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Autor: editorial staff, Während seiner apostolischen Reise nach Bayern im Jahre 2006 richtete Papst Benedikt XVI. einige sehr wichtige Botschaften an alle Menschen in Deutschland. Er dankte Gott für seine Heimat und all diejenigen Menschen, die sie zu dem gemacht haben, was sie für ihn bedeutet. Bei der Heiligen Messfeier in München am 10. September 2006 sagte der Papst: „Zunächst möchte ich Euch alle noch einmal ganz herzlich begrüßen: Ich freue mich – und durfte es schon sagen –, dass ich wieder einmal bei Euch sein darf, mit Euch Gottesdienst feiern darf; dass ich noch einmal die vertrauten Stätten besuchen kann, die mein Leben geprägt, mein Denken und Fühlen geformt haben; die Orte, an denen ich glauben und leben gelernt habe. Es ist eine Gelegenheit, all den vielen Lebenden und Verstorbenen zu danken, die mich geführt haben und die mich begleitet haben. Ich danke Gott für diese schöne Heimat und für die Menschen, die sie mir zur Heimat gemacht haben“. 1. Taub für GottDer hl. Vater stellte fest, dass ein großes Problem unserer Zeit die geistige „Schwerhörigkeit“ des modernen Menschen Gott gegenüber ist:
„Es gibt nicht nur die physische Gehörlosigkeit, die den Menschen weitgehend vom sozialen Leben abschneidet. Es gibt eine Schwerhörigkeit Gott gegenüber, an der wir gerade in dieser Zeit leiden. Wir können Ihn einfach nicht mehr hören – zu viele andere Frequenzen haben wir im Ohr. Was über Ihn gesagt wird, erscheint vorwissenschaftlich, nicht mehr in unsere Zeit hereinpassend. Mit der Schwerhörigkeit oder gar Taubheit Gott gegenüber verliert sich natürlich auch unsere Fähigkeit, mit Ihm und zu Ihm zu sprechen. Auf diese Weise aber fehlt uns eine entscheidende Wahrnehmung. Unsere inneren Sinne drohen abzusterben. Mit diesem Verlust an Wahrnehmung wird der Radius unserer Beziehung zur Wirklichkeit überhaupt drastisch und gefährlich eingeschränkt. Der Raum unseres Lebens wird in bedrohlicher Weise reduziert.“
„Das Evangelium lädt uns ein, wieder zu erkennen, dass es bei uns ein Defizit in unserer Wahrnehmungsfähigkeit gibt – einen Mangel, den wir zunächst gar nicht als solchen spüren, weil ja alles andere sich durch seine Dringlichkeit und Einsichtigkeit empfiehlt; weil ja scheinbar alles normal weitergeht, auch wenn wir keine Ohren und Augen mehr für Gott haben und ohne Ihn leben. Aber geht es wirklich einfach so weiter, wenn Gott in unserem Leben, in unserer Welt ausfällt?“
2. Lernen wir, ehrfürchtig vor Gott zu sein„Die Völker Afrikas und Asiens bewundern zwar die technischen Leistungen des Westens und unsere Wissenschaft, aber sie erschrecken vor einer Art von Vernünftigkeit, die Gott total aus dem Blickfeld des Menschen ausgrenzt und dies für die höchste Art von Vernunft ansieht, die man auch ihren Kulturen beibringen will. Nicht im christlichen Glauben sehen sie die eigentliche Bedrohung ihrer Identität, sondern in der Verachtung Gottes und in dem Zynismus, der die Verspottung des Heiligen als Freiheitsrecht ansieht und Nutzen für zukünftige Erfolge der Forschung zum letzten Maßstab erhebt. Liebe Freunde! Dieser Zynismus ist nicht die Art von Toleranz und von kultureller Offenheit, auf die die Völker warten und die wir alle wünschen. Die Toleranz, die wir dringend brauchen, schließt die Ehrfurcht vor Gott ein – die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist. Diese Ehrfurcht vor dem Heiligen der anderen setzt aber wiederum voraus, dass wir selbst die Ehrfurcht vor Gott wieder lernen. Diese Ehrfurcht kann in der westlichen Welt nur dann regeneriert werden, wenn der Glaube an Gott wieder wächst, wenn Gott für uns und in uns wieder gegenwärtig wird. Wir drängen unseren Glauben niemandem auf: Diese Art von Proselytismus ist dem Christlichen zuwider. Der Glaube kann nur in Freiheit geschehen. Aber die Freiheit der Menschen, die rufen wir an, sich für Gott aufzutun; Ihn zu suchen; Ihm Gehör zu schenken. Wir, die wir hier sind, bitten den Herrn von ganzem Herzen, dass er wieder sein Ephata zu uns sagt; dass er unsere Schwerhörigkeit für Gott, für Sein Wirken und Sein Wort, heilt und uns sehend und hörend macht. Wir bitten ihn, dass Er uns hilft, wieder das Wort des Gebetes zu finden, zu dem Er uns in der Liturgie einlädt und dessen ABC Er uns im Vaterunser gelehrt hat.
