|
|
|
|
|
Inhalt: "Göttliche Komödie"
VIII. Kreis. 7. Bulge. Diebe als Schlangen. Fuccio.
In jenem Teil vom jugendlichen Jahre,
Wo Nacht den halben Tag nur deckt, und mild
Im Wassermann erglänzen Phöbus Haare,
Malt oft der Reif, wenn Nebel das Gefild
Am Abend deckt, bei scharfen Morgenlüften
Vom Bruder Schnee ein schnellverwischtes Bild.
Wenn dann der Hirt, der Futter von den Triften
Gar nötig braucht, aufsteht und jeden Ort
Schneeweiß erblickt, dann schlägt er sich die Hüften
Und kehrt zum Haus, beklagt sich hier und dort
Und weiß nicht, was zu tun vor großem Leide—
Doch frische Hoffnung faßt er dann sofort.
Denn schon erscheint die Welt in anderm Kleide;
Schnell kommt er nun mit seinem Stab herbei
Und treibt die muntern Schäflein auf die Weide.
So staunt ich, daß mein Meister zornig sei,
Daß ungewohnter Mißmut ihn bedrücke;
So schnell auch kam zum Schmerz die Arzenei.
Denn kaum gelangt zu der verfallnen Brücke,
Kehrt ihm die Huld, mit der er zu mir trat
Am Fuß des Bergs, aufs Angesicht zurücke.
Die Arme breitet er, nachdem er Rat
Mit sich gepflogen, wohl den Schutt betrachtend,
Und dann erfaßt er mich mit rascher Tat.
Und wie ein Mann, der wohl auf alles achtend.
Im voraus scharf erwägt, was er vermag,
Hob er mich auf ein Felsenstück, beachtend,
Daß nahe dort ein andrer Zacken lag,
Und sprach: "Anklammre dich, doch wahrgenommen
Sei durch Versuch erst, obs dich tragen mag.
Kein Kuttenträger war hinaufgekommen.
Da wir, ich fortgeschoben, er so Ieicht,
Mit Mühe nur von Block zu Blocke klommen.
Auch hätt ich nimmermehr, und er vielleicht,
Wenn niedrer nicht, als jenseits diesem Grunde
Das Ufer war, des Dammes Höh erreicht.
Doch weil sich Übelsäcken nach dem Munde
Des tiefen Brunnens hin allmählich neigt,
So liegts von selbst im Bau von jedem Runde,
Daß hier der Damm sich senkt, dort höher steigt.
Am Ende kamen wir bis zu der Spitze,
Wo sich der Felsentrümmer letzte zeigt-
Mir glühte Wang und Blut in solcher Hitze,
Daß ich. sobald ich mich hinaufgerafft,
Mich keuchend niederließ auf einem Sitze.
Mein Meister sprach: "Jetzt ziemt dir frische Kraft;
Denn nimmer kommt der Ruhm dem zugeflogen,
Der unter Flaum auf weichem Pfühl erschlafft.
Und wer durchs Leben ruhmlos hingezogen,
Der läßt nur so viel Spur in dieser Welt,
Wie in den Lüften Rauch, Schaum in den Wogen.
Drum auf! wenn Mattigkeit dich niederhält,
Wird sie der Geist, wird jeden Feind besiegen,
Wenn er nicht wie der schwere Leib verfällt.
Erklimmen mußt du noch weit längre Stiegen;
Nicht gnügts, von hier gerettet fortzuziehn,
Verstehe mich, so wirst du nie erliegen!"—
Da stand ich auf; mehr, als ichs fühlte, schien
Mein Odem frei, die Brust der Bürd enthoben,
Auch rief ich: Fort, denn ich bin stark und kühn!
Wir gingen fort—der Fels war rauh, verschoben,
Von Höckern voll und schwierig zu begehn,
Bei weitem steiler auch, als weiter oben.
Um frisch zu scheinen, sprach ich laut im Gehn,
Bis eine Stimm aus jenem Grund erschollen,
Verworren, wild und schwierig zu verstehn.
Nicht weiß ich, was die Stimme sagen wollen,
Obwohl ich auf des Bogens Höhe stand,
Doch schien, der sprach, zu zürnen und zu grollen.
Ich stand, das Angesicht zum Grund gewandt,
Doch drang kein Menschenblick in seine Schauer,
Drum sprach ich: "Meister, komm zum nächsten Strand
Und führe mich hinab von dieser Mauer.
Hier hör ich zwar, doch ich verstehe nicht,
Und, sehend, unterscheid ich nichts genauer."
"Die Tat", sprach er mit freundlichem Gesicht,
"Sei Antwort dir, weil sichs geziemt, mit Schweigen
Zu tun, was der verständ gen Bitt entspricht."
