligen
Annahme der ,,Knechtsgestalt" (Phil 2,7).
473 Gleichzeitig aber kam in dieser wahrhaft menschlichen Erkenntnis
des Sohnes Gottes das göttliche Leben seiner Person zum Ausdruck [Vgl.
Gregor d. Gr.: DS 475.]. ,,Die menschliche Natur des Sohnes Gottes kannte
und bekundete in sich - nicht von sich aus, sondern aufgrund ihrer Vereinigung
mit dem Wort - alles, was Gott zukommt" (Maximus der Bekenner, qu.
dub. 66). Das gilt in erster Linie von der unmittelbaren, innigen Kenntnis,
die der menschgewordene Gottessohn von seinem Vater hat [Vgl. z. B. Mk
14,36;Mt 11,27;Joh 1,18; 8,55.]. Der Sohn zeigte auch in seinem menschlichen
Erkennen göttlichen Einblick in die geheimen Gedanken des Menschenherzens
[Vgl. z.B. Mk 2,8; Joh 2,25; 6,61.].
474 Weil Christus in der Person des menschgewordenen Wortes mit der göttlichen
Weisheit vereint war, wußte seine menschliche Erkenntnis voll und ganz
um die ewigen Ratschlüsse, die zu enthüllen er gekommen war [Vgl. Mk 13,32.],
erklärt er an anderer Stelle, er sei nicht beauftragt, es zu enthüllen
[Vgl. Apg 1,7.].
Der menschliche Wille Christi
475 Dementsprechend hat die Kirche auf dem sechsten Ökumenischen Konzil
(3. K. v. Konstantinopel 681) ihren Glauben daran bekannt, daß Christus
von Natur aus zwei Weisen des Wollens und Handelns - eine göttliche und
eine menschliche - besitzt. Diese widerstreben einander nicht, sondern
wirken so zusammen, daß das menschgewordene Wort im Gehorsam gegenüber
seinem Vater als Mensch alles wollte, was es als Gott zusammen mit dem
Vater und dem Heiligen Geist zu unserem Heil beschlossen hatte [Vgl. DS
556-559.]. Der menschliche Wille Christi ist ,,folgsam und widerstrebt
und widersetzt sich nicht, sondern ordnet sich seinem göttlichen und allmächtigen
Willen unter" (DS 556).
Der wahre Leib Christi
476 Da das Wort Fleisch wurde und eine wahre Menschennatur annahm, war
Christus ,,im Leib begrenzt" [Vgl. Syn. im Lateran 649: DS 504.].
Infolgedessen läßt sich das menschliche Antlitz Jesu ,,vor Augen stellen"
(Gal 3, 1). Auf dem siebten Ökumenischen Konzil (2. K. v. Nizäa 787) [Vgl.
DS 600 -603] hat die Kirche es als berechtigt anerkannt, Christus auf
heiligen Bildern darzustellen.
477 Die Kirche hat auch von jeher anerkannt, daß wir ,,in der sichtbaren
Gestalt des Erlösers den unsichtbaren Gott erkennen" (MR, Präfation
von Weihnachten). In der Tat bringen die individuellen Besonderheiten
des Leibes Christi die göttliche Person des Gottessohnes zum Ausdruck.
Dieser hat sich die Züge seines menschlichen Leibes sosehr zu eigen gemacht,
daß sie in einer Abbildung auf einem heiligen Bild verehrt werden dürfen,
denn der Gläubige, der sein Bild verehrt, ,,verehrt in ihm die Person
des darin Abgebildeten" (2. K. v. Nizäa: DS 601).
Das Herz des menschgewordenen Wortes
478 Jesus hat während seines Lebens, seiner Todesangst am Ölberg und
seines Leidens uns alle und jeden einzelnen gekannt und geliebt und sich
für jeden von uns hingegeben: Der ,,Sohn Gottes" hat ,,mich geliebt
und sich für mich hingegeben" (Gal 2,20). Er hat uns alle mit einem
menschlichen Herzen geliebt. Aus diesem Grund wird das heiligste Herz
Jesu, das durch unsere Sünden und um unseres Heiles willen durchbohrt
wurde [Vgl. Joh 19,34.], ,,als vorzügliches Kennzeichen und Symbol für
jene .... Liebe angesehen, mit der der göttliche Erlöser den ewigen Vater
und alle Menschen beständig liebt" (Pius XII., Enz. ,,Haurietis aquas":
DS 3924) [Vgl. DS 3812.].
KURZTEXTE
479 Zu der von Gott festgesetzten Zeit ist der eingeborene Sohn des Vaters,
das ewige Wort und Wesensbild des Vaters, Fleisch geworden: er hat, ohne
die göttliche Natur zu verlieren, die menschliche Natur angenommen.
480 Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch in der Einheit seiner
göttlichen Person; deshalb ist er der einzige Mittler zwischen Gott und
den Menschen.
481 Jesus Christus hat zwei Naturen, die göttliche und die menschliche;
sie sind nicht miteinander vermischt, sondern in der einzigen Person des
Sohnes Gottes vereint.
482 Da Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist, hat er einen menschlichen
Verstand und einen menschlichen Willen. Diese stehen mit seinem göttlichen
Verstand und göttlichen Willen, die er mit dem Vater und dem Heiligen
Geist gemeinsam hat, völlig in Einklang und sind ihnen untergeordnet.
483 Die Inkarnation [Menschwerdung] ist somit das Mysterium der wunderbaren
Vereinigung der göttlichen und der menschlichen Natur in der einen Person
des Wortes.
Absatz 2. „...Empfangen Durch
Den Heiligen Geist, Geboren Von Der Jungfrau Maria"
I Empfangen durch den Heiligen Geist ...
484 Die Verkündigung an Maria eröffnet die ,,Fülle der Zeit" (Gal
4,4): Die Verheißungen gehen in Erfüllung, die Vorbereitungen sind vollendet.
Maria ist berufen, den zu empfangen, in dem ,,die ganze Fülle der Gottheit
leibhaftig" wohnen wird (Kol 2,9). Die göttliche Antwort auf ihre
Frage: ,,Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?" (Lk
1,34) verweist auf die Macht des Geistes: ,,Der Heilige Geist wird über
dich kommen" (Lk 1,35).
485 Die Sendung des Heiligen Geistes ist stets mit der des Sohnes verbunden
und auf sie hingeordnet [Vgl. Joh 16,14-15.]. Der Heilige Geist wird gesandt,
um den Schoß der Jungfrau zu heiligen und göttlich zu befruchten; er,
,,der Herr ist und lebendig macht", bewirkt, daß sie den ewigen Sohn
des Vaters empfängt, der aus ihr die menschliche Natur annimmt.
486 Der eingeborene Sohn des Vaters, der im Schoß der Jungfrau Maria
als Mensch empfangen wird, ist ,,Christus", das heißt gesalbt durch
den Heiligen Geist [Vgl. Mt 1,20; Lk 1,35.], von Beginn seines menschlichen
Daseins an, auch wenn das nur schrittweise kundgetan wird: zuerst den
Hirten [Vgl. Lk 2,8-20.], dann den Sterndeutern [Vgl. Mt 2,1-12.], Johannes
dem Täufer [Vgl. Joh 1,31-34.] und den Jüngern [Vgl. Joh 2,11.]. Das ganze
Leben Jesu wird offenbaren, daß ihn ,,Gott ... gesalbt hat mit dem Heiligen
Geist und mit Kraft" (Apg 10,38).
II ... geboren von der Jungfrau Maria
487 Was der katholische Glaube von Maria glaubt und lehrt, gründet auf
dem Glauben an Christus, es erhellt aber auch den Glauben an Christus.
Die Vorherbestimmung Marias
488 ,,Gott hat seinen Sohn gesandt" (Gal 4,4). Um aber diesem ,,einen
Leib zu bereiten" (Hebr 10,5), sollte nach seinem Willen ein Geschöpf
in Freiheit mitwirken. Zu der Aufgabe, Mutter seines Sohnes zu sein, hat
Gott von aller Ewigkeit her eine Tochter Israels, eine junge Jüdin aus
Nazaret in Galiläa, auserwählt, eine Jungfrau, die ,,mit einem Mann namens
Josef verlobt [war], der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau
war Maria" (Lk 1,26-27).
,,Der Vater der Erbarmungen wollte, daß vor der Menschwerdung die vorherbestimmte
Mutter ihr empfangendes Ja sagte, damit auf diese Weise so‘ wie eine
Frau zum Tode beigetragen hat, auch eine Frau zum Leben beitrüge"
(LG 56) [Vgl. LG 61.].
489 Während des ganzen Alten Bundes wurde die Berufung Marias durch die
Sendung heiliger Frauen vorbereitet. Trotz ihres Ungehorsams wird Eva
schon zu Beginn verheißen, sie werde einen Nachkommen erhalten, der den
Bösen besiegen [Vgl. Gen 3,15.]werde, und die Mutter aller Lebendigen
sein [Vgl. Gen 3,20.]. Kraft dieser Verheißung empfängt Sara trotz ihres
hohen Alters einen Sohn [Vgl. Gen 18,10-14; 21,1-2]. Wider alle menschliche
Erwartung wählt Gott das, was als machtlos und schwach gilt [Vgl. 1 Kor
1,27.], um zu zeigen daß er seiner Verheißung treu bleibt: Hanna, die
Mutter Samuels [10 Vgl. 1 Sam 1.], Debora, Rut, Judit und Ester sowie
viele andere Frauen. Maria ,,ragt unter den Demütigen und Armen des Herrn
hervor, die das Heil mit Vertrauen von ihm erhoffen und empfangen. Mit
ihr als der erhabenen Tochter Sion ist schließlich nach langer Erwartung
der Verheißung die Zeit erfüllt und hat die neue Heilsökonomie begonnen"
(LG 55).
Die unbefleckte Empfängnis
490 Da Maria zur Mutter des Erlösers ausersehen war, ,,ist sie von Gott
mit den einer solchen Aufgabe entsprechenden Gaben beschenkt worden"
(LG 56). Bei der Verkündigung grüßt sie der Engel als ,,voll der Gnade"
(Lk 1,28). Um zur Ankündigung ihrer Berufung ihre freie Glaubenszustimmung
geben zu können, mußte sie ganz von der Gnade Gottes getragen sein.
491 Im Laufe der Jahrhunderte wurde sich die Kirche bewußt, daß Maria,
von Gott ,,mit Gnade erfüllt" (Lk 1,28), schon bei ihrer Empfängnis
erlöst worden ist. Das bekennt das Dogma von der unbefleckten Empfängnis,
das 1854 von Papst Pius IX. verkündigt wurde: daß die seligste Jungfrau
Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch die einzigartige Gnade
und Bevorzugung des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste
Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jeglichem Makel
der Urschuld unversehrt bewahrt wurde"(DS 2803).
492 Daß sie ,,vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an im Glanz einer
einzigartigen Heiligkeit" erstrahlt (LG 56), kommt ihr nur Christi
wegen zu:
Sie wurde im ,,Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes auf erhabenere
Weise erlöst" (LG 53). Mehr als jede andere erschaffene Person hat
der Vater sie ,,mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch [die] Gemeinschaft
mit Christus im Himmel" (Eph 1,3). Er hat sie erwählt vor der Erschaffung
der Welt, damit sie in Liebe heilig und untadelig vor ihm lebe [Vgl. Eph
1,4.].
493 Die ostkirchlichen Väter nennen die Gottesmutter ,,die Ganzheilige"
[Panhagia]; sie preisen sie als ,,von jeder Sündenmakel frei, gewissermaßen
vom Heiligen Geist gebildet und zu einer neuen Kreatur gemacht" (LG
56). Durch die Gnade Gottes ist Maria während ihres ganzen Lebens frei
von jeder persönlichen Sünde geblieben.
,,Mir geschehe nach deinem Wort ..
494 Auf die Ankündigung, daß sie durch die Kraft des Heiligen Geistes
den ,,Sohn des Höchsten" gebären werde, ohne einen Mann zu erkennen
[Vgl. Lk 1,28-37.], antwortete Maria im ,,Gehorsam des Glaubens"
(Röm 1,5), in der Gewißheit, daß ,,für Gott nichts unmöglich" ist:
,,Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort" (Lk
1,37-38). Indem Maria dem Worte Gottes ihre Zustimmung gab, wurde sie
zur Mutter Jesu. Sie machte sich aus ganzem Herzen, ohne daß eine Sünde
sie davon abgehalten hätte, den göttlichen Heilswillen zu eigen und gab
sich ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes hin, um mit der Gnade Gottes
in Abhängigkeit vom Sohn und in Verbundenheit mit ihm dem Erlösungsgeheimnis
zu dienen [Vgl. LG 56].
,,Der hl. Irenäus sagt, daß sie ,in ihrem Gehorsam für sich und das
ganze Menschengeschlecht Ursache des Heils geworden ist‘. Deshalb sagen
nicht wenige der alten Väter gern, ,daß der Knoten des Ungehorsams der
Eva gelöst worden sei durch den Gehorsam Marias; und was die Jungfrau
Eva durch den Unglauben gebunden hat, das habe die Jungfrau Maria durch
den Glauben gelöst‘. Im Vergleich mit Eva nennen sie Maria ,die Mutter
der Lebendigen‘ und öfters betonen sie: ,Der Tod kam durch Eva, das
Leben durch Maria"‘ (LG 56).
Die Gottesmutterschaft Marias
495 In den Evangelien wird Maria ,,die Mutter Jesu" genannt (Joh
2,1;19,25) [Vgl. Mt 13,55 u. a.]. Weil der Heilige Geist dazu anregt,
wird sie schon vor der Geburt ihres Sohnes als ,,die Mutter meines Herrn"
bejubelt (Lk 1,43). Der, den sie durch den Heiligen Geist als Menschen
empfangen hat und der dem Fleische nach wirklich ihr Sohn geworden ist,
ist ja kein anderer als der ewige Sohn des Vaters, die zweite Person der
heiligsten Dreifaltigkeit. Die Kirche bekennt, daß Maria wirklich Mutter
Gottes [Theotokos, Gottesgebärerin] ist [Vgl. DS 251.].
Die Jungfräulichkeit Marias
496 Schon in den ersten Formulierungen des Glaubens [Vgl. DS 10-64]hat
die Kirche bekannt, daß Jesus einzig durch die Kraft des Heiligen Geistes
im Schoß der Jungfrau Maria empfangen wurde. Auch der leibliche Aspekt
dieses Geschehens wurde mitausgesagt: Sie hat Jesus ,,ohne Samen aus Heiligem
Geist empfangen" (Syn. im Lateran 649: DS 503). Die Väter sehen in
der jungfräulichen Empfängnis das Zeichen dafür, daß wirklich der Sohn
Gottes in eine uns gleiche menschliche Natur kam.
So sagt der hl. Ignatius von Antiochien [zu Beginn des 2. Jahrhundertsl:
,,Ihr seid vollkommen überzeugt von unserem Herrn, der wirklich aus dem
Geschlecht Davids stammt nach dem Fleische [Vgl. Röm 1,3] Sohn Gottes
nach Gottes Willen und Macht [Vgl. Joh 1,13.], wirklich geboren aus einer
Jungfrau ..., wirklich unter Pontius Pilatus ... angenagelt für uns im
Fleische ...,und wirklich litt er, wie er sich auch wirklich auferweckte"
(Smyrn. 1-2).
497 Die Berichte in den Evangelien [Vgl. Mt 1,18-25; Lk 1,26-38.] fassen
die jungfräuliche Empfängnis als ein Werk Gottes auf, das über jedes menschliche
Verständnis und Vermögen hinausgeht [Vgl. Lk 1,34.]. Der Engel sagt zu
Josef von Maria, seiner Braut: ,,Das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen
Geist" (Mt 1,20). Die Kirche erblickt darin die Erfüllung der Verheißung,
die Gott durch den Propheten Jesaja gegeben hat: ,,Seht, die Jungfrau
wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären" (Jes 7,14)
[Nach der griechischen Übersetzung in
Mt 1,23.].
498 Man war manchmal verunsichert, weil das Markusevangelium und die
Briefe des Neuen Testamentes nichts von der jungfräulichen Empfängnis
Marias sagen. Man hat auch gefragt, ob es sich hier nicht um Legenden
oder um theologische Konstrukte handelt, die nicht Anspruch auf Geschichtlichkeit
erheben. Darauf ist zu antworten:
Der Glaube an die jungfräuliche Empfängnis ist bei Nichtchristen, Juden
wie Heiden, auf lebhaften Widerspruch‘ Gespött und Unverständnis gestoßen
[Vgl. etwa Justin, dial. 99,7; Origenes, Cels. 1,32.69.]er war also nicht
durch die heidnische Mythologie oder irgendeine Angleichung an zeitgenössische
Ideen motiviert. Der Sinn dieses Geschehens ist nur für den Glauben erfaßbar,
der es ,,aufgrund des Zusammenhanges der Geheimnisse selbst untereinander"
(DS 3016) im Ganzen der Mysterien Christi, von seiner Menschwerdung bis
Ostern, sieht. Schon der hl. Ignatius von Antiochien bezeugt diesen Zusammenhang:
,,Es blieb dem Fürsten dieser Welt die Jungfrauschaft Marias und ihre
Niederkunft verborgen‘ ebenso auch der Tod des Herrn - drei laut rufende
Geheimnisse‘ die in Gottes Stille geschahen" (Eph. 19, 1) [Vgl. 1
Kor 2,8.].
Maria - ,,allzeit Jungfrau"
499 Ein vertieftes Verständnis ihres Glaubens an die jungfräuliche Mutterschaft
Marias führte die Kirche zum Bekenntnis, daß Maria stets wirklich Jungfrau
geblieben ist [Vgl. DS 427. ], auch bei der Geburt des menschgewordenen
Gottessohnes [Vgl. DS 291; 294; 442; 503; 571; 1880.]. Durch seine Geburt
hat ihr Sohn ,,ihre jungfräuliche Unversehrtheit nicht gemindert, sondern
geheiligt" (LG 57). Die Liturgie der Kirche preist Maria als die
,,allzeit Jungfräuliche" [Aeiparthenos] [Vgl. LG 52.].
500 Man wendet manchmal dagegen ein, in der Schrift sei von Brüdern und
Schwestern Jesu die Rede [Vgl. Mk 3,31-35; 6,3;1 Kor 9,5; Gal 1,19. ].
Die Kirche hat diese Stellen immer in dem Sinn verstanden, daß sie nicht
weitere Kinder der Jungfrau Maria betreffen. In der Tat sind Jakobus und
Josef, die als ,,Brüder Jesu" bezeichnet werden (Mt 13,55), die Söhne
einer Maria, welche Jüngerin Jesu war [Vgl. Mt 27,56.]und bezeichnenderweise
,,die andere Maria" genannt wird (Mt 28,1). Gemäß einer bekannten
Ausdrucksweise des Alten Testamentes [Vgl. z.B. Gen 13,8; 14,16; 29,15.]
handelt es sich dabei um nahe Verwandte Jesu.
501 Jesus ist der einzige Sohn Marias. Die geistige Mutterschaft Marias
aber [Vgl. Joh 19,26-27; Offb 12,17.] erstreckt sich auf alle Menschen,
die zu retten Jesus gekommen ist: ,,Sie gebar einen Sohn, den Gott zum
,Erstgeborenen unter vielen Brüdern‘ (Röm 8,29) gesetzt hat, den Gläubigen
nämlich, bei deren Geburt und Erziehung sie in mütterlicher Liebe mitwirkt"
(LG 63).
Die jungfräuliche Mutterschaft Marias im Ratschluß Gottes
502 Im Zusammenhang mit der Gesamtheit der Offenbarung kann der Blick
des Glaubens die geheimnisvollen Gründe dafür entdecken, warum Gott in
seinem Heilsplan gewollt hat, daß sein Sohn von einer Jungfrau geboren
werde. Diese Gründe betreffen sowohl die Person und die Erlösungssendung
Christi als auch die Annahme dieser Sendung durch Maria für alle Menschen.
