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Ein Licht auf dem Leuchter des Kreuzes Die Geschichte von Chiara Corbella Petrillo (1984-2012)
   

Autor: Lilla Danilecka,
Liebt einander! 3/2013 → Geschichte



„Francesco, ich gehe in den Himmel, um mich dort um Maria und David zu kümmern, und du bleibst bei Papa. Dort werde ich für euch beten. Gott der Herr wollte schon von jeher, dass du lebst, und Er selbst wird dir den Weg zeigen, wenn du Ihm dein Herz öffnest. Vertraue Ihm, denn es lohnt sich wirklich. Chiara, deine Mama.“

Diese Worte schrieb die 28-jährige Chiara Petrillo eine Woche vor ihrem Krebstod, der am 13. Juni 2012 in Rom eintrat. An ihrem Begräbnis nahmen über zweitausend Menschen teil, und Kardinal Agostino Vallini, der Generalvikar von Rom, sagte am Ende der Trauerfeier: „Ich weiß nicht, was Gott durch diese neue Gianna Beretta-Molla für uns, für unsere Stadt und für die Welt beabsichtigt, aber mit Sicherheit haben wir nicht das Recht, gleichgültig daran vorbeizugehen.“

Chiara und Enrico lernten sich 2002 kennen. Beide waren Musiker. Sie trafen sich, sie stritten sich, sie trennten sich und kehrten wieder zueinander zurück, um schließlich am 21. September 2008 zu heiraten. Sehr bald wurde Chiara zum ersten Mal schwanger. Die Ärzte stellten fest, dass das Kind an Anenzephalie (fehlendem Gehirn) litt und schlugen einen Schwangerschaftsabbruch vor, doch die Eltern gaben dazu nicht ihr Einverständnis. Maria Grazia Laetizia kam zur Welt, aber eine halbe Stunde später starb sie, nachdem sie das Taufsakrament erhalten hatte.

Einige Monate später erwartete Chiara wieder ein Kind. Es stellte sich heraus, dass dieser Junge keine entwickelten Beinchen und keinen Darm hatte. Der kleine David ging einige Stunden nach seiner Geburt in den Himmel ein. Die dritte Schwangerschaft schien glücklicher zu verlaufen. Der Fötus entwickelte sich normal. Doch leider ertastete Chiara im fünften Schwangerschaftsmonat eine kleine Wunde auf der Zunge, die sich als sehr bösartiger Tumor entpuppte. Sie beschloss, die Behandlung bis zur Entbindung hinauszuzögern, um das Kind nicht zu schädigen, aber diese Entscheidung kostete sie selbst das Leben. Francesco wurde am 30. Mai 2011 gesund geboren. Sofort nach der Entbindung durch Kaiserschnitt unterzog sich Chiara einer Chemo- und Bestrahlungstherapie. Doch im April 2012 erfuhr sie, dass alles umsonst gewesen war. Die Behandlung war zu spät begonnen worden… Das Auge war von Metastasen befallen und Chiara musste sich einer weiteren Operation unterziehen.

Am Abend des 12. Juni begann ihre Agonie. Pater Vito d´Amato, Franziskaner und Seelenführer von Chiara und Enrico schon seit ihrer Verlobungszeit, kam, so schnell er konnte. Um ein Uhr nachts feierte er die hl. Messe im Kreis der Familie, die sich am Bett der jungen Mutter versammelt hatte.

Am 12. Juni verkündete die Kirche das Evangelium vom Salz der Erde und vom Licht der Welt (Matthäus 5,13-16). Der Priester sagte, dieses Licht sei Jesus, und er fragte Chiara, was wohl der Leuchter sei. Sie antwortete, ohne zu zögern: „Das Kreuz.“ Pater Vito sagte daraufhin: „Chiara, da aus dir ein so wunderschönes Licht strömt, heißt das, dass du mit Jesus am Kreuz bist.“ Nach dem Empfang der hl. Kommunion strahlte Chiara noch mehr und flüsterte: „Es ist vollbracht.“ Sie war nicht nur ruhig, sondern geradezu glücklich, erinnert sich Pater Vito. Sie dankte allen und lobte Gott. Ihre letzten Stunden verbrachte sie vor dem in ihrem Zimmer ausgestellten Allerheiligsten Sakrament. Sie starb genau am Mittag des 13. Juni, und Enrico bat, man möge ihr für den Sarg ihr Brautkleid anziehen: „Chiara ist zu ihrem Bräutigam zurückgekehrt, Der sie viel mehr liebte als ich.“

Die Ehe in der Hand Mariens

Chiara und Enrico hatten sich lange und ernsthaft auf ihre Eheschließung vorbereitet. Ihr Freund und Vertrauter, Pater Vito d´Amato, hatte ihre Kinder getauft und Chiara bis zu den letzten Augenblicken ihres Lebens begleitet. Er war es, der ihnen vorgeschlagen hatte, alles der Mutter Gottes zu weihen, und er gab ihnen ein Gebet für die Marienweihe, das sie jeden Tag gemeinsam beteten. Dieser Weihe blieben sie bis ans Ende treu.

