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Katechismus der Katholischen Kirche /
Erster Teil: Das Glaubensbekenntnis
Zweiter Abschnitt - Das Christliche Glaubensbekenntnis
Erstes Kapitel - Ich Glaube An Gott Den
Vater
198 Unser Glaubensbekenntnis beginnt mit Gott, denn Gott ist ,,der Erste"
und ,,der Letzte" (Jes 44,6), der Anfang und das Ende von allem.
Das Credo beginnt mit Gott dem Vater, denn der Vater ist die erste göttliche
Person der heiligsten Dreifaltigkeit; es beginnt mit der Erschaffung des
Himmels und der Erde, denn die Schöpfung ist der Anfang und die Grundlage
aller Werke Gottes.
Artikel 1
,,Ich Glaube An Gott, Den Vater, Den Allmächtigen, Den Schöpfer Des Himmels
Und Der Erde"
Absatz 1. ,,Wir glauben an den einen
Gott"
199 ,,Ich glaube an Gott": diese erste Aussage des Glaubensbekenntnisses
ist auch die grundlegendste. Das ganze Bekenntnis spricht von Gott, und
wenn es auch vom Menschen und von der Welt spricht, geschieht dies im
Blick auf Gott. Die Artikel des Credo hängen alle vom ersten ab, so wie
die weiteren Gebote des Dekalogs das erste Gebot entfalten. Die folgenden
Artikel lassen uns Gott besser erkennen, wie er sich Schritt für Schritt
den Menschen geoffenbart hat. ,,Mit Recht bekennen die Gläubigen zuerst,
daß sie an Gott glauben" (Catech. R. 1,2,6).
I ,,Wir glauben an den einen Gott"
200 Mit diesen Worten beginnt das Credo von Nizäa-Konstantinopel. Das
Bekenntnis der Einzigkeit Gottes, das in der göttlichen Offenbarung des
Alten Bundes wurzelt, läßt sich vom Bekenntnis des Daseins Gottes nicht
trennen und ist ebenso grundlegend. Gott ist der Eine; es gibt nur einen
Gott. ,,Der christliche Glaube hält fest und bekennt ... daß Gott nach
Natur, Substanz und Wesen Einer ist" (Catech. R. 1,2,2).
201 Israel, dem von ihm erwählten Volk, hat sich Gott als der Eine geoffenbart:
,,Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig. Darum sollst
du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele
und mit ganzer Kraft" (Dtn 6,4-5). Durch die Propheten ruft Gott
Israel und alle Völker auf, sich ihm, dem einzigen Gott, zuzuwenden: ,,Wendet
euch mir zu, und laßt euch erretten, ihr Menschen aus den fernsten Ländern
der Erde; denn ich bin Gott, und sonst niemand ... Vor mir wird jedes
Knie sich beugen, und jede Zunge wird bei mir schwören: Nur beim Herrn
... gibt es Rettung und Schutz" (Jes 45,22-24) [Vgl. Phil 2,10-11.].
202 Jesus selbst bekräftigt, daß Gott ,,der einzige Herr" ist und
daß man ihn mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit allen Gedanken und
aller Kraft lieben soll [Vgl. Mk 12,29-30.]. Gleichzeitig gibt er zu erkennen,
daß er selbst ,,der Herr" ist [Vgl. Mk 12,35-37.]. Zwar ist das Bekenntnis
,,Jesus ist der Herr" das Besondere des christlichen Glaubens. Es
widerspricht jedoch dem Glauben an den einen Gott nicht. Auch der Glaube
an den Heiligen Geist, ,,der Herr ist und lebendig macht", bringt
in den einzigen Gott keine Spaltung:
,,Wir glauben fest und bekennen aufrichtig, daß nur Einer der wahre,
ewige, unermeßliche und unveränderliche, unbegreifliche, allmächtige
und unaussprechliche Gott ist, der Vater, Sohn und Heilige Geist: zwar
drei Personen, aber eine Wesenheit, Substanz oder gänzlich einfache
Natur" (4. K. im Lateran: DS 800).
II Gott offenbart seinen Namen
203 Seinem Volk Israel hat Gott sich dadurch geoffenbart, daß er es seinen
Namen wissen ließ. Der Name drückt das Wesen, die Identität der Person
und den Sinn ihres Lebens aus. Gott hat einen Namen. Er ist nicht eine
namenlose Kraft. Seinen Namen preisgeben heißt sich den anderen zu erkennen
geben; es heißt gewissermaßen sich selbst preisgeben, sich zugänglich
machen, um tiefer erkannt und persönlich gerufen werden zu können.
204 Gott hat sich seinem Volk Schritt für Schritt und unter verschiedenen
Namen zu erkennen gegeben. Die Grundoffenbarung für den Alten und den
Neuen Bund war jedoch die Offenbarung des Gottesnamens an Mose bei der
Erscheinung im brennenden Dornbusch vor dem Auszug aus Ägypten und dem
Sinaibund.
Der lebendige Gott
205 Gott ruft Mose an aus der Mitte eines Dornbusches, der brennt, ohne
zu verbrennen. Er sagt zu Mose: ,,Ich bin der Gott deines Vaters, der
Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs" (Ex 3,6). Gott
ist der Gott der Väter, der die Patriarchen gerufen und sie auf ihren
Wanderungen geleitet hat. Er ist der treue und mitfühlende Gott, der sich
an die Väter und an seine Verheißungen erinnert. Er kommt, um ihre Nachkommen
aus der Sklaverei zu befreien. Er ist der Gott, der dies unabhängig von
Zeit und Raum kann und tun will. Er verwirklicht diesen Plan durch seine
Allmacht.
,,Ich bin der Ich-bin"
,,Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen
und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden
sie mich fragen: Wie lautet sein Name? Was soll ich ihnen darauf sagen?
Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der Ich-bin. Und er fuhr fort:
So sollst du zu den Israeliten sagen: Der Ich-bin hat mich zu euch gesandt
... Das ist mein Name für immer, und so wird man mich nennen in allen
Generationen" (Ex 3,13-15).
206 Indem er seinen geheimnisvollen Namen JHWH - ,,Ich bin der, der ist"
oder ,,Ich bin der Ich-bin" - offenbart, sagt Gott, wer er ist und
mit welchem Namen man ihn anreden soll. Dieser Gottesname ist geheimnisvoll,
wie Gott selbst Geheimnis ist. Er ist ein geoffenbarter Name und zugleich
gewissermaßen die Zurückweisung eines Namens. Gerade dadurch bringt er
jedoch das, was Gott ist, am besten zum Ausdruck: der über alles, was
wir verstehen oder sagen können, unendlich Erhabene. Er ist der ,,verborgene
Gott" (Jes 45,15); sein Name ist unaussprechlich [Vgl. Ri 13,18.];
und er ist zugleich der Gott, der den Menschen seine Nähe schenkt.
207 Mit seinem Namen offenbart Gott zugleich seine Treue, die von jeher
war und für immer bleibt: Er war treu (,,Ich bin der Gott deines Vaters":
Ex 3,6) und wird treu bleiben (,,Ich bin mit dir": Ex 3,12). Gott,
der sich ,,Ich-bin" nennt, offenbart sich als der Gott, der immer
da ist, immer bei seinem Volk, um es zu retten.
208 Angesichts der geheimnisvollen und faszinierenden Gegenwart Gottes
wird der Mensch seiner Kleinheit inne. Angesichts des brennenden Dornbusches
zieht Mose seine Sandalen aus und verhüllt vor der göttlichen Herrlichkeit
sein Gesicht [Vgl. Ex 3,5-6]. Angesichts der Herrlichkeit des dreimal
heiligen Gottes ruft Jesaia aus: ,,Weh mir, ich bin verloren. Denn ich
bin ein Mann mit unreinen Lippen" (Jes 6,5). Angesichts der göttlichen
Zeichen, die Jesus wirkt, ruft Petrus aus: ,,Herr, geh weg von mir; ich
bin ein Sünder" (Lk 5,8). Doch da Gott heilig ist, kann er dem Menschen
verzeihen, der sich vor ihm als Sünder erkennt: ,,Ich will meinen glühenden
Zorn nicht vollstrecken denn ich bin Gott, nicht ein Mensch, der Heilige
in deiner Mitte" (Hos 11,9). So sagt auch der Apostel Johannes: ,,Wir
werden unser Herz in seiner Gegenwart beruhigen. Denn wenn das Herz uns
auch verurteilt - Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles"
(1 Joh 3, 19-20).
209 Aus Ehrfurcht vor Gottes Heiligkeit spricht das Volk Israel den Namen
Gottes nicht aus. Bei der Lesung der Heiligen Schrift wird der geoffenbarte
Name durch den göttlichen Würdetitel ,,Herr" [,,Adonai", auf
griechisch ,,Kyrios"] ersetzt. Unter diesem Titel wird die Gottheit
Jesu feierlich bekannt: ,,Jesus ist der Herr".
,,Ein barmherziger und gnädiger Gott"
210 Nachdem Israel gesündigt und sich so von Gott abgewandt hat, um das
goldene Kalb anzubeten [Vgl. Ex 32.], hört Gott auf die Fürbitte des Mose
und nimmt es auf sich, mit seinem untreuen Volk mitzuziehen. So zeigt
er seine Liebe [Vgl. Ex 33,12-17.]. Als Mose darum bittet, seine Herrlichkeit
schauen zu dürfen, antwortet ihm Gott: ,,Ich will meine ganze Schönheit
an dir vorüberziehen lassen und den Namen JHWH vor dir ausrufen"
(Ex 33,18-19). Und der Herr zieht an Mose vorüber und ruft: ,,JHWH‘ JHWH
ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue"
(Ex 34,6). Da bekennt Mose, daß der Herr ein verzeihender Gott ist [Vgl.
Ex 34,9.].
211 Der Gottesname ,,Ich-bin" oder ,,Er-ist" drückt die Treue
Gottes aus. Trotz der Untreue, die in der Sünde der Menschen liegt, und
trotz der Bestrafung, die sie verdient, bewahrt Gott ,,Tausenden Huld"
(Ex 34,7). Gott offenbart, daß er ,,voll Erbarmen" (Eph 2,4) ist,
und geht darin so weit, daß er seinen eigenen Sohn dahingibt. Jesus opfert
sein Leben, um uns von der Sünde zu befreien, und offenbart so, daß er
selbst den göttlichen Namen trägt: ,,Wenn ihr den Menschensohn erhöht
habt, dann werdet ihr erkennen, daß Ich bin" (Joh 8,28).
Gott allein ist
212 Im Lauf der Jahrhunderte konnte der Glaube Israels die Reichtümer,
die in der Offenbarung des Namens Gottes enthalten sind, ausfalten und
sich in sie vertiefen. Gott ist einzig; außer ihm gibt es keinen Gott
[Vgl. Jes 44,6.]. Er ist über Welt und Geschichte erhaben. Er hat Himmel
und Erde geschaffen: ,,Sie werden vergehen, du aber bleibst; sie alle
zerfallen wie ein Gewand ... Du aber bleibst, der du bist, und deine Jahre
enden nie" (Ps 102, 27-28). Bei ihm gibt es ,,keine Veränderung und
keine Verfinsterung" (Jak 1,17). Er ist der ,,Er-ist" von jeher
und für immer und so bleibt er sich selbst und seinen Verheißungen stets
treu.
213 Die Offenbarung des unaussprechlichen Namens ,,Ich bin der Ich-bin"
enthält somit die Wahrheit, daß allein Gott ist. In diesem Sinn haben
schon die Übersetzung der Septuaginta und die Überlieferung der Kirche
den Namen Gottes verstanden: Gott ist die Fülle des Seins und jeglicher
Vollkommenheit, ohne Ursprung und ohne Ende. Während alle Geschöpfe alles,
was sie sind und haben, von ihm empfingen, ist er allein sein Sein, und
er ist alles, was er ist, von sich aus.
III Gott, ,,Er, der ist", ist Wahrheit und Liebe
214 Gott, ,,Er, der ist", hat sich Israel geoffenbart als ,,reich
an Huld und Treue" (Ex 34,6). Diese beiden Begriffe drücken das Wesentliche
des Reichtums des göttlichen Namens aus. In all seinen Werken zeigt Gott
sein Wohlwollen, seine Güte, seine Gnade, seine Liebe, aber auch seine
Verläßlichkeit, seine Beharrlichkeit, seine Treue und seine Wahrheit.
,,Ich will ... deinem Namen danken für deine Huld und Treue" (Ps
138,2) [Vgl. Ps 85,11.]. Er ist die Wahrheit, denn ,,Gott ist Licht, und
keine Finsternis ist in ihm" (1 Joh 1,5); er ist ,,die Liebe",
wie der Apostel Johannes lehrt (1 Joh 4,8).
Gott ist Wahrheit
215 ,,Das Wesen deines Wortes ist Wahrheit, deine gerechten Urteile haben
alle auf ewig Bestand" (Ps 119,160). ,,Ja, mein Herr und Gott, du
bist der einzige Gott, und deine Worte sind wahr" (2 Sam 7,28); deswegen
gehen Gottes Verheißungen immer in Erfüllung [Vgl. Dtn 7,9.]. Gott ist
die Wahrheit selbst; seine Worte können nicht täuschen. Darum kann man
voll Vertrauen sich in allem seiner Wahrheit und der Verläßlichkeit seines
Wortes überantworten. Am Anfang der Sünde und des Falls des Menschen stand
eine Lüge des Versuchers, die zum Zweifel an Gottes Wort, seinem Wohlwollen
und seiner Treue führte.
216 Die Wahrheit Gottes ist auch seine Weisheit, die die ganze Ordnung
der
Schöpfung und den Lauf der Welt bestimmt [Vgl. Weish 13,1-9]. Gott, der
Einzige, der Himmel und Erde erschaffen hat [Vgl. Ps 115,15.], ist auch
der Einzige, der die wahre Erkenntnis alles Geschaffenen in seinem Bezug
zu ihm schenken kann [Vgl. Weish 7, 17-21.].
217 Gott ist auch wahr, wenn er sich offenbart: Die Lehre, die von Gott
kommt, ist ,,zuverlässige Belehrung" (Mal 2,6). Er sendet seinen
Sohn in die Welt, damit dieser ,,für die Wahrheit Zeugnis ablege"
(Joh 18,37). ,,Wir wissen aber: Der Sohn Gottes ist gekommen, und er hat
uns Einsicht geschenkt, damit wir [Gott] den Wahren erkennen" (1
Joh 5,20) [Vgl. Joh 17,3.].