Wir eilten, bei der Brück hinabzusteigen,
Da, wo sie auf dem achten Damme ruht,
Und hier begann die Tiefe sich zu zeigen.
Ich sah in Knäueln grause Schlangenbrut,—
Und denk ich heut der ekeln, mannigfachen
Scheusale noch, so starrt vor Graun mein Blut.
Nicht mag sichs Libyen mehr zum Ruhme machen,
Daß es Blindschleichen, Nattern, Ottern hegt
Und Vipernbrut und giftge Wasserdrachen.
Wie solche Pest nicht Äthiopien trägt,
So tönt am ganzen Strand kein solch Gezische,
An den die Flut des Roten Meeres schlägt.
Und unter diesem greulichen Gemische
Lief eine nackte, schreckensvolle Schar,
Nicht hoffend, daß sie je von dort entwische.
Am Rücken band die Hand ein Schlangenpaar,
Das Schwanz und Haupt durch Kreuz und Nieren steckte
Und vorn zu einem KnäuI verschlungen war.
Da stürzt auf einen, den ich dort entdeckte,
Ein Ungeheur, das ihm den Hals durchstach
Und aus dem Nacken vor die Zunge streckte.
Und eh man Amen sagt und Oh und Ach,
Sah ich, wie er, entzündet und in Flammen,
Auch schon als Staub in sich zusammenbrach.
Und wie die Glieder kaum in nichts verschwammen,
So fügte sich, gesammelt, alsobald
Der Staub zur vorigen Gestalt zusammen.
So stirbt der Phönix, fünf Jahrhundert alt,
(Die großen Weisen sagens) sich bekleidend
Mit neuerzeugter Jugend und Gestalt,
Sich nicht von Kräutern noch von Körnern weidend,
Von Weihrauchtränen und Amomen nur,
In einer Hüll aus Nard und Myrrhe scheidend.
Und gleich wie der, der ohne Lebensspur
Zu Boden sank, vielleicht vom Krampf gebunden,
Vielleicht auch, weil in ihn ein Dämon fuhr.
Sich umschaut, wenn er sich emporgewunden,
Und um sich schauend stöhnt, verwirrt,
Von großer Todesangst, die er empfunden;
So war der aufgestandne Sünder jetzt.—
Oh möge keiner Gottes Rach entzünden,
Der solche Streich in deinem Zorn versetzt!
Gebeten, seinen Namen zu verkünden,
Entgegnet er: "Ich bin seit kurzem hier,
Von Tuscien hergestürzt nach diesen Schlünden.
Ich lebte nicht als Mensch, ich lebt als Tier,
Ich, Bastard Fucci, den man Vieh benannte.
Und würdge Höhle war Pistoja mir."
Ich sprach, indem ich mich zum Meister wandte:
"Er weicht uns aus—doch frag ihn: weshalb kam
Er hierher, da er stets von Blutdurst brannte?"
Aufrichtig ward er, als er dies vernahm,
Und Geist und Angesicht mir zugewendet,
Begann er nun, gedrückt von trüber Scham:
"Mehr schmerzt michs, daß dein Schicksal dich gesendet,
Um mich in diesem Jammerstand zu schaun,
Als daß ich oben meinen Lauf geendet.
Doch was du fragtest, muß ich dir vertraun:
Daß ich im Heiligtum zu stehlen wagte,
Hat mich herabgestürzt in tiefres Graun.
Drob litten manche fälschlich Angeklagte.—
Daß du mich sahst, soll wenig dich erfreun,
Kommst du je fort von hier, wos nimmer tagte.
Drum hör, um jetzt dein Hierein zu bereun:
Pistoja wird die Schwarzen erst verjagen,
Und dann Florenz so Volk als Sitt erneun.
Aus Nebeln, die auf Magras Tale lagen,
Zieht Mars den schweren Wetterdunst heraus,
Und Sturme tosen dann und Blitze schlagen
Auf dem Picener Feld im wilden Strauß,
Daß sich zerstreut die Nebel plötzlich senken,
Und alle Weißen fliehn in Angst und Graus.
Dies aber sagt ich dir, um dich zu kränken."
Inhalt: "Göttliche Komödie"
Download: "Göttliche Komödie"
Quelle: http://www.gutenberg.org/cache/epub/8085/pg8085.txt
Read also in English: The Divine Comedy
Читайте також: Данте Аліг'єрі. Божественна комедія.
Читайте также: Данте Алигьери. Божественная комедия.
Top
Empfehlen Sie diese Seite einem Freund!
|
|
|
Siehe auch |
|
|
|