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Mythen rund ums Mittelalter (1. Teil)
   

Autor: Grzegorz Kucharczyk,
Liebt einander! 1/2011 → Geschichte



Die Beurteilung des Mittelalters als eine Zeit der Finsternis und des Aberglaubens durch unsere Zeit ist nichts anderes als Heuchelei, denn es reicht, die erst beste Zeitschrift aufzuschlagen oder einen  beliebigen Fernsehsender einzuschalten, um sich davon zu überzeugen, welch großer Beliebtheit sich verschiedene Arten von Wahrsagern, Kartenlegern oder Wunderheilern erfreuen …

Mythen rund ums Mittelalter (2. Teil)

Das Mittelalter hat keine gute Presse. Seit den Zeiten des Humanismus (15. Jahrhundert) über die Aufklärung (18. Jahrhundert), den Positivismus sowie diverse „wissenschaftliche Weltanschauungen“ des 19. und 20. Jahrhunderts (mit dem Marxismus an erster Stelle) wird ununterbrochen eine Art „dunkler Legende“ rund ums Mittelalter aufgebaut. Gewöhnlich wird das Mittelalter als eine Epoche des Zivilisationsrückschritts, der Unwissenheit und des Aberglaubens, der Grausamkeit und des Hasses gegenüber Andersgläubigen bezeichnet. Sicherlich ist beim Verständnis dieser Sichtweise die Tatsache behilflich, dass das Mittelalter in der Geschichte Europas diejenige Epoche war, die man am ehesten als „christliches Zeitalter“ bezeichnen kann. Es existierte damals tatsächlich die sogenannte Christianitas, d. h. die christliche Völkergemeinschaft, in der das Christentum nicht nur in der Privatsphäre, sondern auch in der Öffentlichkeit lebte. Für die Autoren der vor ein paar Jahren abgelehnten neuen europäischen Verfassung beschränkte sich die in der Präambel enthaltene Beschreibung der kulturellen Wurzeln Europas auf das Altertum und die Aufklärung. Über das Christentum (den sichtbarsten kulturellen Faktor) fiel kein einziges Wort …

Wenn man sich die Vorwürfe näher anschaut, die schon Jahrhunderte hindurch dem Mittelalter gemacht werden, dann sieht man die charakteristische Verbindung zwischen Unwissenheit und Heuchelei. Denn die Beurteilung des Mittelalters als ein Zeitalter der Finsternis und des Aberglaubens durch unsere Zeit ist nichts anderes als Heuchelei. Es reicht, die erst beste Zeitschrift aufzuschlagen oder einen beliebigen Fernsehsender einzuschalten, um sich davon zu überzeugen, welch großer Beliebtheit sich verschiedene Arten von Wahrsagern, Kartenlegern oder Wunderheilern erfreuen … Ähnlich verhält es sich mit den Vorwürfen, die Menschen des Mittelalters seien besonders grausam gewesen. Aus der Perspektive des 20. Jahrhunderts – der Epoche des Völker- und Massenmordes – klingen diese Vorwürfe einfach lächerlich. Von diesem Standpunkt aus gesehen erscheint das Mittelalter im Vergleich mit dem vor Kurzem beendeten Zeitalter der totalitären Systeme als eine Oase des Friedens.

Die mittelalterliche Entwicklung der Wissenschaften

Es geht hier nicht nur um banale Vergleiche. Wir kommen nun zum Problem der Unwissenheit der Kritiker des „dunklen Zeitalters“. Man sollte sich ins Gedächtnis rufen, dass das Mittelalter ein Zeitalter des systematischen Fortschritts war, und zwar nicht nur im Bereich des Wissens, sondern auch im Bereich der Naturwissenschaften. Bis zum heutigen Tag basiert die westliche Zivilisation auf einer Institution, die im Mittelalter – vor allem unter dem Patronat der Kirche - entstanden ist: der Universität. Die ersten Universitäten entstanden zu Anfang des 12. Jahrhunderts (Bologna). Die renommiertesten Lehranstalten haben ihre Wurzeln im Mittelalter. Man braucht hier nur die Universitäten von Oxford, Cambridge, Salamanca, Coimbra, die Sorbonne und Montpellier oder Prag und Krakau zu erwähnen. Die Entwicklung der mittelalterlichen Wissenschaften beruhte auf der Offenheit dieser Epoche für die intellektuellen Schätze des Altertums. Die Renaissance des 16. Jahrhunderts war nämlich nicht die erste Renaissance in der Geschichte der europäischen Zivilisation. Im 8. und 9. Jahrhundert gab es die karolingische Renaissance. Die Renaissance im 12. Jahrhundert beruhte derweil auf den Entdeckungen des Wissens der großen Philosophen des Altertums wie Aristoteles.