Die Welt braucht Gott. Wir brauchen Gott. Welchen Gott brauchen wir? In der ersten Lesung sagt der Prophet zu einem unterdrückten Volk: ‘Die Rache Gottes wird kommen’ (vgl. 35,4). Wir können uns gut ausdenken, wie die Menschen sich das vorgestellt haben. Aber der Prophet selber sagt dann, worin diese Rache besteht, nämlich in der heilenden Güte Gottes. Und die endgültige Auslegung des Prophetenwortes finden wir in dem, der für uns am Kreuz gestorben ist – in Jesus, dem menschgewordenen Sohn Gottes, der uns hier so eindringlich anschaut. Seine Rache ist das Kreuz: das Nein zur Gewalt, die Liebe bis zum Ende. Diesen Gott brauchen wir. Wir verletzen nicht den Respekt vor anderen Religionen und Kulturen, wir verletzen nicht die Ehrfurcht vor ihrem Glauben, wenn wir uns laut und eindeutig zu dem Gott bekennen, der der Gewalt sein Leiden entgegengestellt hat; der dem Bösen und seiner Macht gegenüber als Grenze und Überwindung sein Erbarmen aufrichtet. Ihn bitten wir, dass Er unter uns sei und dass Er uns helfe, Ihm glaubwürdige Zeugen zu sein. Amen.”
3. Lernen wir wieder, die Nähe Gottes zu entdecken und mit Ihm im Gebet in Kontakt zu tretenDer Papst macht uns bewusst, dass Gott „(…) nicht weit weg von uns (ist), irgendwo im fernen Weltraum, wo niemand hinkommen kann. Er hat sein Zelt aufgeschlagen bei uns: In Jesus ist Er einer von uns geworden, mit Leib und Seele wie wir. Das ist sein Zelt. Und Er ist bei der Himmelfahrt nicht irgendwohin weit weggegangen. Sein Zelt, Er selbst mit Seinem Leib als einer von uns bleibt bei uns. Wir können Du zu Ihm sagen, mit Ihm reden. Er hört auf uns, und wenn wir aufmerksam sind, hören wir auch, dass Er Antworten gibt.“
„Gott groß machen, dass heißt, Ihm Raum geben in der Welt, im eigenen Leben, Ihn einlassen in unsere Zeit und in unser Tun – dies ist das tiefste Wesen des rechten Betens. Wo Gott groß wird, wird der Mensch nicht klein: Da wird auch der Mensch groß, und die Welt wird hell.“
„Der verborgene Schatz, das Gut über alle Güter, ist das Reich Gottes – ist Er selbst, das Reich in Person. In der heiligen Hostie ist Er da, der wahre Schatz, für uns immer zugänglich. Im Anbeten dieser Seiner Gegenwart lernen wir erst, Ihn recht zu empfangen – lernen wir das Kommunizieren, lernen wir die Feier der Eucharistie von innen her. Ich darf dazu ein schönes Wort von Edith Stein, der heiligen Mitpatronin Europas, zitieren, die in einem Brief geschrieben hat: ‘Der Herr ist im Tabernakel gegenwärtig mit Gottheit und Menschheit. Er ist da, nicht Seinetwegen, sondern unseretwegen: weil es Seine Freude ist, bei den Menschen zu sein. Und weil Er weiß, dass wir, wie wir nun einmal sind, Seine persönliche Nähe brauchen. Die Konsequenz ist für jeden natürlich Denkenden und Fühlenden, dass er sich hingezogen fühlt und dort ist, sooft und solange er darf‚ (Gesammelte Werke VII, 136f). Lieben wir es, beim Herrn zu sein. Da können wir alles mit ihm bereden. Unsere Fragen, unsere Sorgen, unsere Ängste. Unsere Freuden. Unsere Dankbarkeit, unsere Enttäuschungen, unsere Bitten und Hoffnungen.“