Gott ist Liebe
218 Im Laufe seiner Geschichte konnte Israel erkennen, daß Gott nur einen
einzigen Grund hatte, sich ihm zu offenbaren und es unter allen Völkern
zu erwählen, damit es ihm gehöre: seine gnädige Liebe [Vgl. Dtn 4,37;
7,8; 10,15.]. Dank seiner Propheten hat Israel begriffen, daß Gott es
aus Liebe immer wieder rettet [Vgl. Jes 43,1-7.] und ihm seine Untreue
und seine Sünden verzeiht [Vgl. Hos 2.].
219 Die Liebe Gottes zu Israel wird mit der Liebe eines Vaters zu seinem
Sohn verglichen [Vgl. Hos 11,1.]. Diese Liebe ist größer als die Liebe
einer Mutter zu ihren Kindern [Vgl. Jes 49,14-15.]. Gott liebt sein Volk
mehr als ein Bräutigam seine Braut [Vgl. Jes 62,4-5.]. Diese Liebe wird
sogar über die schlimmsten Treulosigkeiten siegen [Vgl. Ez 16; Hos 11.]sie
wird so weit gehen, daß sie selbst das Liebste hergibt: ,,Gott hat die
Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab" (Joh 3,16).
220 Die Liebe Gottes ist ,,ewig" (Jes 54,8): ,,Auch wenn die Berge
von ihrem Platz weichen und die Hügel zu wanken beginnen - meine Huld
wird nie von dir weichen" (Jes 54,10). ,,Mit ewiger Liebe habe ich
dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt" (Jer
31,3).
221 Der hl. Johannes geht noch weiter und sagt: ,,Gott ist die Liebe"
(1 Joh 4,8.16): Liebe ist das Wesen Gottes. Indem er in der Fülle der
Zeit seinen einzigen Sohn und den Geist der Liebe sendet, offenbart Gott
sein innerstes Geheimnis [Vgl.1 Kor 2,7-16; Eph 3,9-12.]: Er selbst ist
ewiger Liebesaustausch - Vater, Sohn und Heiliger Geist - und hat uns
dazu bestimmt, daran teilzuhaben.
IV Die Bedeutung des Glaubens an den einzigen Gott
222 An Gott, den Einzigen, zu glauben und ihn mit unserem ganzen Wesen
zu lieben, hat für unser ganzes Leben unabsehbare Folgen:
223 Wir wissen um Gottes Größe und Majestät: ,,Sieh, Gott ist groß, nicht
zu begreifen" (Ijob 36,26). Darum gilt: ,,Gott kommt an erster Stelle"
(Jeanne d‘Arc).
224 Wir leben in Danksagung: Wenn Gott der Einzige ist, kommt alles,
was wir sind und haben, von ihm: ,,Was hast du, das du nicht empfangen
hättest?" (1 Kor 4,7). ,,Wie kann ich dem Herrn all das vergelten,
was er mir Gutes getan hat?" (Ps 116,12).
225 Wir wissen um die Einheit und die wahre Würde aller Menschen: Sie
alle sind nach dem Abbild Gottes ihm ähnlich erschaffen [Vgl. Gen 1,26].
226 Wir gebrauchen die geschaffenen Dinge richtig: Der Glaube an den
einzigen Gott läßt uns alles, was nicht Gott ist, soweit gebrauchen, als
es uns ihm näher bringt, und uns soweit davon lösen, als es uns von ihm
entfernt [Vgl. Mt 5,29-30; 16,24; 19,23-24.].
,,Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu
dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir.
Mein Herr und mein Gott, o nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen
dir" (Niklaus von Flüe, Gebet)
227 Wir vertrauen auf Gott in jeder Lage, selbst in Widerwärtigkeiten.
Ein Gebet der hl. Theresia von Jesus bringt dies eindrucksvoll zum Ausdruck:
Nichts dich verwirre; / nichts dich erschrecke. Alles geht vorbei.
/ Gott ändert sich nicht. Geduld erlangt alles. / Wer Gott hat, dem
fehlt nichts. / Gott allein genügt. (poes. 30)
KURZTEXTE
228 „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr" (Dtn
6,4 nach Mk 12,29). „Was als höchste Größe gelten soll, muß einzig dastehen
und daef seinesgleichen nicht haben ... Wenn Gott nicht einzig ist, so
ist er nicht Gott" (Tertullian, Marc. 1,3).
229 Der Glaube an Gott bewegt uns, ihm allein uns zuzuwenden als unserem
ersten Ursprung und unserem letzten Ziel und nichts ihm vorzuziehen oder
an seine Stelle zu setzen.
230 Obwohl Gott sich offenbart, bleibt er doch ein unaussprechliches
Geheimnis:„Verstündest du ihn, es wäre nicht Gott" (Augustinus, serm.
52, 6, 16).
231 Der Gott unseres Glaubens hat sich als der, der ist, geoffenbart;
er hat sich als „reich an Huld und Treue" zu erkennen gegeben (Ex
34,6). Wahrheit und Liebe sind sein Wesen.
Absatz 2. Der Vater
I ,,Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes"
232 Die Christen werden im ,,Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes" (Mt 28,19) getauft. Vorher antworten sie auf die
dreifache Frage, ob sie an den Vater, an den Sohn und an den Heiligen
Geist glauben, mit: ,,Ich glaube". ,,Der Inbegriff des Glaubens aller
Christen ist die Dreifaltigkeit" (Cæsarius v. Arles, symb.).
233 Die Christen werden ,,im Namen" (Einzahl) und nicht ,,auf die
Namen" (Mehrzahl) des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes
getauft[Vgl. das Glaubensbekenntnis des Papstes Vigilius im Jahre 552:
DS 415.], denn es gibt nur einen einzigen Gott, den allmächtigen Vater
und seinen eingeborenen Sohn und den Heiligen Geist: die heiligste Dreifaltigkeit.
234 Das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit ist das zentrale Geheimnis
des christlichen Glaubens und Lebens. Es ist das Mysterium des inneren
Lebens Gottes, der Urgrund aller anderen Glaubensmysterien und das Licht,
das diese erhellt. Es ist in der ,,Hierarchie der Glaubenswahrheiten"
(DCG 43) die grundlegendste und wesentlichste. ,,Die ganze Heilsgeschichte
ist nichts anderes als die Geschichte des Weges und der Mittel, durch
die der wahre, einzige Gott - Vater, Sohn und Heiliger Geist - sich offenbart,
sich mit den Menschen, die sich von der Sünde abwenden, versöhnt und sie
mit sich vereint" (DCG 47).
235 In diesem Absatz wird kurz dargelegt, wie das Mysterium der heiligsten
Dreifaltigkeit geoffenbart wurde (II), wie die Kirche die Glaubenslehre
über dieses Mysterium formulierte (III) und wie der Vater durch die göttlichen
Sendungen des Sohnes und des Heiligen Geistes seinen ,,gnädigen Ratschluß"
der Erschaffung, Erlösung und Heiligung verwirklicht (IV).
236 Die Kirchenväter unterscheiden zwischen der ,,Theologia" und
der ,,Oikonomia". Mit dem ersten Begriff bezeichnen sie das Mysterium
des inneren Lebens des dreifaltigen Gottes, mit dem zweiten alle Werke,
durch die dieser sich offenbart und sein Leben mitteilt. Durch die ,,Oikonomia"
wird uns die ,,Theologia" enthüllt; umgekehrt aber erhellt die ,,Theologia"
die ganze ,,Oikonomia". Die Werke Gottes offenbaren uns sein inneres
Wesen, und umgekehrt läßt uns das Mysterium seines inneren Wesens alle
seine Werke besser verstehen. Ähnlich verhält es sich in der Beziehung
zwischen menschlichen Personen: Die Person äußert sich in ihrem Tun, und
je besser wir eine Person kennen, desto besser verstehen wir ihr Handeln.
237 Die Trinität ist ein Glaubensmysterium im strengen Sinn, eines der
,,in Gott verborgenen Geheimnisse ... die, wenn sie nicht von Gott geoffenbart
wären, nicht bekannt werden könnten" (1. Vatikanisches K.: DS 3015).
Zwar hat Gott in seinem Schöpfungswerk und in seiner Offenbarung im Laufe
des Alten Bundes Spuren seines trinitarischen Wesens hinterlassen. Aber
sein innerstes Wesen als heilige Dreifaltigkeit stellt ein Geheimnis dar,
das der Vernunft nicht zugänglich ist und vor der Menschwerdung des Sohnes
Gottes und der Sendung des Heiligen Geistes auch dem Glauben Israels unzugänglich
war.
II Die Offenbarung Gottes als Dreifaltigkeit
Der Vater wird geoffenbart durch den Sohn
238 In vielen Religionen wird Gott als ,,Vater" angerufen. Die Gottheit
wird oft als ,,Vater der Götter und der Menschen" betrachtet. In
Israel wird Gott ,,Vater" genannt als Erschaffer der Welt [Vgl. Dtn
32,6; Mal 2,10.]. Gott ist erst recht Vater aufgrund des Bundes und der
Gabe des Gesetzes an Israel, seinen ,,Erstgeborenen" (Ex 4,22). Er
wird auch Vater des Königs von Israel genannt [Vgl. 2 Sam 7,14.]. Ganz
besonders ist er ,,der Vater der Armen", der Waisen und Witwen [Vgl.
Ps 68,6.], die unter seinem liebenden Schutz stehen.
239 Wenn die Sprache des Glaubens Gott ,,Vater" nennt, so weist
sie vor allem auf zwei Aspekte hin: daß Gott Ursprung von allem und erhabene
Autorität und zugleich Güte und liebende Besorgtheit um alle seine Kinder
ist. Diese elterliche Güte Gottesläßt sich auch durch das Bild der Mutterschaft
zum Ausdruck bringen [Vgl. Jes 66,13; Ps 131,2.], das mehr die Immanenz
Gottes, die Vertrautheit zwischen Gott und seinem Geschöpf andeutet. Die
Sprache des Glaubens schöpft so aus der Erfahrung des Menschen mit seinen
Eltern, die für ihn gewissermaßen die ersten Repräsentanten Gottes sind.
Wie die Erfahrung aber zeigt, können menschliche Eltern auch Fehler begehen
und so das Bild der Vaterschaft und der Mutterschaft entstellen. Deswegen
ist daran zu erinnern, daß Gott über den Unterschied der Geschlechter
beim Menschen hinausgeht. Er ist weder Mann noch Frau; er ist Gott. Er
geht auch über die menschliche Vaterschaft und Mutterschaft hinaus [Vgl.
Ps 27,10.], obwohl er deren Ursprung und Maß ist [Vgl. Eph 3,14; Jes 49,15.]:
Niemand ist Vater so wie Gott.
240 Jesus hat geoffenbart, daß Gott in einem ungeahnten Sinn ,,Vater"
ist:
nicht nur als Schöpfer, sondern von Ewigkeit her Vater seines eingeborenen
Sohnes, der nur in bezug auf seinen Vater Sohn ist: ,,Niemand kennt den
Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der,
dem es der Sohn offenbaren will" (Mt 11,27).
241 Deshalb bekannten die Apostel Jesus als das Wort, das bei Gott war
und Gott ist [Vgl. Joh 1,1.], als ,,das Ebenbild des unsichtbaren Gottes"
(Kol 1,15), als ,,der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines
Wesens" (Hebr 1,3).
242 Ihr Bekenntnis wird von der apostolischen Überlieferung bewahrt,
in deren Gefolge die Kirche im Jahr 325 auf dem ersten Ökumenischen Konzil
in Nizäa bekannt hat, daß der Sohn ,,eines Wesens [homoúsios, consubstantialis]
mit dem Vater", das heißt mit ihm ein einziger Gott ist. Das zweite
Ökumenische Konzil, das sich 381 in Konstantinopel versammelt hatte, behielt
in seiner Formulierung des Credo von Nizäa diesen Ausdruck bei und bekannte
,,Gottes eingeborenen Sohn" als ,,aus dem Vater geboren vor aller
Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt,
nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater" (DS 150).
Der Vater und der Sohn werden durch den Geist geoffenbart
243 Vor seinem Pascha kündigt Jesus die Sendung eines ,,anderen Parakleten"
[Beistandes] an: des Heiligen Geistes. Dieser war schon bei der Schöpfung
tätig [Vgl. Gen 1,2.]und hatte ,,gesprochen durch die Propheten"
(Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel). Er wird fortan bei den
Jüngern und in ihnen sein [Vgl. Joh 14,17.], sie lehren [Vgl. Joh 14,26.]und
,,in die ganze Wahrheit führen" (Joh 16,13). Der Heilige Geist wird
also mit Jesus und dem Vater als eine weitere göttliche Person geoffenbart.
244 Der ewige Ursprung des Geistes offenbart sich in seiner zeitlichen
Sendung. Der Heilige Geist wird den Aposteln und der Kirche vom Vater
im Namen des Sohnes sowie vom Sohn selbst gesandt, nachdem dieser zum
Vater zurückgekehrt ist [Vgl. Joh 14,26; 15,26; 16,14.]. Die Sendung der
Person des Geistes nach der Verherrlichung Jesu [Vgl. Joh 7,39.]offenbart
das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit in seiner Fülle.
245 Der apostolische Glaube an den Geist wurde 381 vom zweiten Ökumenischen
Konzil in Konstantinopel bekannt: ,,Wir glauben ... an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht" (DS
150). Die Kirche anerkennt dadurch den Vater als den ,,Quell und Ursprung
der ganzen Gottheit" (6. Syn. v. Toledo 638: DS 490). Der ewige Ursprung
des Heiligen Geistes ist jedoch nicht ohne Zusammenhang mit dem ewigen
Ursprung des Sohnes: ,,Der Heilige Geist, der die dritte Person in der
Dreifaltigkeit ist, ist ein und derselbe Gott mit Gott, dem Vater und
dem Sohn ... von einer Substanz, auch einer Natur ... Gleichwohl wird
er nicht nur der Geist des Vaters und nicht nur der Geist des Sohnes,
sondern zugleich der Geist des Vaters und des Sohnes genannt" (11.
Syn. v. Toledo 675: DS 527). Das Credo der Kirche bekennt: Er wird ,,mit
dem Vater und dem Sohn [zugleich] angebetet und verherrlicht" (DS
150).
246 Die lateinische Tradition des Credo bekennt, daß der Geist ,,aus
dem Vater und dem Sohn [filioque] hervorgeht". Das Konzil von Florenz
erklärt 1438, ,,daß der Heilige Geist ... sein Wesen und sein in sich
ständiges Sein zugleich aus dem Vater und dem Sohne hat und aus beiden
von Ewigkeit her als aus einem Prinzip und durch eine einzige Hauchung
hervorgeht ... Und weil der Vater selbst alles, was des Vaters ist, seinem
einziggeborenen Sohn in der Zeugung gab, außer dem Vatersein, hat der
Sohn selbst eben dieses, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht,
von Ewigkeit her vom Vater, von dem er auch von Ewigkeit her gezeugt ist"
(DS 1300-1301).