Ein bis auf den heutigen Tag wirkender Nachlass aus dem Mittelalter ist die Entstehung der internationalen Welt der Wissenschaft. Gerade im Mittelalter wurde es üblich, dass Gelehrte verschiedene Lehrorte aufsuchten. Das Lateinische – die allgemein anerkannte Sprache der europäischen Gelehrten – ermöglichte damals eine problemlose Kommunikation. Der heilige Thomas von Aquin, ein Italiener, lernte bei dem heiligen Albert in Köln und war anschließend Professor an der Pariser Sorbonne. Es gibt sehr viele solcher Beispiele. Eines ist sicher: Das Mittelalter war keine Epoche der Grenzen, sondern vielmehr eine Epoche der Entstehung einer europäischen Geistesgemeinschaft. Denken wir doch daran, dass Mauern eher ein Merkmal des 20. Jahrhunderts und unserer gegenwärtigen Zeiten sind (vgl. die Mauer in Berlin oder die neueste Errungenschaft dieser Art – die Mauer zwischen Israel und Palästina).

Die Entwicklung der Naturwissenschaften, die in diesem Zeitalter stattgefunden hat, belegt die intellektuelle Offenheit und Neugierde des Mittelalters am besten. Dazu beigetragen hat die Entstehung der Universitäten, die wiederum auf die Offenheit der Kirche für die Wissenschaft zurückzuführen ist. Eine sehr wichtige Rolle spielte dabei die Wissensübernahme der antiken Philosophen (mit dem bereits erwähnten Aristoteles an erster Stelle) aus arabischen Übersetzungen. Der Kampf mit dem Islam auf religiöser und politischer Ebene bedeutete nämlich nicht, dass die europäischen Christen sich für intellektuelle Kontakte mit der islamischen Welt verschlossen, vor allem dann nicht, wenn es um die Erneuerung des römisch-griechischen Erbes ging.

Zeitgenössische Forscher der Entwicklung der Wissenschaften betonen, dass gerade das Mittelalter das Fundament für die modernen Wissenschaften gelegt hat. Man führt hier beispielsweise das ungewöhnliche Phänomen der Naturphilosophen an, die zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert an den Universitäten des Mittelalters auftauchten. Es handelte sich überwiegend um Vertreter der in späteren Jahrhunderten so verunglimpften Scholastik (einer Form mittelalterlicher, katholischer Theologie, die einen bei Aristoteles entlehnten Begriffsapparat benutzte). Diese Naturphilosophen beschäftigten sich im Rahmen ihrer Untersuchungen nicht nur mit der Ontologie der Schöpfung, sondern auch mit der physikalischen Gestalt derselben. Man verspottete sie später als diejenigen, die über die Anzahl von Engeln spekulierten, die auf einem Stecknadelkopf Platz finden könnten. Dabei sind in ihren Schriften die Grundlagen der modernen Kinematik und Dynamik zu finden, sowie erste Erwägungen über die Möglichkeit der Bewegung der Erde um die eigene Achse (was die kopernikanische Wende ankündete). Ihre Erörterungen über den unendlich weiten, leeren Raum formten in nicht unerheblicher Weise das Bild des Universums, das die moderne Wissenschaft heute vertritt.