503 Die Jungfräulichkeit Marias zeigt, daß Gott bei der Menschwerdung
die absolute Initiative hat. Jesus hat nur Gott zum Vater [Vgl. Lk 2,48-49.].
Er war ,,niemals wegen des Menschen, den er angenommen hat‘ dem Vater
fremd ...: [Er ist] natürlicher [Sohn] dem Vater der Gottheit nach‘ natürlicher
[Sohn] der Mutter der Menschheit nach‘ jedoch eigentlicher [Sohn] dem
Vater in beidem" (Syn. v. Friaul 696: DS 619).
504 Jesus ist im Schoß der Jungfrau Maria deshalb durch den Heiligen
Geist empfangen‘ weil er der neue Adam [Vgl. 1 Kor 15,45.] ist‘ der die
neue Schöpfung eröffnet: ,,Der Erste Mensch stammt von der Erde und ist
Erde; der Zweite Mensch stammt vom Himmel" (1 Kor 15,47). Die menschliche
Natur Christi ist von seiner Empfängnis an vom Heiligen Geist erfüllt,
denn Gott ,,gibt den Geist unbegrenzt" (Joh 3,34). ,,Aus seiner Fülle"
- des Hauptes der erlösten Menschheit [Vgl. Kol 1,18.]- ,,haben wir alle
empfangen, Gnade über Gnade" (Joh 1,16).
505 Jesus, der neue Adam, leitet durch seine jungfräuliche Empfängnis
die neue Geburt ein, die im Heiligen Geist durch den Glauben Menschen
zu Kindern Gottes macht. ,,Wie soll das geschehen?" (Lk 1,34) [Vgl.
Joh 3,9.]. Die Teilhabe am göttlichen Leben kommt ,,nicht aus dem Blut,
nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern
aus Gott" (Joh 1,13). Dieses Leben wird jungfräulich empfangen, denn
es wird dem Menschen gänzlich durch den Geist geschenkt. Der bräutliche
Charakter der Berufung des Menschen zu Gott [Vgl. 2Kor 11,2.]ist in der
jungfräulichen Mutterschaft Marias vollkommen verwirklicht.
506 Maria ist Jungfrau, weil ihre Jungfräulichkeit Zeichen ihres Glaubens
ist, ,,der durch keinen Zweifel verfälscht war" (LG 63), und wegen
ihrer ungeteilten Hingabe an den Willen Gottes [Vgl. 1 Kor 7,34-35.].
Dank ihres Glaubens kann sie die Mutter des Erlösers werden:
,,Seliger ist Maria im Empfangen des Glaubens an Christus als in der
Empfängnis des Fleisches Christi" (Augustinus, virg. 3).
507 Maria ist Jungfrau und Mutter zugleich, weil sie das Inbild der Kirche
und Kirche im Vollsinn ist [Vgl. 1 Kor 7,34-35.]: Die Kirche wird ,,durch
die gläubige Annahme des Wortes Gottes ... auch selbst Mutter: Denn durch
Predigt und Taufe gebiert sie Kinder, die vom Heiligen Geist empfangen
und aus Gott geboren sind, zu neuem und unsterblichem Leben. Auch sie
selbst ist Jungfrau, die das Treuewort, das sie dem Bräutigam gegeben
hat, unversehrt und rein hält" (LG 64).
KURZTEXTE
508 Unter den Nachkommen Evas hat Gott die Jungfrau Maria zur Mutter
seines Sohnes erwählt. „Voll der Gnade" ist sie „die erhabenste Frucht
der Erlösung" (SC 103). Sie ist vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis
an von der Befleckung durch die Erbsünde gänzlich bewahrt worden und während
ihres ganzen Lebens ohne jede persönliche Sünde geblieben.
509 Maria ist wahrhaft „Mutter Gottes", denn sie ist die Mutter
des menschgewordenen ewigen Sohnes Gottes, der selbst Gott ist.
510 Maria „ist Jungfrau geblieben, als sie ihren Sohn empfing, Jungfrau,
als sie ihn gebar, Jungfrau, als sie ihn trug, Jungfrau, als sie an ihrer
Brust nährte. Allzeit Jungfrau" (Augustinus, serm. 186,1). Mit ihrem
ganzen Wesen ist sie „die Magd des Herrn" (Lk 1,38).
511 Die Jungfrau Maria „hat in freiem Glauben und Gehorsam zum heil der
Menschen mitgewirkt" (LG 56). Sie hat „als Vertreterin der gesamten
Menschennatur" (Thomas v. A., s. th. 3,30,1) ihr Jawort gesprochen.
Durch ihren Gehorsam ist sie zur neuen Eva, zur Mutter der Lebendigen
geworden.
Absatz 3. Die Mysterien Des Lebens Christi
512 Aus dem Leben Christi nennt das Glaubensbekenntnis nur die Mysterien
der Menschwerdung (Empfängnis und Geburt) und des Pascha (Leiden, Kreuzigung,
Tod, Begräbnis, Hinabstieg zu den Toten, Auferstehung, Himmelfahrt). Von
den Mysterien des verborgenen und öffentlichen Lebens ist nicht ausdrücklich
die Rede. Die Glaubensartikel aber, die die Menschwerdung und das Pascha
Jesu betreffen, erhellen das ganze Erdenleben Christi; ,,alles ..., was
Jesus von Anfang an getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er [in
den Himmel] aufgenommen wurde" (Apg 1,1-2), ist im Licht des Weihnachts-
und des Ostermysteriums zu sehen.
513 Die Katechese soll, den jeweiligen Umständen entsprechend, den ganzen
reichen Sinngehalt der Mysterien Jesu entfalten. Hier ist nur auf einzelne
Elemente hinzuweisen, die allen Mysterien des Lebens Christi gemeinsam
sind (I); dann werden die Hauptmysterien des verborgenen (II) und des
öffentlichen (III) Lebens Jesu kurz dargelegt.
I Das ganze Leben Christi ist Mysterium
514 Vieles, was menschliche Wißbegierde von Jesus erfahren möchte, findet
sich in den Evangelien nicht. Über sein Leben in Nazaret wird fast nichts
gesagt, und selbst von einem großen Teil seines öffentlichen Lebens ist
nichts berichtet [Vgl. Joh 20,30.] . Was in den Evangelien aufgezeichnet
wurde, ist ,,aufgeschrieben, damit ihr glaubt, daß Jesus der Messias ist,
der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem
Namen" (Joh 20,31).
515 Die Evangelien sind von Menschen geschrieben, die unter den ersten
Glaubenden waren [Vgl. Mk 1,1; Joh 21,24.]und den Glauben anderen mitteilen
wollten. Da sie im Glauben wußten, wer Jesus ist, konnten sie in seinem
ganzen Erdenleben die Spuren seines innersten Geheimnisses sehen und andere
darauf hinweisen. Im Leben Jesu ist alles - von den Windeln bei seiner
Geburt [Vgl. Lk 2,7.] bis zum Essig bei seinem [Vgl. Mt 27,48.]und zum
Grabtuch bei seiner Auferstehung [Vgl. Joh 20,7.]- Zeichen seines innersten
Geheimnisses. Durch seine Taten, seine Wunder, seine Worte wurde offenbar,
daß in ihm ,,die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig" wohnt (Kol
2,9). Sein Menschsein erscheint so als das ,,Sakrament", das heißt
als Zeichen und Werkzeug seiner Gottheit und des Heils, das er bringt:
Was in seinem Leben zu sehen war, verwies auf das unsichtbare Mysterium
seiner Gottessohnschaft und seines Erlösungsauftrags.
Die gemeinsamen Grundzüge der Mysterien Jesu
516 Das ganze Leben Jesu - seine Worte und Taten, sein Schweigen und
seine Leiden, seine Art, zu sein und zu sprechen - ist Offenbarung des
Vaters. Jesus kann sagen: ,,Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen"
(Joh 14,9), und der Vater: ,,Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt
ihr hören" (Mk 9,7). Da Christus Mensch geworden war, um den Willen
des Vaters zu erfüllen [Vgl. Hebr 10,5-7.], offenbaren uns schon die geringsten
Einzelheiten seines Daseins ,,die Liebe Gottes ... unter uns" (1
Joh 4,9).
517 Das ganze Leben Christi ist Erlösungsgeheimnis. Die Erlösung wird
uns vor allem durch das am Kreuz vergossene Blut zuteil [Vgl. Eph 1,7;
Kol 1, 13-14; 1 Petr 1,18-19.], aber dieses Mysterium ist im ganzen Leben
Jesu am Werk: schon in seiner Menschwerdung, in der er arm wird, um uns
durch seine Armut zu bereichern [Vgl. 2 Kor 8,9.]; in seinem verborgenen
Leben, das durch seinen Gehorsam [Vgl. Lk 2,51]unseren Ungehorsam sühnt;
in seinem Wort, das seine Zuhörer läutert [Vgl. Joh 15,3.]; in seinen
Heilungen und Exorzismen, in denen er ,,unsere Leiden auf sich genommen
und unsere Krankheiten getragen" hat (Mt 8,17) [Vgl. Jes 53,4.];
in seiner Auferstehung, durch die er uns gerecht Vgl. Röm 4,25.].
518 Das ganze Leben Christi ist ein Mysterium der erneuten Zusammenfassung
von allem unter ein Haupt. Alles, was Jesus getan, gesagt und gelitten
hat, war dazu bestimmt, den gefallenen Menschen wieder in seine ursprüngliche
Berufung zu versetzen:
,,Indem er durch die Inkarnation Mensch wurde, faßte er die lange Entwicklung
der Menschen in sich zusammen und gab uns in dieser Zusammenfassung das
Heil, damit wir unser Sein nach dem Bilde und Gleichnis Gottes, das wir
in Adam verloren hatten, in Christus Jesus wiedererlangen würden"
(Irenäus, hær. 3,18,1). ,,Deshalb durchlief Christus auch jede Altersstufe,
um für alle die Gemeinschaft mit Gott wiederherzustellen" (hær. 3,18,7)
[Vgl. hær. 2,22,4.].
Unsere Teilhabe an den Mysterien Jesu
519 Der ganze ,,Reichtum Christi soll jedem Menschen zur Verfügung stehen
und zum Besitz jedes einzelnen werden" (RH 11). Christus hat sein
Leben nicht für sich gelebt, sondern für uns - von seiner Fleischwerdung
,,für uns Menschen und zu unserem Heil" bis zu seinem Tod ,,für unsere
Sünden" (1 Kor 15,3) und seiner Auferstehung ,,wegen unserer Gerechtmachung"
(Röm 4,25). Auch jetzt noch ist er unser ,,Beistand beim Vater" (1
Joh 2,1), ,,denn er lebt allezeit, um für (uns) einzutreten" (Hebr
7,25). Mit allem, was er ein für allemal für uns gelebt und gelitten hat,
weilt er nun für immer ,,für uns vor Gottes Angesicht" (Hebr 9,24).
520 In seinem ganzen Leben erweist sich Jesus als unser Vorbild [Vgl.
Röm 15,5; Phil 2,5.]: Er ist der ,,vollkommene Mensch" (GS 38), der
uns einlädt, seine Jünger zu werden und ihm nachzufolgen. Durch seinen
demütigen Dienst hat er uns ein Beispiel zur Nachahmung gegeben [Vgl.
Joh 13,15.], durch sein Beten regt er uns zum Beten an [Vgl. Lk 11,1.],
durch seine Armut fordert er uns auf, Entbehrung und Verfolgungen bereitwillig
auf uns zu nehmen [Vgl. Mt 5,11-12.].
521 Alles, was Christus gelebt hat, laßt er uns in ihm leben, und er
lebt es in uns. ,,Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Fleischwerdung
gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt" (GS 22,2). Wir sollen
mit ihm eines Wesens werden; er läßt uns als die Glieder seines Leibes
an dem teilnehmen, was er in seinem Fleisch für uns und als unser Vorbild
gelebt hat.
,,Wir müssen die Zustände und Mysterien Jesu in uns weiter und zu Ende
führen und ihn oft bitten, er solle sie in uns und in seiner ganzen
Kirche vollenden und vollbringen ... Der Sohn Gottes hat nämlich vor,
durch die Gnaden‘ die er durch diese Mysterien uns mitteilen, und durch
die Wirkungen, die er durch sie in uns hervorbringen will, uns an seinen
Mysterien teilhaben zu lassen, sie gleichsam auszudehnen und sie in
uns und in seiner ganzen Kirche gewissermaßen weiterzuführen. Und auf
diesem Weg will er sie in uns zu Ende führen" (Johannes Eudes,
regn.).
II Die Mysterien der Kindheit und des Verborgenen Lebens Jesu
Die Vorbereitungen
522 Das Kommen des Gottessohnes auf die Erde ist ein so gewaltiges Ereignis,
daß es Gott durch Jahrhunderte hindurch vorbereiten wollte. All die Riten
und Opfer, die Gestalten und Sinnbilder des ,,ersten Bundes" (Hebr
9,15) läßt er auf Christus zulaufen; er kündigt ihn an durch den Mund
der Propheten, die in Israel aufeinander folgen. Zudem weckt er im Herzen
der Heiden eine dunkle Ahnung dieses Kommens.
523 Der hl. Johannes der Täufer ist der unmittelbare Vorläufer [Vgl.
Apg 13,24.] des Herrn; er ist gesandt, um ihm den Weg zu bereiten [Vgl.
Mt 3,3.]. Als ,,Prophet des Höchsten" (Lk 1,76) überragt er alle
Propheten [Vgl. Lk 7,26.]. Er ist der letzte von ihnen [Vgl. Mt 11,13.]und
leitet zum Evangelium über [Vgl. Apg 1,22; Lk 16,16.]. Er frohlockt schon
im Mutterschoß über das Kommen Christi [Vgl. Lkl,41.]und findet seine
Freude darin, ,,der Freund des Bräutigams" zu sein (Joh 3,29), den
er als ,,das Lamm Gottes" bezeichnet, ,,das die Sünde der Welt hinwegnimmt"
(Joh 1,29). Er geht Jesus voran ,,mit dem Geist und mit der Kraft des
Elija" (Lk 1,17) und legt durch seine Predigt, seine Bußtaufe und
schließlich durch sein Martyrium Vgl. Mk 6,17-29.]für ihn Zeugnis ab.
524 In der alljährlichen Feier der Ädventsliturgie läßt die Kirche diese
Messiaserwartung wieder aufleben; die Gläubigen nehmen dadurch an der
langen Vorbereitung auf das erste Kommen des Erlösers teil und erneuern
in sich die Sehnsucht nach seiner zweiten Ankunft [Vgl. Offb 22,17.] Durch
die Feier der Geburt und des Martyriums des Vorläufers vereint sich die
Kirche mit dessen Verlangen: ,,Er muß wachsen, ich aber muß kleiner werden"
(Joh 3,30).
Das Weihnachtsmysterium
525 Jesus kam in der Armseligkeit eines Stalles zur Welt, in einer unbegüterten
Familie [Vgl. Lk 2,6-7.]schlichte Hirten sind die ersten Zeugen des Ereignisses.
In dieser Armut erstrahlt die Herrlichkeit des Himmels [Vgl. Lk 2,8-20.].
Die Kirche wird nicht müde, die Herrlichkeit dieser Nacht zu besingen:
Die Jungfrau bringt heute den Ewigen zur Welt, und die Erde bietet
dem Unzugänglichen eine Höhle. Die Engel und die Hirten preisen ihn
und die Weisen nahen sich mit dem Stern, denn du bist für uns geboren‘
du kleines Kind, du ewiger Gott!
(Kontakion von Romanos dem Meloden)
526 Vor Gott ,,Kind zu werden" ist die Voraussetzung, um in das
Gottesreich einzutreten [Vgl. Mt \8,3-4.]. Dazu muß man sich erniedrigen
[Vgl. Mt 23,12.], kleinwerden; mehr noch: man muß ,,von neuem geboren
werden" (Joh 3,7), ,,aus Gott geboren" werden (Joh 1,13), um
,,Kind Gottes zu werden" (Joh 1,12). Das Weihnachtsgeheimnis vollzieht
sich in uns, wenn Christus in uns ,,Gestalt annimmt" (Gal 4,19).
Weihnachten ist das Mysterium des ,,wundersamen Tausches":
,,O wunderbarer Tausch! Der den Menschen erschuf, nimmt menschliches
Leben an und wird aus der Jungfrau geboren. Von keinem Mann gezeugt‘
kommt er in die Welt und schenkt uns göttliches Leben" (LH Antiphon
der Vespern vom 1. Januar).
Die Mysterien der Kindheit Jesu
527 Die Beschneidung Jesu am achten Tag nach seiner Geburt [Vgl. Lk 2,21.]
ist Zeichen dafür, daß er in die Nachkommenschaft Abrahams, in das Bundesvolk
eingegliedert, dem Gesetz unterworfen [Vgl. Gal 4,4.]und zum Kult Israels
bestellt ist, an dem er während seines ganzen Lebens teilnehmen wird.
Sie ist ein Vorzeichen der ,,Beschneidung, die Christus gegeben hat":
,,der Taufe" (Kol 2,11-12).
528 Die Epiphanie [Erscheinung des Herrn] ist die Offenbarung Jesu als
Messias Israels, als Sohn Gottes und Erlöser der Welt bei seiner Taufe
im Jordan, bei der Hochzeit von Kana und bei der Anbetung Jesu durch die
,,Sterndeuter aus dem Osten" (Mt 2, 1) [Vgl. LH, Antiphonen vom Benedictus
der Laudes und vom Magnificat der 2. Vesper von Epiphanie.]. In diesen
,,Weisen", den Vertretern der heidnischen Religionen der Umwelt,
sieht das Evangelium die Erstlinge der Nationen, welche die frohe Botschaft
vom Heilsereignis der Menschwerdung empfangen. Daß die Weisen nach Jerusalem
kommen, ,,um [dem König der Juden] zu huldigen" (Mt 2,2), zeigt,
daß sie im messianischen Licht des Davidsterns [Vgl. Num 24,17; Offb 22,16.]
in Israel nach dem suchen, der König der Völker sein wird [Vgl. Num 24,
17-19.]. Ihr Kommen bedeutet, daß die Heiden nur dann Jesus entdecken
und ihn als Sohn Gottes und Heiland der Welt anbeten können, wenn sie
sich an die Juden wenden [Vgl. Joh 4,22.]und von ihnen die messianische
Verheißung empfangen, wie sie im Alten Testament enthalten ist [Vgl. Mt
2,4-6.]. Die Epiphanie bekundet, daß ,,alle Heiden in die Familie der
Patriarchen eintreten" (Leo d. Gr., serm. 23) und die ,,Würde Israels"
erhalten sollen (MR, Osternacht 26: Gebet nach der 3. Lesung).
529 Die Darstellung Jesu im Tempel [Vgl. Lk 2,22-29.] zeigt ihn als den
Erstgeborenen, der dem Herrn gehört [Vgl. Ex 13,12-13.]. In Simeon und
Anna kommt es zur Begegnung (so nennt die byzantinische Tradition dieses
Fest) der ganzen Erwartung Israels mit seinem Erlöser. Jesus wird als
der langerwartete Messias, als ,,Licht der Völker" und ,,Herrlichkeit
Israels" erkannt, aber auch als ,,Zeichen, dem widersprochen wird".
Das Schwert des Schmerzes, das Maria vorausgesagt wird, kündigt jene andere,
vollkommene und einzigartige ,,Darbringung" am Kreuz an, die das
Heil schenken wird, ,,das Gott vor allen Völkern bereitet hat".
530 Die Flucht nach Ägypten und die Ermordung der unschuldigen Kinder
[Vgl. Mt 2,13-18.] zeigen den Widerstand der Finsternis gegen das Licht:
,,Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf"
(Joh 1,11). Das ganze Leben Christi wird unter dem Zeichen der Verfolgung
stehen. Seine Jünger teilen dieses Los [Vgl. Joh 15,20.]. Seine Rückkehr
[Vgl. Mt 2,15.]erinnert an den Auszug aus Ägypten [Vgl. Hos 11,1.] und
stellt Jesus als den endgültigen Befreier vor.