247 Das filioque kam im Glaubensbekenntnis von Konstantinopel (381) nicht
vor. Aufgrund einer alten lateinischen und alexandrinischen Tradition
jedoch hatte der hl. Papst Leo 1. es schon 447 dogmatisch bekannt [Vgl.
DS 284.], noch bevor Rom das Symbolum von 381 kannte und 451 auf dem Konzil
von Chalkedon übernahm. Die Verwendung dieser Formel im Credo wurde in
der lateinischen Liturgie zwischen dem 8. und dem 11. Jahrhundert nach
und nach zugelassen. Die von der lateinischen Liturgie vorgenommene Einfügung
des ,,filioque" in das Credo von Nizäa-Konstantinopel stellt jedoch
noch heute einen für die orthodoxen Kirchen strittigen Punkt dar.
248 Die östliche Tradition bringt vor allem zum Ausdruck, daß der Vater
der erste Ursprung des Geistes ist. Indem sie den Geist als den, ,,der
vom Vater ausgeht" (Joh 15,26) bekennt, sagt sie, daß er durch den
Sohn aus dem Vater hervorgeht [Vgl. AG 2.]. Die westliche Tradition bringt
vor allem die wesensgleiche Gemeinschaft zwischen dem Vater und dem Sohn
zum Ausdruck, indem sie sagt, daß der Geist aus dem Vater und dem Sohn
[filioque] hervorgeht. Sie sagt das ,,erlaubtermaßen und vernünftigerweise"
(K. v. Florenz 1439: DS 1302), denn gemäß der ewigen Ordnung der göttlichen
Personen in ihrer wesensgleichen Gemeinschaft ist der Vater der erste
Ursprung des Geistes als ,,Ursprung ohne Ursprung" (DS 1331), aber
auch als Vater des eingeborenen Sohnes zusammen mit diesem das ,,eine
Prinzip", aus dem der Heilige Geist hervorgeht (2. K. v. Lyon 1274:
DS 850). Werden diese berechtigten, einander ergänzenden Sehweisen nicht
einseitig überbetont, so wird die Identität des Glaubens an die Wirklichkeit
des einen im Glauben bekannten Mysteriums nicht beeinträchtigt.
III Die heiligste Dreifaltigkeit in der Glaubenslehre
Die Bildung des Trinitätsdogmas
249 Die Offenbarungswahrheit der heiligen Dreifaltigkeit ist, vor allem
aufgrund der Taufe, von Anfang an der Urgrund des lebendigen Glaubens
der Kirche. Sie findet ihren Ausdruck in der Glaubensregel des Taufbekenntnisses,
die in der Predigt, der Katechese und im Gebet der Kirche formuliert wird.
Solche Formulierungen finden sich schon in den Schriften der Apostel,
so der in die Eucharistiefeier übernommene Gruß: ,,Die Gnade Jesu Christi
des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch" (2 Kor 13,13) [Vgl. 1 Kor 12, 4 - 6; Eph 4,4-6.].
250 Im Laufe der ersten Jahrhunderte suchte die Kirche ihren trinitarischen
Glauben ausführlicher zu formulieren, um ihr Glaubensverständnis zu vertiefen
und gegen entstellende Irrtümer zu verteidigen. Das war das Werk der ersten
Konzilien, die durch die theologische Arbeit der Kirchenväter untermauert
und durch den Glaubenssinn des christlichen Volkes gestützt wurden.
251 Um das Trinitätsdogma zu formulieren, mußte die Kirche mit Hilfe
von Begriffen aus der Philosophie - ,,Substanz", ,,Person" oder
,,Hypostase", ,,Beziehung" - eine geeignete Terminologie entwickeln.
Dadurch unterwarf sie den Glauben nicht menschlicher Weisheit, sondern
gab diesen Begriffen einen neuen, noch nicht dagewesenen Sinn, damit sie
imstande wären, das unaussprechliche Mysterium auszudrücken, das ,,unendlich
all das überragt, was wir auf menschliche Weise begreifen" (SPF 2).
252 Die Kirche verwendet den Begriff ,,Substanz" (zuweilen auch
mit ,,Wesen" oder ,,Natur" wiedergegeben), um das göttliche
Wesen in seiner Einheit zu bezeichnen; den Begriff ,,Person" oder
,,Hypostase", um den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist in ihrer
realen Verschiedenheit voneinander zu bezeichnen; den Begriff ,,Beziehung",
um zu sagen, daß ihre Verschiedenheit in ihren gegenseitigen Beziehungen
liegt.
Das Dogma der heiligsten Dreifaltigkeit
253 Die Trinität ist eine. Wir bekennen nicht drei Götter, sondern einen
einzigen Gott in drei Personen: die ,,wesensgleiche Dreifaltigkeit"
(2. K. v. Konstantinopel 553: DS 421). Die göttlichen Personen teilen
die einzige Gottheit nicht untereinander, sondern jede von ihnen ist voll
und ganz Gott: ,,Der Vater ist dasselbe wie der Sohn, der Sohn dasselbe
wie der Vater, der Vater und der Sohn dasselbe wie der Heilige Geist,
nämlich von Natur ein Gott" (11. Syn. v. Toledo 675: DS 530). ,,Jede
der drei Personen ist jene Wirklichkeit, das heißt göttliche Substanz,
Wesenheit oder Natur" (4. K. im Lateran 1215: DS 804).
254 Die drei göttlichen Personen sind real voneinander verschieden. Der
eine Gott ist nicht ,,gleichsam für sich allein" (Fides Damasi: DS
71). ,,Vater", ,,Sohn", ,,Heiliger Geist" sind nicht einfach
Namen, welche Seinsweisen des göttlichen Wesens bezeichnen, denn sie sind
real voneinander verschieden:
,,Der Vater ist nicht derselbe wie der Sohn, noch ist der Sohn derselbe
wie der Vater, noch ist der Heilige Geist derselbe wie der Vater oder
der Sohn" (11. Syn. v. Toledo 675: DS 530). Sie sind voneinander
verschieden durch ihre Ursprungsbeziehungen: Es ist ,,der Vater, der zeugt,
und der Sohn, der gezeugt wird, und der Heilige Geist, der hervorgeht"
(4. K. im Lateran 1215:DS 804). Die göttliche Einheit ist dreieinig.
255 Die drei göttlichen Personen beziehen sich aufeinander. Weil die
reale Verschiedenheit der Personen die göttliche Einheit nicht zerteilt,
liegt sie einzig in den gegenseitigen Beziehungen: ,,Mit den Namen der
Personen, die eine Beziehung ausdrücken, wird der Vater auf den Sohn,
der Sohn auf den Vater und der Heilige Geist auf beide bezogen: Obwohl
sie im Hinblick auf ihre Beziehung drei Personen genannt werden, sind
sie, so unser Glaube, doch eine Natur oder Substanz" (11. Syn. v.
Toledo 675: DS 528). In ihnen ist ,,alles ... eins, wo sich keine Gegensätzlichkeit
der Beziehung entgegenstellt" (K. v. Florenz 1442: DS 1330). ,,Wegen
dieser Einheit ist der Vater ganz im Sohn, ganz im Heiligen Geist; der
Sohn ist ganz im Vater, ganz im Heiligen Geist; der Heilige Geist ist
ganz im Vater, ganz im Sohn" (ebd.: DS 1331).
256 Den Katechumenen von Konstantinopel vertraut der hl. Gregor von Nazianz,
den man auch den ,,Theologen" nennt, folgende Zusammenfassung des
Trinitätsglaubens an:
,,Bewahrt mir vor allem dieses gute Vermächtnis, für das ich lebe und
kämpfe, mit dem ich sterben will und das mich alle Übel ertragen und alle
Vergnügungen geringschätzen läßt: nämlich das Bekenntnis des Glaubens
an den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Ich vertraue es euch
heute an. In ihm werde ich euch in dieser Stunde ins Wasser tauchen und
daraus herausheben. Ich gebe es euch zum Begleiter und Beschützer eures
ganzen Lebens. Ich gebe euch eine einzige Gottheit und Macht, die als
Eine in den Dreien existiert und die Drei auf je verschiedene Weise enthält.
Eine Gottheit ohne Ungleichheit der Substanz oder Natur nach, ohne erhöhenden
höheren Grad oder erniedrigenden niederen Grad ... Es ist die unendliche
Naturgleichheit dreier Unendlicher. Gott als ganzer, jeder in sich selbst
betrachtet ... Gott als die Drei, zusammen betrachtet ... Kaum habe ich
begonnen, an die Einheit zu denken, und schon taucht die Dreifaltigkeit
mich in ihren Glanz. Kaum habe ich begonnen, an die Dreifaltigkeit zu
denken, und schon überwältigt mich wieder die Einheit" (or. 40,41).
IV Die Werke Gottes und die trinitarischen Sendungen
257 ,,O seliges Licht, Dreifaltigkeit und Ureinheit!" (LH, Hymnus
,,O lux beata, Trinitas"). Gott ist ewige Glückseligkeit, unsterbliches
Leben, nie schwindendes Licht. Gott ist Liebe: Vater, Sohn und Heiliger
Geist. Aus freiem Willen will Gott die Herrlichkeit seines glückseligen
Lebens mitteilen. Darin besteht der ,,gnädige Ratschluß" [Vgl. Eph
1,9.], den er in seinem geliebten Sohn schon vor der Erschaffung der Welt
gefaßt hat. Er hat uns ja ,,im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden
durch Jesus Christus" (Eph 1,5), das heißt ,,an Wesen und Gestalt
seines Sohnes teilzuhaben" (Röm 8,29) dank dem ,,Geist -.., der ...
zu Söhnen macht" (Röm 8,15). Dieser Plan ist eine ,,Gnade, die uns
schon vor ewigen Zeiten ... geschenkt wurde" (2 Tim 1,9) und unmittelbar
aus der trinitarischen Liebe hervorging. Er entfaltet sich im Schöpfungswerk,
in der ganzen Heilsgeschichte nach dem Sündenfall, in den Sendungen des
Sohnes und des Geistes, die in der Sendung der Kirche weitergeführt werden.
[Vgl. AG 2-9.]
258 Die gesamte göttliche Ökonomie ist das gemeinsame Werk der drei göttlichen
Personen. So wie die Dreifaltigkeit ein und dieselbe Natur hat, so hat
sie auch nur ein und dasselbe Wirken [Vgl. 2. K. v. Konstantinopel 553:
DS 421.]. ,,Der Vater und der Sohn und der Heilige Geist sind nicht drei
Ursprünge der Schöpfung, sondern ein Ursprung" (K. v. Florenz 1442:
DS 1331). Und doch wirkt jede göttliche Person das gemeinsame Werk gemäß
ihrer persönlichen Besonderheit. Im Anschluß an das Neue Testament [Vgl.
1 Kor 8,6.]bekennt die Kirche: Es ist ,,ein Gott und Vater, aus dem alles,
ein Herr Jesus Christus, durch den alles, und ein Heiliger Geist, in dem
alles" ist (2. K. v. Konstantinopel 553: DS 421). Vor allem die göttlichen
Sendungen der Menschwerdung und der Spendung des Heiligen Geistes lassen
die Eigenarten der göttlichen Personen zutage treten.
259 Als zugleich gemeinsames und persönliches Werk läßt die göttliche
Ökonomie sowohl die Eigenart der göttlichen Personen als auch ihre einzige
Natur erkennen. Darum steht das ganze christliche Leben in Gemeinschaft
mit jeder der göttlichen Personen, ohne sie irgendwie zu trennen. Wer
den Vater preist, tut es durch den Sohn im Heiligen Geist; wer Christus
nachfolgt, tut es, weil der Vater ihn zieht [Vgl. Joh 6,44.]und der Geist
ihn bewegt [Vgl. Röm 8,14.].
260 Das letzte Ziel der ganzen göttlichen Ökonomie ist die Aufnahme der
Geschöpfe in die vollständige Vereinigung mit der glückseligen Trinität
[Vgl. Joh 17, 21-23.]. Aber schon jetzt sind wir dazu berufen, eine Wohnstätte
der heiligsten Dreifaltigkeit zu sein. Der Herr sagt: ,,Wenn jemand mich
liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben,
und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen" (Joh 14,23).
,,O mein Gott, Dreifaltiger, den ich anbete, hilf mir, mich ganz zu vergessen,
um in dir, begründet zu sein, unbewegt und friedvoll, als weilte meine
Seele schon in der Ewigkeit. Nichts vermöge meinen Frieden zu stören,
mich herauszulocken aus dir, o mein Wandelloser; jeder Augenblick trage
mich tiefer hinein in deines Geheimnisses Grund! Stille meine Seele, bilde
deinen Himmel aus ihr, deine geliebte Bleibe und den Ort deiner Ruhe.
Nie will ich dort dich alleinlassen, sondern als ganze anwesend sein,
ganz wach im Glauben, ganz Anbetung, ganz Hingabe an dein erschaffendes
Wirken . . .,, (Elisabeth von der Dreifaltigkeit, Gebet).
KURZTEXTE
261 Das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit ist das zentrale Geheimnis
des christlichen Glaubens und Lebens. Einzig Gott kann uns von ihm Kenntnis
geben, indem er sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart.
262 Die Menschwerdung des Sohnes Gottes Offenbart, daß Gott der ewige
Vater und daß der Sohn eines Wesen mit dem Vater ist, das heißt, daß er
in ihm und mit ihm der einzige Gott ist.
263 Die Sendung des Heiligen Geistes, der vom Vater im Namen des Sohnes
[Vgl. Joh 14,26.] und vom Sohn „vom Vater aus" (Joh 15,26) gestand
wird, offenbart, daß er zusammen mit ihnen der gleiche einzige Gott ist.
Er wird „mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht".
264 „Der Heilige Geist geht vom Vater als dem ersten Ursprung aus und
da dieser es ohne zeitlichen Abstand [auch] dem Sohn schenkt, vom Vater
und vom Sohn gemeinsam" (Augustinus, Trin. 15, 26, 47).
265 Durch die Gnade der Taufe „im Namen des Vater und des Sohnes und
des Heiligen Geistes" sind wir dazu berufen, am Leben der glückseligen
Dreifaltigkeit teilzuhaben, hier auf Erden im Dunkel des Glaubens und
jenseits des Todes im ewigen Licht [Vgl. SPF 9.].
266 „Der katholische Glaube ... besteht darin, daß wir den einen Gott
in der Dreifaltigkeit in der Einheit verehren, indem wir weder die Personen
vermischen noch die Substanz trennen: Eine andere nämlich ist die Person
des Vaters, eine andere die [Person] des Sohnes, eine andere die [Person]
des Heiligen Geistes; aber Vater, Sohn und Heiliger Geist besitzen eine
Gottheit, gleiche Herrlichkeit, gleich ewige Erhabenheit" (Symbolum
„Quicumque": DS 75).