4. Wer glaubt, ist niemals alleinWährend der Heiligen Messe auf dem Islinger Feld in Regensburg sagte Benedikt XVI.:
„Was glauben wir denn da eigentlich? Was ist das überhaupt, Glaube? Kann es das eigentlich noch geben in der modernen Welt?“
Der Glaube ist keine Theorie„Der Glaube ist einfach. Wir glauben an Gott – an Gott, den Ursprung und das Ziel menschlichen Lebens. An den Gott, der sich auf uns Menschen einlässt, der unsere Herkunft und unsere Zukunft ist. So ist Glaube immer zugleich Hoffnung, Gewissheit, dass wir Zukunft haben und dass wir nicht ins Leere fallen. Und der Glaube ist Liebe, weil Gottes Liebe uns anstecken möchte. Das ist das Erste: Wir glauben einfach an Gott, und das bringt mit sich auch die Hoffnung und die Liebe. Als zweites können wir feststellen: Das Glaubensbekenntnis ist nicht eine Summe von Sätzen, nicht eine Theorie. Es ist ja verankert im Geschehen der Taufe – in einem Ereignis der Begegnung von Gott und Mensch. Gott beugt sich über uns Menschen im Geheimnis der Taufe; er geht uns entgegen und führt uns so zueinander. Denn Taufe bedeutet, dass Jesus Christus uns sozusagen als seine Geschwister und damit als Kinder in die Familie hinein adoptiert. So macht Er uns damit alle zu einer großen Familie in der weltweiten Gemeinschaft der Kirche. Ja, wer glaubt, ist nie allein. Gott geht auf uns zu. Gehen auch wir Gott entgegen, dann gehen wir aufeinander zu!“
Wir brauchen unseren Glauben nicht zu verstecken„Wir glauben an Gott. Das ist unser Grundentscheid. Aber nun noch einmal die Frage: Kann man das heute noch? Ist das vernünftig? Seit der Aufklärung arbeitet wenigstens ein Teil der Wissenschaft emsig daran, eine Welterklärung zu finden, in der Gott überflüssig wird. Und so soll er auch für unser Leben überflüssig werden. Aber sooft man auch meinen konnte, man sei nahe daran, es geschafft zu haben – immer wieder zeigt sich: Das geht nicht auf. Die Sache mit dem Menschen geht nicht auf ohne Gott, und die Sache mit der Welt, dem ganzen Universum, geht nicht auf ohne Ihn. Letztlich kommt es auf die Alternative hinaus: Was steht am Anfang: die schöpferische Vernunft, der Schöpfergeist, der alles wirkt und sich entfalten lässt oder das Unvernünftige, das vernunftlos sonderbarerweise einen mathematisch geordneten Kosmos hervorbringt und auch den Menschen, seine Vernunft. Aber die wäre dann nur ein Zufall der Evolution und im letzten also doch auch etwas Unvernünftiges. Wir Christen sagen: Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde – an den Schöpfer Geist. Wir glauben, dass das ewige Wort, die Vernunft am Anfang steht und nicht die Unvernunft. Mit diesem Glauben brauchen wir uns nicht zu verstecken, mit ihm brauchen wir nicht zu fürchten, uns auf einem Holzweg zu befinden. Freuen wir uns, dass wir Gott kennen dürfen, und versuchen wir, auch anderen die Vernunft des Glaubens zugänglich zu machen, wie es der heilige Petrus den Christen seiner Zeit und so auch uns ausdrücklich in seinem ersten Brief aufgetragen hat. (1 Petr 3, 15).“