Die Mysterien des Verborgenen Lebens Jesu
531 Während des größten Teils seines Lebens hat Jesus das Los der meisten
Menschen geteilt: ein alltägliches Leben ohne äußere Größe, ein Handwerkerleben,
ein jüdisch religiöses Leben, das dem Gesetz Gottes unterstand [Vgl. Gal
4,4.], ein Leben in einer Dorfgemeinschaft. Von dieser ganzen Periode
ist uns nur das geoffenbart, daß Jesus seinen Eltern ,,untertan"
war und zunahm ,,an Weisheit und Alter und Gnade vor Gott und den Menschen"
(Lk 2,51-52).
532 In seiner Unterordnung unter seine Mutter und seinen Pflegevater
erfüllte Jesus das vierte Gebot voll und ganz. Sie war das irdische Bild
seines Sohnesgehorsams gegenüber seinem himmlischen Vater. Die alltägliche
Unterwerfung Jesu unter Josef und Maria kündigte seine Unterwerfung am
Gründonnerstag an und nahm sie vorweg: ,,Nicht mein Wille .. .,, (Lk 22,42).
Mit dem Gehorsam Christi im Alltag des verborgenen Lebens begann schon
die Wiederherstellung dessen, was der Ungehorsam Adams zerstört hatte
[Vgl. Röm 5,19.].
533 Das verborgene Leben in Nazaret ermöglicht jedem Menschen, in den
alltäglichsten Dingen in Gemeinschaft mit Jesus zu sein:
,,Das Haus von Nazaret ist eine Schule, in der man beginnt, das Leben
Christi zu verstehen. Es ist die Schule des Evangeliums ... Sie lehrt
zunächst das Schweigen. Möge in uns eine große Wertschätzung des Schweigens
lebendig werden ... dieser bewundernswerten und notwendigen Geisteshaltung
... Hier lernen wir, wie wichtig das häusliche Leben ist. Nazaret gemahnt
uns an das, was eine Familie ist, an ihre Gemeinschaft in Liebe, an
ihre Würde, ihre strahlende Schönheit, ihre Heiligkeit und Unverletzlichkeit
... Schließlich lernen wir hier die zuchtvolle Ordnung der Arbeit. O
Lehrstuhl von Nazaret, Haus des Handwerkersohnes! Hier möchte ich das
strenge, aber erlösende Gesetz menschlicher Arbeit erkennen und feiern
... Schließlich möchte ich hier den Arbeitern der ganzen Welt Segen
wünschen und ihnen das große Vorbild zeigen, den göttlichen Bruder"
(Paul VI., Ansprache vom 5. Januar 1964 in Nazaret).
534 Das Wiederfinden Jesu im Tempel [Vgl. Lk 2,41-52.] ist das einzige
Ereignis, das das Schweigen der Evangelien über die verborgenen Jahre
Jesu unterbricht. Jesus läßt darin das Mysterium seiner ganzen Hingabe
an die Sendung erahnen, die sich aus seiner Gottessohnschaft ergibt: ,,Wußtet
ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?" Maria
und Josef verstanden diesen Ausspruch nicht, aber sie nahmen ihn im Glauben
an, und Maria ,,bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen"
- während all der Jahre, in denen Jesus in der Stille eines gewöhnlichen
Lebens verborgen blieb.
III Die Mysterien des öffentlichen Lebens Jesu
Die Taufe Jesu
535 Zu Beginn [Vgl. Lk 3,23.]seines öffentlichen Lebens ließ sich Jesus
von Johannes im Jordan taufen [Vgl. Apg 1,22.]. Johannes verkündete ,,Umkehr
und Taufe zur Vergebung der Sünden" (Lk 3,3). Eine Menge von Sündern:
Zöllner und Soldaten [Vgl. Lk 3,10-14.], Pharisäer und Sadduzäer [Vgl.
Mt 3,7.] und Dirnen [Vgl. Mt 21,32.]ließen sich von ihm taufen. ,,Da kam
Jesus." Der Täufer zögert, doch Jesus beharrt und empfängt die Taufe.
In Gestalt einer Taube kommt der Heilige Geist auf Jesus herab und eine
Stimme vom Himmel verkündet: ,,Das ist mein geliebter Sohn" [Vgl.
Mt 3, 13-17.]. Es ist die Erscheinung [Epiphanie] Jesu als Messias Israels
und Sohn Gottes.
536 Die Taufe ist für Jesus die Annahme und der Beginn seiner Sendung
als leidender Gottesknecht. Er läßt sich unter die Sünder rechnen [Vgl.
Jes 53,12.]. Er ist schon ,,das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt"
(Joh 1,29). Er nimmt schon die ,,Taufe" seines blutigen Todes vorweg
[Vgl. Mk 10,38; Lk 12,50.]. Er kommt, um ,,alle Gerechtigkeit zu erfüllen"
(Mt 3,15), das heißt er unterwirft sich ganz dem Willen seines Vaters:
er nimmt aus Liebe die Taufe des Todes zur Vergebung unserer Sünden auf
sich [Vgl. Mt 26,39.]. Auf diese Bereitschaft antwortet die Stimme des
Vaters, der an seinem Sohn Gefallen gefunden hat [Vgl. Lk 3,22; Jes 42,1.].
Der Geist, den Jesus schon seit seiner Empfängnis in Fülle besitzt, kommt
herab, um auf ihm zu ,,ruhen" (Joh 1, 32-33) [Vgl. Jes 11,2.]. Jesus
wird für die ganze Menschheit der Quell des Geistes sein. Bei seiner Taufe
,,öffnete sich der Himmel" (Mt 3,16), den die Sünde Adams verschlossen
hatte, und da Jesus und der Geist sich in das Wasser hineinbegeben, wird
es geheiligt - dies ist das Vorspiel der neuen Schöpfung.
537 Durch die Taufe wird der Christ sakramental Jesus gleichgestaltet,
der in seiner Taufe seinen Tod und seine Auferstehung vorwegnimmt. Der
Christ muß in dieses Mysterium demütiger Selbsterniedrigung und Buße eintreten,
mit Jesus in das Wasser hinabsteigen, um mit ihm wieder emporzusteigen.
Er muß aus dem Wasser und dem Geist wiedergeboren werden, um im Sohn selbst
zu einem geliebten Sohn des Vaters zu werden und ,,in einem neuen Leben
zu wandeln" (Röm 6,4).
,,Lassen wir uns mit Christus durch die Taufe begraben, um mit ihm
aufzuerstehen; lassen wir uns mit ihm hinab, um mit ihm erhoben zu werden;
steigen wir wieder mit ihm hinauf, um in ihm verherrlicht zu werden"
(Gregor v. Nazianz, or. 40,9).
,,Alles, was an Christus geschehen ist, läßt uns erkennen, daß nach
dem Bad der Taufe der Heilige Geist vom Himmel auf uns herabschwebt
und daß wir, durch die Stimme des Vaters adoptiert, Söhne Gottes werden"
(Hilarins, Matth. 2).
Die Versuchung Jesu
538 Die Evangelien sprechen von einer Zeit der Einsamkeit, die Jesus
gleich nach seiner Taufe durch Johannes in der Einöde verbracht hat: Vom
Geist in die Wüste ,,getrieben", bleibt Jesus vierzig Tage lang dort,
ohne zu essen. Er lebt bei den wilden Tieren, und die Engel dienen ihm
[Vgl. Mk 1,12-13.]. Am Ende dieser Zeit versucht ihn Satan dreimal, indem
er Jesu Sohneshaltung Gott gegenüber ins Wanken zu bringen sucht. Jesus
weist diese Angriffe zurück, in denen die Versuchungen Adams im Paradies
und Israels in der Wüste nochmals aufgegriffen werden, und der Teufel
läßt von ihm ab, um- ,,zu seiner Zeit" zurückzukehren (Lk 4,13).
539 Die Evangelisten weisen auf die Heilsbedeutung dieses geheimnisvollen
Geschehens hin. Jesus ist der neue Adam, der treu bleibt, während der
erste Adam der Versuchung erlag. Jesus erfüllt die Sendung Israels vollkommen.
Im Gegensatz zu denen, die einst in der Wüste vierzig Jahre lang Gott
herausforderten [Vgl. Ps 95,10.], erweist sich Christus als der Gottesknecht,
der dem Willen Gottes gänzlich gehorsam ist. So ist Jesus Sieger über
den Teufel: er hat ,,den Starken gefesselt", um ihm seine Beute wieder
zu entreißen [Vgl. Mk 3,27.]. Der Sieg Jesu über den Versucher in der
Wüste nimmt den Sieg der Passion vorweg, den höchsten Gehorsamserweis
seiner Sohnesliebe zum Vater.
540 Die Versuchung zeigt, auf welche Weise der Sohn Gottes Messias ist,
im Gegensatz zu der Rolle, die Satan ihm vorschlägt und in der die Menschen
[Vgl. Mt 16,21-23.]ihn gerne sehen möchten. Darum hat Christus den Vesucher
für uns besiegt. ,,Wir haben ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen
könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung
geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat" (Hebr 4,15). Durch
die vierzigtägige Fastenzeit vereint sich die Kirche jedes Jahr mit dem
Mysterium Jesu in der Wüste.
,,Das Reich Gottes ist nahe"
541 ,,Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder
nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit
ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!"
(Mk 1,14-15). ,,Um den Willen des Vaters zu erfüllen, hat Christus das
Reich der Himmel auf Erden begründet" (LG 3). Nun aber ist es der
Wille des Vaters, ,,die Menschen zur Teilhabe am göttlichen Leben zu erheben"
(LG 2). Er tut das, indem er die Menschen um seinen Sohn, Jesus Christus,
sammelt. Dieser Zusammenschluß ist die Kirche; sie stellt ,,Keim und Anfang"
des Reiches Gottes auf Erden dar (LG 5).
542 Christus ist die Mitte, um die die Menschen zur ,,Familie Gottes"
gesammelt werden. Er ruft sie zu sich durch sein Wort, durch seine Zeichen,
die das Reich Gottes bekunden, und durch die Sendung seiner Jünger. Herbeiführen
wird er sein Reich vor allem durch das große Mysterium seines Paschas:
seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung. ,,Und ich, wenn ich über die
Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen" (Joh 12,32). Zu dieser
Vereinigung mit Christus sind alle Menschen berufen [Vgl. LG 3.].
Die Verkündigung des Reiches Gottes
543 Alle Menschen sind berufen, in das Reich einzutreten. Dieses messianische
Reich wird zunächst den Kindern Israels verkündet [Vgl. Mt 10,5-7.], ist
aber für die Menschen aller Völker bestimmt [Vgl. Mt 8,11; 28,19.]. Wer
in das Reich eintreten will, muß das Wort Jesu annehmen.
,,Denn das Wort des Herrn wird mit einem Samen verglichen, der auf
dem Acker gesät wird: die es im Glauben hören und der kleinen Herde
Christi zugezählt werden‘ haben das Reich selbst angenommen; aus eigener
Kraft keimt dann der Same und wächst bis zur Zeit der Ernte" (LG
5).
544 Das Reich gehört den Armen und Kleinen, das heißt denen, die es demütigen
Herzens angenommen haben. Jesus ist gesandt, damit er ,,den Armen Frohbotschaft
bringe" (Lk 4,18) [Vgl. Lk 7,22.]. Er preist sie selig, denn ,,ihnen
gehört das Himmelreich" (Mt 5,3). Den ,,Kleinen" wollte der
Vater offenbaren, was den Weisen und Klugen verborgen bleibt [Vgl. Mt
11,25.]. Von der Krippe bis zum Kreuz teilt Jesus das Leben der Armen;
er kennt Hunger [Vgl. Mk 2,23-26; Mt 2l,18.], Durst [Vgl. Joh 4,6-7; 19,28.]und
Entbehrung [Vgl. Lk 9,58.].Mehr noch: Er identifiziert sich mit den Armen
aller Art und macht die tätige Liebe zu ihnen zur Voraussetzung für die
Aufnahme in sein Reich [Vgl. Mt 25,31-46.].
545 Jesus lädt die Sünder zum Tisch des Gottesreiches: ,,Ich bin gekommen,
um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten" (Mk 2, 17) [Vgl. 1 um
1,15.]. Er fordert sie zur Bekehrung auf, ohne die man nicht in das Reich
eintreten kann. Er zeigt ihnen aber in Wort und Tat das grenzenlose Erbarmen
des Vaters [Vgl. Lk 15, 11-32.]und die gewaltige ,,Freude", die ,,im
Himmel ... herrschen [wird] über einen einzigen Sünder, der umkehrt"
(Lk 15,7). Der größte Beweis seiner Liebe ist die Hingabe seines Lebens
,,zur Vergebung der Sünden" (Mt 26,28).
546 Jesus ruft durch Gleichnisse - ein typischer Zug seines Lehrens -dazu
auf, in das Reich einzutreten [Vgl. Mk 4,33-34.]. Durch sie lädt er zum
Festmahl des Reiches ein [Vgl. Mt 22, 1-14.], fordert aber auch eine radikale
Entscheidung: Um das Reich zu erwerben, muß man alles aufgeben [Vgl. Mt
13,44-45.]; bloße Worte genügen nicht; Taten sind notwendig [Vgl. Mt 21,28-32.].
Die Gleichnisse halten dem Menschen gewissermaßen einen Spiegel vor, der
ihn erkennen läßt: Nimmt er das Wort auf wie ein harter Boden oder wie
die gute Erde [Vgl. Mt 13,3-9.] ? Was tut er mit den Talenten, die er
erhalten hat [Vgl. Mt 25,14-30.]? Jesus und die Gegenwart des Reiches
auf Erden sind die Sinnmitte der Gleichnisse. Man muß in das Reich eintreten,
das heißt Jünger Christi werden, um ,,die Geheimnisse des Himmelreichs
zu erkennen" (Mt 13,11). Für die, ,,die draußen sind" (Mk 4,11),
bleibt alles rätselhaft [Vgl. Mt 13,10-15.].
Die Zeichen des Reiches Gottes
547 Jesus begleitet seine Worte durch zahlreiche ,,machtvolle Taten,
Wunder und Zeichen" (Apg 2,22). Diese zeigen, daß das Reich in ihm
gegenwärtig ist. Sie bezeugen, daß Jesus der angekündigte Messias ist
[Vgl. Lk 7,18-23.].
548 Die von Jesus vollbrachten Zeichen bezeugen, daß der Vater ihn gesandt
hat [Vgl. Joh 5,36; 10,25.]. Sie laden ein, an ihn zu glauben [Vgl. Joh
10,38.]. Denen, die sich gläubig an ihn wenden, gibt er, was sie erbitten
[Vgl. z. B. Mk 5,25-34; 10,52.]. So stärken die Wunder den Glauben an
ihn, der die Werke seines Vaters tut: sie bezeugen, daß er der Sohn Gottes
ist [Vgl. Joh 10,31-38.]. Sie können aber auch Anlaß zum ,,Anstoß"
sein (Mt 11,6). Sie wollen nicht Neugier und magische Wünsche befriedigen.
Trotz seiner so offensichtlichen Wunder wird Jesus von einzelnen abgelehnt
[Vgl. Joh 11,47-48.] ja man bezichtigt ihn, mit Hilfe der Dämonen zu wirken
[Vgl. Mk 3,22.].
549 Indem er einzelne Menschen von irdischen Übeln: von Hunger [Vgl.
Joh 6,5-15.] Unrecht [Vgl. Lk 19,8.], Krankheit und Tod [Vgl. Mt 11,5.]
befreit, setzt Jesus messianische Zeichen. Er ist jedoch nicht gekommen,
um alle Übel auf Erden zu beheben [Vgl. Joh 8,34-36.]. Diese hindert sie
an ihrer Berufung zu Kindern Gottes und bringt sie in vielerlei Abhängigkeiten.
550 Das Kommen des Gottesreiches ist die Niederlage des Reiches Satans
[Vgl. Mt 12,36.]:
,,Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, dann ist
das Reich Gottes schon zu euch gekommen" (Mt 12,28). Die von Jesus
vorgenommenen Exorzismen befreien die Menschen aus der Macht der Dämonen
[Vgl. Lk 8,26-39.]. Sie nehmen den großen Sieg Jesu über den ,,Herrscher
dieser Welt" (Joh 12,31) vorweg. Das Reich Gottes wird durch das
Kreuz Christi endgültig errichtet: ,,Vom Holz herab herrscht unser Gott"
(LH, Hymnus ,,Vexilla Regis").
,,Die Schlüssel des Reiches"
551 Gleich am Anfang seines öffentlichen Lebens wählt Jesus Männer, zwölf
an der Zahl; diese sollen bei ihm sein und an seiner Sendung teilnehmen
[Vgl. Mk 3,13-19.]. Er läßt sie an seiner Autorität teilhaben und sendet
sie aus ,,mit dem Auftrag, das Reich Gottes zu verkünden und zu heilen"
(Lk 9,2). Sie bleiben für immer mit dem Reiche Christi verbunden, denn
Christus leitet durch sie die Kirche:
,,Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht
hat: Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken,
und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten"
(Lk 22, 29-30).
552 Im Kollegium der Zwölf steht Simon Petrus an erster Stelle [Vgl.
Mk 3,16; 9,2; Lk 24,34; 1 Kor 15,5.]. Jesus hat ihm eine einzigartige
Sendung anvertraut. Dank einer Offenbarung, die Petrus vom Vater erhalten
hatte, bekannte er: ,,Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes".
Und unser Herr sagte zu ihm: ,,Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde
ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht
überwältigen" (Mt 16,16-18). Christus, ,,der lebendige Stein"
(1 Petr 2,4), sichert seiner auf Petrus gebauten Kirche den Sieg über
die Mächte des Todes zu. Auf dem Grund des Glaubens, den er bekannt hat,
bleibt Petrus der unerschütterliche Fels der Kirche. Er hat die Sendung,
diesen Glauben vor allem Schwanken zu bewahren und seine Brüder darin
zu bestärken [Vgl. Lk 22,32.].
553 Jesus hat Petrus eine besondere Autorität anvertraut: ,,Ich werde
dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst,
das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst,
das wird auch im Himmel gelöst sein" (Mt 16,19). Die ,,Schlüsselgewalt"
bedeutet die Vollmacht, das Haus Gottes, die Kirche, zu leiten. Jesus,
,,der gute Hirt" (Joh 10,11), hat diesen Auftrag nach seiner Auferstehung
bestätigt: ,,Weide meine Schafe !,, (Joh 21,15-17). Die Gewalt, zu ,,binden"
und zu ,,lösen", besagt die Vollmacht, in der Kirche von Sünden loszusprechen,
Lehrurteile zu fällen und disziplinarische Entscheide zu treffen. Jesus
hat der Kirche diese Autorität durch den Dienst der Apostel [Vgl. Mt 18,18.]
und insbesondere des Petrus anvertraut, dem er als einzigem die Schlüssel
des Reiches ausdrücklich übergeben hat.
Eine Vorahnung des Reiches: die Verklärung
554 Von dem Tag an, an dem Petrus bekannt hatte, daß Jesus der Christus,
der Sohn des lebendigen Gottes ist, ,,begann Jesus, seinen Jüngern zu
erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und ... vieles erleiden; er werde
getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen" (Mt 16,21).
Petrus weist diese Ankündigung zurück [Vgl. Mt 16,22-23.]auch die anderen
können sie nicht begreifen [Vgl. Mt 17,23; Lk 9,45.]. In diesem Zusammenhang
steht das geheimnisvolle Geschehen der Verklärung Jesu [Vgl. Mt 17,1-8
par.; 2 Petr 1,16-18.]auf einem hohen Berg vor drei von ihm ausgewählten
Zeugen: Petrus, Jakobus und Johannes. Das Antlitz und die Kleider Jesu
werden strahlend hell; Mose und Elija erscheinen und sprechen ,,von seinem
Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte" (Lk 9,31). Eine Wolke
überschattet sie und eine Stimme vom Himmel sagt: ,,Das ist mein auserwählter
Sohn, auf ihn sollt ihr hören" (Lk 9,35).