267 Unzertrennlich in dem, was sie sind, sind die göttlichen Personen
auch unzertrennlich in dem, was sie tun. Doch im gemeinsamen göttlichen
Handeln äußert jede Person der Trinität ihre Eingenart, vor allem in den
göttlichen Sendungen der Menschwerdung des Sohnes und der Gabe des Heiligen
Geistes.
Absatz 3. Der Allmächtige
268 Von den Attributen Gottes wird im Symbolum einzig die Allmacht angeführt;
sie zu bekennen, ist für unser Leben von großer Bedeutung. Wir glauben,
daß sie sich auf alles erstreckt, denn Gott, der alles erschaffen hat
[Vgl. Gen 1,1; Job 1,3.], lenkt alles und vermag alles. Wir glauben auch,
daß sie hebend ist, denn Gott ist unser Vater [Vgl. Mt 6,9.]ferner, daß
sie geheimnisvoll ist, denn einzig der Glaube vermag sie auch dann wahrzunehmen,
wenn sie ,,ihre Kraft in der Schwachheit" erweist (2 Kor 12,9) [Vgl.
1 Kor 1,18.].
,,Alles, was ihm gefällt, das vollbringt er"
269 Die Heiligen Schriften bekennen wiederholt, daß sich die Macht Gottes
auf alles erstreckt. Sie nennen ihn den ,,Starken Jakobs" [Vgl. Jes
1,24.], den ,,Herrn der Heerscharen" (Ps 24, 10), ,,stark und gewaltig"
(Ps 24,8). Gott ist ,,im Himmel" und ,,auf der Erde" allmächtig
(Ps 135,6), denn er hat sie erschaffen. Für ihn ist darum ,,nichts unmöglich"
[Vgl. Jer 32,17; Lk 1,37.], und er waltet über sein Werk nach seinem Ermessen
[Vgl. Jer 27,5.]. Er ist der Herr des Alls, dessen Ordnung er festgesetzt
hat und das ihm gänzlich untersteht und gehorcht; er ist der Herr der
Geschichte; er lenkt die Herzen und die Geschehnisse nach seinem Willen
[Vgl. Est 4,17 b; Spr 21,1; Tob 13,2.]: ,,Du bist immer imstande, deine
große Macht zu entfalten. Wer könnte der Kraft deines Arms widerstehen?"
(Weish 11,21).
,,Du hast mit allen Erbarmen, weil du alles vermagst"
270 Gott ist der allmächtige Vater. Seine Vaterschaft und seine Macht
erhellen sich gegenseitig. Er zeigt ja seine väterliche Allmacht dadurch,
daß er für uns sorgt [Vgl. Mt 6,32.], daß er uns als seine Kinder annimmt
(ich will ,,euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein,
spricht der Herr, der Herrscher über die ganze Schöpfung": 2 Kor
6,18); er zeigt seine Allmacht auch durch sein unendliches Erbarmen, denn
er erweist sie vor allem dadurch, daß er uns aus freien Stücken die Sünden
vergibt.
271 Die göttliche Allmacht ist keineswegs Willkür: ,,In Gott ist Macht
und Wesenheit und Wille und Verstand und Weisheit und Gerechtigkeit dasselbe.
Daher kann nichts in Gottes Macht stehen, was nicht auch in seinem gerechten
Willen und in seinem weisen Verstande sein kann" (Thomas v. A., s.
th. 1,25,5, ad 1).
Das Mysterium der scheinbaren Ohnmacht Gottes
272 Durch die Erfahrung des Bösen und des Leides kann der Glaube an den
allmächtigen Vater auf eine harte Probe gestellt werden. Zuweilen erscheint
Gott abwesend und nicht imstande, Schlimmes zu verhüten. Nun aber hat
Gott der Vater seine Allmacht auf geheimnisvollste Weise in der freiwilligen
Erniedrigung und in der Auferstehung seines Sohnes gezeigt, durch die
er das Böse besiegt hat. Somit ist der gekreuzigte Christus ,,Gottes Kraft
und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen,
und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen" (1 Kor 1,24-25).
In der Auferweckung und Erhöhung Christi hat der Vater ,,das Wirken seiner
Kraft und Stärke" entfaltet und zeigt, ,,wie überragend groß seine
Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist" (Eph 1,19).
273 Einzig der Glaube kann den geheimnisvollen Wegen der Allmacht Gottes
zustimmen. Dieser Glaube rühmt sich der Schwachheiten und zieht so die
Kraft Christi auf sich [Vgl. 2 Kor 12,9; Phil 4,13.]. Das leuchtendste
Beispiel dieses Glaubens ist die Jungfrau Maria. Sie glaubte, daß ,,für
Gott ... nichts unmöglich" ist (Lk 1,37), und konnte den Herrn lobpreisen:
,,Der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig"
(Lk 1,49).
274 ,,Nichts vermag daher unseren Glauben und unsere Hoffnung so zu bestärken
als wenn wir es in unseren Herzen verankert tragen, daß Gott alles vermag.
Was darüber hinaus zu glauben ist - so groß, so wunderbar, so sehr es
auch alle Ordnung und alles Maß der Dinge übertrifft - dem wird die menschliche
Vernunft leicht und ohne jedes Zögern zustimmen, wenn sie die Kunde vom
allmächtigen Gott erfaßt hat" (Catech. R. 1,2,13).
KURZTEXTE
275 Mit Ijob, dem Gerechten, bekennen wir: „Ich hab' erkannt, daß du
alles vermagst; kein Vorhaben ist dir verwehrt" (Ijob 42,2).
276 Treu dem Zeugnis der Schrift richtet die Kirche ihr Gebet oft an
den „allmächtigen, ewigen Gott" [omnipotens sempiterne Deus...],
denn sie glaubt fest, daß für Gott nichts unmöglich ist [Vgl. Gen 18,
14; Lk 1,37; Mt 19,26.].
277 Gott zeigt seine Allmacht darin, daß er uns von unseren Sünden bekehrt
und durch die Gnade wieder zu seinen Freunden macht („Gott, du offenbarst
deine Macht vor allem im Erbarmen und im Verschonen": MR, Tagesgebet,
26. Sonntag).
278 Wie sollen wir glauben, daß der Vater uns erschaffen, der Sohn uns
erlösen, der Heilige Geist uns heiligen kann, ohne zu glauben, daß die
Liebe Gottes allmächtig ist?
Absatz 4. Der Schöpfer
279 ,,Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde" (Gen 1,1). Mit diesen
feierlichen Worten beginnt die Heilige Schrift. Das Glaubensbekenntnis
übernimmt diese Worte, indem es Gott, den Vater, den Allmächtigen, als
den ,,Schöpfer des Himmels und der Erde" bekennt, ,,der die sichtbare
und die unsichtbare Welt" geschaffen hat. Wir werden zunächst über
den Schöpfer, dann über die Schöpfung und schließlich über den Sündenfall
sprechen, von dem Jesus Christus, der Sohn Gottes, uns durch sein Kommen
wieder aufgerichtet hat.
280 Die Schöpfung ist ,,der Beginn der Heilsökonomie", ,,der Anfang
der Heilsgeschichte" (DCG 51), die in Christus gipfelt. Umgekehrt
ist das Christusmysterium die entscheidende Erhellung des Schöpfungsmysteriums;
es enthüllt das Ziel, auf das hin Gott ,,im Anfang ... Himmel und Erde"
schuf (Gen 1,1). Schon von Anfang an hatte Gott die Herrlichkeit der Neuschöpfung
in Christus vor Augen [Vgl. Röm 8,18-23.].
281 Aus diesem Grund beginnen die Lesungen der Osternacht, der Feier
der Neuschöpfung in Christus, mit dem Schöpfungsbericht. Desgleichen bildet
in der byzantinischen Liturgie der Schöpfungsbericht stets die erste Lesung
der Vigilien der Hochfeste des Herrn. Nach dem Zeugnis der frühen Christenheit
folgt die Belehrung der Katechumenen über die Taufe dem gleichen Weg von
der Schöpfung zur Neuschöpfung [Vgl. Egeria, pereg. 46; Augustinus, catech.
3,5.].
I Die Katechese über die Schöpfung
282 Die Katechese über die Schöpfung ist entscheidend wichtig. Sie betrifft
ja die Grundlagen des menschlichen und des christlichen Lebens, denn sie
formuliert die Antwort des christlichen Glaubens auf die Grundfragen,
die sich die Menschen aller Zeiten gestellt haben: ,,Woher kommen wir?",
,,wohin gehen wir?", ,,woher stammen wir?", ,,wozu sind wir
da?", ,,woher kommt alles, was da ist, und wohin ist es unterwegs?"
Die beiden Fragen, die nach dem Ursprung und die nach dem Ziel, lassen
sich nicht voneinander trennen. Sie sind für den Sinn und die Ausrichtung
unseres Lebens und Handelns entscheidend.
283 Die Frage nach den Ursprüngen der Welt und des Menschen ist Gegenstand
zahlreicher wissenschaftlicher Forschungen, die unsere Kenntnis über das
Alter und die Ausmaße des Universums, über das Werden der Lebensformen
und das Auftreten des Menschen unerhört bereichert haben. Diese Entdeckungen
sollten uns anregen, erst recht die Größe des Schöpfers zu bewundern,
ihm für all seine Werke und für die Einsicht und Weisheit zu danken, die
er den Gelehrten und Forschern gibt. Mit Salomo können diese sagen: ,,Er
verlieh mir untrügliche Kenntnis der Dinge, so daß ich den Aufbau der
Welt und das Wirken der Elemente verstehe ..., denn es lehrte mich die
Weisheit, die Meisterin aller Dinge" (Weish 7,17.21).
284 Das große Interesse für diese Forschungen wird stark angespornt durch
eine Frage anderer Ordnung, die über das eigentliche Feld der Naturwissenschaften
hinausgeht. Es handelt sich nicht bloß um die Frage, wann und wie der
Kosmos materiell entstanden und der Mensch aufgetreten ist, sondern es
geht um den Sinn dieses Werdens:
ob es durch Zufall, durch ein blindes Schicksal, eine namenlose Notwendigkeit
bestimmt wird oder aber von einem intelligenten und guten höheren Wesen,
das wir Gott nennen. Und wenn die Welt aus der Weisheit und Güte Gottes
stammt, warum dann das Übel? Woher kommt es? Wer ist dafür verantwortlich?
Und gibt es eine Befreiung von ihm?
285 Von Anfang an standen dem christlichen Glauben in der Frage nach
den Ursprüngen Antworten gegenüber, die anders lauteten als die christliche
Antwort. In den alten Religionen und Kulturen finden sich zahlreiche Mythen
über die Ursprünge der Welt. Gewisse Philosophen sagten, alles sei Gott;
die Welt sei Gott oder das Werden der Welt sei das Werden Gottes (Pantheismus).
Andere sagten, die Welt sei ein notwendiger Ausfluß Gottes; sie entströme
ihm und münde wieder in ihn. Wieder andere behaupteten, es gebe zwei ewige
Prinzipien, das Gute und das Böse, das Licht und die Finsternis; diese
würden beständig miteinander ringen (Dualismus; Manichäismus). Nach gewissen
Auffassungen wäre die Welt (zumindest die materielle Welt) schlecht, eine
Verfallserscheinung, und somit zurückzuweisen oder hinter sich zu lassen
(Gnosis). Andere geben zwar zu, daß die Welt von Gott geschaffen ist,
aber wie von einem Uhrmacher, der sie nach ihrer Herstellung sich selbst
überlassen habe (Deismus). Andere schließlich anerkennen keinen höheren
Ursprung der Welt, sondern erblicken in ihr bloß das Spiel einer Materie,
die schon immer existiert habe (Materialismus). Alle diese Lösungsversuche
zeugen davon, daß die Frage nach den Ursprüngen dauernd und überall gestellt
wird. Dieses Suchen ist dem Menschen eigen.
286 Gewiß kann schon der menschliche Verstand eine Antwort auf die Frage
nach den Ursprüngen finden. Das Dasein eines Schöpfergottes läßt sich
dank dem Licht der menschlichen Vernunft aus seinen Werken mit Gewißheit
erkennen [Vgl. DS 3026.], wenn auch diese Erkenntnis oft durch Irrtum
verdunkelt und entstellt wird. Darum bestärkt und erhellt der Glaube die
Vernunft, damit sie diese Wahrheit richtig versteht: ,,Aufgrund des Glaubens
erkennen wir, daß die Welt durch Gottes Wort erschaffen worden und daß
so aus Unsichtbarem das Sichtbare entstanden ist" (Hebr 11,3).
287 Die Wahrheit von der Schöpfung ist für das ganze menschliche Leben
so wichtig, daß Gott in seiner Güte seinem Volk alles offenbaren wollte,
was hierüber zu wissen für das Heil bedeutsam ist. Über die jedem Menschen
mögliche natürliche Erkenntnis des Schöpfers [Vgl. Apg 17,24-29; Röm 1,19-20.]hinaus
hat Gott dem Volk Israel nach und nach das Mysterium der Schöpfung geoffenbart.
Er, der die Patriarchen berufen, das von ihm erwählte Volk Israel aus
Ägypten herausgeführt, geschaffen und geformt hat [Vgl. Jes 43,1.], offenbart
sich als der, dem alle Völker der Erde und die ganze Welt gehören, als
der, der ganz allein ,,Himmel und Erde gemacht hat" (Ps 115,15; 124,8;
134,3).
288 Somit läßt sich die Offenbarung der Schöpfung nicht trennen von der
Offenbarung und Verwirklichung des Bundes, den Gott, der Einzige, mit
seinem Volk geschlossen hat. Die Schöpfung wird geoffenbart als der erste
Schritt zu diesem Bund, als das erste, universale Zeugnis der allmächtigen
Liebe Gottes [Vgl. Gen 15,5; Jer 33,19-26.]. Die Wahrheit von der Schöpfung
kommt auch in der Botschaft der Propheten [Vgl. Jes 44,24.], im Gebet
der Psalmen [Vgl. Ps 104.] und der Liturgie sowie in den Weisheitssprüchen
[Vgl. Spr 8, 22-31.] des auserwählten Volkes immer stärker zum Ausdruck.
289 Unter allen Aussagen der Heiligen Schrift über die Schöpfung nehmen
die drei ersten Kapitel des Buches Genesis einen einzigartigen Platz ein.