Der zeitgenössische Historiker, E. Grant, stellt fest: „Viele wichtige Probleme, die vor den Gelehrten des 16. und 17. Jahrhunderts auftauchten und die man oft zu lösen vermochte, waren eine geistige Erbschaft des Mittelalters. Hätte es diese Erbschaft nicht gegeben, hätte es die lange philosophische Tradition der Naturwissenschaft auf den mittelalterlichen Universitäten nicht gegeben, so hätte man im 17. Jahrhundert nicht viel gehabt, worüber man hätte diskutieren können. Und ohne die Unterstützung seitens der Kirche und der Theologen wären die mittelalterlichen Universitäten nicht in der Lage gewesen, die Naturwissenschaften, die Logik und die Naturphilosophie in ihre Lehrpläne aufzunehmen. Dies gab den Anstoß zu dem langen, ununterbrochenen Engagement Westeuropas in die wissenschaftliche Überlegung und Problematik.“

Und was war mit der Inquisition?

Einer der Hauptvorwürfe gegen das Mittelalter betrifft die damals angeblich herrschende „tiefe Intoleranz“. In diesem Zusammenhang wird vor allem auf die Institution der Inquisition hingewiesen. „Inquisition“ – ein Symbol für Unterdrückung und Verfolgung wegen anderer Ansichten, eine Institution, die, ihren Kritikern zufolge, alle Merkmale einer prätotalitären Konzeption des Staates und der Gesellschaft aufwies.

Am Anfang sollte man einen Unterschied erwähnen (was viele Kritiker jedoch nicht tun) und die sogenannte römische Inquisition, die im 12. Jahrhundert entstanden war und die dem Papst und anderen Bischöfen unterstand, von der spanischen Inquisition trennen, die im 15. Jahrhundert entstanden war, und die in weit größerem Grade den weltlichen Mächten unterstand. Diese Tatsache führte zu vielfachen Ermahnungen, die aus Rom an die spanische Kirche ergingen. Überhaupt verhält es sich so, dass es sich bei der „dunklen Legende“ der Inquisition vor allem um „die dunkle Legende“ der spanischen Inquisition handelt (vgl. beispielsweise die Gestalt des Großinquisitors Torquemada).

Man muss bedenken, dass die Inquisition (verstanden als ein kirchliches Untersuchungsinstrument für Häresien) in einem bestimmten, geschichtlichen Zusammenhang in Europa entstanden war, als sich nämlich im Süden Frankreichs die religiös und gesellschaftlich gefährliche Häresie der Katharer (Albigenser) auszubreiten begann. Man muss es deutlich und verständlich sagen: Es handelte sich um eine gefährliche Sekte, mit der gesamten „Methodologie“, die Sekten gegenüber ihren Mitgliedern anwenden (Gehirnwäsche, Einverleibung des Besitzes). Die Albigenser beriefen sich auf die Häresie der Manichäer, die behauptet hatten, die Schöpfung sei schlecht, sei das Werk eines „bösen Gottes“. In der Konsequenz sei auch der menschliche Leib böse (er ist nicht „der Tempel des Heiligen Geistes“, wie die Kirche lehrt; deshalb kann und sollte man diesen, beispielsweise durch Ausschweifungen, zerstören). Auch die Gesellschaft sei böse. Wie viele Elternpaare in der heutigen Welt, deren Kinder in die Fänge von Sekten geraten sind, wünschten sich nicht ein härteres Durchgreifen seitens des Staates?

Die Inquisition war als Antwort auf diese Problematik gedacht. Die zeitgenössische Mediävistin Regine Pernoud stellt dazu fest: „Die Institution der Inquisition hatte in der Praxis aber auch eine positive Seite. An die Stelle der Untersuchungsprozedur setzte sie die Prozedur der Anklage. Vor allem jedoch führte sie in einer Zeit, in der die Menschen keine Lust verspürten, Häretikern gegenüber Milde walten zu lassen, eine reguläre Gerichtsbarkeit ein“. Die eben erwähnte Prozedur der Anklage bedeutete (bei der römischen Inquisition), dass der Angeklagte das Recht hatte, dem Tribunal eine Liste von Menschen vorzulegen, die ihm gegenüber aus verschiedenen Gründen feindselig eingestellt sein könnten. Ihre Aussagen wurden dann in der Regel im Inquisitionsverfahren nicht in Betracht gezogen.