555 Für einen Augenblick läßt Jesus seine göttliche Herrlichkeit aufleuchten
und bestätigt so das Bekenntnis des Petrus. Er zeigt auch, daß er, um
,,in seine Herrlichkeit zu gelangen" (Lk 24,26), in Jerusalem den
Tod am Kreuz erleiden muß. Mose und Elija hatten auf dem Berg die Herrlichkeit
Gottes gesehen; das Gesetz und die Propheten hatten die Leiden des Messias
angekündigt [Vgl. Lk 24,27. ]. Die Passion Jesu ist der Wille des Vaters;
der Sohn handelt als Gottesknecht [Vgl. Jes 42,1.]; die Wolke ist ein
Zeichen der Gegenwart des Heiligen Geistes: ,,Die ganze Dreifaltigkeit
erschien: Der Vater in der Stimme, der Sohn als Mensch, der Heilige Geist
in der leuchtenden Wolke" (Thomas v. A., s. th. 3,45,4 ad 2).
,,Du wurdest auf dem Berg verklärt, und soweit sie dazu fähig waren,
schauten deine Jünger deine Herrlichkeit, Christus Gott, damit sie,
wenn sie dich gekreuzigt sehen werden, begreifen, daß dein Leiden freiwillig
war, und damit sie der Welt verkünden, daß du wirklich der Abglanz des
Vaters bist" (Byzantinische Liturgie, Kontakion am Fest der Verklärung).
556 Am Beginn des öffentlichen Lebens steht die Taufe, am Beginn des
Pascha die Verklärung. Bei der Taufe Jesu wurde ,,das Geheimnis der ersten
Neugeburt kundgetan": unsere Taufe; die Verklärung ist ,,das Sakrament
der zweiten Wiedergeburt": unserer Auferstehung (Thomas v. A., s.
th. 3,45,4,ad 2). Schon jetzt haben wir an der Auferstehung des Herrn
Anteil durch den Heiligen Geist, der in den Sakramenten der Kirche, des
Leibes Christi wirkt. Die Verklärung gibt uns eine Vorahnung der Wiederkunft
Christi in Herrlichkeit, ,,der unseren armseligen Leib verwandeln wird
in die Gestalt seines verherrlichten Leibes" (Phil 3,21). Sie sagt
uns aber auch, daß wir ,,durch viele Drangsale ... in das Reich Gottes
gelangen" müssen (Apg 14,22):
,,Das hatte Petrus noch nicht begriffen, als er mit Christus auf dem
Berge zu leben wünschte [Vgl. Lk 9,33.]. Er hat dir, Petrus, das für
die Zeit nach seinem Tod vorbehalten. Jetzt aber sagt er selbst: Steige
hinab, um auf Erden dich abzumühen, auf Erden zu dienen, auf Erden verachtet,
gekreuzigt zu, werden. Das Leben steigt hinab, um sich töten zu lassen;
das Brot steigt hinab, um zu hungern; der Weg steigt hinab, um auf dem
Wege müde zu werden; die Quelle steigt hinab‘ um zu dürsten - und du
weigerst dich, dich abzumühen?" (Augustinus, serm. 78,6).
Jesus geht hinauf nach Jerusalem
557 ,,Als die Zeit herankam, in der er [in den Himmell aufgenommen werden
sollte, entschloß sich Jesus, nach Jerusalem zu gehen" (Lk 9,51)
[Vgl. Joh 13,1.]. Durch diesen Entschluß deutete Jesus an, daß er bereit
zum Sterben nach Jerusalem hinaufging. Dreimal hatte er sein Leiden und
seine Auferstehung angekündigt [Vgl. Mk 8,31-33; 9,31-32; 10,32-34]. Als
er sich Jerusalem näherte, sagte er: ,,Ein Prophet darf nirgendwo anders
als in Jerusalem umkommen" (Lk 13,33).
558 Jesus erinnert an das Martyrium der Propheten, die in Jerusalem umgebracht
worden waren [Vgl. Mt 23,37a.]. Dennoch fordert er Jerusalem beharrlich
auf, sich um ihn zu sammeln: ,,Wie oft wollte ich deine Kinder um mich
sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr
habt nicht gewollt" (Mt 23, 37b). Als Jerusalem in Sicht ist, weint
er über die Stadt und äußert noch einmal seine tiefste Sehnsucht: ,,Wenn
doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt! Jetzt
aber bleibt es vor deinen Augen verborgen" (Lk 19,42).
Der messianische Einzug in Jerusalem
559 Wie wird Jerusalem seinen Messias aufnehmen? Jesus hatte sich den
Bestrebungen des Volkes, ihn zum König zu machen, stets entzogen [Vgl.
Joh 6,15]. Jetzt wählt er den Zeitpunkt und trifft Vorkehrungen für seinen
messianischen Einzug in die Stadt ,,seines Vaters David" (Lk 1,32)
[Vgl. Mt 21.1-1-11.]. Er wird umjubelt als der Sohn Davids, als der, der
das Heil bringt [,,Hosanna" bedeutet ,,rette!", ,,gib Heil !,,I.
Nun aber zieht der ,,König der Herrlichkeit" (Ps 24,7-10) ,,auf einem
Esel reitend" (Sach 9,9) in seine Stadt ein; er gewinnt die Tochter
Zion, das Sinnbild seiner Kirche, nicht durch List und Gewalt für sich,
sondern durch Demut, die für die Wahrheit Zeugnis ablegt [Vgl. Juli 18.37.].
Deshalb bilden an diesem Tag die Kinder [Vgl. Mt 21.15-16;Ps 8.3.] sein
Reich und auch die ,,Armen Gottes", die ihm so zurufen, wie ihn die
Engel den Hirten verkündet haben [Vgl. Lk 19.38: 2,14.]. Ihr Zuruf ,,Gesegnet
sei, der kommt im Namen des Herrn!" (Ps 118,26) ist von der Kirche
in das Sanctus der Eucharistiefeier aufgenommen worden, um das Gedächtnis
an das Pascha des Herrn zu eröffnen.
560 Der Einzug Jesu in Jerusalem kündigt das Kommen des Reiches an, das
der Messias-König durch das Pascha seines Todes und seiner Auferstehung
herbeiführt. Mit der Feier dieses Einzugs am Palmsonntag eröffnet die
Kirche die große Heilige Woche, die Karwoche.
KURZTEXTE
561 „Das ganze Leben Christi war ein beständiges Lehren. Die Momente
des Schweigens. seine Wunder, seine Taten, sein Beten, seine Menschenliebe,
seine Vorliebe für die Kleinen und Armen, die Annahme des letzten Opfers
für die Erlösung der Welt am Kreuz und seine Auferstehung - dies alles
macht sein Wort wirklich und wahr und vollendet seine Offenbarung"
(CT 9).
562 Die Jünger Christi müssen ihm gleichgestaltet werden, bis er in ihnen
Gestalt gewonnen hat [Vgl. Gal 4,19.]. „Deshalb werden wir aufgenommen
in die Mysterien seines Lebens, mit ihm gleichgestaltet. mit ihm gestorben
und mit ihm auferweckt, bis wir mit ihm herrschen werden" (LG 7).
563 Ob einer nun Hirte oder Sterndeuter ist, er kann auf Erden nicht
zu Gott kommen, es sei denn, er kniet vor der Krippe Betlehems nieder
und betet ihn als den in der Schwäche eines Kindes Verborgenen an.
564 Durch seine Unterordnung unter Maria und Josef und seine schlichte
Arbeit während der vielen Jahre in Nazaret gibt uns Jesus das Beispiel
der Heiligkeit im Alltagsieben der Familie und der Arbeit.
565 Schon zu Beginn seines öffentlichen Lebens, bei seiner Taufe, ist
Jesus der ‚. Gottesknecht". der gänzlich dem Erlösungswerk geweiht
ist, das sich in der „Tauft" seiner Passion vollenden wird.
566 Bei der Versuchung in der Wüste erweist sich Jesus als der demütige
Messias, der durch seine völlige Treue zu dem vorn Vater gewollten Heilsplan
über Satan siegt.
567 Durch Christus beginnt auf Erden das Himmelreich. Es „leuchtet im
Wort, in den Werken und in der Gegenwart Christi den Menschen auf‘(LG
5). Die Kirche ist der Keim und Anfang dieses Reiches. Dessen Schlüssel
sind Petrus anvertraut.
568 Die Verklärung Christi will den Glauben der Apostel angesicht der
kommenden Passion stärken. Der Aufstieg auf den „hohen Berg" bereitet
a"f den Aufstieg zum Kalvarienberg vor. Christus, das Haupt der Kirche,
offenbart. was sein Leib enthält und in den Sakramenten ausstrahlt: „die
Hoffnung auf Herrlichkeit" (KoI 1,27) [Vgl. Leo d. Gr.. serm. 51,3.].
569 Jesus ist freiwillig nach Jerusalem hinaufgezogen im Bewußtsein,
daß er dort wegen des Widerstandes von seiten der Sünder [Vgl. Hebr 12,3.]
eines gewaltsamen Todes sterben werde.
570 Der Einzug Jesu in Jerusalem bezeugt das Kommen des Gottesreiches.
Der Messias-König, von den Kindern und den demütig gesinnten Menschen
in seiner Stadt empfangen, wird es durch das Pascha seines Todes und seiner
Auferstehung herbeiführen.
Artikel 4
„Jesus Christus ... Gelitten Unter Pontius Pilatus, Gekreuzigt, Gestorben
Und Begraben"
571 Das Pascha-Mysterium des Kreuzes und der Auferstehung Christi ist
das Herz der Frohbotschaft, welche die Apostel und in ihrer Nachfolge
die Kirche der Welt verkünden sollen. Im Erlösungstod seines Sohnes Jesus
Christus ging der Heilsplan Gottes „ein für allemal" in Erfüllung
(Hebr 9,26).
572 Die Kirche bleibt der Auslegung „der gesamten Schrift" treu,
die Jesus selbst vor und nach seinem Pascha gegeben hat: „Mußte nicht
der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?"
(Lk 24,26) [Vgl. Lk 24,44-45.]. Die Leiden Christi erhielten ihre konkrete
geschichtliche Gestalt dadurch, daß er „von den Ältesten den Hohenpriestern
und den Schriftgelehrten verworfen" wurde (Mk 8,31), die ihn „den
Heiden übergaben, damit er verspottet, gegeißelt und gekreuzigt"
werde (Mt 20,19).
573 Um den Sinn der Erlösung tiefer zu erfassen, kann der Glaube versuchen,
in die Umstände des Todes Jesu einzudringen, die durch die Evangelien
treu überliefert [Vgl. DV 19.]und durch weitere Geschichtsquellen erhellt
werden.
Absatz 1. Jesus Und Israel
574 Schon zu Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu kamen Pharisäer und
Anhänger des Herodes mit Priestern und Schriftgelehrten überein, ihn umzubringen
[Vgl. Mk 3,6.]. Manche seiner Taten (Dämonenaustreibungen [Vgl. Mt 12,24.],
Sündenvergebungen [Vgl. Mk 2,7.], Heilungen am Sabbat [Vgl. Mk 3,1-6.],
eigenständige Auslegung der Reinheitsvorschriften des Gesetzes [Vgl. Mk
7,14-23.], vertrauter Umgang mit Zöllnern und öffentlichen Sündern [Vgl.
Mk 2,14-17.]) erweckten bei einigen Übelgesinnten den Verdacht, er sei
besessen [Vgl. Mk 3,22; Joh 8,48; 10,20.]. Man warf ihm vor, er lästere
Gott [Vgl. Mk 2,7; Job 5,18; 10,33.] und sei ein falscher Prophet [Vgl.
Job 7,12; 7,52.] - zwei Verbrechen gegen die Religion, für die das Gesetz
die Todesstrafe der Steinigung vorsah [Vgl. Job 8,59; 10,31.].
575 Für die religiösen Autoritäten Jerusalems, die das Johannesevangelium
oft einfachhin als „die Juden" bezeichnet [Vgl. Job 1,19; 2,18; 5,10;
7,13; 9,22; 18,12; 19,38; 20,19.], waren viele Worte und Taten Jesu somit
ein „Zeichen, dem widersprochen wird" (Lk 2,34), noch mehr als für
das gewöhnliche Vgl. Job 7,48-49.]. Zwar waren die Beziehungen Jesu zu
den Pharisäern nicht nur polemisch. So sind es Pharisäer, die ihn vor
der ihm drohenden Gefahr warnen [Vgl. Lk 13,31.]. Jesus lobt einzelne
von ihnen, z. B. den Schriftgelehrten in Mk 12,34, und ist wiederholt
bei Pharisäern zu Gast [Vgl. Lk 7,36; 14,1.]. Jesus bekräftigt Lehren,
die von dieser religiösen Elite des Gottesvolkes geteilt werden: die Auferstehung
der Toten [Vgl. Mt 22,23-34; Lk 20,39.], die Frömmigkeitsformen (Almosengeben,
Fasten und Gebet [Vgl. Mt 6,2-18.]) und den Brauch, sich an Gott als den
Vater zu wenden sowie die zentrale Stellung des Gebotes der Liebe zu Gott
und zum Nächsten [Vgl. Mk 12, 28-34.].
576 In den Augen vieler in Israel scheint Jesus gegen die wesentlichen
Institutionen des auserwählten Volkes zu verstoßen:
- gegen den Gehorsam dem Gesetz gegenüber, in ausnahmslos allen schriftlich
niedergelegten Geboten, und, für die Pharisäer, in der von der mündlichen
Überlieferung gegebenen Auslegung;
- gegen die zentrale Stellung des Tempels von Jerusalem als des heiligen
Ortes, der besonderen Wohnstätte Gottes;
- gegen den Glauben an den einzigen Gott, an dessen Herrlichkeit kein
Mensch teilhaben kann.
I Jesus und das Gesetz
577 In der Bergpredigt nahm Jesus im Licht der Gnade des Neuen Bundes
Stellung zum Gesetz, das beim ersten Bundesschluß am Sinai von Gott gegeben
worden war. Er begann mit einer feierlichen Warnung:
„Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben.
Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Amen,
das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der
kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen
ist. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen
entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie
aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich"
(Mt 5,17-19).
578 Für Jesus, den Messias Israels, somit für den Größten im Himmelreich,
geziemte es sich nach seinen eigenen Worten, das Gesetz in vollem Umfang,
selbst die geringsten Gebote, zu erfüllen. Er ist sogar der einzige, der
das vollkommen zu tun vermochte [Vgl. Job 8,46.]. Wie die Juden selber
zugaben, waren sie nie imstande, das Gesetz ganz zu erfüllen, ohne das
geringste Gebot zu verletzen [Vgl. Job 7,19; Apg 13,38-41; 15,10.]. Darum
bitten am jährlichen Versöhnungsfest die Kinder Israels Gott für ihre
Gesetzesübertretungen um Vergebung. Das Gesetz bildet ja ein Ganzes, und,
wie der hl. Jakobus in Erinnerung ruft: „Wer das ganze Gesetz hält und
nur gegen ein einziges Gebot verstößt, der hat sich gegen alle verfehlt"
(Jak 2, 10)[Vgl. Gal 3,10; 5,3.].
579 Dieser Grundsatz, daß das Gesetz in vollem Umfang und zwar nicht
nur dem Buchstaben sondern auch seinem Geiste nach zu halten sei, war
den Pharisäern teuer. Indem sie ihn für Israel hervorhoben, brachten sie
viele Juden der Zeit Jesu zu einem gewaltigen religiösen Eifer [Vgl. Röm
10,2]. Sollte dieser Eifer nicht in eine „scheinheilige" Kasuistik
[Vgl. Mt 15,3-7; Lk 11,39-54.]ausarten, mußte er das Volk auf das unerhörte
Eingreifen Gottes vorbereiten: daß nämlich der einzige Gerechte an Stelle
aller Sünder das Gesetz vollkommen Vgl. Jes 53,11; Hebr 9,15.].
580 Die vollkommene Erfüllung des Gesetzes konnte somit nur das Werk
des göttlichen Gesetzgebers selbst sein, der in der Person des Sohnes
als dem Gesetz unterstellt geboren wurde [Vgl. Gal 4,4.]. In Jesus erscheint
das Gesetz nicht mehr auf Steintafeln geritzt, sondern in das „Herz"
(Jer 31,33) des Gottesknechtes geschrieben. Dieser „bringt wirklich das
Recht" (Jes 42,3) und ist darum zum „Bund für das Volk" (Jes
42,6) geworden. Jesus geht bei der Erfüllung des Gesetzes so weit, daß
er sogar den „Fluch des Gesetzes" (Gal 3,13) auf sich nimmt, den
jeder auf sich zieht, „der sich nicht an alles hält, was zu tun das Buch
des Gesetzes vorschreibt" (Gal 3,10). Der Tod Christi hat so „die
Erlösung von den im ersten Bund begangenen Übertretungen bewirkt"
(Hebr 9,15).
581 Jesus galt den Juden und ihren geistigen Führern als ein „Rabbi"
[Vgl. Job 11,28; 3,2;
Mt 22,23-24.34-36.]. Er argumentierte oft im Rahmen der rabbinischen
Gesetzesauslegung [Vgl. Mt 12,5; 9,12; Mk 2,23-27; Lk 6,6-9;Joh 7,22-23.].
Jesus mußte aber die Gesetzeslehrer unwillkürlich vor den Kopf stoßen,
denn er bot seine Auslegung nicht bloß als einer von ihnen dar, sondern
„lehrte ... wie einer, der [göttliche] Vollmacht hat, und nicht wie die
Schriftgelehrten" (Mt 7,28-29). In ihm ist das gleiche Gotteswort,
das am Sinai erklungen war, um Mose das schriftliche Gesetz zu geben,
auf dem Berg der Seligpreisungen aufs neue zu vernehmen [Vgl. Mt 5,1.].
Jesus schafft das Gesetz nicht ab, sondern erfüllt es, indem er von Gott
her dessen endgültige Auslegung bietet: „Ihr habt gehört, daß zu den Alten
gesagt worden ist ... Ich aber sage euch" (Mt 5, 33-34). Mit der
gleichen göttlichen Autorität stellt er gewisse „Überlieferungen der Menschen"
(Mk 7,8) - das heißt die der Pharisäer - bloß, die „Gottes Wort außer
Kraft" setzen (Mk 7,13).
582 Noch mehr: Das Gesetz über die Reinheit der Speisen, das im jüdischen
Leben eine so große Rolle spielte, erfüllte Jesus, indem er dessen „erzieherischen"
Sinn [Vgl. Gal 3,24.]durch göttliche Auslegung offenbarte: „daß das, was
von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht unrein machen kann ...
Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein.
Was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen,
aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken" (Mk 7,18-21).
Jesus bot in göttlicher Autorität die endgültige Gesetzesinterpretation.
Dabei stieß er auf den Widerstand gewisser Gesetzeslehrer, die seine Gesetzesauslegung
nicht annahmen, obwohl sie durch begleitende göttliche Zeichen beglaubigt
wurde [Vgl. Job 5,36; 10,25.37-38; 12,37.]. Das gilt insbesondere auch
von der Sabbatfrage: Jesus erinnert daran, oft mit rabbinischen Argumenten
[Vgl. Mk 2,25-27; Job 7,22-24.], daß die Sabbatruhe weder durch den Dienst
für Gott [Vgl. Mt 12,5; Num 28,9.]noch durch den Dienst am Nächsten [Vgl.
Lk 13,15-16; 14,3-4.]- und darum auch nicht durch seine Heilungen - verletzt
wird.