Literarisch können diese Texte verschiedene Quellen haben. Die inspirierten
Autoren haben sie an den Anfang der Schrift gestellt. In ihrer feierlichen
Sprache bringen sie so die Wahrheit über die Schöpfung, deren Ursprung
und Ziel in Gott, deren Ordnung und Gutsein, über die Berufung des Menschen
und schließlich über das Drama der Sünde und über die Hoffnung auf Heil
zum Ausdruck. Im Lichte Christi, in der Einheit der Heiligen Schrift und
in der lebendigen Überlieferung der Kirche gelesen, bleiben diese Aussagen
die Hauptquelle für die Katechese über die Mysterien des ,,Anfangs":
Schöpfung, Sündenfall, Heilsverheißung.
II Die Schöpfung -Werk der heiligsten Dreifaltigkeit
290 ,,Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde" (Gen 1,1). Drei Dinge
werden in diesen ersten Worten der Schrift ausgesagt: Der ewige Gott hat
alles, was außer ihm existiert, ins Dasein gerufen; er allein ist Schöpfer
(das Zeitwort ,,erschaffen" hebr. ,,bara"] hat stets Gott zum
Subjekt); alles, was existiert - ,,Himmel und Erde" -, hängt von
Gott ab, der das Dasein gibt.
291 ,,Im Anfang war das Wort ... und das Wort war Gott ... Alles ist
durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden
ist" (Joh 1,1-3). Das Neue Testament offenbart, daß Gott alles durch
das ewige Wort, seinen geliebten Sohn, erschaffen hat. ,,In ihm wurde
alles erschaffen im Himmel und auf Erden ... alles ist durch ihn und auf
ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand"
(Kol 1,16-17). Der Glaube der Kirche bezeugt auch das Schöpferwirken des
Heligen Geistes:
Dieser ist der, der ,,lebendig macht" (Credo von Nizäa-Konstantinopel),
der ,,Schöpfergeist" (,,Veni, Creator Spiritus": LH, Hymnus),
der ,,Quell alles Guten" (Byzantinische Liturgie, Tropar der Pfingstvesper).
292 Die unzertrennliche Einheit des Schöpferwirkens des Sohnes und des
Geistes mit dem des Vaters wird im Alten Testament angedeutet [Vgl. Ps
33,6; 104,30; Gen 1,2-3.], im Neuen Bund geoffenbart, in der Glaubensregel
der Kirche schließlich klar ausgesprochen: ,,Nur einer ist Gott und Schöpfer
... er ist der Vater, er ist Gott, er der Schöpfer, der Urheber, der Bildner,
der durch sich selbst, das heißt durch sein Wort und seine Weisheit ...
alles gemacht hat" (Irenäus, hær. 2,30,9), ,,durch den Sohn und den
Geist", die gleichsam ,,seine Hände" sind (ebd., 4,20,1). Die
Schöpfung ist das gemeinsame Werk der heiligsten Dreifaltigkeit.
III ,,Die Welt ist zur Ehre Gottes geschaffen"
293 Die Schrift und die Überlieferung lehren und preisen stets die Grundwahrheit:
,,Die Welt ist zur Ehre Gottes geschaffen" (1. Vatikanisches K.:
DS 3025). Wie der hl. Bonaventura erklärt, hat Gott alles erschaffen ,,nicht
um seine Herrlichkeit zu mehren, sondern um seine Herrlichkeit zu bekunden
und mitzuteilen" (sent. 2,1,2,2,1). Gott hat nämlich keinen anderen
Grund zum Erschaffen als seine Liebe und Güte: ,,Die Geschöpfe gingen
aus der mit dem Schlüssel der Liebe geöffneten Hand [Gottes] hervor"
(Thomas v. A., sent. 2, prol.). Und das Erste Vatikanische Konzil erklärt:
,,Dieser alleinige wahre Gott hat in seiner Güte und ,allmächtigen Kraft‘
-nicht um seine Seligkeit zu vermehren, noch um [Vollkommenheit] zu erwerben,
sondern um seine Vollkommenheit zu offenbaren durch die Güter, die er
den Geschöpfen gewährt - aus völlig freiem Entschluß ,von Anfang der Zeit
an aus nichts zugleich beide Schöpfungen geschaffen, die geistige und
die körperliche"‘ (DS 3002).
294 Gottes Ehre ist es, daß sich seine Güte zeigt und mitteilt. Dazu
ist die Welt geschaffen. ,,Er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt,
seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen
zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade" (Eph 1,5-6).
,,Denn Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch; das Leben des Menschen aber
ist die Anschauung Gottes. Wenn ja schon die Offenbarung Gottes durch
die Schöpfung allen, die auf Erden leben, das Leben verleiht, wieviel
mehr muß dann die Kundgabe des Vaters durch das Wort denen, die Gott schauen,
Leben verleihen" (Irenäus, hær. 4,20,7). Das letzte Ziel der Schöpfung
ist es, daß Gott ,,der Schöpfer von allem, endlich ,alles in allem‘ (1
Kor 15,28) sein wird, indem er zugleich seine Herrlichkeit und unsere
Seligkeit bewirkt" (AG 2).
IV Das Mysterium der Schöpfung
Gott erschafft in Weisheit und Liebe
295 Wir glauben, daß Gott die Welt nach seiner Weisheit erschaffen hat
[Vgl. Weish 9,9.]. Sie ist nicht das Ergebnis irgendeiner Notwendigkeit,
eines blinden Schicksals oder des Zufalls. Wir glauben, daß sie aus dem
freien Willen Gottes hervorgeht, der die Geschöpfe an seinem Sein, seiner
Weisheit und Güte teilhaben lassen wollte: ,,Denn du bist es, der die
Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen"
(Offb 4,11). ,,Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast
du sie alle gemacht" (Ps 104,24). ,,Der Herr ist gütig zu allen,
sein Erbarmen waltet über all seinen Werken" (Ps 145,9).
Gott erschafft ,,aus nichts"
296 Wir glauben, daß Gott zum Erschaffen nichts schon vorher Existierendes
und keinerlei Hilfe benötigt [Vgl. 1. Vatikanisches K.: DS 3022.]. Die
Schöpfung ist auch nicht zwangsläufig aus der göttlichen Substanz ausgeflossen
[Vgl. 1. Vatikanisches K.: OS 3023-3024.]. Gott erschafft in Freiheit
,,aus nichts" (DS 800; 3025).
,,Falls Gott die Welt aus einem schon vorher existierenden Stoff gezogen
hätte, was wäre dann dabei außerordentlich? Wenn man einem menschlichen
Handwerker das Material gibt, macht er daraus alles, was er will. Die
Macht Gottes hingegen zeigt sich gerade darin, daß er vom Nichts ausgeht,
um alles zu machen, was er will" (Theophil v. Antiochien, Autol.
2,4).
297 Der Glaube an die Schöpfung ,,aus nichts" wird in der Schrift
als eine verheißungs - und hoffnungsvolle Wahrheit bezeugt. So ermutigt
im zweiten Buch der Makkabäer eine Mutter ihre sieben Söhne zum Martyrium
mit den Worten:
,,Ich weiß nicht, wie ihr in meinem Leib entstanden seid, noch habe ich
euch Atem und Leben geschenkt; auch habe ich keinen von euch aus den Grundstoffen
zusammengefügt. Nein, der Schöpfer der Welt hat den werdenden Menschen
geformt, als er entstand; er kennt die Entstehung aller Dinge. Er gibt
euch gnädig Atem und Leben wieder, weil ihr jetzt um seiner Gesetze willen
nicht auf euch achtet ... Ich bitte dich, mein Kind, schau dir den Himmel
und die Erde an; sieh alles, was es da gibt, und erkenne: Gott hat das
aus dem Nichts erschaffen, und so entstehen auch die Menschen" (2
Makk 7,22-23.28).
298 Weil Gott aus nichts erschaffen kann, kann er durch den Heiligen
Geist Sündern das Leben der Seele schenken, indem er in ihnen ein reines
Herz erschafft [Vgl. Ps 51,12.], und den Verstorbenen das Leben des Leibes,
indem er diesen auferweckt, denn er ist der ,,Gott, der die Toten lebendig
macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft" (Röm 4,17). Und da
er imstande war, durch sein Wort aus dem Dunkel das Licht erstrahlen zu
lassen [Vgl. Gen 1,3.], kann er auch denen, die ihn nicht kennen, das
Licht des Glaubens schenken [Vgl. 2 Kor 4,6.].
Gott erschafft eine geordnete und gute Welt
299 Weil Gott mit Weisheit erschafft, ist die Schöpfung geordnet: ,,Du
aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet" (Weish 11,20).
Im ewigen Wort und durch das ewige Wort, ,,das Ebenbild des unsichtbaren
Gottes" (Kol 1,15), ist die Schöpfung erschaffen. Für den Menschen,
der nach Gottes Bild ist [Vgl. Gen 1,26.], ist sie bestimmt; an ihn, der
zu einer persönlichen Beziehung zu Gott berufen ist, richtet sie sich.
Was uns Gott durch seine Schöpfung sagt [Vgl. Ps 19,2-5.], kann unser
Verstand, der am Licht des göttlichen Verstandes teilhat, vernehmen, allerdings
nicht ohne große Mühe und nur in einer demütigen, ehrfürchtigen Haltung
gegenüber dem Schöpfer und seinem Werk [Vgl. Ijob 42,3.]. Weil die Schöpfung
aus der göttlichen Güte hervorgegangen ist, hat sie an dieser Güte teil
[,,Gott sah, daß es gut war..., sehr gut": Gen 1,4.10.12.18.21.31.].
Die Schöpfung ist von Gott gewollt als ein Geschenk an den Menschen, als
ein Erbe, das für ihn bestimmt und ihm anvertraut ist. Die Kirche mußte
wiederholt dafür einstehen, daß die Schöpfung, einschließlich der materiellen
Welt, gut ist [Vgl. DS 286; 455-463; 800; 1333; 3002.].
Gott ist über die Schöpfung erhaben und in ihr zugegen
300 Gott ist unendlich größer als all seine Werke [Vgl. Sir 43,28.].
,,Über den Himmel breitest du deine Hoheit aus" (Ps 8,2); ,,seine
Größe ist unerforschlich" (Ps 145,3). Doch weil er der erhabene,
freie Schöpfer, die Erstursache von allem ist, was existiert, ist er im
Innersten seiner Geschöpfe zugegen: ,,In ihm leben wir, bewegen wir uns
und sind wir" (Apg 17,28). Nach dem hl. Augustinus ist Gott ,,höher
als mein Höchstes und innerlicher als mein Innerstes" (conf. 3,6,11).
Gott erhält und trägt die Schöpfung
301 Nach der Schöpfung überläßt Gott sein Geschöpf nicht einfach sich
selbst. Er gibt ihm nicht nur das Sein und das Dasein, sondern er erhält
es auch in jedem Augenblick im Sein, gibt ihm die Möglichkeit zu wirken
und bringt es an sein Ziel. Diese völlige Abhängigkeit vom Schöpfer zu
erkennen, fuhrt zu Weisheit und Freiheit, zu Freude und Vertrauen.
,,Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du
gemacht hast; denn hättest du etwas gehaßt, so hättest du es nicht geschaffen.
Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas
erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst
alles, weil es dein Eigentum ist‘ Herr, du Freund des Lebens" (Weish
11,24-26).
V Gott verwirklicht seinen Plan: die göttliche Vorsehung
302 Die Schöpfung hat ihre eigene Güte und Vollkommenheit. Sie ging jedoch
aus den Händen des Schöpfers nicht ganz fertig hervor. Sie ist so geschaffen,
daß sie noch ,,auf dem Weg" [in statu viæ] zu einer erst zu erreichenden
letzten Vollkommenheit ist, die Gott ihr zugedacht hat. Wir nennen die
Fügungen, durch die Gott seine Schöpfung dieser Vollendung entgegenführt,
die ,,göttliche Vorsehung".
,,Alles, was er geschaffen hat, schützt und lenkt Gott durch seine Vorsehung,
,sich kraftvoll von einem Ende bis zum anderen erstreckend und alles milde
ordnend‘ (Weish 8,1). ,Alles nämlich ist nackt und bloß vor seinen Augen‘
(Hebr 4,13), auch das, was durch die freie Tat der Geschöpfe geschehen
wird" (1. Vatikanisches K.: DS 3003).
303 Das Zeugnis der Schrift lautet einstimmig: Die Fürsorge der Vorsehung
ist konkret und unmittelbar; sie kümmert sich um alles, von den geringsten
Kleinigkeiten bis zu den großen weitgeschichtlichen Ereignissen. Die heiligen
Bücher bekräftigen entschieden die absolute Souveränität Gottes im Lauf
der Ereignisse: ,,Unser Gott ist im Himmel; alles, was ihm gefällt, das
vollbringt er" (Ps 115,3). Und Christus ist der, ,,der öffnet, so
daß niemand mehr schließen kann, der schließt, so daß niemand mehr öffnen
kann" (Offb 3,7). ,,Viele Pläne faßt das Herz des Menschen, doch
nur der Ratschluß des Herrn hat Bestand" (Spr 19,21).
304 So schreibt der Heilige Geist, der Hauptautor der Heiligen Schrift,
Taten oft Gott zu, ohne Zweitursachen zu erwähnen. Das ist nicht eine
primitive Redeweise, sondern eine tiefsinnige Art, an den Vorrang Gottes
und seine absolute Herrschaft über die Geschichte und die Welt zu erinnern
[Vgl. Jes 10,5-15; 45,5-7; Dtn 32,39; Sir 11,14.] und so zum Vertrauen
auf ihn zu erziehen. Das Psalmengebet ist die große Schule dieses Vertrauens
[Vgl. z. B. Ps 22; 32; 35; 103; 138.].
305 Jesus verlangt eine kindliche Hingabe an die Vorsehung des himmlischen
Vaters, der sich um die geringsten Bedürfnisse seiner Kinder kümmert:
,,Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen?
Was sollen wir trinken? ... Euer himmlischer Vater weiß, daß ihr das alles
braucht. Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit
gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben" (Mt 6,31-33) [Vgl.
Mt 10, 29-31.].
Die Vorsehung und die Zweitursachen
306 Gott ist souverän Herr über seinen Ratschluß. Aber um ihn auszuführen,
bedient er sich auch der Mitwirkung der Geschöpfe. Das ist nicht ein Zeichen
von Schwäche, sondern der Größe und Güte Gottes. Denn Gott gibt seinen
Geschöpfen nicht nur das Dasein, sondern auch die Würde, selbst zu handeln,
Ursache und Ursprung voneinander zu sein und so an der Ausführung seines
Ratschlusses mitzuarbeiten.
307 Den Menschen gewährt Gott sogar die Möglichkeit, in Freiheit an seiner
Vorsehung teilzunehmen, indem er ihnen die Verantwortung anvertraut, sich
die Erde zu ,,unterwerfen" und über sie zu herrschen [Vgl. Gen 1,26-28].