Sie erlagen nicht den todbringenden Überredungsversuchen der Ärzte und konnten auf heroische Weise die gnadenlosen Schicksalsschläge annehmen, die einer nach dem anderen auf sie einprasselten. „Die letzten Monate waren sehr schwer, aber auch wunderbar. Chiara litt sehr. Alles taten wir gemeinsam, ohne Eile, indem wir jeden Moment zelebrierten. In dieser Zeit vertiefte sich unsere Beziehung sehr, und Jesus war die ganze Zeit bei uns gegenwärtig. Wie schön ist das Bewusstsein, dass Christus selbst am Kreuz des Menschen ausharrt!“ Als er gefragt wurde, ob er nicht manchmal eifersüchtig auf Jesus war, antwortete Enrico lachend: „Wie könnte ich eifersüchtig auf Jemanden sein, Den ich selbst liebe?! Außerdem ist Jesus der einzige Bräutigam, dessen Liebe niemals enttäuscht… Chiara ist zu Dem zurückgegangen, Den sie liebte! Sie hat aus der Liebe zu Christus Kraft für die eheliche Liebe geschöpft…“

Durch welches Wunder hat Enrico die Kraft, Zeugnis über das Glück abzulegen, das er inmitten von Erfahrungen entdeckte, die nicht wenige Familien an den Rand der abgrundtiefsten Verzweiflung gebracht hätten? Pater Vito d´Amato ist davon überzeugt, dass dies auf ihre gemeinsame Lebensphilosophie zurückzuführen ist: Niemals der Meinung sein, wir hätten auf irgendetwas ein Anrecht, sondern alles als Geschenk annehmen und in allem das Angesicht des Gebers erkennen können. „Entweder nimmst du dein Leben als Geschenk an und kannst dieses Geschenk mit anderen teilen, oder du strebst unentwegt nach Besitz und dem Anhäufen verschiedener Güter, um die du später Angst hast, sie zu verlieren. Ein Mensch, der sein Leben nicht annehmen und verschenken kann, sieht den anderen Menschen als potenzielle Bedrohung, selbst wenn dieser Mensch das eigene kleine Kind ist“, sagt Pater Vito und fügt hinzu, dass Chiara glücklich gestorben ist, weil sie keine ihrer Entscheidungen bereut hat. Sie hat oft wiederholt, dass wenn sie eine Abtreibung hätte durchführen lassen, sie sicher an nichts anderes mehr gedacht hätte als daran, wie sie diesen Tag vergessen sollte. Stattdessen betrachte sie die Tage der Geburt ihrer beiden Kinder für die Welt und den Himmel als die glücklichsten in ihrem Leben.

Am Morgen des 13. Juni fragte Enrico Chiara: „Liebling, ist das Joch des Herrn wirklich süß?“ Die Kranke atmete bereits schwer, aber sie antwortete mit einem Lächeln: „Ja, Enrico, sehr süß.“ Während der langen Monate des Kampfes mit der Krankheit fragten die Leute das junge Ehepaar immer wieder, ab sie das Kreuz liebten. Chiara und Enrico antworteten dann einmütig: „Nein, wir lieben das Kreuz nicht, aber Den, Der an ihm hing.“ Im Meer der von ihnen vergossenen Tränen, derer sie sich überhaupt nicht schämten, fanden sie eine Perle: das Geheimnis, dass das Kreuz nur dann leicht wird, wenn man es gemeinsam mit Christus trägt. „Wir waren ineinander verliebt, und gleichzeitig beide in Jesus verliebt. Unser Leben war erfüllt und die Liebe stärker als der Tod“, sagt Enrico. „Wir erhielten die Gnade, der Gnade niemals Widerstand oder Grenzen entgegenzusetzen. Wir sagten »Ja« und fassten Jesus ganz fest an der Hand. Er bat uns nämlich um Dinge, die wir aus eigener Kraft nicht ertragen könnten.“ Als Chiara erfuhr, dass es für sie keine Rettung mehr gab, fragte sie ihren Mann: „Enrico, wenn du wüsstest, dass dieses Opfer hilft, zehn Menschen zu erlösen, wärest du einverstanden?“ – „Ja, aber nur mit Hilfe der Gnade.“ – „Ich auch, Enrico. Deshalb bete ich um das Wunder meiner Heilung, aber ich sehne mich nicht wirklich danach.“