Gott mit menschlichem Antlitz„Wir glauben an Gott. Das stellen die Hauptteile des Glaubensbekenntnisses heraus, und das betont besonders der erste Teil davon. Aber nun folgt sofort die zweite Frage: An welchen Gott? Nun, eben an den Gott, der Schöpfergeist ist, schöpferische Vernunft, von der alles kommt und von der wir kommen. Der zweite Teil des Glaubensbekenntnisses sagt uns mehr. Diese schöpferische Vernunft ist Güte. Sie ist Liebe. Sie hat ein Gesicht. Gott lässt uns nicht im Dunklen tappen. Er hat sich gezeigt als Mensch. So groß ist Er, dass Er es sich leisten kann, ganz klein zu werden. ‘Wer mich sieht, sieht den Vater‚, sagt Jesus (Joh 14, 9). Gott hat ein menschliches Gesicht angenommen. Er liebt uns bis dahin, dass Er sich für uns ans Kreuz nageln lässt, um die Leiden der Menschheit zum Herzen Gottes hinaufzutragen. Heute, wo wir die Pathologien und die lebensgefährlichen Erkrankungen der Religion und der Vernunft sehen, die Zerstörungen des Gottesbildes durch Hass und Fanatismus, ist es wichtig, klar zu sagen, welchem Gott wir glauben und zu diesem menschlichen Antlitz Gottes zu stehen. Erst das erlöst uns von der Gottesangst, aus der letztlich der moderne Atheismus geboren wurde. Erst dieser Gott erlöst uns von der Weltangst und von der Furcht vor der Leere des eigenen Daseins. Erst durch das Hinschauen auf Jesus Christus wird die Freude an Gott voll, wird zur erlösten Freude.“
Vor dem letzten Gericht„Der zweite Teil des Bekenntnisses schließt mit dem Ausblick auf das Letzte Gericht und der dritte mit dem der Auferstehung der Toten. Gericht – wird uns da nicht doch wieder Angst gemacht? Aber wollen wir nicht alle, dass einmal all den ungerecht Verurteilten, all denen, die ein Leben lang gelitten haben und aus einem Leben voller Leid in den Tod gehen mussten, dass ihnen allen Gerechtigkeit widerfährt? Wollen wir nicht alle, dass am Ende das Übermaß an Unrecht und Leid, das wir in der Geschichte sehen, sich auflöst; dass alle am Ende froh werden können, dass das Ganze Sinn erhält? Diese Herstellung des Rechts, diese Zusammenfügung der scheinbar sinnlosen Fragmentstücke der Geschichte in ein Ganzes hinein, in dem die Wahrheit und die Liebe regieren: das ist mit dem Weltgericht gemeint. Der Glaube will uns nicht angst machen, aber er will uns zur Verantwortung rufen. Wir dürfen unser Leben nicht verschleudern, nicht missbrauchen, es nicht einfach für uns selber nehmen; Unrecht darf uns nicht gleichgültig lassen, wir dürfen nicht seine Mitläufer oder sogar Mittäter werden. Wir müssen unsere Sendung in der Geschichte wahrnehmen und versuchen, dieser unserer Sendung zu entsprechen. Nicht Angst, aber Verantwortung – Verantwortung und Sorge um unser Heil, um das Heil der ganzen Welt ist notwendig. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen. Wenn aber Verantwortung und Sorge zu Angst werden möchten, dann erinnern wir uns an das Wort des heiligen Johannes: ‘Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Anwalt beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten‚ (1 Joh 2, 1). ‘Wenn unser Herz uns auch verurteilt – Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles‚ (1 Joh 3, 20).“
Veröffentlicht im November 2010.
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