II Jesus und der Tempel
583 Wie schon die Propheten vor ihm, erwies Jesus dem Tempel von Jerusalem
tiefste Ehrfurcht. Vierzig Tage nach seiner Geburt wurde er darin von
Josef und Maria Gott dargestellt [Vgl. Lk 2,22-39.]. Im Alter von zwölf
Jahren entschloß er sich, im Tempel zu bleiben, um seine Eltern daran
zu erinnern, daß er für die Sache seines Vaters da sei [Vgl. Lk 2,46-49..].
Während seines verborgenen Lebens begab er sich Jahr für Jahr wenigstens
am Paschafest zum Tempel hinauf [Vgl. Lk 2,41.]. Sein öffentliches Wirken
vollzog sich im Rhythmus seiner Pilgerfahrten nach Jerusalem zu den großen
jüdischen Festen [Vgl. Job 2,13-14; 5,1.14; 7,1.10.14; 8,2; 10,22-23.].
584 Jesus steigt zum Tempel hinauf als dem vorzüglichen Ort der Begegnung
mit Gott. Der Tempel ist für ihn die Wohnung seines Vaters, ein Haus des
Gebetes, und er empört sich darüber, daß dessen Vorhof zu einem Marktplatz
gemacht wird [Vgl. Mt 21,13..]. Aus eifernder Liebe zu seinem Vater vertreibt
er die Händler aus dem Tempel: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu
einer Markthalle! Seine Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift:
‚Der Eifer für dein Haus verzehrt mich‘ (Ps 69,10)" (Joh 2,16-17).
Nach seiner Auferstehung behielten die Apostel eine ehrerbietige Haltung
zum Tempel bei [Vgl. z.B. Apg 2,46; 3,1; 5,20.21.].
585 Vor seiner Passion kündigte Jesus jedoch die Zerstörung dieses herrlichen
Gebäudes an, von dem kein Stein mehr auf dem anderen bleiben werde [Vgl.
Mt 24,1-2.]. Darin liegt ein Zeichen der Endzeit, die mit seinem Pascha
beginnt [Vgl. Mt 24,3;Lk 13,35.].
Diese Weissagung aber wurde bei seinem Verhör vor dem Hohenpriester von
falschen Zeugen entstellt wiedergegeben [Vgl. Mk 14,57-58.] und dann dem
ans Kreuz Genagelten spöttisch entgegengehalten [Vgl. Mt 27,39-40.].
586 Jesus legte seine Lehre zum großen Teil im Tempel dar [Vgl. Joh 18,20.]und
war diesem keineswegs feind [Vgl. Mt 8,4; 23,21; Lk 17,14;Joh 4,22..].
Er war gewillt, die Tempelsteuer zu zahlen, und entrichtete sie auch für
Petrus [Vgl. Mt 17,24-27.], den er eben zum Grundstein seiner künftigen
Kirche gemacht hatte [Vgl. Mt 16,18.]. Er identifizierte sich sogar mit
dem Tempel, indem er sich selbst als die endgültige Wohnung Gottes unter
den Menschen bezeichnete [Vgl. Joh 2,21; Mt 12,6.]. Darum kündigt die
Hinrichtung seines Leibes [Vgl. Joh 2,18-22.]die Zerstörung des Tempels
an, mit der eine neue Epoche der Heilsgeschichte anbricht: „Die Stunde
kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten
werdet" (Joh 4, 21) [Vgl. Job 4, 23-24; Mt 27,51; Hebr 9,11; Offb
21,22.] .
IIIJesus und der Glaube Israels an den einzigen rettenden Gott
587 Das Gesetz und der Tempel von Jerusalem konnten also für die religiösen
Autoritäten Israels Anlaß geben, Jesus zu „widersprechen" [Vgl. Lk
2,34.]. Der eigentliche Stein des Anstoßes [Vgl. Lk 20,17-18; Ps 118,22.]
war für sie jedoch seine Rolle in der Sündenvergebung, dem göttlichen
Werk schlechthin.
588 Es war für die Pharisäer ein Skandal, daß Jesus mit Zöllnern und
Sündern ebenso vertraut Mahl hielt [Vgl. Lk 7,36; 11,37; 14,1.]. Gegenüber
solchen, „die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die
anderen verachteten" (Lk 18,9) [Vgl. Job 7,49;9,34.], sagte Jesus:
„Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten"
(Lk 5,32). Ja, er erklärte den Pharisäern gegenüber, alle seien in Sünde
[Vgl. Job 8,33-36.], und wer sich nicht als heilsbedürftig ansehe, sei
mit Blindheit geschlagen [Vgl. Joh 9,40-41.]
589 Vor allem aber erregte Jesus deswegen Anstoß, weil er sein barmherziges
Verhalten zu den Sündern mit der Haltung Gottes diesen gegenüber gleichsetzte
[Vgl. Mt 9,13; Hos 6,6.]. Indem er sich mit Sündern zu Tische setzte [Vgl.
Lk 15,1-2.32.], gab er sogar zu verstehen, daß er sie zum messianischen
Mahl zulasse [Vgl. Lk 15, 23-32.]. Ganz besonders aber brachte er die
religiösen Autoritäten Israels dadurch in Verlegenheit, daß er Sünden
vergab. Fragten sie in ihrem Entsetzen nicht zurecht: „Wer kann Sünden
vergeben außer dem einen Gott?" (Mk 2,7). Entweder lästert Jesus
Gott, indem er Sünden vergibt, da er sich dann als Mensch Gott gleichsetzt
[Vgl. Joh 5,18; 10,33.], oder er spricht die Wahrheit und seine Person
vergegenwärtigt und offenbart den Namen Gottes [Vgl. Job 17,6.26.].
590 Einzig die göttliche Identität der Person Jesu kann einen so absoluten
Anspruch rechtfertigen wie den folgenden: „Wer nicht für mich ist, der
ist gegen mich" (Mt 12,30), oder Aussagen wie: „Hier aber ist einer,
der mehr ist als Jona ...‚ mehr ist als Salomo" (Mt 12,41-42), „größer
ist als der Tempel" (Mt 12,6). Oder daß er es auf sich bezieht, wenn
David den Messias seinen Herrn genannt hat [Vgl. Mt 12,36.37.], oder behauptet:
„Noch ehe Abraham wurde, bin ich" (Joh 8,58), und sogar: „Ich und
der Vater sind eins" (Joh 10,30).
591 Jesus hat die religiösen Autoritäten Jerusalems aufgefordert, an
ihn zu glauben, weil er die Werke seines Vaters vollbringe [Vgl. Job 10,36-38.].
Ein solcher Glaubensakt erfordert jedoch ein geheimnisvolles Sich-selbst-Absterben,
um, durch die göttliche Gnade angezogen [Vgl. Job 6,44.], „von oben her
geboren" zu werden (Joh 3,7). Eine solche Umkehrforderung zu stellen,
obwohl die Verheißungen auf so unerwartete Weise in Erfüllung gehen sollten
[Vgl. Jes 53,1.], macht verständlich, daß der Hohe Rat dem tragischen
Irrtum erliegen konnte, Jesus sei ein Gotteslästerer und verdiene als
solcher den Tod [Vgl. Mk 3,6; Mt 26,64-66.]. Seine Mitglieder handelten
zugleich aus „Unwissenheit" [Vgl. Lk 23,34;Apg 3, 17-18.]und aus
„Verstocktheit" (Mk 3,5; Röm 11,25) im „Unglauben" (Röm 11,20).
KURZTEXTE
592 Jesus hat das Gesetz vom Sinai nicht abgeschafft. sondern erfüllt
[Vgl. Mt 5,17-19.] und zwar so vollkommen [Vgl. Job 8,46.], daß er dessen
letzten Sinn enthüllt [Vgl. Mt 5,33.]und von dessen Übertretungen freikauft
[Vgl. Hebr 9,15.].
593 Jesus hat den Tempel verehrt: an den jüdischen Pilgerfesten suchte
er ihn auf und er liebte diese Wohnung Gottes unter den Menschen mit eifersüchtiger
Liebe. Der Tempel deutet im voraus sein Mysterium an. Wenn er dessen Zerstörung
ankündigt, bekundet er darin seinen gewaltsamen Tod und den Eintritt in
eine neue Epoche der Heilsgeschichte, in der sein Leib der endgültige
Tempel sein wird.
594 Jesus hat Taten gesetzt - wie z. B. die Sündenvergebung -‚ die ihn
als den rettenden Gott selbst offenbaren [Vgl. Job 5,16-18.]. Gewisse
Juden erkannten in ihm nicht den menschgewordenen Gott [Vgl. Job 1,14.],
sondern sahen in ihm „einen Menschen", der sich „selbst zu Gott"
macht (Joh 10.33). und verurteilten ihn als einen Gotteslästerer.
Absatz 2. Jesus Ist Am Kreuz Gestorben
I Der Prozeß Jesu
Die jüdischen Autoritäten waren nicht einer Meinung über Jesus
595 Unter den religiösen Autoritäten Jerusalems gab die Person Jesu immer
wieder Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten; der Pharisäer Nikodemus [Vgl.
Job 7,50.] und der angesehene Josef von Arimathäa [Vgl. Job 19,38-39.]
etwa waren heimliche Anhänger Jesu [Vgl. Job 9,16-17;10,19-21.]. Johannes
kann sogar sagen, daß - selbst kurz vor der Passion - „von den führenden
Männern viele zum Glauben" (Joh 12,42), zu einem freilich noch sehr
unvollkommenen Glauben an ihn" kamen. Das überrascht nicht, wenn
man bedenkt, daß am Tag nach Pfingsten „eine große Anzahl von den Priestern
... gehorsam den Glauben" annahm (Apg 6,7) und „einige aus dem Kreis
der Pharisäer ... gläubig geworden waren" (Apg 15,5). Der hl. Jakobus
konnte dem hl. Paulus sagen, daß „viele Tausende unter den Juden gläubig
geworden sind, und sie alle sind Eiferer für das Gesetz" (Apg 21,20).
596 Die religiösen Autoritäten waren in bezug auf die Frage, wie man
sich zu Jesus einstellen solle, nicht einer Meinung [Vgl. Job 9,16; 10,19.].
Die Pharisäer drohten solchen, die sich an Jesus halten würden, den Ausschluß
an [Vgl. Job 9,22.]. Einige befürchteten: „Wenn wir ihn gewähren lassen,
werden alle an ihn glauben. Dann werden die Römer kommen und uns die heilige
Stätte und das Volk nehmen" (Joh 11,48). Ihnen machte der Hohepriester
Kajaphas einen Vorschlag, indem er weissagte: „Ihr bedenkt nicht, daß
es besser für euch ist, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt,
als wenn das ganze Volk zugrunde geht" (Joh 11,50). Der Hohe Rat,
der Jesus als Gotteslästerer zum Tod verurteilte [Vgl. Mt 26,66.], aber
das Recht, jemanden hinzurichten, verloren hatte [Vgl. Job 18,31.], lieferte
Jesus den Römern aus und klagte ihn des Aufstands an [Vgl. Lk 23,2.],
was ihn an die Seite des Barabbas stellte, der des „Aufruhrs" angeklagt
war (Lk 23,19). Die Hohenpriester suchten Pilatus auch durch politische
Drohungen zu bewegen, Jesus zum Tod zu verurteilen [Vgl. Job 19, 12. 15.
21.].
Die Juden sind für den Tod Jesu nicht kollektiv verantwortlich
597 Berücksichtigt man, wie geschichtlich verwickelt der Prozeß Jesu
nach den Berichten der Evangelien ist und wie auch die persönliche Schuld
der am Prozeß Hauptbeteiligten (von Judas, dem Hohen Rat, von Pilatus)
- die Gott allein kennt - sein mag, so darf man nicht die Gesamtheit der
Juden von Jerusalem dafür verantwortlich machen - trotz des Schreiens
einer manipulierten Menge [Vgl. Mk 15,11.]und ungeachtet der allgemeinen
Vorwürfe in den nach Pfingsten erfolgenden Aufrufen zur Bekehrung [Vgl.
Apg 2, 23. 36; 3,13-14; 4,10; 5,30; 7,52; 10,39; 13,27-28; 1 Thess 2,14-15.].
Als Jesus ihnen vom Kreuz herab verzieh [Vgl. Lk 23,24.], entschuldigte
er - wie später auch Petrus - die Juden von Jerusalem und sogar ihre Führer
mit ihrer „Unwissenheit" (Apg 3,17). Noch weniger darf man den Schrei
des Volkes: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" (Mt 27,25),
der eine Bestätigungsformel darstellt [Vgl. Apg 5,28; 18,6.], zum Anlaß
nehmen, die Schuld auf die Juden anderer Länder und Zeiten auszudehnen:
Darum hat die Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil erklärt:
Was „bei seinem Leiden vollzogen worden ist, [kann] weder allen damals
lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last gelegt
werden. ... Die Juden [sind] weder als von Gott verworfen noch als verflucht
darzustellen, als ergäbe sich dies aus der Heiligen Schrift" (NA
4).
Alle Sünder sind am Leiden Christi schuld
598 In ihrem Glaubenslehramt und im Zeugnis ihrer Heiligen hat die Kirche
nie vergessen, daß auch die Sünder „die Urheber und Vollstrecker aller
Strafen waren, die [Christus] erlitt" (Catech. R. 1,5,11) [Vgl. Hebr
12,3.]. Da sich die Kirche bewußt ist, daß unsere Sünden Christus selbst
treffen [Vgl. Mt 25,45; Apg 9,4-5.], zögert sie nicht, den Christen die
schwerste Verantwortung für die Qualen Christi zuzuschreiben - während
diese die Verantwortung allzu oft einzig den Juden angelastet haben:
„Diese Schuld trifft vor allem jene, die wiederholt in die Sünde zurückfallen.
Denn da unsere Sünden Christus den Herrn in den Kreuzestod trieben, so
‚kreuzigen‘ tatsächlich jene, die sich in Sünden und Lastern wälzen, ‚soweit
es auf sie ankommt, den Sohn Gottes aufs neue und treiben ihren Spott
mit ihm‘ (Hebr 6,6) - ein Verbrechen, das bei uns noch schwerer erscheinen
mag, als es von seiten der Juden war. Denn diese hätten, wie der Apostel
sagt, ‚den Herrn der Herrlichkeit niemals gekreuzigt, wenn sie ihn erkannt
hätten‘ (1 Kor 2,8). Wir aber behaupten, ihn zu kennen, und dennoch legen
wir gleichsam Hand an ihn, indem wir ihn durch die Tat verleugnen"
(Catech. R. 1,5,11).
„Dämonen sind nicht die, die ihn gekreuzigt haben, sondern du, der du
ihn zusammen mit ihnen gekreuzigt hast und immer noch kreuzigst, indem
du dich in Lastern und Sünden vergnügst" (Franz v. Assisi, admon.
5,3).
II Der Erlösungstod Christi im göttlichen Heilsplan
Jesus wurde „nach Gottes festgesetztem Ratschluß ausgeliefert"
599 Zum gewaltsamen Tod Jesu kam es nicht zufällig durch ein bedauerliches
Zusammenspiel von Umständen. Er gehört zum Mysterium des Planes Gottes,
wie der hl. Petrus schon in seiner ersten Pfingstpredigt den Juden von
Jerusalem erklärt: Er wurde „nach Gottes beschlossenem Ratschluß und Vorauswissen
hingegeben" (Apg 2,23). Diese biblische Redeweise besagt nicht, daß
die, welche Jesus „verraten" haben (Apg 3,13), nur die willenlosen
Ausführer eines Szenarios waren, das Gott im voraus verfaßt hatte.
600 Für Gott sind alle Zeitmomente unmittelbare Gegenwart. Wenn er in
seinem ewigen Plan etwas „vorherbestimmt", bezieht er die freie Antwort
jedes Menschen auf seine Gnade mit ein: „Wahrhaftig, verbündet haben sich
in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast,
Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels [Vgl.
Ps 2,1-2..], um alles auszuführen, was deine Hand und dein Ratschluß im
voraus bestimmt haben" (Apg 4,27-28). Gott ließ die aus ihrer Verblendung
hervorgegangenen Taten [Vgl. Mt 26,54;Job 18,36;19,11.], um seinen Heilsplan
zu verwirklichen [Vgl. Apg 3, 17-18.].
„Für unsere Sünden gestorben gemäß der Schrift"
601 Dieser göttliche Plan, durch den gewaltsamen Tod des „Knechtes, des
Gerechten" (Jes 53,11) [Vgl. Apg 3,14.] Heil zu schaffen, war in
der Schrift im voraus angekündigt worden als ein Mysterium allumfassender
Erlösung, das heißt eines Loskaufs, der die Menschen aus der Sklaverei
der Sünde befreit [Vgl. Jes 53,11-12; Job 8,34-36.]. In einem Glaubensbekenntnis,
von dem er sagt, er habe es „empfangen" (1 Kor 15,3), bekennt der
hl. Paulus: „Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift"
(ebd.) [Vgl. Jes 53,7-8 und Apg 8,32-35.]in Erfüllung gehen. Jesus selbst
hat den Sinn seines Lebens und seines Todes im Licht dieser Worte vom
Gottesknecht gedeutet [Vgl. Mt 20,28.]. Nach seiner Auferstehung gab er
diese Schriftdeutung den Emmausjüngern [Vgl. Lk 24,25-27.] und sodann
den Aposteln selbst [Vgl. Lk 24,44-45.].
Gott hat ihn „für uns zur Sünde gemacht"
602 Darum kann der hl. Petrus den apostolischen Glauben an den göttlichen
Heilsplan so formulieren: „Ihr wißt, daß ihr aus eurer sinnlosen, von
den Vätern ererbten Lebensweise ... losgekauft wurdet ... mit dem kostbaren
Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel. Er war schon vor der Erschaffung
der Welt dazu ausersehen, und euretwegen ist er am Ende der Zeiten erschienen"
(1 Petr 1,18-20). Die auf die Ursünde folgenden Sünden der Menschen werden
mit dem Tod geahndet [Vgl. Röm 5,12; 1 Kor 15,56.]. Indem Gott seinen
eigenen Sohn in der Gestalt eines Sklaven [Vgl. Phil 2,7.], einer gefallenen
und infolge der Sünde dem Tod preisgegebenen Menschennatur [Vgl. Röm 8,3.]
sandte, hat er „den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht,
damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden" (2 Kor 5,21).
603 Jesus ist nicht [von Gott] verworfen worden, als hätte er selbst
gesündigt [Vgl. Job 8,46.]. Vielmehr hat er uns in seiner Erlöserliebe,
die ihn immer mit dem Vater verband [Vgl. Job 8,29.], so sehr angenommen
in der Gottferne unserer Sünde, daß er am Kreuz in unserem Namen sagen
konnte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mk
15,34; Ps 22,2). Da ihn Gott so solidarisch mit uns Sündern gemacht hat,
„hat er seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle
hingegeben" (Röm 8,32), damit wir „mit Gott versöhnt [werden] durch
den Tod seines Sohnes" (Röm 5,10).
Gottes allumfassende erlösende Liebe
604 Indem er seinen Sohn für unsere Sünden dahingab, zeigte Gott, daß,
was er für uns plant, ein Ratschluß wohlwollender Liebe ist, die jedem
Verdienst von unserer Seite vorausgeht: „Nicht darin besteht die Liebe,
daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn
als Sühne für unsere Sünden gesandt hat" (1 Joh 4,10) [Vgl. 1 Job
4,19.]. „Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, daß Christus
für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren" (Röm 5,8).