Pater Vito bekennt, dass das Zeugnis von Chiara und Enrico ihn von der Schönheit, aber auch den Grenzen der menschlichen Ehe überzeugt hat. Das italienische Wort „coniugi“, also „Eheleute“, bedeutet wörtlich: „die, die das Joch gemeinsam tragen“. Enrico und Chiara waren bereit, gemeinsam das Joch Jesu zu tragen, darum war es ihnen süß. Am Tag ihrer Hochzeit schlossen sie einen Bund mit dem Allmächtigen, und aus Ihm schöpften sie ihre Kraft für vier Jahre, die wie eine Ewigkeit des Leidens erschienen. Andererseits ist die menschliche Ehe nur das Zeichen einer Beziehung, nach der wir alle streben: der bräutlichen Beziehung des Schöpfers zu seinem Geschöpf. Christus will der Bräutigam jeder menschlichen Seele sein. Das heutige Vermählungsritual betont, dass die Liebe von Mann und Frau ein Bild der Liebe Gottes ist. Enrico fügt hinzu, dass er am Sterbetag Chiaras, als er in ihr strahlendes Gesicht sah, Freunden folgende SMS schickte: „Unsere Lampen sind angezündet. Wir warten auf den Bräutigam.“ Sie waren bereit – und Er kam.

Im Rufe der Heiligkeit

Auf den Samstag des 16. Juni 2012 fiel das Fest des Unbefleckten Herzens Mariens, der Chiara und Enrico jeden Tag ihr „Totus tuus“ sagten. In der Kirche der hl. Franziska von Rom versammelten sich über zweitausend Gläubige und etwa dreißig Priester. Pater Vito d´Amato stand der Messfeier von der Seligsten Jungfrau Maria vor. Unter den Konzelebranten befand sich unter anderem Kardinal Agostino Vallini, der Generalvikar von Rom.

Die Lieder über die Ehe wurden von Enrico selbst komponiert, und sie gaben dieser ungewöhnlichen Begräbnismessfeier einen so freudigen Charakter, dass manche ihrer Teilnehmer den Eindruck hatten, hier handele es sich um einen Irrtum. Der kleine Francesco, der gerade ein Jahr alt geworden war, lief fröhlich um die Kirchenbänke herum. Es werden noch viele Jahre vergehen, ehe er die Worte des Testaments seiner Mutter verstehen wird, welches sein Vater von der Kanzel her verlas: „Eines Tages sind wir dazu geboren worden, um nie mehr zu sterben. Mein Kind, was immer du im Leben tun wirst, gib niemals auf. Denke daran, dass wenn Gott dir etwas wegnimmt, dann nur, um dir noch mehr zu geben. Es ist gut, um sich herum nach Lebensbeispielen zu suchen, die dich daran erinnern, dass man wirklich schon hier auf Erden großes Glück erfahren kann, vorausgesetzt, wir erlauben es Gott, uns zu führen. Im Leben zählt nur die Liebe. Das Ziel unseres Lebens auf Erden ist der Himmel, und die Hingabe des eigenen Lebens aus Liebe ist etwas wirklich Wunderschönes. Francesco, ich gehe in den Himmel, um mich dort um Maria und David zu kümmern, und du bleibst bei Papa. Dort werde ich für euch beten. Gott der Herr wollte schon von jeher, dass du lebst, und Er selbst wird dir den Weg zeigen, wenn du ihm dein Herz öffnest. Vertraue Ihm, denn es lohnt sich wirklich. Chiara, deine Mama.“

Diese ganze Geschichte klingt so ungewöhnlich, dass man sie mit der Bemerkung abtun möchte, dies sei kein Weg für gewöhnliche Menschen. Doch wie Pater Vito bemerkte, fordert uns Jesus nicht dazu auf, Wasser in Wein zu verwandeln, sondern nur, die Krüge mit Wasser zu füllen.

Das Gebet der Weihe an Maria, das Chiara und Enrico jeden Tag beteten:

O Jungfrau Maria, Du, die Du meine Mutter bist, die Du mich so sehr von Gott her liebst, nimm heute meinen Wunsch an, mich Dir vollkommen zu weihen. Ich gebe Dir mein ganzes Wesen und mein ganzes Leben, ich gebe Dir meinen Leib, meine Gedanken und Gefühle, meine tiefe Fähigkeit zu lieben und die Wahrheit zu erkennen. Alles, was mein ist, soll Dein sein und Dir gehören. Alles übergebe ich Dir, damit ich ganz Christus gehören kann, Der das Leben meines Lebens ist. Mit Liebe und Vertrauen sage ich zu Dir: „Morgenstern, führe mich zu Jesus“.

Totus Tuus!





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Veröffentlicht mit Zustimmung des "Liebt einander!" im Februar 2018.



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