Gott ermöglicht so den Menschen, vernünftige, freie Ursachen zu sein,
um das Schöpfungswerk zu vervollständigen und zu ihrem und der Mitmenschen
Wohl seine Harmonie zu vervollkommnen. Die Menschen sind oft unbewußt
Mitarbeiter Gottes, können jedoch auch bewußt auf den göttlichen Plan
eingehen durch ihre Taten, ihre Gebete, aber auch durch ihre Leiden [Vgl.
Kol 1,24]. Dadurch werden sie voll und ganz ,,Mitarbeiter Gottes"
(1 Kor 3,9; 1 Thess 3,2) und seines Reiches [Vgl. Kol 4,11.].
308 Vom Glauben an Gott den Schöpfer läßt sich somit die Wahrheit nicht
trennen, daß in jedem Tun seiner Geschöpfe Gott tätig ist. Er ist die
Erstursache, die in und durch die Zweitursachen wirkt. ,,Denn Gott ist
es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, nach seinem Wohlgefallen"
(Phil 2, 13) [Vgl. 1 Kor 12,6.]. Diese Wahrheit beeinträchtigt die Würde
des Geschöpfes keineswegs, sondern erhöht sie. Durch die Macht, Weisheit
und Güte Gottes aus dem Nichts gehoben, vermag das Geschaffene nichts,
wenn es von seinem Ursprung abgeschnitten ist, denn ,,das Geschöpf sinkt
ohne den Schöpfer ins Nichts" (GS 36,3). Erst recht kann es ohne
die Hilfe der Gnade sein letztes Ziel nicht erreichen [Vgl. Mt 19,26;
Joh 15,5; Phil 4, 13.].
Die Vorsehung und das Ärgernis des Bösen
309 Wenn doch Gott, der allmächtige Vater, der Schöpfer einer geordneten
und guten Welt, sich aller seiner Geschöpfe annimmt, warum gibt es dann
das Böse? Jede vorschnelle Antwort auf diese ebenso bedrängende wie unvermeidliche,
ebenso schmerzliche wie geheimnisvolle Frage wird unbefriedigt lassen.
Der christliche Glaube als ganzer ist die Antwort auf diese Frage: Das
Gutsein der Schöpfung, das Drama der Sünde, die geduldige Liebe Gottes,
der dem Menschen entgegenkommt. Er tut dies durch seine Bundesschlüsse,
durch die erlösende Menschwerdung seines Sohnes und die Gabe des Geistes;
er tut es durch das Versammeln der Kirche und die Kraft der Sakramente;
er tut es schließlich durch die Berufung zu einem glückseligen Leben.
Die freien Geschöpfe sind im voraus eingeladen, diese Berufung anzunehmen.
Sie können diese aber auch - ein erschreckendes Mysterium - im voraus
ausschlagen. Es gibt kein Element der christlichen Botschaft, das nicht
auch Antwort auf das Problem des Bösen wäre.
310 Warum aber hat Gott nicht eine so vollkommene Welt erschaffen, daß
es darin nichts Böses geben könnte? In seiner unendlichen Macht könnte
Gott stets etwas Besseres schaffen [Vgl. Thomas v. A., s. th. 1,25,6.].
In seiner unendlichen Weisheit und Güte jedoch wollte Gott aus freiem
Entschluß eine Welt erschaffen, die ,,auf dem Weg" zu ihrer letzten
Vollkommenheit ist. Dieses Werden bringt nach Gottes Plan mit dem Erscheinen
gewisser Daseinsformen das Verschwinden anderer, mit dem Vollkommenen
auch weniger Vollkommenes mit sich, mit dem Aufbau auch den Abbau in der
Natur. Solange die Schöpfung noch nicht zur Vollendung gelangt ist, gibt
es mit dem physisch Guten folglich auch das physische Übel [Vgl. Thomas
v. A., s. gent. 3,71.].
311 Die Engel und die Menschen, intelligente und freie Geschöpfe, müssen
ihrer letzten Bestimmung aus freier Wahl entgegengehen und ihr aus Liebe
den Vorzug geben. Sie können darum auch vom Weg abirren und sie haben
auch tatsächlich gesündigt. So ist das moralische Übel in die Welt gekommen,
das unvergleichlich schlimmer ist als das physische Übel. Gott ist auf
keine Weise, weder direkt noch indirekt, die Ursache des moralischen Übels
[Vgl. Augustinus, lib. 1,1,1; Thomas v. A., s. th. 1-2,79, 1. ]. Er läßt
es jedoch zu, da er die Freiheit seines Geschöpfes achtet, und er weiß
auf geheimnisvolle Weise Gutes daraus zu ziehen:
,,Der allmächtige Gott ... könnte in seiner unendlichen Güte unmöglich
irgend etwas Böses in seinen Werken dulden, wenn er nicht dermaßen allmächtig
und gut wäre, daß er auch aus dem Bösen Gutes zu ziehen vermöchte"
(Augustinus, enchir. 11,3).
312 So kann man mit der Zeit entdecken, daß Gott in seiner allmächtigen
Vorsehung sogar aus den Folgen eines durch seine Geschöpfe verursachten
moralischen Übels etwas Gutes zu ziehen vermag. Josef sagt zu seinen Brüdern:
,,Nicht ihr habt mich hierher geschickt, sondern Gott ... Ihr habt Böses
gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn ... um
... viel Volk am Leben zu erhalten" (Gen 45,8; 50,20) [Vgl. Tob 2,
12-18 Vg.]. Aus dem schlimmsten moralischen Übel, das je begangen worden
ist, aus der durch die Sünden aller Menschen verschuldeten Verwerfung
und Ermordung des Sohnes Gottes, hat Gott im Übermaß seiner Gnade [Vgl.
Röm 5,20.]das größte aller Güter gemacht:
die Verherrlichung Christi und unsere Erlösung. Freilich wird deswegen
das Böse nicht zu etwas Gutem.
313 ,,Wir wissen, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten
führt" (Röm 8,28). Das bezeugen die Heiligen immer wieder:
Die hl. Katharina von Siena sagt deshalb ,,zu denen, die an dem, was
ihnen zustößt, Ärgernis nehmen und sich dagegen auflehnen": ,,Mies
geht aus Liebe hervor, alles ist auf das Heil des Menschen hingeordnet.
Gott tut nichts außer mit diesem Ziel" (dial. 4,138).
Der hl. Thomas Morus tröstet kurz vor seinem Martyrium seine Tochter:
,,Es kann nichts geschehen, was Gott nicht will. Was immer er aber will,
so schlimm es auch scheinen mag, es ist für uns dennoch wahrhaft das Beste"
(Brief).
Und Juliana von Norwich sagt: ,,Durch die Gnade Gottes wurde ich inne,
daß ich mich fest an den Glauben halten und nicht weniger fest sehen muß,
daß alles, wie es auch sein mag, gut sein wird. ... Und du wirst sehen,
daß alles, alles gut sein wird" (rev. 32).
314 Wir glauben fest, daß Gott der Herr der Welt und der Geschichte ist.
Die Wege seiner Vorsehung sind uns jedoch oft unbekannt. Erst am Schluß,
wenn unsere Teilerkenntnis zu Ende ist und wir Gott ,,von Angesicht zu
Angesicht" schauen werden (1 Kor 13,12), werden wir voll und ganz
die Wege erkennen, auf denen Gott sogar durch das Drama des Bösen und
der Sünde hindurch seine Schöpfung zur endgültigen Sabbatruhe [Vgl. Gen
2,2.] führt, auf die hin er Himmel und Erde erschaffen hat.
KURZTEXTE
315 Mit der Erschaffung der Welt und des Menschen hat Gott das erste
und allumfassende Zeugnis seiner allmächtigen Liebe und Weisheit sowie
die erste Ankündigung seines „gnädigen Ratschlusses" gegeben, welcher
sich in der Neuschöpfung durch Christus verwirklicht.
316 Das Schöpfungswerk wird insbesondere dem Vater zugeschrieben, doch
ist es ebenfalls eine Glaubenswahrheit, daß der Vater, der Sohn und der
Heilige Geist das einzige, unteilbare Schöpfungsprinzip sind.
317 Gott allein hat das Universum frei, direkt und ohne irgendeine Hilfe
erschaffen.
318 Kein Geschöpf hat die unendliche Macht , die notwendig ist, um im
eigentlichen Sinn des Wortes zu „erschaffen", das heißt etwas, das
überhaupt nicht existierte, hervorzubringen und ihm das Sein zu geben,
es „aus nichts" [ex nihilo] ins Dasein zu rufen …[Vgl. DS 3624.].
319 Gott hat die Welterschaffen, um seine Herrlichkeit zu zeigen und
mitzuteilen. Daß seine Geschöpfe an seiner Wahrheit, Güte und Schönheit
teilhaben - das ist die Herrlichkeit, für die sie Gott erschaffen hat.
320 Gott, der das Weltall erschaffen hat, erhält es im Dasein durch sein
Wort, den Sohn, der „das All durch sein machtvolles Wort" trägt (Hebr
1, 3), und durch seinen Schöpfergeist, der das Leben spendet.
321 Die göttliche Vorsehung besteht in den Fügungen, durch die Gott alle
Geschöpfe mit Weisheit und Liebe ihrem letzten Ziel entgegenführt.
322 Christus fordert uns auf, uns kindlich auf die Forsehung unseres
himmlischen Vaters zu verlassen [Vgl. Mt 6,26 -34.] und der Apostel Petrus
nimmt dies auf:„Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich und
euch" (1 Petr 5,7) [Vgl. Ps 55,23.].
323 Die göttliche Vorsehung handelt auch durch das Handeln der Geschöpfe.
Den Menschen gibt Gott die Möglichkeit, in Freiheit an seinen Plänen mitzuwirken.
324 Daß Gott das physische und das moralische Böse zuläßst, ist ein Mysterium,
das der durch seinen Sohn Jesus Christus erhellt, der gestorben und auferstanden
ist, um das Böse zu besiegen. Der Glaube gibt uns die Gewißheit, daß Gott
das Böse nicht zuließe, wenn er nicht auf Wegen, die wir erst im ewigen
Leben Vollständig erkennen werden, sogar aus dem Bösen Gutes hervorgehen
ließe.
Absatz 5. Himmel Und Erde
325 Das Apostolische Credo bekennt, daß Gott ,,der Schöpfer des Himmels
und der Erde" ist, und das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel
verdeutlicht: ,,der sichtbaren und der unsichtbaren Welt".
326 In der Heiligen Schrift bezeichnet das Wortpaar ,,Himmel und Erde"
alles, was existiert: die gesamte Schöpfung. Es gibt auch das Band an,
das innerhalb der Schöpfung Himmel und Erde zugleich vereint und unterscheidet:
,,die Erde" ist die Welt der Menschen [Vgl. Ps 115,16.],,der Himmel"
oder ,,die Himmel" kann das Firmament bezeichnen [Vgl. Ps 19,2.],
aber auch den eigentlichen ,,Ort" Gottes - er ist ja unser ,,Vater
im Himmel" (Mt 5, 16) [Vgl. Ps 115,16.] - und folglich auch den Himmel,
der die endzeitliche Herrlichkeit ist. Schließlich bezeichnet das Wort
,,Himmel" den ,,Ort" der geistigen Geschöpfe - der Engel -,
die Gott umgeben.
327 Das Glaubensbekenntnis des Vierten Laterankonzils sagt: Gott ,,schuf
am Anfang der Zeit aus nichts zugleich beide Schöpfungen, die geistige
und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt: und danach
die menschliche, die gewissermaßen zugleich aus Geist und Körper besteht"
(DS 800) [Vgl. DS 3002; SPE 8.].
I Die Engel
Die Existenz der Engel - eine Glaubenswahrheit
328 Daß es geistige, körperlose Wesen gibt, die von der Heiligen Schrift
für gewöhnlich ,,Engel" genannt werden, ist eine Glaubenswahrheit.
Das bezeugt die Schrift ebenso klar wie die Einmütigkeit der Überlieferung.
Wer sind sie?
329 Der hl. Augustinus sagt: ,,,Engel‘ bezeichnet das Amt, nicht die
Natur. Fragst du nach seiner Natur, so ist er ein Geist; fragst du nach
dem Amt, so ist er ein Engel: seinem Wesen nach ist er ein Geist, seinem
Handeln nach ein Engel" (Psal. 103,1,15). Ihrem ganzen Sein nach
sind die Engel Diener und Boten Gottes. Weil sie ,,beständig das Antlitz
meines Vaters sehen, der im Himmel ist" (Mt 18,10), sind sie ,,Vollstrecker
seiner Befehle, seinen Worten gehorsam" (Ps 103,20).
330 Als rein geistige Geschöpfe haben sie Verstand und Willen; sie sind
personale [Vgl. Pius XII.: DS 3891]und unsterbliche [Vgl. Lk 20,36.] Wesen.
Sie überragen alle sichtbaren Geschöpfe an Vollkommenheit. Der Glanz ihrer
Herrlichkeit zeugt davon [Vgl. Dtn 10,9-12.].
Christus ,,mit all seinen Engeln"
331 Christus ist das Zentrum der Engelwelt. Es sind seine Engel: ,,Wenn
der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm ..
(Mt 25,31). Sie sind sein, weil sie durch ihn und auf ihn hin erschaffen
sind:
,,Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare
und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles
ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen" (Kol 1,16). Sie sind erst
recht deshalb sein, weil er sie zu Boten seines Heilsplanes gemacht hat:
,,Sind sie nicht alle nur dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen,
die das Heil erben sollen?" (Hebr 1,14).
332 Sie sind da, seit der Welterschaffung [Vgl. Ijob 38,7, wo die Engel
,,Gottessöhne" genannt werden.] und im Laufe der ganzen Heilsgeschichte;
sie künden von ferne oder von nahe das Heil in und dienen dem göttlichen
Plan, es zu verwirklichen. Sie schließen das irdische Paradies ab [Vgl.
Gen 3,24.], beschützen Lot [Vgl. Gen 19.], retten Hagar und ihr Kind [Vgl.
Gen 21,17.], gebieten der Hand Abrahams Einhalt [Vgl. Gen 22,11.], teilen
dem Volk das Gesetz mit [Vgl. Apg 7,53.], führen das Gottesvolk [Vgl.
Ex 23,20-23.], kündigen Geburten [Vgl. Ri 13.]und Berufungen an [Vgl.
Ri 6,11-24; Jes 6,6.], stehen den Propheten bei [Vgl. 1 Kön 19,5.], um
nur einige Beispiele zu nennen. Schließlich erscheint der Engel Gabriel,
um die Geburt des Vorläufers und die Geburt Jesu selbst anzukündigen [Vgl.