605 Diese Liebe schließt niemanden aus. Jesus sagt das anhand des Gleichnisses
vom verlorenen Schaf: „So will auch euer himmlischer Vater nicht, daß
einer von diesen Kleinen verlorengeht" (Mt 18,14). Er erklärt, er
gebe sein Leben hin „als Lösegeld für viele" (Mt 20,28). Der Ausdruck
„für viele" ist nicht einengend, sondern stellt die ganze Menschheit
der einzigen Person des Erlösers gegenüber, der sich hingibt, um sie zu
retten [Vgl. Röm 5, 18-19.]. Im Anschluß an die Apostel [Vgl. 2 Kor 5,15;
1 Job 2,2.]lehrt die Kirche, daß Christus ausnahmslos für alle Menschen
gestorben ist: „Es gibt keinen Menschen, es hat keinen gegeben und wird
keinen geben, für den er nicht gelitten hat" (Syn. v. Quiercy 853:
DS 624).
III Christus hat sich für unsere Sünden seinem Vater dargebracht
Das ganze Leben Christi ist Opfergabe an den Vater
606 Der Sohn Gottes, der „nicht vom Himmel herabgekommen" ist, um
seinen „Willen zu tun, sondern den Willen" des Vaters, der ihn „gesandt
hat" (Joh 6,38), „spricht ... bei seinem Eintritt in die Welt: ...
‚Ja, ich komme, um deinen Willen, Gott, zu tun‘ ... Aufgrund dieses Willens
sind wir durch die Opfergabe des Leibes Jesu Christi ein für allemal geheiligt"
(Hebr 10,5-10). Schon im ersten Augenblick seiner Menschwerdung macht
sich der Sohn den göttlichen Heilsplan seiner Sendung als Erlöser zu eigen:
„Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat,
und sein Werk zu Ende zu führen" (Joh 4,34). Die Selbstaufopferung
Jesu „für die Sünden der ganzen Welt" (1 Joh 2,2) ist Ausdruck seiner
liebenden Gemeinschaft mit dem Vater: „Deshalb liebt mich der Vater, weil
ich mein Leben hingebe" (Joh 10,17). „Die Welt soll erkennen, daß
ich den Vater liebe und so handle, wie es mir der Vater aufgetragen hat"
(Joh 14,31).
607 Dieses Verlangen, sich den liebenden Erlösungsratschluß seines Vaters
zu eigen zu machen, beseelt das ganze Leben Jesu [Vgl. Lk 12,50; 22,15;
Mt 16,21-23.], denn seine erlösende Passion ist der Grund seiner Menschwerdung:
„Soll ich sagen: ‚Vater, rette mich aus dieser Stunde?‘ Aber deshalb bin
ich in diese Stunde gekommen" (Joh 12,27). „Der Kelch, den mir der
Vater gereicht hat - soll ich ihn nicht trinken?" (Joh 18,11). Und
noch am Kreuz sagt er: „Mich dürstet" (Joh 19,28), und dann erst:
„Es ist vollbracht!" (Joh 19,30).
„Das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt"
608 Johannes der Täufer hat zugestimmt, Jesu wie die Sünder zu taufen
[Vgl. Lk 3,21; Mt 3,14-15.]. „Am Tag darauf sah er Jesus auf sich zukommen
und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt"
(Joh 1, 29) [Vgl. Job 1,36.]. Er bezeugt so, daß Jesus der Gottesknecht
ist, der sich schweigend zur Schlachtbank führen läßt [Vgl. Jes 53,7;
Jer 11,19.]und die Sünde der vielen trägt [Vgl. Jes 53,12.], und zugleich
das Osterlamm, das Sinnbild der Erlösung Israels beim ersten Pascha [Vgl.
Ex 12,3-11; Job 19,36; 1 Kor 5,7.]. Das ganze Leben Christi ist Ausdruck
seiner Sendung, „zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für
viele" (Mk 10,45).
Jesus machte sich die erlösende Liebe des Vaters in Freiheit zu eigen
609 Da Jesus die Liebe des Vaters zu den Menschen in sein menschliches
Herz aufnahm, „erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung" (Job
13,1), denn „es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für
seine Freunde hingibt" (Joh 15,13). So wurde seine Menschennatur
im Leiden und Sterben zum freien und vollkommenen Werkzeug seiner göttlichen
Liebe, die das Heil der Menschen will [Vgl. Hebr 2,10.17-18; 4,15; 5,7-9.].
Aus Liebe zu seinem Vater und zu den Menschen, die der Vater retten will,
nahm er sein Leiden und seinen Tod freiwillig auf sich: „Niemand entreißt
[mir mein Leben], sondern ich gebe es aus freiem Willen hin" (Job
10,18). Darum ging der Sohn Gottes in souveräner Freiheit dem Tod entgegen
[Vgl. Job 18,4-6; Mt 26,53.].
Beim Letzten Abendmahl nahm Jesus die freie Hingabe seines Lebens vorweg
610 „In der Nacht, in der er ausgeliefert wurde" (1 Kor 11,23),
gab Jesus seiner freien Hingabe feierlich Ausdruck im Mahl mit den zwölf
Aposteln [Vgl. Mt 26,20.]. Am Abend vor seinem Leiden, als er noch in
Freiheit war, machte Jesus dieses letzte Mahl mit seinen Aposteln zur
Gedenkfeier der freiwilligen Hingabe seiner selbst an den Vater [Vgl.
1 Kor 5,7.]zum Heil der Menschen: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben
wird" (Lk 22,19); „das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für
viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (Mt 26,28).
611 Die Eucharistie, die Jesus in dieser Stunde einsetzt, wird zum „Gedächtnis"
(1 Kor 11,25) seines Opfers. Er nimmt die Apostel in seine eigene Hingabe
hinein und fordert sie auf, diese weiterzuführen [Vgl. Lk 22,19.]. Damit
setzt er seine Apostel zu Priestern des Neuen Bundes ein: „Ich heilige
mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind" (Joh
17, 19) [Vgl. K. v. Trient: DS 1752; 1764.].
Die Todesangst in Getsemani
612 Den Kelch des Neuen Bundes, den Jesus in seiner Darbringung beim
Abendmahl vorweggenommen hatte [Vgl. Lk 22,20.], nahm er in seiner Todesangst
in Getsemani aus den Händen des Vaters entgegen [Vgl. Mt 26,42.], indem
er „gehorsam war bis zum Tod" (Phil 2,8) [Vgl. Hebr 5,7-8.]. Jesus
betet: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber
(Mt 26,39). Er äußert so den Abscheu, den seine menschliche Natur vor
dem Tod empfindet. Wie unsere Natur ist die seine ja zum ewigen Leben
bestimmt; aber im Unterschied zu der unseren ist sie völlig frei von Sünde
[Vgl. Hebr 4,15.], die den Tod nach sich zieht [Vgl. Röm 5,12.]; vor allem
aber ist sie in die göttliche Person des „Urhebers des Lebens" (Apg
3,15), des „Lebendigen" (Offb 1, 18) [Vgl. Job 1,4; 5,26.] aufgenommen.
Mit seinem menschlichen Willen stimmt er zu, daß der Wille des Vaters
geschieht [Vgl. Mt 26,42.], und nimmt so den Tod als Erlösungstod an,
um „unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz zu tragen" (1 Petr
2,24).
Der Tod Christi ist das einzige und endgültige Opfer
613 Der Tod Christi ist das österliche Opfer, worin „das Lamm Gottes,
das die Sünde der Welt hinwegnimmt" (Joh 1,29) [Vgl. 1 Petr 1,19.],
die endgültige Erlösung derMenschen vollzieht [Vgl. 1 Kor 5,7; Job 8,34-36.].
Zugleich ist er das Opfer des Neuen Bundes [Vgl. 1 Kor 11,25.], das den
Menschen wieder in die Gemeinschaft mit Gott versetzt [Vgl. Ex 24,8.],
indem er den Menschen mit Gott versöhnt durch das „Blut, ... das für viele
vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (Mt 26,28) [Vgl. Lev 16,15-16.].
614 Dieses Opfer Christi ist einmalig; es vollendet und überholt alle
Opfer [Vgl. Hebr 10,10.].Es ist zunächst eine Gabe Gottes des Vaters selbst:
Der Vater gibt seinen Sohn dahin, um uns mit sich zu versöhnen [Vgl. 1
Joh 4,10.]. Gleichzeitig ist es eine Opfergabe des menschgewordenen Gottessohnes,
der aus freiem Willen und aus Liebe [Vgl. Job 15,13.] im Heiligen Geist
[Vgl. Hebr 9,14.] sein Leben [Vgl. Joh 10, 17-18.] seinem Vater darbringt,
um unseren Ungehorsam zu sühnen.
Jesus setzt seinen Gehorsam an die Stelle unseres Ungehorsams
615 „Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern
wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten
gemacht werden" (Röm 5,19). Durch seinen Gehorsam bis zum Tod wurde
Jesus zum leidenden Gottesknecht, der stellvertretend „sein Leben als
Sühnopfer hingab", „die Sünden von vielen trug" und so „die
vielen gerecht macht", indem er „ihre Schuld auf sich lädt"
(Jes 53,10-12). Jesus hat unsere Sünden wiedergutgemacht und Gott dem
Vater für sie Genugtuung [Vgl. K. v. Trient: DS 1529.].
Jesus vollendet sein Opfer am Kreuz
616 Die „Liebe bis zur Vollendung" (Job 13,1) gibt dem Opfer Christi
seinen Wert und bewirkt, daß es erlöst und wiedergutmacht, sühnt und Genugtuung
leistet. Jesus hat bei der Hingabe seines Lebens um uns alle gewußt, uns
alle geliebt [Vgl. Gal 2,20; Eph 5,2.25.]. „Die Liebe Christi drängt uns,
da wir erkannt haben: Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben"
(2 Kor 5,14). Kein Mensch, selbst nicht der größte Heilige, wäre imstande,
die Sünden aller Menschen auf sich zu laden und sich als Opfer für alle
darzubringen. Doch kraft der göttlichen Person des Sohnes in Christus,
die über alle menschlichen Personen hinausgeht und sie zugleich umfängt,
und Christus zum Haupt der ganzen Menschheit macht, kann das Opfer Christi
für alle erlösend sein.
617 „Durch sein heiligstes Leiden am Holz des Kreuzes verdiente er uns
Rechtfertigung", lehrt das Konzil von Trient (DS 1529) und betont
so den einzigartigen Charakter des Opfers Christi als des „Urhebers des
ewigen Heils" (Hebr 5,9). Und die Kirche verehrt das Kreuz, indem
sie singt: „O heiliges Kreuz, sei uns gegrüßt, du einzige Hoffnung dieser
Welt" (LH, Hymnus „Vexilla regis").
Unsere Teilnahme am Opfer Christi
618 Der Kreuzestod ist das einmalige Opfer Christi, des „einzigen Mittlers
zwischen Gott und den Menschen" (1 Tim 2,5). Doch weil er sich in
seiner menschgewordenen göttlichen Person „gewissermaßen mit jedem Menschen
vereinigt" hat (GS 22,2), bietet sich allen „die Möglichkeit ...‚
sich mit diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise zu
verbinden" (GS 22,5). Jesus fordert seine Jünger auf, ihr „Kreuz
auf sich" zu nehmen und ihm nachzufolgen (Mt 16,24), denn er „hat
für [uns] gelitten und [uns] ein Beispiel gegeben, damit [wir] seinen
Spuren" folgen (1 Petr 2,21). Er will diejenigen, denen sein Erlösungsopfer
zuerst zugutekommt, an diesem Opfer beteiligen [Vgl. Mk 10,39; Job 21,18-19;
Kol 1,24.]. Das gilt vor allem für seine Mutter, die in das Mysterium
seines erlösenden Leidens tiefer hineingenommen wird als jeder andere
Mensch [Vgl. Lk 2.35.].
„Es gibt keine andere Leiter, um zum Himmel emporzusteigen, als das
Kreuz" (Rosa v. Lima, Vita).
KURZTEXTE
619 „Christus ist für unsere Sünden gestorben. gemäß der Schrjft"
(1 Kor 15,3).
620 Unser Heil entspringt der Initiative der Liebe Gottes zu uns, denn
er hat „uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt"
(1 Joh 4, 10). „Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt
hat" (2 Kor 5. 19).
621 Jesus hat sich zu unserem Heil freiwillig dargebracht. Beim Letzten
Abendmahl bringt er diese Seibsihingabe zeichenhaft zum Ausdruck und verwirklicht
sie im voraus: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird"
(Lk 22,19).
622 Die Erlösung durch Christus besteht darin, daß er „gekommen"
ist, „um ... sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele" (Mt 20,28),
das heißt um den Seinen „seine Liebe bis zur Vollendung" zu erweisen
(Joh 13,1), damit sie aus der „sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebendsweise....losgekauft"
werden (1 Petr 1,18).
623 Jesus war seinem Vater in Liebe gehorsam „bis zum Tod am Kreuz"
(Phil 2,8). Dadurch erfüllte Jesus die Sendung, Sühne zu leisten [Vgl.
Jes 53,10.] als leidender Gottesknecht, der „die vielen gerecht"
macht, indem er „ihre Schuld auf sich" lädt (Jes 53,11) [Vgl. Röm
5,19.].
Absatz 3. Jesus Christus Ist Begraben
Worden
624 „Es war nämlich Gottes gnädiger Wille, daß er für alle den Tod koste"
(Hebr 2,9). In seinem Heilsplan hat Gott verfügt, daß sein Sohn nicht
nur „für unsere Sünden" sterbe (1 Kor 15,3), sondern auch den Tod
„koste", das heißt während der Zeit zwischen seinem Sterben am Kreuz
und dem Moment seiner Auferstehung das Totsein, den Zustand der Trennung
zwischen seiner Seele und seinem Leib erfahre. Dieser Todeszustand Christi
ist das Mysterium des Begrabenseins und des Hinabstiegs in das Reich des
Todes. Es ist das Mysterium des Karsamstags, an dem Christus, ins Grab
gelegt [Vgl. Joh 19,42.], in die große Sabbatruhe Gottes eingeht [Vgl.
Hebr 4,4-9.], nachdem er das Heil der Menschen vollbracht [Vgl. Joh 19,30.]
und das ganze All versöhnt hat [Vgl. Kol 1,18-20.].
Christus seinem Leibe nach im Grab
625 Der Aufenthalt Christi im Grab bildet die reale Verbindung zwischen
dem leidensfähigen Zustand Christi vor Ostern und seinem jetzigen verherrlichten
Zustand als Auferstandener. Die Person des „Lebendigen" kann sagen:
„Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit" (Offb 1,18).
„Weil er dem gewöhnlichen Gang der Natur nicht hindernd in den Weg
trat, trennte sich zwar auch bei ihm durch den Tod die Seele vom Leibe,
dann aber vereinigte er bei der Auferstehung beide wieder miteinander,
damit er selbst der Treffpunkt von beiden, des Todes und des Lebens
werde, indem er einerseits
der weiteren natürlichen Auflösung des von der Seele getrennten Körpers
in sich Einhalt gebot, andererseits das Prinzip der Wiedervereinigung
der getrennten menschlichen Wesensbestandteile wurde" (Gregor v.
Nyssa, or. catech. 16).
626 Weil der „Urheber des Lebens", den man getötet hat (Apg 3,15),
der gleiche ist wie der „Lebende", der „auferstanden" ist (Lk
24,5-6), muß offenbar die göttliche Person des Sohnes Gottes seine Seele
und seinen Leib, die durch den Tod voneinander getrennt waren, weiterhin
zu eigen gehabt haben:
„Wenn auch seine heilige Seele sich von dem unbefleckten Leib getrennt
hat ward doch auch so die eine Person nicht in zwei Personen geschieden,
denn der Leib und die Seele hatten zugleich von Anfang an in der Person
des Wortes ihre Existenz, und obwohl im Tode voneinander getrennt, blieben
beide in der einen Person des Wortes" (Johannes v. Damaskus, f.
o. 3,27).
„Du wirst deinen Heiligen nicht die Verwesung schauen lassen"
627 Der Tod Christi war ein echter Tod; er machte seinem menschlichen
Dasein auf Erden ein Ende. Weil aber sein Leib mit der Person des Sohnes
Gottes vereinigt blieb, wurde er nicht ein gewöhnlicher Leichnam. „Um
die göttliche Kraft zu zeigen, wollte [Christus], daß dieser Leib unverwest
bleibe" (Thomas von Aquin, s. th. 3,51,3). Von Christus galt gleichzeitig:
„Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten" (Jes 53,8) und „mein
Leib wird in sicherer Hoffnung ruhen, denn du gibst mich nicht der Unterwelt
preis noch läßt du deinen Heiligen die Verwesung schauen" (Apg 2,
26_27) [Vgl. Ps 16,9-10.]. Die Auferstehung Jesu „am dritten Tag"
(1 Kor 15,4; Lk 24, 46) [Vgl. Mt 12,40; Jon 2,1; Hos 6,2.] war der Beweis
dafür, denn man nahm an, die Verwesung trete vom vierten Tag an ein [Vgl.
Job 11,39.].
„Mit Christus begraben ..
628 Die Taufe, deren ursprüngliche und volle Zeichenhaftigkeit im Untergetauchtwerden
hervortritt, ist das wirksame Zeichen für den Hinabstieg des Täuflings
ins Grab, für das Sterben mit Christus, um zu einem neuen Leben zu gelangen:
„Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus
durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen
auch wir als neue Menschen leben" (Röm 6,4) [Vgl. Kol 2,12; Epb 5,26.].
KURZTEXTE
629 Jesus hat für jeden Menschen den Tod gekostet [Vgl. Hebr 2,9.]. Der
Sohn Gottes starb wirklich und wurde begraben.
630 Während Christus im Grabe lag, blieb seine göttliche Person weiterhin
mit seiner Seele und auch mit seinem Leibe vereint, obwohl diese durch
den Tod voneinander getrennt worden waren. Darum hat der Leib des toten
Christus ..die Verwesung nicht gesehen" (Apg 13, 37).
Artikel 5
Jesus Christus Ist „Hinabgestiegen In Das Reich Des Todes, Am Dritfen
Tage Auferstanden Von Den Toten"
631 Jesus stieg hinab „in die Niederungen der Erde ... Derselbe, der
hinabstieg, ist auch hinaufgestiegen" (Eph 4,9-10). Das Apostolische
Glaubensbekenntnis bekennt in ein und demselben Glaubensartikel den Abstieg
Christi in die Unterwelt und seine Auferstehung von den Toten am dritten
Tag, denn in seinem Pascha läßt er das Leben aus dem Abgrund des Todes
hervorgehen: dein Sohn, unser Herr Jesus Christus, der von den Toten erstand,
der den Menschen erstrahlt im österlichen Licht; der mit dir lebt und
herrscht in Ewigkeit. Amen. (MR, Osternacht 18: Exsultet)
Absatz 1. Christus Ist Hinabgestiegen
Zu Den Toten
632 Die häufigen Aussagen des Neuen Testamentes, wonach Jesus „von den
Toten auferweckt" worden ist (Apg 3,15; Röm 8,11; 1 Kor 15,20), setzen
voraus, daß er vor der Auferstehung am Aufenthaltsort der Toten geweilt
hat [Vgl. Hebr 13,20.]. Das ist der erste Sinn, den die Predigt der Apostel
dem Abstieg Jesu in die Unterwelt gab: Jesus erlitt wie alle Menschen
den Tod und begab sich der Seele nach zum Aufenthaltsort der Toten. Aber
er stieg in diesen hinab als Retter und verkündete den Seelen, die dort
festgehalten wurden, die Frohbotschaft [Vgl. 1 Petr 3,18-19..].
633 Die Schrift nennt den Aufenthaltsort der Toten, zu dem Christus nach
dem Tod hinabgestiegen ist, „Hölle", „Scheol" oder „Hades"
[Vgl. Phil 2,10; Apg 2,24; Offb 1,18; Eph 4,9.], denn diejenigen, die
sich darin aufhalten, entbehren der Anschauung Gottes [Vgl. Ps 6,6; 88,11-13.].