Die zweite Frage betrifft die von der Inquisition verhängten Strafen. Was sowohl die römische als auch die spanische Inquisition betrifft, so hatte die Mehrzahl der durch diese verhängten Strafen den Charakter religiöser Buße (man empfahl beispielsweise eine Wallfahrt zu einem bestimmten Heiligtum oder befahl, bestimmte Bußkleidung zu tragen, die in Spanien sambenito hieß). Die zweithäufigste Strafe, die durch die Inquisition verhängt wurde, betraf das Gefängnis. Man muss hier aber daran denken, dass eine Verurteilung zum Gefängnis nicht tatsächlich einen Gefängnisaufenthalt bedeutete. Bei der spanischen Inquisition handelte es sich dabei in der Regel um Hausarrest. Die berühmten „Kasematten der Inquisition“ sind ebenfalls ein Teil der „dunklen Legende“. In der Realität unterschieden sie sich in ihrer Strenge kaum von weltlichen Gefängnissen. Im Gegenteil, im 16. und 17. Jahrhundert fehlte es nicht an Beispielen dafür, dass Menschen Häretiker spielten, um aus einem weltlichen Gefängnis in ein Gefängnis der Inquisition verlegt zu werden, wie der zeitgenössische Erforscher der spanischen Inquisition, Henry Kamen, beweist.

Todesurteile waren sehr selten, vor allem im Vergleich zu der Leichtigkeit, mit der in derselben Zeit weltliche Gerichte die Todesstrafe verhängten. So stellt es auch der soeben erwähnte britische Forscher fest: „(…) Die verhältnismäßig geringe Anzahl an Exekutionen widerspricht der Legende von der blutigen spanischen Inquisition“. Henry Kamen gibt an, dass in den Jahren 1540 bis 1700 die Todesstrafe tatsächlich an weniger als 2% der Angeklagten ausgeführt wurde. Praktisch bedeutete das, dass die Inquisition jährlich im ganzen spanischen Reich und den Kolonien weniger als 3 Menschen zum Tode verurteilte.

Entgegen den Annahmen der Schöpfer der „dunklen Legende“ waren die Inquisitoren keine blutrünstigen Dummköpfe. Eine ganze Reihe von ihnen wurde nach dem Tod heiliggesprochen (der hl. Papst Pius V. war beispielsweise ein Mitglied der Inquisition im 16. Jahrhundert). Zweitens verhielt es sich so, dass die Inquisitoren sehr vorsichtig mit Anschuldigungen umgingen, die Anzeichen von Verleumdung oder Unwahrheit trugen.

Schauen wir uns beispielsweise die Verfahren wegen Zauberei an, deren Höhepunkt in Europa im 16. und 17. Jahrhundert zu finden ist, als das „abergläubische Mittelalter“ bereits der Vergangenheit angehörte. Es ist eine dokumentierte Tatsache, dass die spanische Inquisition das ganze 16. Jahrhundert hindurch sehr vorsichtig mit Anschuldigungen wegen Zauberei gegen Frauen umging. Im Jahre 1614 führten die höchsten Stellen der Inquisition (die sogenannten Suprema) die offizielle Instruktion bezüglich der Verfahren wegen Zauberei ein. Diese Instruktion forderte eine weitgehende Vorsicht in diesen Fragen. Sie empfahl vor allem, dass „man zunächst die Angeklagten untersuchte, um festzustellen, ob diese bei klarem Verstand, beherrscht oder melancholisch seien.“ Man kann sagen, dass die Haltung der spanischen Inquisition eine Wiederholung der Meinung des Bischofs von Chartres, Johannes von Salisbury, war, der im 12. Jahrhundert in Bezug auf die „Hexenprozesse“ sagte: „Das beste Arzneimittel gegen diese Krankheit ist das Festhalten am Glauben, man darf den Lügen keinen Glauben schenken und diesen erbarmungswürdigen Tollheiten keine Beachtung schenken“.

G. Kucharczyk

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Veröffentlicht mit Zustimmung des "Liebt einander!" im Februar 2016.



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