Lk 1,11.26.].
333 Von der Menschwerdung bis zur Himmelfahrt ist das Leben des fleischgewordenen
Wortes von der Anbetung und dem Dienst der Engel umgeben. Als Gott ,,den
Erstgeborenen in die Welt einführt, sagt er: ,Alle Engel Gottes sollen
sich vor ihm niederwerfen"‘ (Hebr 1,6). Ihr Lobgesang bei der Geburt
Christi - ,,Ehre sei Gott .. .,, (Lk 2,14) - klingt im Lobpreis der Kirche
weiter. Sie beschützen Jesus im Kindesalter [Vgl. Mt 1,20; 2,13.19.],
dienen ihm in der Wüste [Vgl. Mk,12; Mt 4,11.], stärken ihn in der Todesangst
[Vgl. Lk 22,43.], und sie hätten ihn auch - wie einst Israel [Vgl. 2 Makk
10,29-30; 11,8.] - aus der Hand der Feinde retten können [Vgl. Mt 26,53.].
Die Engel sind es auch, die ,,evangelisieren" (Lk 2, 10), indem sie
die frohe Botschaft der Menschwerdung [Vgl. Lk 2,8-14.]und der Auferstehung
[Vgl. Mk 16,5-7.]Christi verkünden. Bei der Wiederkunft Christi, die sie
ankündigen [Vgl. Apg 1,10-11.], werden sie ihn begleiten und ihm bei seinem
Gericht dienen [Vgl. Mt 13,41; 25,31; Lk 12,8-9].
Die Engel im Leben der Kirche
334 Bis zur Wiederkunft Christi kommt die geheimnisvolle, mächtige Hilfe
der Engel dem ganzen Leben der Kirche zugute [Vgl. Apg 5, 18-20; 8,26-29;
10,3-8; 12, 6-11; 27,23-25.].
335 In ihrer Liturgie vereint sich die Kirche mit den Engeln, um den
dreimal heiligen Gott anzubeten [Vgl. MR, ,,Sanctus".]; sie bittet
um deren Beistand [So im ,,Supplices te rogamus . ..,, des römischen Hochgebetes,
im ,,In paradisum deducant te angeli ...,, der Bestattungsliturgie und
auch im ,,Cherubinischen Hymnus" der Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus.]und
feiert insbesondere das Gedächtnis gewisser Engel (der heiligen Michael,
Gabriel und Raphael und der heiligen Schutzengel).
336 Von der Kindheit an [Vgl. Mt 18,10.]bis zum Tod [Vgl. Lk 16,22.]umgeben
die Engel mit ihrer Hut [Vgl. Ps 34,8; 91,10-13.] und Fürbitte das Leben
des Menschen [Vgl. Ijob 33,23-24; Sach 1,12; Tob 12,12.]. ,,Einem jeden
der Gläubigen steht ein Engel als Beschützer und Hirte zur Seite, um ihn
zum Leben zu führen" (Basilius, Eun. 3,1). Schon auf dieser Erde
hat das christliche Leben im Glauben an der glückseligen Gemeinschaft
der in Gott vereinten Engel und Menschen teil.
II Die sichtbare Welt
337 Gott selbst hat die sichtbare Welt mit all ihrem Reichtum, ihrer
Vielfalt, ihrer Ordnung erschaffen. Die Schrift stellt das Schöpfungswerk
sinnbildlich als eine Reihe von sechs göttlichen ,,Arbeitstagen"
dar, die mit der ,,Ruhe" des siebten Tages abschließen [Vgl. Gen
1,1-2,4.]. Die Heilige Schrift lehrt in bezug auf die Schöpfung Wahrheiten,
die Gott um unseres Heiles willen geoffenbart hat [Vgl. DV 11.] und die
,,das innerste Wesen der ganzen Schöpfung, ihren Wert und ihre Hinordnung
auf das Lob Gottes anerkennen" lassen (LG 36).
338 Es gibt nichts, was nicht dem Schöpfer sein Dasein verdankt. Die
Welt begann, als sie durch das Wort Gottes aus dem Nichts geschaffen wurde.
Alle existierenden Wesen, die ganze Natur, die ganze Menschheitsgeschichte
wurzeln in diesem Urereignis; durch diese ,,Genesis" ist die Welt
gebildet worden und hat die Zeit begonnen [Vgl. Augustinus, Gen. Man.
1,2,4.].
339 Jedes Geschöpf besitzt seine eigene Güte und Vollkommenheit. Von
jedem Werk der ,,sechs Tage" heißt es: ,,Und Gott sah, daß es gut
war". ,,Aufgrund ihres Geschaffenseins selbst nämlich werden alle
Dinge mit einer eigenen Beständigkeit, Wahrheit, Gutheit sowie mit eigenen
Gesetzen und [einer eigenen] Ordnung ausgestattet" (GS 36,2). Die
unterschiedlichen Geschöpfe widerspiegeln in ihrem gottgewollten Eigensein,
jedes auf seine Art, einen Strahl der unendlichen Weisheit und Güte Gottes.
Deswegen muß der Mensch die gute Natur eines jeden Geschöpfes achten und
sich hüten, die Dinge gegen ihre Ordnung zu gebrauchen. Andernfalls wird
der Schöpfer mißachtet und es entstehen für die Menschen und ihre Umwelt
verheerende Folgen.
340 Die gegenseitige Abhängigkeit der Geschöpfe ist gottgewollt. Die
Sonne und der Mond, die Zeder und die Feldblume, der Adler und der Sperling
-all die unzähligen Verschiedenheiten und Ungleichheiten besagen, daß
kein Geschöpf sich selbst genügt, daß die Geschöpfe nur in Abhängigkeit
voneinander existieren, um sich im Dienst aneinander gegenseitig zu ergänzen.
341 Die Schönheit des Universums: Ordnung und Harmonie der erschaffenen
Welt ergeben sich aus der Verschiedenheit der Seinsformen und der Beziehungen
unter diesen. Der Mensch entdeckt sie nach und nach als Naturgesetze.
Sie rufen die Bewunderung der Wissenschaftler hervor. Die Schönheit der
Schöpfung widerspiegelt die unendliche Schönheit des Schöpfers. Sie soll
Ehrfurcht wecken und den Menschen dazu anregen, seinen Verstand und seinen
Willen dem Schöpfer unterzuordnen.
342 Die Rangordnung der Geschöpft wird durch die Abfolge der ,,sechs
Tage" zum Ausdruck gebracht, die vom weniger Vollkommenen zum Vollkommeneren
fortschreitet. Gott liebt alle seine Geschöpfe [Vgl. Ps 145,9.], nimmt
sich eines jeden an, selbst der Sperlinge. Und doch sagt Jesus: ,,Ihr
seid mehr wert als viele Spatzen" (Lk 12,7) und: ,,Ein Mensch ist
viel mehr wert als ein Schaf" (Mt 12,12).
343 Der Mensch ist der Gipfel des Schöpfungswerkes. Der inspirierte Bericht
bringt dies dadurch zum Ausdruck, daß er die Erschaffung des Menschen
von der der anderen Geschöpfe deutlich abhebt [Vgl. Gen 1,26.].
344 Zwischen allen Geschöpfen besteht eine Solidarität, denn sie alle
haben den gleichen Schöpfer, und sie alle sind auf seine Herrlichkeit
hingeordnet.
Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen, vornehmlich
durch die Herrin, die Schwester Sonne, die uns den Tag heraufführt und
uns erhellt durch ihr Licht. Schön ist sie und strahlend mit großem Glanz:
sie bietet uns ein Gleichnis von dir, du Höchster
Gelobt seist du, mein Herr, durch die Schwester, das Wasser, das gar
sehr nützlich und demütig ist, kostbar und keusch ...
Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, die Mutter Erde,
die uns trägt und nährt
und mancherlei Früchte hervorbringt und vielfarbene Blumen und Kräuter
Lobet und preiset meinen Herrn, sagt ihm Dank und dienet ihm in großer
Ergebung.
(Franz von Assisi, Sonnengesang)
345 Der Sabbat - der Abschluß der ,,sechs Tage". Die Heilige Schrift
sagt:
,,Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte"
- so ,,wurden Himmel und Erde vollendet" - ,,und er ruhte am siebten
Tag ... Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig"
(Gen 2,1-3). Diese inspirierten Worte sind sehr aufschlußreich:
346 In der Schöpfung hat Gott eine Grundlage und Gesetze gelegt, die
bestehen bleiben [Vgl. Hebr 4,3-4.]. Der Glaubende kann sich auf sie verlassen;
sie sind ihm Zeichen und Gewähr der unerschütterlichen Treue, mit der
Gott an seinem Bund festhält [Vgl. Jer 31,35-37; 33,19-26.]. Der Mensch
muß sich seinerseits treu an diese Grundlage halten und die Gesetze, die
Gott in die Schöpfung eingeschrieben hat, achten.
347 Die Schöpfung geschah im Hinblick auf den Sabbat und somit auf die
Verehrung und Anbetung Gottes. Der Gottesdienst ist in die Schöpfungsordnung
eingeschrieben [Vgl. Gen 1,14.]. ,,Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen
werden", sagt die Regel des hl. Benedikt, die uns so auf die richtige
Ordnung der menschlichen Anliegen hinweist.
348 Der Sabbat bildet im Gesetz Israels die Mitte. Die Gebote halten
heißt der Weisheit und dem Willen Gottes entsprechen, die in seinem Schöpfungswerk
zum Ausdruck kommen.
349 Der achte Tag Für uns aber ist ein neuer Tag angebrochen: der Tag
der Auferstehung Christi. Der siebte Tag vollendet die erste Schöpfung.
Am achten Tag beginnt die Neuschöpfung. So gipfelt das Schöpfungswerk
im noch größeren Werk der Erlösung. Die erste Schöpfung findet ihren Sinn
und Höhepunkt in der Neuschöpfung in Christus, welche die erste an Glanz
übertrifft [Vgl. MR, Osternacht 24: Gebet nach der ersten Lesung.].
KURZTEXTE
350 Die Engel sind geistige Geschöpfe, die Gott unablässig verherrlichen
und seinem Heilsplan für die anderen Geschöpfe dienen:„Bei allen unseren
guten Werken wirken die Engel mit" (Thomas v. A., s. th. 1,114, 3
ad 3).
351 Die Engel umgeben Christus, ihren Herrn. Sie dienen ihm insbesondere
bei der Erfüllung seiner Heilssendung für die Menschen.
352 Die Kirche verehrt die Engel, die der Kirche auf ihrem irdischen
Pilgerweg beistehen und jeden Menschen beschützen.
353 Gott hat gewollt, daß seine Geschöpfe voneinander verschieden sind,
daß sie ihre je einige Güte haben, daß sie voneinander abhängen und daß
sie in einer Ordnung stehen. Er hat alle materiellen Geschöpfe zum Wohl
des Menschengeschlechtes bestimmt. Der Mensch und durch ihn die ganze
Schöpfung ist zur Verherrlichung Gottes bestimmt.
354 Die in die Schöpfung eingeschriebenen Gesetzte und die Beziehungen
zu achten, die sich aus der Natur der Dinge ergeben, ist ein Grundsatz
der Weisheit und eine Grundlage der Sittlichkeit.
Absatz 6. Der Mensch
355 ,,Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde; nach dem Bilde Gottes
schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie" (Gen 1,27). Der Mensch
nimmt in der Schöpfung eine einzigartige Stellung ein: er ist ,,nach Gottes
Bild" geschaffen [Vgl. GS 12,1; 24‘2; 39,1.]; in seiner Natur vereint
er die geistige mit der materiellen Welt (II); er ist ,,als Mann und Frau"
geschaffen (III); Gott hat ihn zu seinem Freund gemacht (IV).
I ,,Nach dem Bilde Gottes"
356 Von allen sichtbaren Geschöpfen ist einzig der Mensch ,,fähig, seinen
Schöpfer zu erkennen und zu lieben" (GS 12,3); er ist ,,auf Erden
das einzige Geschöpf ... das Gott um seiner selbst willen gewollt hat"
(GS 24,3); er allein ist berufen, in Erkenntnis und Liebe am Leben Gottes
teilzuhaben. Auf dieses Ziel hin ist er geschaffen worden, und das ist
der Hauptgrund für seine Würde:
,,Was war der Grund, weshalb du den Menschen zu einer so großen Würde
erhoben hast? Die unschätzbare Liebe, mit der du dein Geschöpf in dir
selbst angeblickt und dich in es verliebt hast, denn du hast es aus Liebe
erschaffen, aus Liebe hast du ihm eine Natur gegeben, die an dir, dem
ewigen Gut Freude zu empfinden vermag" (Katharina v. Siena, dial.
4,13).
357 Weil er nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, hat der Mensch die
Würde, Person zu sein; er ist nicht bloß etwas, sondern jemand. Er ist
imstande, sich zu erkennen, über sich Herr zu sein, sich in Freiheit hinzugeben
und in Gemeinschaft mit anderen Personen zu treten, und er ist aus Gnade
zu einem Bund mit seinem Schöpfer berufen, um diesem eine Antwort des
Glaubens und der Liebe zu geben, die niemand anderer an seiner Stelle
geben kann.
358 Gott hat alles für den Menschen erschaffen‘, aber der Mensch selbst
ist erschaffen worden, um Gott zu dienen, ihn zu lieben und ihm die ganze
Schöpfung darzubringen:
,,Welches ist das Wesen, das in solchem Ansehen geschaffen ist? Es ist
der Mensch, die große, bewundernswerte lebendige Gestalt, die in den AugenGottes
wertvoller ist als alle Geschöpfe. Es ist der Mensch; für ihn sind der
Himmel und die Erde und das Meer und die gesamte Schöpfung da. Auf sein
Heil legt Gott sosehr Wert, daß er sogar seinen eingeborenen Sohn für
ihn nicht verschont hat. Gott zögerte ja nicht, alles ins Werk zu setzen,
um den Menschen zu ihm aufsteigen und zu seiner Rechten sitzen zu lassen"
(Johannes Chrysostomus, serm. in Gen. 2,1).
359 ,,Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes
das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf" (GS 22, 1).
,,Der heilige Apostel Paulus spricht von zwei Menschen, von denen das
Menschengeschlecht abstamme: von Adam und von Christus ... Paulus sagt:
,Adam, der erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der letzte Adam
wurde lebendigmachender Geist‘. Jener Erste ist von diesem Letzten geschaffen
worden und hat auch von ihm die Seele erhalten, damit er lebendig wurde
... Dieser letzte Adam ist es, der bei der Formung dem ersten sein Bild
aufprägte. Daher kam es, daß er seine Gestalt annahm und seinen Namen
empfing, damit ihm nicht verlorenging, was er nach seinem Bild gemacht
hatte. Der erste Adam, der letzte Adam: Der Erste hat einen Anfang, der
Letzte hat kein Ende, weil dieser Letzte in Wirklichkeit der Erste ist.