Das war vor dem Kommen des Erlösers bei allen Toten der Fall, ob sie nun
böse oder gerecht waren [Vgl. Ps 89,49; 1 Sam 28,19; Ez 32,17-32.]. Das
will jedoch nicht besagen, daß alle das gleiche Los hatten. Jesus zeigt
uns das im Gleichnis vom armen Lazarus, der „in den Schoß Abrahams"
aufgenommen wird [Vgl. Lk 16,22-26.]. „Die Seelen der Gerechten, die in
Abrahams Schoß den Heiland erwarteten, hat Christus der Herr bei seinem
Abstieg in die Hölle befreit" (Catech. R. 1,6,3). Jesus ist nicht
in die Unterwelt hinabgestiegen, um die Verdammten daraus zu befreien
[Vgl. Syn. v. Rom 745: DS 587.], und auch nicht, um die Hölle, den Ort
der Verdammung, aufzuheben [Vgl. DS 1011; 1077.], sondern um die Gerechten
zu befreien, die vor ihm gelebt hatten [Vgl. 4. Syn. v. Toledo 625: DS
485;vgl. auch Mt 27,52-53.].
634 „Auch Toten ist das Evangelium ... verkündet worden" (1 Petr
4,6). Im Abstieg zu den Toten vollendete sich die Verkündigung der frohen
Botschaft vom Heil. Er ist die letzte Phase der messianischen Sendung
Jesu - eine der Zeitdauer nach sehr knappe, aber ihrer Bedeutung nach
unermeßliche Phase: die Ausweitung des Erlösungswerkes auf alle Menschen
aller Zeiten und aller Orte, denn allen Geretteten wurde die Erlösung
zuteil.
635 Christus ist somit in die Tiefe des Todes hinabgestiegen [Vgl. Mt
12,40; Röm 10,7; Eph 4,9.], damit „die Toten die Stimme des Sohnes Gottes
hören ...; und alle, die sie hören, leben" (Joh 5,25). Jesus, der
„Urheber des Lebens" (Apg 3,15), ist gekommen, „um den zu entmachten,
der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel, und um die zu befreien,
die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen
waren" (Hebr 2,14-15). Der auferweckte Christus hat nun „die Schlüssel
zum Tod und zur Unterwelt" in Händen (Offb 1,18), und „im Himmel,
auf der Erde und unter der Erde" beugen alle „ihre Knie vor dem Namen
Jesu" (Phil 2,10).
„Tiefes Schweigen herrscht heute auf Erden, tiefes Schweigen und Stille.
Tiefes Schweigen, weil der König ruht. Furcht hat die Erde gepackt und
sie ist verstummt, weil Gott - im Fleisch - in Schlaf gesunken ist und
Menschen aufgeweckt hat, die seit unvordenklicher Zeit schliefen ...
Er geht auf die Suche nach Adam, unserem Stammvater, nach dem verlorenen
Schaf. Besuchen will er, die in Finsternis sitzen und im Schatten des
Todes. Er kommt, um den gefangenen Adam und die mitgefangene Eva von
ihren Schmerzen zu erlösen, er, der zugleich ihr Gott und ihr Sohn ist
... ‚Deinetwegen wurde ich dein Sohn, ich, dein Gott ... Wach auf, Schläfer...
Ich habe dich nicht geschaffen, damit du im Gefängnis der Unterwelt
festgehalten wirst. Steh auf von den Toten! Ich bin das Leben der Toten"
(Alte Homilie zum Karsamstag).
KURZTEXTE
636 Mit „hinabgestiegen in das Reich des Todes" bekennt das Glaubensbekenntnis,
daß Jesus wirklich gestorben ist und durch seinen Tod für uns den Tod
und den Teufel besiegt hat, „der die Gewalt über den Tod hat" (Hebr
2,14).
637 Der tote Christus ist in seiner Seele, die mit seiner göttlichen
Person vereint blieb, zum Aufenthaltsort der Toten hinabgestiegen. Er
hat den Gerechten, die vor ihm gelebt hatten, die Pforten des Himmels
geöffnet.
Absatz 2. Am Dritfen Tag Ist Er Auferstanden
Von Den Toten
638 „So verkünden wir euch die frohe Botschaft: Gott hat die Verheißung,
die an die Väter ergangen ist, an uns, ihren Kindern, erfüllt, indem er
Jesus auferweckt hat" (Apg 13,32-33). Die Auferstehung Christi ist
die Wahrheit, in der unser Glauben an Christus gipfelt; die christliche
Urgemeinde glaubt und lebt sie als zentrale Wahrheit, die Überlieferung
gibt sie als grundlegend weiter, die Dokumente des Neuen Testamentes weisen
sie nach; zugleich mit dem Kreuz wird sie als wesentlicher Teil des Pascha-Mysteriums
verkündet.
Christus ist von den Toten auferstanden.
Durch seinen Tod hat er den Tod besiegt, den Toten das Leben gegeben.
(Byzantinische Liturgie, Troparion von Ostern)
I Das geschichtliche und transzendente Ereignis
639 Das Mysterium der Auferstehung Christi ist ein wirkliches Geschehen,
das sich nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes geschichtlich feststellbar
manifestiert hat. Schon der hl. Paulus kann um das Jahr 56 an die Korinther
schreiben: „Vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen
habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und
ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der
Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf" (1 Kor 15,3-4).
Der Apostel spricht hier von der lebendigen Auferstehungstradition, die
er nach seiner Bekehrung vor den Toren von Damaskus vernommen hatte [Vgl.
Apg 9,3-18.].
Das leere Grab
640 „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern
er ist auferstanden" (Lk 24,5-6). Das erste Element, auf das wir
im Rahmen der Osterereignisse stoßen, ist das leere Grab. Es ist an und
für sich kein direkter Beweis. Daß der Leichnam Jesu nicht mehr im Grab
lag, ließe sich auch anders erklären [Vgl. Job 20,13; Mt 28,11-15.]. Trotzdem
war das leere Grab für alle ein entscheidend wichtiges Zeichen, und seine
Entdeckung durch die Jünger der erste Schritt zu der Einsicht, daß Christus
tatsächlich auferstanden ist, wie das zuerst bei den heiligen Frauen [Vgl.
Lk 24,3.22-23.] und sodann bei Petrus [Vgl. Lk 24,12.] der Fall war. Der
„Jünger, den Jesus liebte" (Joh 20,2) sagt, er habe, als er in das
leere Grab eingetreten sei und „die Leinenbinden liegen" gesehen
habe (Joh 20,6), „gesehen und geglaubt" (Joh 20,8). Das setzt voraus,
daß er am Zustand des leeren Grabes festgestellt hat [Vgl. Joh 20,5-7.],
daß das Fehlen des Leichnams Jesu nicht auf die Tat von Menschen zurückzuführen
sei und daß Jesus nicht einfach, wie Lazarus [Vgl. Joh 11,44.], in ein
irdisches Leben zurückgekehrt war.
Die Erscheinungen des Auferstandenen
641 Die Ersten, die dem Auferstandenen begegneten [Vgl. Mt 28,9-10; Joh
20, 11-18.], waren Maria von Magdala und die heiligen Frauen, die zum
Grabe kamen, um den Leichnam Jesu einzubalsamieren [Vgl. Mk 16,1; Lk 24,1.],
der am Karfreitagabend, weil der Sabbat anbrach, hastig bestattet worden
war [Vgl. Job 19, 31.42.]. So waren Frauen selbst für die Apostel [Vgl.
Lk 24, 9-10.] die ersten Botinnen der Auferstehung Christi. Danach erschien
Jesus den Aposteln, zuerst dem Petrus, dann den Zwölfen [Vgl. 1 Kor 15,5.].
Petrus, der den Auftrag erhalten hat, den Glauben seiner Brüder zu stärken
[Vgl. Lk 22,31-32.], erblickt also den Auferstandenen vor diesen, und
auf sein Zeugnis hin ruft die Gemeinschaft aus: „Der Herr ist wirkich
auferstanden und ist dem Simon erschienen" (Lk 24,34).
642 Alles, was in diesen Ostertagen geschah, stellte die Apostel - und
ganz besonders Petrus - in den Dienst am Aufbau der neuen Ära, die am
Ostermorgen anbrach. Als Zeugen des Auferstandenen bleiben sie die Grundsteine
seiner Kirche. Der Glaube der ersten Glaubensgemeinde gründet auf dem
Zeugnis konkreter Menschen, die den Christen bekannt waren und von denen
die meisten noch unter ihnen lebten. Diese „Zeugen der Auferstehung"
Christi [Vgl. Apg 1,22.] sind vor allem Petrus und die Zwölf, aber nicht
nur sie: Paulus spricht klar von mehr als fünfhundert Personen, denen
Jesus gleichzeitig erschienen ist; er erschien auch dem Jakobus und allen
Aposteln [Vgl. 1 Kor 15,4-8.].
643 Angesichts dieser Zeugnisse ist es unmöglich, die Auferstehung als
etwas zu interpretieren, das nicht der physischen Ordnung angehört, und
sie nicht als ein geschichtliches Faktum anzuerkennen. Aus den Ereignissen
ergibt sich, daß der Glaube der Jünger die überaus harte Prüfung des Leidens
und des Kreuzestodes ihres Meisters durchmachen mußte, die dieser vorausgesagt
hatte [Vgl. Lk 22,31-32.]. Die Jünger (jedenfalls einige von ihnen) waren
durch die Passion so sehr erschüttert worden, daß sie der Kunde von der
Auferstehung nicht ohne weiteres Glauben schenkten. Die Evangelien zeigen
uns keineswegs eine mystisch hingerissene Gemeinde, sondern Jünger, die
niedergeschlagen (,‚trübe dreinblickend": Lk 24,17) und erschrocken
[Vgl. Job 20,19.] waren. Darum schenkten sie den heiligen Frauen, die
vom Grabe zurückkehrten, keinen Glauben und „hielten das alles für Geschwätz"
(Lk 24, 11) [Vgl. Mk 16,11.13.]. Als Jesus sich am Osterabend den Elfen
zeigte, „tadelte er ihren Unglauben und ihre Verstocktheit, weil sie denen
nicht glaubten, die ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten"
(Mk 16,14).
644 Sogar angesichts des auferstandenen Jesus selbst zweifeln die Jünger
noch [Vgl. Lk 24,38.], da ihnen die Sache so unmöglich erscheint: Sie
meinen, ein Gespenst zu sehen [Vgl. Lk 24,39.].,, Sie staunten, konnten
es aber vor Freude immer noch nicht glauben" (Lk 24,41). Thomas wird
die gleiche Prüfung des Zweifels durchmachen [Vgl. Job 20,24-27.], und
noch bei der letzten Erscheinung in Galiläa, von der Matthäus berichtet,
hatten einige „Zweifel" (Mt 28,17). Darum läßt sich die Hypothese,
daß die Auferstehung ein „Erzeugnis" des Glaubens (oder der Leichtgläubigkeit)
der Apostel gewesen sei, nicht halten. Ganz im Gegenteil, ihr Glaube an
die Auferstehung - unter dem Wirken der göttlichen Gnade - ist aus der
unmittelbaren Erfahrung der Wirklichkeit des auferstandenen Christus selbst
hervorgegangen.
Der Zustand der auferstandenen Menschennatur Christi
645 Der auferstandene Jesus tritt mit seinen Jüngern in direkte Beziehung:
er läßt sich berühren [Vgl. Lk 24,39; Joh 20,27.] und ißt mit ihnen [Vgl.
Lk 24,30.41-43;Joh 21,9.13-15.]. Er fordert sie auf, festzustellen, daß
er kein Gespenst ist [Vgl. Lk 24,39.], vor allem aber, daß der auferstandene
Leib, in dem er vor ihnen steht, wirklich der gleiche ist, der gequält
und gekreuzigt worden ist, weil er noch die Spuren des Leidens trägt [Vgl.
Lk 24,40;Joh 20,20.27.]. Dieser echte und wirkliche Leib besitzt jedoch
zugleich die neuen Eigenschaften eines verherrlichten Leibes: Jesus ist
nicht mehr an Ort und Zeit gebunden, sondern kann nach Belieben da sein,
wo und wann er will [Vgl. Mt 28,9.16-17; Lk 24,15.36; Joh 20,14.19.26;
21,4]. Seine Menschennatur kann nicht mehr auf der Erde zurückgehalten
werden und gehört nur noch dem göttlichen Bereich des Vaters an [Vgl.
Joh 20,17.]. Aus diesem Grund steht es dem auferstandenen Jesus auch völlig
frei, so zu erscheinen, wie er will: in der Gestalt eines Gärtners [Vgl.
Joh 20,14-15.] oder „in einer anderen Gestalt" (Mk 16,12) als der,
die den Jüngern vertraut war. Dadurch sollte ihr Glaube geweckt werden
[Vgl. Joh 20,14.16; 21,4.7.].
646 Die Auferstehung Jesu war nicht eine Rückkehr in das irdische Leben,
wie das bei den Auferweckungen der Fall war, die er vor Ostern gewirkt
hatte: des Töchterchens des Jaïrus, des jungen Mannes von Naïn und des
Lazarus. Diese Taten waren wunderbare Ereignisse, aber die Menschen, an
denen das Wunder geschah, kehrten durch die Macht Jesu in das gewöhnliche,
irdische Leben zurück. Zu bestimmter Zeit mußten sie aufs neue sterben.
Die Auferstehung Christi ist wesentlich anders. Er geht in seinem auferweckten
Leib aus dem Totsein in ein anderes Leben über, jenseits von Zeit und
Raum. Der Leib Jesu wird bei der Auferstehung von der Macht des Heiligen
Geistes erfüllt; er hat in seinem verherrlichten Zustand am göttlichen
Leben teil, so daß der hl. Paulus Christus als den „Himmlischen"
bezeichnen kann [Vgl. 1 Kor 15,35-50.].
II Die Auferstehung als transzendentes Ereignis
647 „O wahrhaft selige Nacht", jubelt das „Exsultet" der Ostervigil,
„dir allein war es vergönnt, die Stunde zu kennen, in der Christus erstand
von den Toten". In der Tat war niemand Augenzeuge des Ereignisses
der Auferstehung selbst, und kein Evangelist schildert sie. Niemand konnte
sagen, wie sie äußerlich vor sich ging. Noch weniger aber konnte ihr inneres
Wesen, der
Übergang in ein anderes Leben, durch die Sinne wahrgenommen werden. Obwohl
sie ein Ereignis war, das sich durch das Zeichen des leeren Grabes und
durch die Wirklichkeit der Begegnungen der Apostel mit dem auferweckten
Christus feststellen ließ, bleibt die Auferstehung in dem, worin sie über
die Geschichte hinausgeht, im Herzen des Glaubensmysteriums. Darum offenbart
sich der auferweckte Christus nicht der Welt [Vgl. Job 14,22], sondern
seinen Jüngern, „die mit ihm zusammen von Galiläa nach Jerusalem hinaufgezogen
waren und die jetzt vor dem Volk seine Zeugen sind" (Apg 13,31).
II Die Auferstehung - Werk der heiligsten Dreifaltigkeit
648 Die Auferstehung Christi ist Gegenstand des Glaubens: transzendenter
Eingriff Gottes selbst in die Schöpfung und in die Geschichte. Bei ihr
handeln die drei göttlichen Personen gemeinsam und offenbaren dabei gleichzeitig
ihre Eigenart. Sie geschah durch die Macht des Vaters, der Christus, seinen
Sohn, „auferweckte" [Vgl. Apg 2,24] und so dessen Menschennatur -
mitsamt dem Leib - vollkommen in die Dreifaltigkeit aufnahm. Jesus wird
endgültig geoffenbart als „dem Geist der Heiligkeit nach ... Sohn Gottes
in Macht aufgrund der Auferstehung von den Toten" (Röm 1,3-4). Der
hl. Paulus betont die Offenbarung der Macht Gottes [Vgl. Röm 6,4; 2 Kor
13,4; Phil 3,10; Epb 1,19-22; Hebr 7,16] durch das Wirken des Geistes,
der die tote Menschennatur Jesu lebendig gemacht und in den verherrlichten
Zustand, in das Herr sein, versetzt hat.
649 Was den Sohn anbelangt, so bewirkt er seine Auferstehung kraft seiner
göttlichen Macht. Jesus kündigt an, der Menschensohn werde viel leiden
und auch sterben müssen; dann werde er auferstehen [Vgl. Mk 8,31; 9,9-31;
10,34]. An anderer Stelle sagt er ausdrücklich: „Ich gebe mein Leben hin,
um es wieder zu nehmen ... Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe
Macht, es wieder zu nehmen" (Joh 10, 17-18). „Das ist unser Glaube:
Jesus ist gestorben und auferstanden" (1 Thess 4,14).
650 Die Kirchenväter betrachten die Auferstehung von der göttlichen Person
Christi her. Diese war mit seiner Seele und seinem Leib, die durch den
Tod voneinander getrennt worden waren, vereint geblieben: „Kraft der Einheit
der göttlichen Natur, die in beiden Wesensteilen des Menschen zugegen
bleibt, vereinigen sich diese aufs neue. So kommt der Tod durch die Trennung
des menschlichen Gefüges zustande und die Auferstehung durch die Vereinigung
der beiden getrennten Teile" (Gregor v. Nyssa, res. 1) [Vgl. auch
DS 325; 359; 369; 539].
III Sinn und Heilsbedeutung der Auferstehung
651 „Ist Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung
leer und euer Glaube sinnlos" (1 Kor 15,15). Die Auferstehung stellt
vor allem die Bestätigung für all das dar, was Christus getan und gelehrt
hat. Sämtliche Wahrheiten, selbst die für den menschlichen Geist unfaßlichsten,
finden ihre Rechtfertigung, wenn Christus durch seine Auferstehung den
von ihm verheißenen endgültigen Beweis seiner göttlichen Autorität gegeben
hat.
652 In der Auferstehung Christi erfüllen sich die Verheißungen des Alten
Bundes [Vgl. Lk 24,26-27.4-8] und auch die, welche Jesus selbst während
seines irdischen Lebens gegeben hat [Vgl. Mt 28,6; Mk 16,7; Lk 24,6-7].
Der Ausdruck „gemäß der Schrift" (1 Kor 15,3) [Vgl. das Glaubensbekenntnis
von Nizäa-Konstantinopel] weist darauf hin, daß mit der Auferstehung Christi
diese Vorhersagen in Erfüllung gehen.
653 Seine Auferstehung bestätigt die wahre Gottheit Jesu. Er hatte gesagt:
„Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, daß
Ich bin" (Joh 8,28). Die Auferstehung des Gekreuzigten beweist,
daß er wirklich der „Ich bin", der Sohn Gottes, ja Gott selber
ist. Der hl. Paulus konnte den Juden erklären: „Gott hat die Verheißung,
die an die Väter ergangen ist, an uns ... erfüllt, indem er Jesus auferweckt
hat, wie es schon im zweiten Psalm heißt: ‚Mein Sohn bist du, heute
habe ich dich gezeugt" (Apg 13, 32-33) [Vgl. Ps 2,7]. Die Auferstehung
Christi steht in enger Verbindung mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes.
Gemäß Gottes ewigem Plan ist sie deren Vollendung.
654 Das Ostergeheimnis hat zwei Seiten: Durch seinen Tod befreit uns
Christus von der Sünde, durch seine Auferstehung eröffnet er uns den Zugang
zu einem neuen Leben. Dieses besteht zuerst in der Rechtfertigung, die
uns wieder in die Gnade Gottes versetzt [Vgl. Röm 4,25], „damit, wie Christus
... von den Toten auferweckt wurde, auch wir in einem neuen Leben wandeln"
(Röm 6,4). Die Rechtfertigung besteht im Sieg über den durch die Sünde
verursachten Tod und in der neuen Teilhabe an der Gnade [Vgl. Eph 2,4-5;
1 Petr 1,3]. Sie vollzieht die Annahme zu Söhnen Gottes, denn die Menschen
werden Brüder Christi. Jesus selber bezeichnet nach der Auferstehung seine
Jünger als seine Brüder:
„Geht und verkündet meinen Brüdern . . .„ (Mt 28,10; Joh 20,17). Seine
Brüder sind wir nicht aufgrund unserer Natur, sondern durch ein Geschenk
der Gnade, denn diese Adoptivsohnschaft schenkt eine wirkliche Teilhabe
am Leben des eingeborenen Sohnes, das in seiner Auferstehung voll zutage
getreten ist.
655 Schließlich ist die Auferstehung Christi - und der auferstandene
Christus selbst - Ursache und Urgrund unserer künftigen Auferstehung:
„Christus ist von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen
Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht
werden" (1 Kor 15,20-22). Während des Harrens auf diese Vollendung
lebt der auferstandene Christus im Herzen seiner Gläubigen. Im Auferstandenen
kosten die Christen „die Kräfte der zukünftigen Welt" (Hebr 6,5),
und ihr Leben wird von Christus in den Schoß des göttlichen Lebens geborgen
[Vgl. Kol 3.1-3], „damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern
für den, der für sie starb und auferweckt wurde" (2 Kor 5,15).
KURZTEXTE
656 Der Glaube an die Auferstehung bezieht sich auf ein Ereignis, das
von den Jüngern, die dem Auferstandenen wirklich begegnet sind, als geschichtlich
bezeugt wurde. Als Eintritt der Menschennatur Christi in die Herrlichkeit
Gottes ist es gleichzeitig geheimnisvoll transzendent.
657 Das leere Grab und die daliegenden Tücher bedeuten, daß der Leib
Christi durch die Macht Gottes aus den Banden des Todes und der Verwesung
befreit worden ist. Sie bereiten die Jünger auf die Begegnung mit dem
Auferstandenen vor.
658 Christus, „der Erstgeborene der Toten" (Kol 1,18), ist der Urheber
unserer eigenen Auferstehung, schon jetzt durch die Rechtfertigung unserer
Seele [Vgl. Röm 6.4] und dereinst dadurch, daß er unseren Leib lebendig
machen wird [Vgl. Röm 8.11].
Artikel 6
Jesus Ist „Aufgefahren In Den Himmel; Er Sitzt Zur Rechten Gottes, Des Allmächtigen Vaters"
659 „Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in
den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes" (Mk 16,19).
Der Leib Christi wurde schon im Augenblick der Auferstehung verherrlicht,
wie das die neuen, übernatürlichen Eigenschaften beweisen, die sein Leib
nun dauernd besitzt [Vgl. Lk 24,31; Job 20,19.26]. Doch während der vierzig
Tage, in denen er mit seinen Jüngern vertraut ißt und trinkt [Vgl. Apg
1,3] und sie über das Reich Gottes unterrichtet [Vgl. Mk 16,12; Lk 24,15;
Job 20,14-15; 21,4], bleibt seine Herrlichkeit noch unter der Gestalt
einer gewöhnlichen Menschennatur verhüllt [Vgl. Apg 1,9]. Die letzte Erscheinung
Christi endet mit dem endgültigen Eintritt seiner menschlichen Natur in
die göttliche Herrlichkeit, die durch die Wolke [Vgl. auch Lk 9,34-35;
Ex 13,22] und durch den Himmel [Vgl. Lk 24,51] versinnbildlicht wird.
Dort thront Jesus nun zur Rechten Gottes [Vgl. Mk 16,19; Apg 2,33; 7,56;
vgl. auch Ps 110,1]. Ganz ausnahmsweise und nur einmal wird er sich in
einer letzten Erscheinung Paulus - gleichsam der „Mißgeburt" (Kor
15,8) - zeigen und ihn zum Apostel berufen [Vgl. 1 Kor 9,1; Gal 1,16].
660 Daß die Herrlichkeit des Auferstandenen in dieser Zwischenzeit verschleiert
war, klingt in seinem geheimnisvollen Wort an Maria von Magdala an: „Ich
bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern, und
sag ihnen: ‚Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem
Gott und zu eurem Gott" (Joh 20,17). Dies deutet an, daß die Herrlichkeit
des auferstandenen Christus noch nicht ebenso hell erstrahlte wie dann
die Herrlichkeit des zur Rechten des Vaters erhöhten Christus. Das zugleich
geschichtliche und transzendente Ereignis der Himmelfahrt stellt den Übergang
dar.
661 Diese letzte Stufe der Verherrlichung bleibt eng mit der ersten verbunden,
das heißt mit der Herabkunft vom Himmel in der Menschwerdung. Nur wer
„vom Vater ausgegangen" ist, kann „zum Vater zurückkehren":
Christus [Vgl. Job 16,28]. „Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen
außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn" (Joh
3, 13) [Vgl. Eph 4,8-10]. Ihren nätürlichen Kräften überlassen, hat die
menschliche Natur nicht Zugang zum „Haus des Vaters" (Joh 14,2),
zum Leben und zur Glückseligkeit Gottes. Einzig Christus kann dem Menschen
diesen Zugang eröffnen. „Er gibt den Gliedern seines Leibes die Hoffnung,
ihm dorthin zu folgen, wohin er als erster vorausging" (MR, Präfation
von Christi Himmelfahrt).
662 „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen"
(Joh 12,32). Das Erhöhtwerden am Kreuz bedeutet das Erhöhtwerden bei der
Himmelfahrt und kündigt es an. Es ist deren Beginn. Jesus Christus, der
einzige Priester des neuen und ewigen Bundes, „ist nicht in ein von Menschenhand
errichtetes Heiligtum hineingegangen ...‚ sondern in den Himmel selbst,
um jetzt für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen" (Hebr 9,24).
Im Himmel übt Christus sein Priestertum dauernd aus, „Darum kann er auch
die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt
allezeit, um für sie einzutreten" (Hebr 7,25). Als „Hoherpriester
der künftigen Güter" (Hebr 9,11) ist er Mittelpunkt und Hauptzelebrant
der Liturgie, die den Vater im Himmel ehrt [Vgl. Offb 4,6-11].
663 Nun sitzt Christus zur Rechten des Vaters: „Unter der Rechten des
Vaters verstehen wir die Herrlichkeit und die Ehre der Gottheit, in welcher
der Sohn Gottes als Gott wesensgleich mit dem Vater von Ewigkeit her existiert
und in der er nun, nachdem er in den letzten Zeiten Fleisch geworden,
auch dem Leibe nach sitzt, da sein Fleisch mitverherrlicht ist" (Johannes
v. Damaskus, f. o. 4,2).
664 Das Sitzen zur Rechten des Vaters bedeutet den Beginn der Herrschaft
des Messias. Die Vision des Propheten Daniel geht in Erfüllung: „Ihm wurden
Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen
müssen ihm dienen. Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft.
Sein Reich geht niemals unter" (Dan 7,14). Von diesem Zeitpunkt an
sind die Apostel die Zeugen der „Herrschaft" geworden, der „kein
Ende sein" wird (Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel).
KURZTEXTE
665 Die Himmelfahrt Christi kennzeichnet den endgültigen Eintritt der
menschlichen Natur Jesu in den himmlischen Bereich Gottes. Von wo er wiederkommen
wird [Vgl. Apg 1,11], der ihn aber in der Zwischenzeit den Blicken der
Menschen entzieht [Vgl. Kol 3,3].
666 Jesus Christus, das Haupt der Kirche, geht uns in das herrliche Reich
des Vaters voraus, damit wir alle als Glieder seines Leibes in der Hoffnung
leben, eines Tages für immer bei ihm zu sein.
667 Da Jesus Christus ein für allemal in das Heiligtum des Himmels eingetreten
ist, legt er unablässig Fürbitte für uns ein als der Mittler, der den
Heiligen Geist fortwährend auf uns ausgießt.
Artikel 7
„Von Dort Wird Er Kommen, Zu Richten Die Lebenden Und Die Toten"
I Er wird wiederkommen in Herrlichkeit
Christus herrscht schon durch die Kirche
668 „Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über
Tote und Lebende" (Röm 14,9). Der Aufstieg Christi zum Himmel bedeutet,
daß er nun in seiner Menschennatur an der Macht und Autorität Gottes selbst
teilhat. Jesus Christus ist der Herr: er besitzt alle Gewalt im Himmel
und auf Erden. Er ist „hoch über alle Fürsten und Gewalten, Mächte und
Herrschaften" erhoben, denn der Vater hat ihm „alles" „zu Füßen
gelegt" (Eph 1,20-22). Christus ist der Herr des Weltalls [ Vgl.
Eph 4,10; 1 Kor 5,24.27-28] und der Geschichte. In ihm wird die Geschichte
des Menschen, ja die ganze Schöpfung erneut unter ein Haupt „zusammengefaßt"
(Eph 1,10) und jenseitig vollendet.
669 Als der Herr ist Christus auch das Haupt der Kirche, die sein Leib
ist [Vgl. Eph 1,22]. Obwohl in den Himmel aufgenommen und verherrlicht,
da er seine Sendung voll erfüllt hat, bleibt er auf Erden in seiner Kirche.
Die Erlösung ist die Quelle der Autorität, die Christus kraft des Heiligen
Geistes über die Kirche ausübt [Vgl. Eph 4,11-13]. „Die Kirche, das heißt
das im Mysterium schon gegenwärtige Reich Christi", ist „Keim und
Anfang dieses Reiches auf Erden" (LG 3; 5).
670 Seit der Himmelfahrt geht der Plan Gottes seiner Erfüllung entgegen.
Wir leben schon in der „letzten Stunde" (1 Joh 2, 18) [Vgl. 1 Petr
4,7]. „Schon sind also die Enden der Zeiten zu uns gekommen, und die Erneuerung
der Welt ist unwiderruflich begründet und wird in dieser Weltzeit auf
eine gewisse wirkliche Weise vorweggenommen: Denn die Kirche wird schon
auf Erden durch eine wahre, wenn auch unvollkommene Heiligkeit ausgezeichnet"
(LG 48). Schon jetzt erweist das Reich Christi seine Gegenwart durch die
wunderbaren Zeichen [Vgl. Mk 16,17-18], die seine Verkündigung durch die
Kirche begleiten [Vgl. Mk 16,20].
....... bis ihm alles unterworfen ist
671 Das Reich Christi, in der Kirche schon gegenwärtig, ist jedoch noch
nicht durch die Ankunft des Königs auf Erden „mit großer Macht und Herrlichkeit"
(Lk 21,27) [Vgl. Mt 25,31] vollendet. Es wird noch von bösen Mächten angegriffen
[Vgl. 2 Thess 2,7], obwohl diese durch das Pascha Christi im Grunde schon
besiegt sind. Bis ihm dann alles unterworfen sein wird [Vgl 1 Kor 15,28],
bis es „neue Himmel und eine neue Erde geben wird, in denen die Gerechtigkeit
wohnt, trägt die pilgernde Kirche in ihren Sakramenten und Einrichtungen,
die zu dieser Zeit gehören, die Gestalt dieser Welt, die vergeht, und
weilt selbst unter den Geschöpfen, die seufzen und bis jetzt noch in Wehen
liegen und die Offen. barung der Kinder Gottes erwarten" (LG 48).
Aus diesem Grund beten die Christen, besonders in der Eucharistiefeier
[Vgl. 1 Kor 11,26], um das rasche Eintreten der Wiederkunft Christi [Vgl.
2 Pelr 3,11-12], indem sie zu ihm rufen: „Komm, Herr!" (1 Kor 16,22;
Offb 22, 17.20).
672 Christus hat vor seiner Himmelfahrt gesagt, die Stunde sei noch nicht
da, um das von Israel erwartete messianische Reich herrlich zu errichten
[Vgl. Apg 1,6-7]. Dieses sollte den Propheten zufolge [Vgl. Jes 11,1-9]
für alle Menschen die endgültige Herrschaft der Gerechtigkeit, der Liebe
und des Friedens bringen. Die jetzige Zeit ist nach dem Wort des Herrn
die Zeit des Geistes und des Zeugnisgebens [Vgl. Apg 1,8], aber auch noch
eine Zeit der „Not" (1 Kor 7,26) und der Prüfung durch das Böse [Vgl.
Eph 5,16], das selbst die Kirche nicht verschont [Vgl. 1 Petr 4,17] und
die Kämpfe der letzten Tage einleitet [Vgl. 1 Joh 2,18; 4,3; 1 Tim 4,1].
Sie ist eine Zeit des Harrens und des Wachens [Vgl. Mt 25,1-13; Mk 13,33-37].
Das glorreiche Kommen Christi als Hoffnung für Israel
673 Seit der Himmelfahrt steht die Ankunft Christi in Herrlichkeit bevor
[Vgl. Apg 22,20], nur steht es uns „nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren,
die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat" (Apg 1,7) [Vgl. Mk
13,32]. Diese eschatologische Ankunft kann jederzeit geschehen [Vgl. Mt
24,44; 1 Thess 5,2], auch wenn sie und die endzeitliche Prüfung, die ihr
vorausgehen wird [Vgl. 2Thess 2,3-12], noch „aufgehalten" werden.
674 Das Kommen des verherrlichten Messias hängt zu jedem Zeitpunkt der
Geschichte [Vgl. Röm 11,31] davon
ab, daß er von „ganz Israel" (Röm 11,26) [Vgl. Mt 23,39Vgl. Lk 21,24]
anerkannt wird, über dem zum Teil „Verstockung liegt" (Röm 11,25),
so daß sie Jesus „nicht glaubten" (Röm 11,20). Petrus sagt es nach
Pfingsten zu den Juden von Jerusalem: „Also kehrt um, und tut Buße, damit
eure Sünden getilgt werden und der Herr Zeiten des Aufatmens kommen läßt
und Jesus sendet als den für euch bestimmten Messias. Ihn muß freilich
der Himmel aufnehmen bis zu den Zeiten der Wiederherstellung von allem,
die Gott von jeher durch den Mund seiner heiligen Propheten verkündet
hat" (Apg 3,19-21). Und Paulus sagt gleich ihm: „Wenn schon ihre
Verwerfung für die Welt Versöhnung gebracht hat, dann wird ihre Annahme
nichts anderes sein als Leben aus dem Tod" (Röm 11,15). Der Eintritt
der „Vollzahl" der Juden (Röm 11,12) in das messianische Reich im
Anschluß an die „Vollzahl der Heiden" (Röm 11,25) [Vgl. Lk 18,8;
Mt 24,12] wird dem Volk Gottes die Möglichkeit geben, das „Vollmaß Christi"
(Eph 4,13) zu verwirklichen, in dem „Gott alles in allen" sein wird
(1 Kor 15,28).
Die letzte Prüfung der Kirche
675 Vor dem Kommen Christi muß die Kirche eine letzte Prüfung durchmachen,
die den Glauben vieler erschüttern wird [Vgl. Lk 21,12;Joh 15,19 -20].
Die Verfolgung, die ihre Pilgerschaft auf Erden begleitet 8, wird das
„Mysterium der Bosheit" enthüllen: Ein religiöser Lügenwahn bringt
den Menschen um den Preis ihres Abfalls von der Wahrheit eine Scheinlösung
ihrer Probleme. Der schlimmste religiöse Betrug ist der des Antichrist,
das heißt eines falschen Messianismus, worin der Mensch sich selbst verherrlicht,
statt Gott und seinen im Fleisch gekommenen Messias [Vgl. 2 Thess 2,4-12;
1 Thess 5,2-3; 2Joh 7; 1 Joh 2,18.22].
676 Dieser gegen Christus gerichtete Betrug zeichnet sich auf der Welt
jedesmal ab, wenn man vorgibt, schon innerhalb der Geschichte die messianisehe
Hoffnung zu erfüllen, die nur nachgeschichtlich durch das eschatologische
Gericht zu ihrem Ziel gelangen kann. Die Kirche hat diese Verfälschung
des künftigen Reiches, selbst in ihrer gemäßigten Spielart, unter dem
Namen „Millenarismus" zurückgewiesen [Vgl. DS 3839], vor allem aber
die „zuinnerst verkehrte" politische Form des säkularisierten Messianismus
[Vgl. die Verurteilung des falschen „Mystizismus" dieser Fehlform
der Erlösung der Armen in der Enzyklika „Divioi Redemptoris" Pius‘
Xl].
677 Die Kirche wird nur durch dieses letzte Pascha hindurch, worin sie
dem Herrn in seinem Tod und seiner Auferstehung folgen wird [Vgl. auch
GS 20-21], in die Herrlichkeit des Reiches eingehen. Das Reich wird also
nicht in stetigem Fortschritt durch einen geschichtlichen Triumph der
Kirche zustande kommen [Vgl. Offb 19,1-9], sondern durch den Sieg Gottes
im Endkampf mit dem Bösen [Vgl. Offb 3,18]. In diesem Sieg wird die Braut
Christi vom Himmel herabkommen [Vgl. Offb 20,7-10]. Nach der letzten kosmischen
Erschütterung dieser Welt, die vergeht [Vgl. Offb 21,2-4], wird es in
Gestalt des letzten Gerichts zum Triumph Gottes über den Aufstand des
Bösen kommen [Vgl. 2 Petr 3,12-13].
II ... zu richten die Lebenden und
die Toten
678 Wie die Propheten [Vgl. Offb 20,12] und Johannes der Täufer [Vgl.
Dtn 7,10;Joël 3-4; Mal 3,19] kündigte Jesus in seiner Predigttätigkeit
das Gericht am letzten Tag an. Dann wird das Verhalten [Vgl. Mt 3,7-12]
und der geheimste Herzensgrund eines jeden [Vgl. Mk 12,38-40] aufgedeckt
werden. Dann wird der sündige Unglaube, der die von Gott angebotene Gnade
verschmäht hat, verurteilt werden [Vgl. Lk 12,1-3; Joh 3,20-21; Röm 2,
16; 1 Kor 4,5]. Die Haltung gegenüber dem Nächsten wird zeigen, ob man
die Gnade und Liebe Gottes angenommen oder zurückgewiesen hat [Vgl. Mt
5,22; 7,1-5]. Jesus wird sagen: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder
getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt 25,40).
679 Christus ist der Herr des ewigen Lebens. Als dem Erlöser der Welt
kommt Christus das volle Recht zu, über die Werke und die Herzen der Menschen
endgültig zu urteilen. Er hat durch seinen Kreuzestod dieses Recht „erworben".
Darum hat der Vater „das Gericht ganz dem Sohn übertragen" (Joh 5,22)
[Vgl. Joh 5,27; Mt 25,31; Apg 10,41; 17,31; 2 Tim 4,1]. Nun aber ist der
Sohn nicht gekommen, um zu richten, sondern um zu retten [Vgl. Joh 3,17]
und das Leben zu geben, das in ihm ist [Vgl. Joh 5,26]. Wer in diesem
Leben die Gnade zurückweist, richtet sich schon jetzt selbst [Vgl. Joh
3,18; 12,48]: Jeder erhält Lohn oder erleidet Verlust je nach seinen Werken
[Vgl. 1 Kor 3,12-15]; er kann sich selbst sogar für die Ewigkeit verurteilen,
wenn er vom Geist der Liebe nichts wissen will [Vgl. Mt 1232; Hebr 6,4-6;
10,26-31].
KURZTEXTE
680 Christus der Herr herrscht schon jetzt durch die Kirche, aber es
ist ihm noch nicht alles auf dieser Welt unterworfen. Das Reich Christi
wird erst nach einem letzten Ansturm der Mächte des Bösen triumphiren.
681 Am Tag des Gerichtes, am Ende der Welt, wird Christus in Herrlichkeit
kommen, um den endgültigen Sieg des Guten über das Böse herbeizuführen,
die im Lauf der Geschichte nebeneinander wuchsen wie Weizen und Unkraut
auf einem Acker.
682 Wenn er am Ende der Zeiten kommt, um die Lebenden und die Toten zu
richten, wird der verherrlichte Christus die innersten Gesinnungen der
Herzen aufdecken um jedem Menschen nach seinen Werken vergelten, je nachdem,
ob dieser die Gnade annahm oder zurückwies.
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Katechismus der Katholischen Kirche Inhalt
Quelle: http://www.vatican.va/
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