Sagt er doch: ,Ich bin das Alpha und das Omega"‘ (Petrus Chrysologus,
sermo 117).
360 Das Menschengeschlecht bildet aufgrund des gemeinsamen Ursprungs
eine Einheit. Denn Gott ,,hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht
erschaffen" (Apg 17,26) [Vgl. Tob 8,6.].
,,Wunderbare Schau, die uns das Menschengeschlecht sehen läßt in der
Einheit eines gemeinsamen Ursprungs in Gott ... in der Einheit der Natur,
bei allen gleich gefügt aus stofflichem Leib und geistiger, unsterblicher
Seele; in der Einheit des unmittelbaren Ziels und seiner Aufgabe in der
Welt; in der Einheit der Siedlung auf dem Erdboden, dessen Güter zu nutzen
alle Menschen naturrechtlich befugt sind, um so ihr Leben zu erhalten
und zu entwickeln; in der Einheit des übernatürlichen Endziels, Gottes
selbst, nach dem zu streben alle verpflichtet sind; in der Einheit der
Mittel, um dieses Ziel zu erreichen; ... in der Einheit des Loskaufs,
den Christus für alle gewirkt hat" (Pius XII., Enz. ,,Summi Pontificatus")
[Vgl. NA 1.].
361 Dieses ,,Gesetz der Solidarität und Liebe" (ebd.) versichert
uns, daß bei aller reichen Vielfalt der Personen, Kulturen und Völker
alle Menschen wahrhaft Brüder und Schwestern sind.
II ,,In Leib und Seele einer"
362 Die nach dem Bilde Gottes erschaffene menschliche Person ist ein
zugleich körperliches und geistiges Wesen. Der biblische Bericht bringt
das in einer sinnbildlichen Sprache zum Ausdruck, wenn er sagt: ,,Da formte
Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine
Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen"
(Gen 2,7). Der ganze Mensch ist von Gott gewollt.
363 In der Heiligen Schrift bedeutet der Ausdruck Seele oft das Leben
des
Menschen [Vgl. Mt 16,25-26- Job 15,13.]oder die ganze menschliche Person
[Vgl. Apg 2,41.]. Er bezeichnet aber auch das Innerste im Menschen [Vgl.
Mt 26,38; Job 12,27.], das Wertvollste an ihm [Vgl. Mt 10,28; 2 Makk 6,30.],
das, wodurch er am meisten nach dem Bild Gottes ist: ,,Seele" benennt
das geistige Lebensprinzip im Menschen.
364 Der Leib des Menschen hat an der Würde des Seins ,,nach dem Bilde
Gottes" teil: er ist eben deswegen menschlicher Leib, weil er durch
die geistige Seele beseelt wird. Die menschliche Person ist als ganze
dazu bestimmt, im Leibe Christi zum Tempel des Geistes zu werden [Vgl.
1 Kor 6,19-20; 15,44-45.].
,,In Leib und Seele einer, vereint der Mensch durch seine leibliche Verfaßtheit
die Elemente der stofflichen Welt in sich, so daß sie durch ihn ihren
Höhepunkt erreichen und ihre Stimme zum freien Lob des Schöpfers erheben.
Das leibliche Leben darf also der Mensch nicht geringachten; er muß im
Gegenteil seinen Leib als von Gott geschaffen und zur Auferweckung am
Jüngsten Tag bestimmt für gut und der Ehre würdig halten" (GS 14,1).
365 Die Einheit von Seele und Leib ist so tief, daß man die Seele als
die ,,Form" des Leibes [Vgl. K. v. Vienne 1312: DS 902.]zu betrachten
hat, das heißt die Geistseele bewirkt, daß der aus Materie gebildete Leib
ein lebendiger menschlicher Leib ist. Im Menschen sind Geist und Materie
nicht zwei vereinte Naturen, sondern ihre Einheit bildet eine einzige
Natur.
366 Die Kirche lehrt, daß jede Geistseele unmittelbar von Gott geschaffen
ist [Vgl. Pius XII., Enz. ,,Humani generis" 1950: DS 3896; SPF 8.]-
sie wird nicht von den Eltern ,,hervorgebracht" - und daß sie unsterblich
ist [Vgl. 5. K. im Lateran 1513: DS 1440.]: sie geht nicht zugrunde, wenn
sie sich im Tod vom Leibe trennt, und sie wird sich bei der Auferstehung
von neuem mit dem Leib vereinen.
367 Manchmal wird die Seele vom Geist unterschieden. So betet der hl.
Paulus: ,,Gott ... heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist,
eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid"
bei der Wiederkunft des Herrn (1 Thess 5,23). Die Kirche lehrt, daß diese
Unterscheidung die Seele nicht zweiteilt [Vgl. 4. K. v. Konstantinopel
870: DS 657]. Mit ,,Geist" ist gemeint, daß der Mensch von seiner
Erschaffung an auf sein übernatürliches Ziel hingeordnet ist [Vgl. 1.
Vatikanisches K.: DS 3005; GS 22,5]und daß seine Seele aus Gnade zur Gemeinschaft
mit Gott erhoben werden kann [Vgl. Pius XII., Enz. ,,Humani generis",
1950: DS 3891.].
368 Die geistliche Tradition der Kirche legt auch Wert auf das Herz im
biblischen Sinn des ,,Wesensgrundes" oder ,,Inneren" (Jer 31,33),
worin sich die Person für oder gegen Gott entscheidet [Vgl. Dtn 6,5; 29,3;
Jes 29,13;Ez 36,26; Mt 6,21; Lk 8,15; Röm 5,5.].
III ,,Als Mann und Frau schuf er sie"
Gottgewollte Gleichheit und Verschiedenheit
369 Mann und Frau sind erschaffen, das heißt gottgewollt in vollkommener
Gleichheit einerseits als menschliche Personen, andererseits in ihrem
Mannsein und Frausein. ,,Mann sein und ,,Frau sein" ist etwas Gutes
und Gottgewolltes: beide, der Mann und die Frau, haben eine unverlierbare
Würde, die ihnen unmittelbar von Gott, ihrem Schöpfer zukommt [Vgl. Gen
2,7.22.]. Beide, der Mann und die Frau, sind in gleicher Würde ,,nach
Gottes Bild". In ihrem Mannsein und ihrem Frausein spiegeln sie die
Weisheit und Güte des Schöpfers wider.
370 Gott ist keineswegs nach dem Bild des Menschen. Er ist weder Mann
noch Frau. Gott ist reiner Geist, in dem es keinen Geschlechtsunterschied
geben kann. In den ,,Vollkommenheiten" des Mannes und der Frau spiegelt
sich jedoch etwas von der unendlichen Vollkommenheit Gottes wider: die
Züge einer Mutter [Vgl. Jes 49,14-15; 66,13; Ps 131,2-3.]und diejenigen
eines Vaters und Gatten [Vgl. Hos 11,1-4; Jer 3,4-19.].
,,Füreinander" - eine ,,Zwei-Einheit"
371 Miteinander erschaffen, sind der Mann und die Frau von Gott auch
füreinander gewollt. Das Wort Gottes gibt uns das durch verschiedene Stellen
der Heiligen Schrift zu verstehen: ,,Es ist nicht gut, daß der Mensch
alleinbleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht"
(Gen 2, 18). Keines der Tiere kann für den Menschen eine solche Entsprechung
sein (Gen 2,19-20). Die Frau, die Gott aus einer Rippe des Mannes ,,baut"
und dem Mann zuführt, läßt diesen, über die Gemeinschaft mit ihr beglückt,
voll Bewunderung und Liebe ausrufen: ,,Das endlich ist Bein von meinem
Bein und Fleisch von meinem Fleisch!" (Gen 2,23). Der Mann entdeckt
die Frau als ein anderes Ich, als Mitmenschen.
372 Der Mann und die Frau sind ,,füreinander" geschaffen, nicht
als ob Gott sie nur je zu einem halben, unvollständigen Menschen gemacht
hätte. Vielmehr hat er sie zu einer personalen Gemeinschaft geschaffen,
in der die beiden Personen füreinander eine ,,Hilfe" sein können,
weil sie einerseits als Personen einander gleich sind (,,Bein von meinem
Bein") und andererseits in ihrem Mannsein und Frausein einander ergänzen.
In der Ehe vereint Gott sie so eng miteinander, daß sie, ,,nur ein Fleisch
bildend" (Gen 2,24), das menschliche Leben weitergeben können: ,,Seid
fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde!" (Gen 1,28). Indem
sie das menschliche Leben ihren Kindern weitergeben, wirken Mann und Frau
als Gatten und Eltern auf einzigartige Weise am Werk des Schöpfers mit
[Vgl. GS 50,1.].
373 Nach dem Plane Gottes haben Mann und Frau die Berufung, als von Gott
bestellte ,,Verwalter" sich die Erde zu ,,unterwerfen". Diese
Oberhoheit darf keine zerstörerische Willkürherrschaft sein. Nach dem
Bild des Schöpfers geschaffen, ,,der alles, was da ist, liebt" (Weish
11,24), sind Mann und Frau berufen, an der göttlichen Vorsehung für die
anderen Geschöpfe teilzunehmen. Sie sind deshalb für die Welt, die Gott
ihnen anvertraut hat, verantwortlich.
IV Der Mensch im Paradies
374 Der erste Mensch wurde als ein gutes Wesen erschaffen und in Freundschaft
mit seinem Schöpfer und in Einklang mit sich selbst und mit der ihn umgebenden
Schöpfung versetzt. Nur durch die Herrlichkeit der Neuschöpfung in Christus
können diese Freundschaft und Harmonie noch übertroffen werden.
375 Die Kirche legt die Symbolik der biblischen Sprache im Licht des
Neuen Testamentes und der Überlieferung authentisch aus und lehrt, daß
unsere Stammeltern Adam und Eva in einen ursprünglichen Stand der ,,Heiligkeit
und Gerechtigkeit" eingesetzt wurden (K. v. Trient: DS 1511). Diese
Gnade der ursprünglichen Heiligkeit war eine ,,Teilhabe am göttlichen
Leben" (LG 2).
376 Durch die Ausstrahlung dieser Gnade wurde das menschliche Leben in
jeder Hinsicht gestärkt. Solange der Mensch in der engen Verbindung mit
Gott blieb, mußte er weder sterben [Vgl. Gen 2,17; 3,19.]noch leiden [Vgl.
Gen 3,16]. Die innere Harmonie der menschlichen Person, die Harmonie zwischen
Mann und Frau [Vgl. Gen 2,25.]und die Harmonie zwischen dem ersten Menschenpaar
und der gesamten Schöpfung bildete den Zustand der sogenannten ,,Urgerechtigkeit".
377 Die von Gott dem Menschen von Anfang an gewährte ,,Herrschaft"
über die Welt wirkte sich in erster Linie im Menschen als Herrschaft über
sich selbst aus. Der Mensch war in seinem ganzen Wesen heil und geordnet,
weil er von der dreifachen Begierlichkeit [Vgl. 1 Joh 2,16.], die ihn
zum Knecht der Sinneslust, der Gier nach irdischen Gütern und der Selbstbehauptung
gegen die Weisungen der Vernunft macht, frei war.
378 Zeichen der Vertrautheit mit Gott ist es, daß Gott den Menschen in
den ,,Garten" setzt [Vgl. Gen 2,8.]. Er lebt darin, ,,um ihn zu hegen
und zu pflegen" (Gen 2,15). Die Arbeit ist für Mann und Frau nicht
Fron [Vgl. Gen 3,17-19.], sondern Mitwirken mit Gott an der Vervollkommnung
der sichtbaren Schöpfung.
379 Diese ganze Harmonie der Urgerechtigkeit, die der Plan Gottes für
den Menschen vorgesehen hatte, ging durch die Sünde unserer Stammeltern
verloren.
KURZTEXTE
380 „Den Menschen hast du nach deinem Bild geschaffen und ihm die Sorge
für die ganze Welt anvertraut. Über alle Geschöpfe sollte er herrschen
und allein dir, seinem Schöpfer, dienen" (MR, Viertes Hochgebet 118).
381 Der Mensch ist vorherbestimmt, das Bild des menschgewordenen Gottessohnes
–– „Ebenbild des unsichtbaren Gottes" (Kol 1,15) - treu wiederzugeben,
damit Christus der Erstgeborene von vielen Brüdern und Schwestern sei
[Vgl. Eph 1,3-6; Röm 8,29.].
382 Der Mensch ist „in Leib und Seele einer" (GS 14,1). Die Glaubenslehre
sagt, daß die geistige, unsterbliche Seele unmittelbar von Gott erschaffen
ist.
383 „Gott hat den Menschen nicht allein geschaffen: denn von Anfang an,
hat er sie als Mann und Frau geschaffen' (Gen 1,27), deren Verbindung
die erste Form von Gemeinschaft unter Personen bewirkt" (GS 12,4).
384 Die Offenbarung läßt uns den Stand der Urheiligkeit und Urgerechtigkeit
des Mannes und der Frau vor der Sünde erkennen. Ihrer Freundschaft mit
Gott entsprang die Glückseligkeit ihres Daseins im Paradies.
Absatz 7. Der Sündenfall
385 Gott ist unendlich gut und alle seine Werke sind gut. Niemand entgeht
jedoch der Erfahrung des Leides, der natürlichen Übel - die mit den Grenzen
der Geschöpfe gegeben zu sein scheinen - und vor allem kann niemand dem
Problem des sittlich Schlechten ausweichen. Woher stammt das Böse? ,,Ich
fragte nach dem Ursprung des Bösen, doch es fand sich kein Ausweg",
sagt der hl. Augustinus (conf. 7,7,11), und sein schmerzliches Suchen
wird erst in seiner Bekehrung zum lebendigen Gott einen Ausweg finden.
,,Die geheime Macht der Gesetzwidrigkeit" (2 Thess 2,7) enthüllt
sich nämlich nur im Licht des ,,Geheimnisses des Glaubens" (1 Tim
3,16). Die in Christus geschehene Offenbarung der göttlichen Liebe zeigt
zugleich die Größe der Sünde und die Übergröße der Gnade [Vgl. Röm 5,20.].
Wenn wir uns der Frage nach dem Ursprung des Bösen stellen, müssen wir
also den Blick unseres Glaubens auf den richten, der allein dessen Besieger
ist [Vgl. Lk 11,21-11; Joh 16,11; 1 Joh 3,8.].
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Katechismus der Katholischen Kirche Inhalt
Quelle: http://www.vatican.va/
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